Verschickungskinder legen hier ZEUGNIS ab
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH schmerzhafte Erfahrung mit der Verschickung in Kindererholungsheime, Kinderkurheime und Kinderheilstätten eingetragen, die in der Regel 6 Wochen Alleinunterbringung in einem weit entfernten Kurort zur Luftveränderung bedeuteten. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil einer Selbsthilfe von ehemaligen Verschickungskindern, die die Verschickungen in diese Kureinrichtungen schmerzhaft, angstvoll und gewalttätig erlebt haben. Die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Auch positive Erinnerungen können geschildert werden, es ist wichtig zu wissen, was den Kindern und wer ihnen mglw. geholfen hat. Auch diejenigen, die im Gebiet der „neuen Bundesländer“ (einschließlich DDR-Zeit) in die bisher 130 Kinderkurheime (Liste bisher noch unvollständig) verbracht worden sind, haben die Möglichkeit hier Zeugnis abzulegen.
Alle Geschichten dienen der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Diejenigen, die uns kontaktieren und Teil unseres Selbsthilfe-Netzwerks werden wollen: Wir organisieren uns in HEIMORTGRUPPEN zum Erinnerungsaustausch, und sind dann den Bundesländern zugeordnet. Gern könnt ihr mit anderne Heimortgruppen aufmachen oder in eine schon bstehende eintreten. Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch proaktiv selbst zuzugehen, deshalb hier die folgenden Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei vorstandsmitglied-fuer-vernetzung@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und Genehmigung der Initiative Verschickungskinder e.V. oder des AEKV e.V. zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Es erschien mir alles wie ein Gefängnis, ein Erziehungsheim/Waisenhaus im schlechtesten Sinne. Zuhause angekommen, war meine Mutter schockiert und hat sich bei dem Sozialdienst der Post beschwert, was erfolglos blieb.
auch ich war auf Langeoog, ca 1969.Das Heim wurde von Nonnen geführt, soweit ich mich erinnere. Man durfte nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette (ich war damals 5 Jahre alt) und wenn man nachts im großen Schlafsaal auf die zur Verfügung gestellten Pipitöpfchen ging und man „groß“ machte, wurde man bestraft. Die Post, die man diktierte, da ich noch nicht schreiben konnte, wurde anders nieder geschrieben. Das Essen war einfach nur widerlich und musste immer aufgegessen werden. Als ich vor Heimweh krank wurde, hat man mich isoliert und auf ein Einzelzimmer verfrachtet. Nach 6 Wochen „Kur“ kam ich wieder nach Hause und habe meine Mutter eine lange Zeit nur noch Tante genannt.
Ich war tatsächlich eine "schwierige" Esserin und ernährte mich – wie viele Kinder – hauptsächlich von Brot, Reis, Kartoffelbrei, Nudeln und Bananen. Als meine Eltern mich ins Heim brachten, gab es gerade so etwas wie einen Nachmittagssnack. Wir nahmen ihn in einem Extrazimmer neben dem Speisesaal ein. Weil mir von warmer Milch (mit Haut) schlecht wurde, fragten meine Eltern, ob man mir vielleicht immer ein bisschen Kakao in die Milch tun könnte. Die Tanten versprachen lächelnd, dass das natürlich möglich wäre. Am nächsten Tag war natürlich kein Kakao in der Milch und ich wurde ausgelacht, weil ich mir einbildete, ich könnte Extrawünsche anmelden.
In meinem Schlafsaal war ein Mädchen mit Asthma untergebracht, das nachts oft keine Luft bekam, was uns große Angst machte, weil wir nicht wussten, wie wir helfen konnten.
Morgens wurden wir geweckt, mussten uns im Schlafanzug im Flur vor dem Essenwagen aufstellen und bekamen einen großen Teller voll schleimiger Haferflockensuppe (sonntags mit Kakao), der ganz aufgegessen werden musste, sonst gab es Ärger.
Weil ich es mittags oft nicht schaffte, das Essen – in der Regel Kohl und zähes, fettes Fleisch – aufzuessen, musste ich zur Strafe stundenlang, teilweise gefühlt bis zum Abend, alleine im Speisesaal vor meinem Teller sitzen bleiben, bis ich mir das Essen doch irgendwie reingezwungen hatte oder es so spät war, dass ich befreit werden musste.
Sämtliche Päckchen von Zuhause wurden konfisziert und der Inhalt in einer großen Schublade unten im Schrank in einer Art Schulzimmer (?) aufbewahrt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir die Süßigkeiten jemals bekommen haben. Das Argument war natürlich, dass es sonst den anderen gegenüber ungerecht wäre, die nichts oder weniger bekamen.
Nach dem Mittagessen Liegekur an der frischen Luft draußen auf der Terrasse. Fest in eine Wolldecke eingewickelt, mussten wir mucksmäuschenstill sein und warten, bis die Zeit um war.
Die täglichen Spaziergänge zur Ertüchtigung waren okay, weil ich da das Gefühl hatte, halbwegs frei sein zu können, obwohl wir natürlich immer in der Gruppe bleiben und singend lange Strecken zurücklegen mussten. Als wir einmal durch den Wald hinter dem Haus zurückkamen, hatte ich mir wie ein chinesischer Kuli einen Stock über die Schultern gelegt und ließ die Hände darüber hängen. Ich bin gestolpert, hingefallen und auf eine Wurzel geknallt, weil ich mich nicht abfangen konnte. Die Kopfwunde blutete stark, aber ich kam nicht ins Krankenhaus oder zum Arzt und meine Eltern wurden auch nicht benachrichtigt. Ich nehme aber an, dass die Verletzung schon relativ schwer war, weil ich an der Stelle an der Stirn bis heute eine knochige Verhärtung habe.
Abends mussten wir uns in Unterhose in langer Reihe vor dem Untersuchungszimmer aufstellen, wo wir irgendwelche Tabletten bekamen und gewogen wurden. Ich erinnere mich an einen Jungen, der schluchzend auf der Liege saß und ein großes Glas Rahm austrinken musste. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
Ich war so kreuzunglücklich, dass die Heimleitung mich eines Tages ins Büro holte und sagte, man hätte meine Eltern angerufen, sie würden mich heute abholen. Ich sehe noch vor mir, wie ich vor dem Haus auf der Schaukel saß und auf sie wartete. Sie kamen nicht. Am Abend sagte man mir, sie hätten mich wohl vergessen. Danach blieb ich noch mehrere Wochen im Heim.
Einige Zeit war ich mit Röteln in einem kleinen Einzelzimmer unter dem Dach in Quarantäne untergebracht. Die Krankenschwester hatte eine Behinderung, die dazu führte, dass ihr Kopf stark zur Seite geneigt war und sie ihn nicht gerade halten konnte. Ich kann mir vorstellen, dass sie deswegen vielleicht gehänselt worden ist, jedenfalls hasste sie Kinder noch mehr als die anderen. Während ich oben auf der Krankenstation war, gab es einmal Sauerkraut, von dem ich mich übergeben musste. Diese Schwester zwang mich, das Hochgewürgte und den Rest auf dem Teller aufzuessen. Ansonsten war ich, glaube ich, froh, dort oben allein zu sein und meine Ruhe zu haben.
Was die Zeit im Kinderheim für mich zusätzlich traumatisch machte, war die Tatsache, dass meine Eltern mir, als ich endlich wieder zu Hause war, nicht glaubten, was passiert war, sondern mir unterstellten, ich würde mich wichtig machen wollen. Ich hatte den Drang, immer wieder davon zu erzählen, was für die Familie sicher auf Dauer nervig war. Die Reaktion war dann jedesmal Lachen und: »Ooooh nein, Kata und ihre Kinderheimgeschichten wieder!«
Umso erleichternder ist es für mich, diese Seite gefunden zu haben und bestätigt zu bekommen, dass ich mir das alles nicht ausgedacht oder künstlich aufgebauscht habe, sondern dass es Tausende von Kindern gab, die alle dasselbe erleben mussten …
Kann sich jemand an das Sterntaler Bild erinnern oder den genauen Namen. Es war eine Burg (ich meine Rabenstein oder so ähnlich) und es wurde die Geschichte erzählt vom Burgherrn, der mit Fingerhut vergiftet wurde. Es hing ein Bild von ihm an der Wand, das einen angestarrt hat, egal, wo man sich im Raum befand. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern
Ich war Anfang der 70iger Jahre, weil ich zu dünn und blass war, irgendwo im Taunus? Ich bin mir da nicht so sicher. Jedenfalls hatte ich schon sehr früh mitbekommen, dass man sich "artig" zu verhalten hatte. In einem für mich vertrauensvollen Moment, als eine junge Frau mir nach dem Toilettengang die Hose zugeknöpft hat, weil ich dazu noch zu klein war, habe ich geweint und ihr erzählt, dass ich großes Heimweh habe. Sie ist sofort zur Direktorin gelaufen und hatte es ihr erzählt. Daraufhin wurde mir mein Koffer gepackt, die Tür weit aufgerissen, meine Jacke usw. angezogen (es war tiefster Winter) und mir gesagt, dann sollte ich doch gehen. Ich habe bitterlich geweint und habe darum gebeten, dass ich bleiben darf und ich wieder artig sein wollte. Es waren schlimme Zeiten. Vergessen habe ich auch nicht das weiße Dachzimmer mit den Stahlbetten. Unsere Süßigkeiten haben wir immer dahinter versteckt.
Kein Besuch der Eltern und das über Weihnachten!!!!!
Erbrochenes essen, Schläge,ohne Decke auf der Bank schlafen, Demütigungen vor den anderen, Kontaktverbot zum Bruder, verschimmeltes Brot, Konfiszierung von Geld/Briefen/geschickten Dingen, nicht weinen dürfen usw...
War irgendjemand Mitte der 60er auf Langeoog? Aufenthalt wurde damals über die BEK finanziert.
Ich finde/weiß den Namen des Heims nicht, wurde von der Inneren Mission geführt.
Entweder Haus Sonnenschein, oder Bethanien....
auch ich habe an einen Aufenthalt im Schloss am Meer schreckliche Erinnerungen, Zeitraum ca. 1986 oder 1987.
Strenge herrschte auch zu der Zeit noch sehr, wenngleich auch wohl nicht mehr ganz so extrem wie wohl noch Ende der Siebziger. Dennoch habe ich keine schönen Erinnerungen an diese längsten 6 Wochen meines Lebens.
Leider ist vieles schon verblasst, aber da ist zum Einen VIEL Geschimpfe, das Beschlagnahmen von zugeschickten Süßigkeiten (abends wurde entweder jedem Kind oder nur jedem artigen Kind eine kleine Süßigkeit auf die schmale Holzleiste der Vertäfelung über den Betten gelegt) und dann noch das Strafpunktesystem mit einem "X" für schlechtes Benehmen und einem ○ für gutes Benehmen (z.B. leise sein während der Mittagsruhe). Ich meine auch, mich zu erinnern, dass man für drei ○ eine halbe Stunde fernsehen durfte. Was bei drei "X" passierte weiß ich nicht mehr. Auch an scheußliches Essen erinnere ich mich, besonders an einen ekelhaften Karottenkuchen (kann ich bis heute nicht essen), den ich gezwungen war ,aufzuessen. Die Zuteilung von etwa 2 DM Taschengeld für den Aufenthalt in der Fußgängerzone hab ich auch noch im Kopf. Und einen Sandburgenwettbewerb bei dem mein "Team" disqualifiziert wurde, weil ich ein kleines Stückchen Lehm aus dem Meer zur Zierde an die Seite der Burg gedrückt hatte. Eine gruselige Erinnerung ist noch, dass damals direkt neben dem Heim wohl eine Anstalt, respektive psychiatrische Klinik, lag (so sagt es jedenfalls mein Gedächtnis), ich war irgendwie beim Spielen im Garten an den Grundstückszaun gelaufen und auf einmal stand da ein Mann (Kindergedächtnis: ein Irrer ?) und starrte mich an. Brrrrr ! Ob die wöchentlichen Briefe und Karten damals noch zensiert wurden weiß ich leider nicht. Aber ich war heilfroh, diesen Ort endlich wieder zu verlassen.
1972 schickten mich meine Eltern (auf dringendes Anraten der Krankenkasse: „das ist das beste für ihr Kind!“) 6 Wochen lang (über meinen 6. Geburtstag) in einem „Kindererholungsheim“ nach Bad Oeyenhausen. Bei der Anreise wurde ich am Bahnhof an fremde Personen übergeben, alle Kinder bekamen ein gleiches Halstuch und ab ging die Post.
Im „Kinderkurheim“ hatte ich großes Heimweh, was durch diverse Zwänge und meistens sehr strengen, unfreundlichen Umgang der „Tanten“ noch verschlimmert wurde. Mit dem Essen sollten wir „aufgepäppelt“ werden, mussten dazu aber immer „aufessen“ und viele Dinge essen, gegen die ich bis heute noch Abscheu habe, z.B. Haferschleim. Waschen und Duschen fand in großen Gemeinschaftsbädern statt, die großen Kinder haben die kleinen oft geärgert, wogegen die Betreuerinnen nichts unternommen haben. Tägliches Wandern in Zweierreihen und immer wieder singen, vor allem „Ein Jäger aus Kurpfalz“ (das Lied finde ich bis heute schrecklich!)
Zwei Erlebnisse haben sich aber ganz besonders in meinen Erinnerungen eingebrannt: Vor lauter Heimweh hatte ich eines nachts eingenässt, auf mein (weinendes) Bitten hin wurde das Bett nicht frisch gemacht, ich musste die ganze Nacht frierend darin verbringen, damit das bloß nicht nochmal passiert.
Zu meinem 6. Geburtstag wollte mein Vater mich besuchen, er hatte meinen neuen, roten Schulranzen dabei, mit Süßigkeiten. Die Süßigkeiten wurden herausgenommen, zur Verteilung an alle Kinder, aber mein Vater wurde mit samt dem Ranzen wieder weggeschickt und wir durften uns nicht sehen. Wahrscheinlich hätte ich mich so stark an ihm festgeklammert, dass er mich hätte „befreien“ und mitnehmen müssen!
Meine Eltern haben mich danach nie mehr zur „Kindererholung“ geschickt.
es müsste ein Zufall sein, wenn Du die drei- bis vierjährige Gabriele aus meinem Schwarzwaldaufenthalt im Frühjahr 1966 sein solltest...ein blondes Mädchen mit einem auffallenden Haarwirbel vorne rechts. Ich habe einige Erinnerungen an die Zeit und auch ein Foto. Wenns passt...
ich kenne das Kinderkurheim, ich war im Herbst 1980 dort und habe, wie Deine Schwester auch, meinen 6. Geburtstag dort gefeiert. Ich erinnere mich kaum noch, nur an einzelne Segmente. Meine Mutter kann mir nicht dazu sagen, alte Postkarten gibt es noch von "Tante Christel", die meiner Mutter eine Karte geschrieben hat und zwei Karten meiner Mutter an mich. Magst Du mir mehr darüber erzählen? Ich kämpfe seit meiner Kindheit mit Geistern aus der Vergangenheit, kenne aber den Grund nicht.
bin auf der Suche nach Leuten die auch 1958 oder 1959 im Kinderheim am Königssee (in unmittelbarer Nähe der Jenner-Bergbahn) waren. Ging damals von der BEK aus. (fcnforever@tutanota.com)
Euch allen viel Kraft. Wir sind nicht alleine!
wie schrecklich ist unsere Geschichte wirklich. Langsam und schnell zugleich erinnere ich mich auch, bin über 60 und weiß noch nicht genau, wo ich in der Verschickung war.
Danke für Eure offenen Worte. Ich bin schockiert über meine Erinnerungen und über diese Erfahrungen, das gehört sicher dazu.
Mindestens 74 000 betroffene Menschen gehören zu denjenigen, die das überlebt haben, manche waren sehr jung.
Viele schreiben dazu, wir sind nicht allein.
Alles Gute und liebe Grüße
ich war 1982 in Westerland in einem Verschickungsheim, für 4 Wochen, Grund Keuchhusten. Ich war damals 4 Jahre alt.
Meine Erinnerungen an diese Zeit sind auch sehr schlecht. Die Strenge, der tägliche Mittagsschlaf, Kontaktverbot zu den Eltern. Ich musste ständig weinen. Um mich ruhig zu stellen, wurde mir gesagt, daß meine Eltern mich abholen. So habe ich tagelang auf sie, alleine im Treppenhaus, gewartet. Ständig wurde gesagt sie kommen heute, ich soll halt warten.
An die Strandspaziergänge in zweier Reihe singend kann ich mich auch noch erinnern.
Mein ganzes Leben wurde durch diesen Aufenthalt geprägt. Ich war nach der Rückkehr ein anderes Kind. Seitdem habe ich bis heute Ängste und körperliche Beschwerden ohne klare Ursache und bin in Psychotherapie.
Wenn man sich jedoch den Film "Elternschule" anschaut, sieht man auch heute noch Ausläufer schwarzer Pädagogik in der gezeigten Klinik in Gelsenkirchen. Und offensichtlich fehlt einem Teil der Bevölkerung hier immer noch das Problembewusstsein.
das war wohl in SCHWARZERDEN, teilweise noch Holzbarracken
in Betrieb, Beheizung mit Holz und Briketts.
Ich war dort auch vor der Einschulung ca. Sommer 1966.
Es soll Kinderheime gegeben haben, wo man einfach die alten Formulare
weiter verwendet hat: Lagerkommandant durchgestrichen und Heimleitung
drunter geschrieben....
Meine Erziehung(siehe mein Kommentar oben) der martialisch geführte,
katholische Kindergarten, das Prügeln des Vaters hin zum GOTTESDIENST, usw.
Aber sie haben es Alle nicht geschafft, mich ganz zu zerbrechen,bin
heute von jeglichem Glauben befreit, auch von dem an die Menschheit !
und damit kann ich als Nicht- Herdentier ganz gut leben.
Grüße
ca. 1967 war ich (7) im Kinderheim Haus Goltermann in Nieblum auf Föhr,
es fuhr dorthin eine 01- Dampflok mit Ölfeuerung, mein damaliges Hobby.
Erinnerungen sind nur noch schemenhaft, morgens nackt mit Gartenschlauch eiskaltes Wasser, dadurch keine Luft mehr bekommen, straffe Führung, lange Märsche in der Sommerhitze, Heimweh, Ohrfeigen. O.K. manchmal war ich auch frech. Briefe an die Eltern durften nicht zugeklebt werden, meine sind aber komplett angekommen. Hab mich dort gelegentlich in einem Schuppen versteckt, gab Streß, und bei Abreise hab ich ein altes Buch von Louis Trenker mitgehen lassen, quasi als selbst gewählte Entschädigung...
Wenn man schon zu Hause streng erzogen wird, z.B. zur Strafe Knien vor dem heißen Heizkörper bei abgeschlossenem Zimmer mit Zwischzenkontrollen, ob man noch kniet !!! und Angst vor dem Vater hat, ist der Unterschied zur Qualität eines Kinderheims, für einen kleinen Jungen nicht so leicht zu beurteilen. Etwaig ist es eine Art Ergänzung zur Erziehung oder deren Fortsetzung gewesen.
Ca. 1974 wurde ich ins Kinderheim Köhlbrand (St.Peter-Ording) verschickt. Von einer gewissen "Zucht und Ordnung" o.k. kleiner Scherz,
abgesehen, war das dort sehr schön, sogar für die Fußballweltmeisterschaft wurde extra ein Fernseher beschafft.
Die haben sich dort wirklich viel Mühe gegeben, das muß auch erwähnt werden.
Ob ich im Goltermann bleibende Schäden erhalten habe kann ich nicht
beurteilen, das Leben entwickelt ein Gesamtbild aus dem einzelne Bausteine nur schwer zur Beurteilung herauslösbar sind.
Wünsche Allen, die viel Schlimmeres erlebt haben wirklich Alles Gute
und viel Gesundheit.
Beispiele: Ich fand eine Freundin am Esstisch und setzte mich zu ihr. An den Haaren ziehend, wurde ich zurück an meinen Platz gesetzt. Die Bekanntschaft mit der Sauna war grausam, weil wir uns in eine lange Schlange stellen mussten zum Abduschen, es war so kalt! Jeden Abend hab ich mich vor Heimweh in den Schlaf geweint. Gingen wir wandern, mussten wir alle singen. "Im Frühtau zu Berge" - der Negativ-Anker bis heute schlechthin. Das Essen musste aufgegessen werden, Erbrochenes selbst aufgewischt werden, mindestens. Ich flehte Kinder an, die schreiben konnten, dass sie meinen Eltern eine Postkarte schreiben, Um mich da sofort rauszuholen. Das hat leider nicht funktioniert. Der Zeitgeist war auch leider so, dass Kinder nicht viel wert waren.
Dieses Gemisch hat mich sehr sensibel werden lassen, doch hab ich einen ebenso ausgeprägten Kampfgeist entwickelt und bin meinen Weg gegangen als selbstständige Frau und Gewerkschafterin. Ich begrüße es sehr, dass diese menschenfeindlichen Praktiken ans Tageslicht geholt werden! Danke.
Das Gruppenbild am Anfang dieser Website mit den 2 Frauen und den Kindern, die Dame mit den schwarzen Haaren habe ich sofort wieder erkannt. Die muss 1965 noch da gewesen sein. Wir waren im Hallenbad und ich konnte nicht schwimmen. Bin wohl etwas ins tiefe Wasser geraten und dabei fast ertrunken. Sie hat es Gott sei Dank bemerkt und mich raus gefischt und mir quasi das Leben gerettet. Damals gab es keine Schwimmflügel. Weiß zufällig jemand, der auch in diesem Kinderkur heim auf Norderney war, wie diese Dame hieß? Ich wurde von Lünen/NRW aus verschickt. In Dortmund am Hauptbahnhof bekamen wir alle blaue Halstücher um.
Genaue Angaben über Zeitraum und Heimort kann ich nur bedingt machen, weil ich mehrfach verschickt wurde Ende der 50ger/Anfang der 60ger Jahre. Eigene Recherchen brachten mich noch nicht wirklich weiter. Ich war mehrfach auf Föhr und im Raum Lübeck. Das „Schloss am Meer“ habe ich auf Fotos anderer Verschickungskinder wieder erkannt, auf einem bin ich mit abgebildet.
Es gab Blumenkohl, da waren schwarze Käferchen drin. „Stell dich nicht so an! Iss gefälligst!“
Ich habe es versucht, dann musste ich spucken. Eine sogenannte „Tante“ setzte sich neben mich und passte auf, dass ich das Erbrochene wieder aß.
Ich rutschte auf dem Po die Dünen runter. Die Kleidung wurde schmutzig.
Danach wurde ich zum Spaziergang nicht mehr mitgenommen, lag ganz allein in einem großen Zimmer mit Gitterbetten. Ich habe eingenässt – wurde geschimpft. Man hat mir die Hände am Gitter festgebunden, weil ich die Nägel abgekaut habe und mich weinend zurückgelassen.
Bei einem Heimaufenthalt wurde ich krank und über lange Zeit ganz allein in einem großen Raum gelassen. Wie lange das dauerte, weiß ich nicht. Meine Hände wurden „verbunden“, damit ich nicht Nägel kaue.
Es war ein anderes Heim, ich glaube, ich war älter. Als Kleinste in der Gruppe wollte ich den Mädchen dazu gehören: Trau dich doch!
Ich sehe den Schlafraum genau vor mir: Dort waren Holzbalken und links neben meinem Bett war ein Loch im Boden neben dem Holzbalken. Ich konnte sehen, wie die „Betreuer/innen“ unten Karten spielten, irgendwas tranken und lachten. Ich habe einen Papierknödel durchs Loch geschubst, mehr nicht.
Barfuß und nur im Nachthemd wurde ich in der Nacht in den Waschraum gestellt auf diese Holzgitter vor den Steinbecken. Ob der Waschraum im Keller war oder ebenerdig, weiß ich nicht mehr. Es fühlte sich an wie nasser, kalter Keller.
Mir wurde ein Kopfkissen über den Kopf gezogen. „Wag es nicht, dich zu rühren!“ Ich hatte furchtbare Angst, es war kalt und feucht, ich fühlte mich verlassen, es dauerte „eine Ewigkeit“.
Mit Sicherheit haben diese Erlebnisse Spuren hinterlassen.
Ein Danke an alle, die sich an der Aufarbeitung beteiligen.
Im Alter von 2 Jahren wurde bei mir Asthma diagnostiziert, daraufhin wurde ich für 3 Monate nach Scheidegg im Allgäu gebracht, ein Jahr später noch einmal, genausolang genau dorthin. Heimweh zu haben war dort verboten: weinen war verboten, das Wort „Mama“ war verboten. Meine Eltern durften mich einmal, nach 6 Wochen, besuchen: meine Mutter sprach ich dann mit Tante an, ebenso nachdem ich wieder daheim war.
Bis Abschluss der Grundschule kam ich noch 4 weitere Male in (andere) Heime, jeweils für 6 Wochen.
Heimweh im doppelten Sinn, war die ganze Kindheit und Jugend sehr stark ausgeprägt, Essenszwang und der ganze damals übliche Scheiss.
Ich war durch diese Erlebnisse ein ängstliches, schüchternes Kind ohne Selbstvertrauen, als Jugendlicher und junger Erwachsener dann extrem rebellisch. Die Erinnerungen waren natürlich verschüttet, verdrängt, und kamen erst im Erwachsenenalter in einer Therapie wieder an die Oberfläche.
Nach 4 Wochen wurde ich von den Nonnen in Emden-Außenhafen meinen
entsetzten Eltern übergeben. Ich hatte 41 Grad Fiber und brach etwa alle 15 Minuten zusammen. Die Nonnen hatten mich auf der Überfahrt durch viele Ohrfeigen wieder zum Bewusstsein erweckt.
Ich kam dann in Brake für 10 Wochen ins Krankenhaus wegen einer akuten Lungen-und Rippenfell-Entzündung. Bis zu meinem 21 Lebensjahr
musste ich jährlich zu einem Lungenfacharzt gehen, um mich röntgen zu lassen.
Als ich 1970 in den Schuldienst eintreten wollte, wurde ich wegen der Schatten auf der Lunge zunächst nicht zugelassen.
Mehr morgen.
Vg G. S.
immer wieder stolpere ich in die damalige grausige Zeit als gerade mal 4 Jährige 🙁 .
Mein Bruder(5) und ich alleine im Zug von Oldenburg nach Wangerooge...ein Gefühl,als schicke man uns ins Nirgendwo und Nimmerwiedersehen!
6 Wochen lang sah ich unter den hunderten Kindern meinen Bruder nicht wieder...Horror.
Folter,Härte,Lügen,Missbrauch und Demütigung ... und irgendwie die Kraft es zu durchstehen.
Nie wieder und nichts war(s) hinterher wie davor 🙁 .
Zum Glück hatte ich trotzdem soviel Sonne in meinem Herzen,dass mein Leben durch diese grässlichen 6 Wochen nicht dunkel wurde.
Claudia Schipper
*Danke Anja Röhl*
gut das es diese Seite gibt, liebe Frau Röhl ganz herzlichen Dank dafür.
War 1974 im Alter von 10 Jahren im Schwarzwald im Haus Sonnenberg in Bad Ripolsdsau. Habe gerade einen Artikel gelesen wo die Historie dieses Hauses gewürdigt wurde, mir ist fast schlecht geworden. War zwar kerngesund aber zu dünn. Wie bei allen anderen auch, lange Zugfahrt mit fremder Person. Als man ankam musste man sich in einem kalten Raum nackt ausziehen und vor den Augen einer Nonnen in einer eiskalten Badewanne waschen. 6 Wochen lang ellenlange Spaziergänge durch den Schwarzwald mit verodneter Mittagsruhe und Ohrfeigen wenn man während der Mittagsruhe gesprochen hat. Der Teller musste immer unter Androhung von körperlicher Gewalt leer gegessen werden. Am gleich Tisch saßen auch die zu dicken die nach stundenlangen Spaziergängen im Schwarzwald nur eine halbe Scheibe Brot zu essen bekamen. Teilweise haben wir uns ausgeholfen wenn niemand geschaut hat, es war aber immer mit einem Risiko verbunden. Bekomme heute teilweise bei Rübensirup noch Würgreize das Zeug gab es leider zum Frühstück. Der Essensraum war im Obergeschoss des Hauses. Habe mich damals sehr vor Leber geekelt, dachte mir immer wenn es Leber zum Essen gibt ist der einzige Ausweg das ich mich aus dem Fenster stürze, heute ist mir dieser Gedanke abwägig habe aber jeden Abend beim Abendessen überlegt wie ich am schnellsten zum Fenster komme. Es gab nie Leber, aber es hat mich jeden Abend beschäftigt da ich keinen anderen Ausweg sah. Teilweise habe ich die Nahrung mit Luftanhalten einfach runtergeschluckt wenn ich das Essen nicht mochte. Habe mich damals als Kind schon sehr vor Butter geekelt, einmal musste ich eine halbe Scheibe Brot essen die ca. 1cm, dick nur mit Butter bestrichen war. Habe selbst gesehen wie ein Kind das einen Apfel den es nach ein paar mal Abbeissen in einen verdeckten Mülleimer geworfen hatte, wieder herausnehmen musste und völlig verdreckt so aufessen musste. Das schlimmste war das Heimweh und die Nachrichtensperre, alle Briefe wurden zensiert, nur positive Nachrichten durften geschrieben werden. Einmal haben meine Eltern mich angerufen habe nur geweint und kein Wort rausgebracht. Meine Schilderungen nach der sogenannten Kur wurden nicht gehört. Als damals die Berichte von Misshandlungen in Einrichtungen der Katholischen Kirche hochkamen hatte ich schon überlegt noch rechtliche Schritte im Nachhinein gegen die Einrichtung zu unternehmen, habe es aber aus Zeitgründen verworfen.
Liebe Grüße an alle und gut das man das ganze mal loswerden konnte !
Rainer
Mittags mussten wir für 2 Stunden zum Mittagsschlaf . In dieser Zeit durften wir nicht zur Toilette. Wenn sich jemand einnässte, wurde er draußen im Gang, wo auch die Garderobenhaken waren, hingestellt und wir alle sind nach dem Mittagsschlaf an ihm vorbeigegangen um den "Bettnässer" zu sehen! Da flossen ganz oft Tränen. Des weiteren durften wir nur Briefe an die Eltern mit Bleistift schreiben, damit hinterher korrigiert werden konnte. Und das Schlimme an der Sache ist, dass die Eltern, denen man nach der Kur davon berichtete, alles nicht glauben wollten. Ich habe eine 6 Jahre jüngere Schwester, die auch im Alter von 9 Jahren in diesem Haus zur Kur war. Sie hat mir auch 6 Jahre danach von genau denselben Grausamkeiten berichtet. Ich kann diese Zeit nicht vergessen.
Ich erinnere mich an einen langen Weg in Zweierreihen vom Hafen zu unserem Haus, ob es zwischendurch eine Busverbindung gab, weiß ich nicht mehr. In dem Haus wohnten wir in Mehrbettzimmern, Nacht- und Mittagsruhe mussten strikt eingehalten werden. Wer dies nicht befolgte, bekam eine Ohrfeige oder musste eine Zeit lang neben dem Bett stehen.
Es gab täglich einen geführten Ausgang in Zweierreihen – mal zum Meer, mal in den Ort, mal rund ums Haus – wer „aus der Reihe tanzte“ wurde recht unsanft zurückgestoßen und/oder angeschrien. Mir erging es auch einmal so, verbunden mit einem Sturz beim Zurückstoßen in die Reihe. Es geschah, als ich gedankenverloren und voller Staunen den zum Eingangstor umgewandelten Kiefer eines Wals vor einem Reetdachhaus irgendwo in Wyk betrachtete. Ich wurde sehr grob in die Reihe zurückgerissen, fiel dabei sehr schmerzhaft und wurde angeherrscht, ich solle mich nicht anstellen. Danach bin ich nie mehr aus der Reihe getanzt und hatte auch keinen Spaß mehr an den Ausgängen.
Besonders das tägliche Mittagessen war eine Tortur! Es gab Speisen zu essen, die ich in ihrer Art oder auch so schlecht gekocht von zu Hause her nicht kannte. Ich erinnere mich besonders an Labskaus, eine irgendwie klebrige, übel riechende Masse mit viel Roter Bete, anderen klein geschnitten Zutaten und klein geschnittenem Fisch (vielleicht auch Fischresten), die ich kaum essen konnte, weil sie schon fast wie Erbrochenes aussah, andere nicht gut riechende Fischgerichte und Möhreneintopf, der meistens schrecklich salzig war. So kam es mehrfach vor, dass ich mich beim Essen übergeben musste. Man bestand darauf, dass ich meinen Teller leer aß, auch mit Erbrochenem und oft weit über die Essenzeit hinaus. Man durfte erst aufstehen, wenn der Teller leer war. Das passierte täglich mehreren Kindern, auch mir immer wieder. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mindestens zwei oder dreimal so lange im Essraum sitzen bleiben musste, bis es draußen dunkel wurde.
Wenn wir Karten nach Hause schrieben, wurde dies in unserem Beisein kontrolliert. Wer etwas von schlechtem Essen o. Ä. schrieb, bekam eine neue Karte (die beschriebene Karte wurde zerrissen) mit dem lauten Hinweis, man solle nur Schönes schreiben, damit sich unsere armen Eltern keine Sorgen machen müssten. Außerdem dürften wir ja nicht lügen, es sei schließlich alles in Ordnung!
Der Name meiner damaligen Betreuerin war m. E. nach Ute S. (der vollständige Name ist der Initiative bekannt).
Bis heute kann ich weder Rote Bete oder damit Zubereitetes, Labskaus noch Möhreneintopf essen, obwohl Letzterer vorher eines meiner Lieblingsessen war. Auch Fisch, normalerweise sehr gesund, ist bis heute für mich nur mit Überwindung zu essen, wenn es gar nicht anders geht.
Ich sollte ein paar Jahre später (1963) noch einmal eine Kinderkur machen, habe mich damals aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt – letztendlich erfolgreich. Meine Mutter hat damals dann mit mir zusammen über die BEK eine Kneippkur gemacht.
(Klaus Bornewasser, Jahrg. 1950)
Ich bin 1976 im Alter von 5 Jahren in ein Heim im Sauerland geschickt worden. Ich weiß nicht mehr viel darüber, werde mich aber ans Einwohnermeldeamt in Essen wenden, um mehr darüber zu erfahren, wo es genau war.
Meine Mutter konnte mir dazu nicht viel sagen. Nur dass sie den Tanten gesagt hat, sie sollen sie benachrichtigen, wenn es mir nicht gut geht und sie würde mich dann abholen. Ihr wurde versichert, dass man sich nach meiner Ankunft bei ihr melden würde, was nie gemacht wurde. Auch wenn sie anrief, durfte sie nie mit mir sprechen, es ginge mir gut, das wars an Info.
Ich weiß, dass ich oben in einem Bett geschlafen habe und furchtbares Heimweh hatte. Auch dass ich dort angefangen habe, einzunässen. Dass ich dann unter Aufsicht duschen und mich mit einem Stück Seife so lange einseifen musste, bis ich "weiß wie ein Schneemann" war. Dann wurde ich mit kaltem Wasser abgebraust.
Ans Essen kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an andere Kinder. Im Bett habe ich mich in meinem Bettbezug versteckt, jede Nacht, und die Knöpfe abgetreten, wofür es Ärger gab. Wie genau der Ärger aussah, weiß ich nicht mehr. Ich habe viel vergessen, oder verdrängt?
An kurz nach dem Aufenthalt, wieder Zuhause, habe ich eine deutliche Erinnerung, dass ich ein Baby im Kinderwagen vor unserer Haustür auf den Po gehauen habe, weil es gewimmert hat. An die Wut in meinem Bauch in dem Moment habe ich auch noch lebhafte Erinnerungen. Meine Eltern haben mich nie geschlagen, bzw extrem selten, vllt einmal ein Klapps auf den Po...
Bis heute habe ich Angst im Dunkeln, leide an, zum Glück mittlerweile kurzen dissoziativen Zuständen und werde immer noch wütend, wenn Kinder weinen. Gott sei Dank für meine Kinder, habe ich diese Wut im Griff, aber oft fällt mir angemessen trösten schwer. Es ist dann so, als ob ich in diesen Momenten nicht ich bin, so verrückt sich das anhört. Besonders schwer fällt mir das bei kleinen Mädchen, ich habe eine kleine Pflegetochter, wegen der ich jetzt auch in therapeutischer Behandlung, weil sie wohl einiges triggert, und 3 eigene Jungs.
Mir fehlen viele Puzzleteile in meiner Erinnerung, das beschäftigt mich sehr und ich glaube, dass viel von dem Aufenthalt im Heim damals herrührt...
weil ich permanente Probleme mit den Mandeln hatte.
Leider weiß ich nicht mehr welchen Namen das Heim hatte.
Wo ich mich noch dran erinnern kann, ist dass wir jeden Mittag schlafen mussten, was ich von zu Hause nicht gewöhnt war. Wer nicht geschlafen hat, musste sich in eine Ecke stellen. Die Fenster in unseren Zimmern wurden mittags mit Decken zugehängt.
Wenn wir aus dem Haus gingen, mussten wir zu zweit Hand in Hand gehen.
Das Essen war nicht das beste, es gab viel Haferschleim. Bei einem Spaziergang mit der Gruppe, Hand in Hand, habe ich eine Kornähre ausgezupft, eine Dame hat das gesehen und ich bekam abends keine Essen.
Die Damen die für uns zuständig waren sehr streng.
Einige der Berichte lösen vage Bilder aus: Postzensur; konfiszierte Pakete; regulierte Toilettengänge mit Schlange stehen vor den Toilettenkabinen ohne Türen. Schlafräume ohne Privatspäre. Viel erschreckender als die wenigen Momente die ich erinnern kann, ist die Tatsache dass ich mich an fast nichts erinnern kann aus 6 Wochen Aufenthalt am Meer. Am Meer bin ich mit Sicherheit nicht einmal gewesen. An einige Spaziergänge im Park an einem Teich erinnere mich sonst waren wir immer nur im Haus. Für einen Kuraufenthalt in einem Klima-Kurort etwas dürftig. Gruseliges Essen in Form von Brei oder Suppe (wahrscheinlich hauptsächlich billig).
6 lange Wochen Isolationsfolter mit permanenter Demütigung und ständiger Strafandrohung. Das ist der emotionale Inhalt der mir aus diesem Erlebnis verblieben ist. Die Inhalte hab ich fast vollständig aus meinem Gedächtnis getilgt. Das ist die eigentliche Last die ich bis heute ertrage wenn ich nur den Namen Norderney höre: ein kleines schwarzes Loch in meinem Kopf. Wie frühkindliche Demenz - da war war mal etwas aber ich weiß es nicht mehr. Die Gefühle die daraus entstanden sind pures Entsetzen; Einsamkeit, Wut und Empörung.
Kleine Kinder werden wie Gepäckstücke in Züge gestaut und durch das Land verschickt. Empathie-freie Elternteile machen kritiklos was der Arzt oder der Pastor sagt. ( Froh die Bälger mal los zu sein; oder: hat uns ja auch nicht geschadet; oder auch in echter Sorge um kränkliche untergewichtige KInder, aber ohne weiter nachzudenken wo das Kind eigentlich hin geschickt wird und wie das Kind damit fertig wird.
Für die Heime und Einrichtungen ein prima sicheres Geschäft (das erklärt die von fast allen Betroffenen berichtete Postzensur / die Einnahmequelle darf nicht durch Kindergejammer gefährdet werden) Die "Erzieher" können straffrei ihre in Nazi-Zeit erworben eigenen Traumata an hilflosen neuen Opfern abarbeiten. Die theoretischen Grundlagen der schwarzen Pädagogik wurden noch in den 90er Jahren an Hochschulen unterrichtet und wurden als Fachbücher herausgegeben.
Alle eure Erinnerungen teile ich, die Zensur der Postkarten, den Grießbrei, in den man sich erbrach und dann wieder essen mußte, den Milchreis etc. Ich will nicht alles wiederholen. Mein Glück war wohl, dass ich schon 9 Jahre alt war und in der Gruppe der älteren Mädchen. Aber auch wir mussten in der Veranda Mittagsschlaf halten. Ich erinnere mich, dass wir oft im Wald Völkerball spielten und auf dem Rückweg singen mussten: Hejo holt den Wagen ein... und wenn die bunten Fahnen wehen... Lieder, die ich dort lernte und vorher nicht kannte. Eines Tages, wir bastelten, sagte uns Tante Gudrun, dass Kennedy erschossen wurde und es wohl Krieg geben würde. Mir war durch Unterhaltungen meiner Eltern der Begriff „Kubakrise“ bekannt. Ich hatte große Angst. Das vergesse ich nie.
Ich habe noch einige Fotos von damals auf denen auch Personen aus meiner Gruppe sind. Ich stelle sie gerne zur Verfügung, vielleicht erkennt sich jemand.
Der Frühstücksraum war sehr groß - wir saßen an langen Bänken. Die Butterbrote waren geschmiert und lagen für jeden auf einem Teller.
Ich war ein schlechter Esser - ich mochte sehr wenige Sachen.
So passierte es immer wieder, dass es grobe Leberwurst (mit dicken Fettstücken) gab.
Bevor ich die gegessen hätte, hätte ich mich "totschlagen" lassen. Wir mußten den Teller
aber leer essen. Meine Schwester (1Jahr älter als ich) half mir dabei - wenn es möglich war, damit es nicht wieder Schläge gab. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich einmal
so eine Ohrfeige bekommen habe, dass das Butterbrot aus meiner Hand - durch den Ess-
raum flog.
Das Mittagessen gestaltete sich ähnlich. Erinnere mich noch sehr gut an eine Tomatensuppe - auch nicht mein Ding - so versuchte meine Schwester mir wieder zu helfen - aber sie konnte auch nicht alles bewältigen. Irgendwann habe ich es dann geschafft "aussortiert" zu werden und musste mit einigen anderen "bösen" Kindern an den Spezialtisch. Für mich als 6-jährige war das eine schlimme Bestrafung - dort ohne meine Schwester zu sitzen.
Erinnere mich noch gut daran, dass ein Mädchen eine Karte an ihre Eltern geschrieben hatte, um die dortigen Zustände mitzuteilen und nach Hause geholt zu werden. Sie hatte diese Karte allerdings - wegen der fehlenden Briefmarke - bei den Tanten abgegeben und um eine Briefmarke gebeten. Diese Karte wurde dann beim Mittagessen den Kindern vorgelesen. Dieses Mädchen kam auch an den "bösen" Tisch.
Zur Toilette ging es nur zu bestimmten Zeiten, die Toiletten waren draußen und hatten keine Türen. Wir waren ja als Geschwister "privilegiert" und einer konnte sich immer vor die Türe stellen, wenn der andere sein Geschäft verrichtete.
Mittags musste geschlafen werden und da durfte auch keiner aufstehen, um evtl. zur Toilette zu gehen. Neben mir schlief ein ungefähr gleichaltriges Mädchen, die jeden Mittag ins Bett machte.
Spaziergänge wurde auch gemacht, aber immer nur zum Schloss, weil die Tante dort ihren "Schatz" besuchte
Es war für uns Kinder eine ganz schlimme Zeit, wir konnten unseren Eltern erst davon berichten, als wir wieder nach Hause kamen.
Das Heim ist nach unserer Kur geschlossen worden. Welch ein Segen!!!!
Ich war 9 Jahre alt und war in Haffkrug im Haus Marion. Ich kann mich an die Zugfahrt erinnern. An viele andere Verschickungskinder und meine Angst. Es gab kein Begleitpersonal. Nur ein Schaffner schaute gelegentlich nach uns. Dann erinnre ich mich erst wieder an das Haus. An die Treppe die zu den Schlafsälen führte. An den Waschraum und an den Speisesaal. Ich erinnere mich an das Zimmer in dem meine Läuse ausgiebig behandelt wurden. Ich erinnere mich an eine Flasche Essig die damals genauso aussah wie heute. Heute weiß ich, dass es Essig-Essenz war. Ich musste im Schlüpfer dort Sitzen und bekam den Inhalt der Flasche auf den Kopf. Es lief an meinem Körper herunter und es fing an zu brennen. Ich weinte und wurde angeschrienen. Mit einem Läusekamm wurden meine etwa längeren Haare den Rücken runter gekämmt. Diese Tante kämmte so fest das es schmerzte und der Essig in den Wunden brannte. Diese Traktur hatte ich mehrfach. Wegen der Läuse durfte ich nur auf Müllsäcken schlafen. Im Speisesaal musste ich eine Duschhaube tragen. Ich durfte nicht einmal ein Handtuch darüber wickeln.
Ich war klein und dünn und da hieß es zwei Portionen essen. Die Übergewichtigen Kinder saßen mit den Untergewichtigen Kindern zusammen. Man kann sich vorstellen wie schlimm das war. Mir wurde das essen rein gezwängt und die Kräftigen litten unter Hunger. Mehrfach habe ich das Essen erbrochen. Meist saß ich bis zum Abendessen. Während zur Kaffeezeit Kuchen serviert wurde saß ich noch vor kalter Leber mit Spinat. Auch diese habe ich erbrochen.
Ziemlich am Anfang musste ich nachts auf die Toilette. Als ich nicht mehr einhalten konnte schlich ich mich zur Toilette. Natürlich wurde ich erwischt. Die Strafe war schlimm. Am nächsten Tag wurde im Speisesaal vor allen Kindern gesagt, dass ich ein Baby sei und noch ein Töpfchen brauche. Mir wurde dann feierlich ein Nachttopf überreicht. Ich habe mich einfach nur geschämt. Den ganzen Aufenthalt fühlte ich mich beobachtet. Ich dachte alle lachen über mich. Das Läusemädchen mit dem Nachttöpfchen.
Ich hatte schon damals das Gefühl, dass es nicht rechtens ist, was mir dort angetan wurde. Ich wäre am liebsten gestorben, abgehauen oder zur Polizei gegangen. Ich wollte mein Taschengeld den Tanten geben damit Sie mich in Ruhe lassen. Die eine meinte nur das sei zu wenig. Ich habe meiner Oma geschrieben, sie solle mir mehr Geld schicken. Aber auch für 75 DM wollten die nicht nett zu mir sein. Sie lachten mich aus.
Ich kann heute nicht mehr genau sagen, ob sie nur zu mir so waren oder auch zu den anderen Kindern. Damals hatte ich das Gefühl, dass es wegen meinen Läusen war. Ich glaube diese 6 Wochen begleiten mich noch immer. In diesen 6 Wochen ist so viel in mir zerbrochen. Selbstverständlich kann ich nicht behaupten, dass mein Zwangsstörungen und Angststörungen darauf zurück zu führen sind aber vielleicht finde ich hier endlich einen Ansatzpunkt.
Diese plötzliche Erinnerung ist so verdammt schmerzhaft aber auch so befreiend. Da war etwas in deiner Kindheit das plötzlich wieder da ist. Meine Therapeutin hat in zig Sitzungen immer gesagt da muss etwas in der Kindheit gewesen sein. Das glaubt mir sicher keiner, aber das fiel mir nicht ein. Das war wie ausgelöscht und jetzt ist es da.
Viele meiner Briefe aus der Kinderkur kamen nie zuhause an. Wir wurden ja auch angehalten, unseren Eltern nur schöne Dinge zu schreiben. Ich habe nichts Schönes erlebt. Carl Carsten war damals dort und hat den Kindern Autogramme gegeben. Ich durfte nicht hin ich hatte ja Läuse. Ich hatte gefühlt 6 Wochen lang Läuse. Ich durfte höchstens mal mit Mütze und Duschhaube mit in den kleinen Supermarkt ein Stück die Straße runter.
Ich habe gestern gleich den Fragebogen auf dieser Seite ausgefüllt. Bei dem Punkt was am schlimmste war, konnte man nur 3 Punkte auswählen. Ich habe lange überlegt und konnte mich nicht entscheiden. Ich fand einfach alles schlimm und habe wirklich lange bei diesem Punkt nachgedacht. Ich strich z.B. die Trennung von meinen Eltern. Ich glaube wenn es dort schön gewesen wäre hatte mir die Trennung nichts ausgemacht. Zwischen Esszwang und Toilettenverbot konnte ich mich auch nicht entscheiden. Auch die Demütigungen waren gleichwertig. Die Körperliche Misshandlung mit dem Essig und dem spitzen Kamm war ebenso schlimm. Ich hatte das volle Programm.
Wer von Euch war auch in Haffkrug oder wer von euch möchte sich mit mir austauschen???
Ich habe heute selbst zwei Kinder. Keiner darf meinen Kindern so etwas antun. Ich kann auch nicht verstehen, was mit diesen Frauen dort los war. Wurden Sie so schlecht bezahlt? waren es Sadisten?
Wie kann man so etwas einem Kind antun?????
1970 bin ich mit meiner Familie im Urlaub aus Neugier dort vorbeigefahren; da schien das Gebäude nicht mehr als Kinderheim genutzt zu werden.
7 Jahre alt und Erstklässlerin. Meine Schwester verbrachte im Jahr davor als 13 Jährige dort einen Kuraufenthalt und war mit guten Erinnerungen und einigen Pfunden mehr nach Hause zurück gekommen. Im Flinthörnhaus sah ich Dinge, die mich verstörten, weil ich
so etwas selbst in meinem sehr strengen Elternhaus nie erlebt hatte: Ich erinnere mich an ein Mädchen eben mir, das ihr Mittagessen, ich glaube es war Grünkohl, nicht essen wollte. Sie wurde dann zum Essen gezwungen und erbrach sich auf den Teller. 30 oder 50 Kinder im Esssaal schrien auf. Das Mädchen weinte und wurde dann gezwungen, das Erbrochene aufzuessen. Das Mädchen tat mir so leid, aber was sollte ich tun? Ich hatte Mitleid und große Wut auf die Tanten. Ein anderes Mädchen aus meiner Gruppe (wir waren alle zwischen 6 und 8 Jahre alt) nässte nachts ein. Viele Nächte musste sie in dem nassen Bett schlafen. Eines Abends kehrte sie nicht in unseren Schlafsaal zurück, denn ab dann musste sie in der harten Badewanne schlafen. Wir Kinder wurden gezwungen uns das "Bett" im Badesaal anzuschauen. Ich hatte oft Heimweh und habe abends im Bett geweint, wie viele andere Mädchen im Saal auch. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich eine erwachsene Person getröstet hätte.
Nach dem Mittagessen mussten wir Mittagschlaf machen. Wer seine Augen nicht zu gemacht oder gesprochen hat, der wurde geschlagen.
Dass unsere Post nach Hause zensiert wurde, ist dagegen harmlos. Ich war eine der wenigen Kinder, die schon gut schreiben konnten. Ich musste das, was ich meinen Eltern schreiben wollte, den Tanten auf einen Zettel schreiben. Schlechte Nachrichten wurden durchgestrichen. Nach den 4 Wochen hatte ich 1 Kilo zugenommen. Meine Mutter war schockiert über meinen Bericht und machte sich Vorwürfe, dass sie mich zur Kur geschickt hatte. Diese wunderschöne Insel war 30 Jahre in meiner Erinnerung eine Ort des Bösen, in einem Haus, das der evangelischen Kirche unterstand. Später wurde mir klar, dass dort die Pädagogik aus der Nazizeit zur Anwendung kamen und nicht nur deren Lieder gesungen wurden.
Wie schon von jemandem hier geschrieben, herrschte auch zur meiner Zeit dort der Essenszwang. Es war ein furchtbares Erlebnis und davon gab es weitere schlechte Erfahrungen.
Ich wurde gezwungen rote Beete zu essen. Die Erzieherin drohte mir, falls ich die nicht esse, dann werde ich damit gefüttert. Aus Angst zwang ich mich selbst diese zu essen. Jedoch habe ich alles wieder ausgebrochen und wurde dafür bestraft. Es war ein traumatische Erlebnis. Bis heute esse ich keine rote Beete und wenn ich welche sehe, dann kommen alle Erinnerungen daran wieder.
Wir durften auch nachts nicht einfach auf die Toilette gehen. Wir mussten vor dem Schlafen gehen, auf die Toilette. Danach durften wir nicht mehr.
Für mich war das kein Erholungsheim, sondern eher ein Erziehungsheim mit bösen Erziehern.
Es waren 6 Wochen in diesem angeblichen Erholungsheim und für mich eher eine schlimme Zeit.
Die Toiletten waren nur eine halbe Stunde vor und nach dem Essen geöffnet und wer sich in die Hose machte wurde geschlagen. Bettnässer hatten regelmäßig das "Vergnügen". Ich hatte fürchterliches Heimweh. Beim Mittagsschlaf war ich still, hatte aber die Augen geöffnet und hab sehnsüchtig auf die Ansichtskarte meiner Eltern geschaut. Das hatte zur Folge, dass ich an den Haaren aus dem Bett gezogen wurde und nach Schlägen barfuß im Flur auf dem kalten Boden stehen musste. Bei der anschließenden Erkältung wurde mir das Husten verboten.
Nach den langen Wochen hatte ich Angst meine Eltern nicht mehr zu erkennen. Oft dachte ich: Was habe ich nur verbrochen, dass man mich dorthin geschickt hat?. Lange habe ich daheim nichts erzählt. Erst später und da tat es meiner Mutter sehr leid, denn eigentlich wollten sie mir nur Gutes tun.
Ich war ca. 1976/77 dort. Der absolute Horror! Alles was schon beschrieben wurde, fand auch dort statt. Folter pur ... und das 24/7. Man wurde von einer Quälerei in die nächste weiter gereicht. Wir hatten alle schreckliche Angst!
Es muss den Nonnen/Erziehern?/Angestellten klar gewesen sein, was sie taten. Die Kinder haben so lange geweint, bis sie gebrochen waren und nur noch innerlich geheult haben und hofften, dass es irgendwann zu Ende geht.
Das Foltern und das Vertuschen hatte System! Und wir haben es strafrechtlich mit Tätern zu tun!
Gut, dass die Sache an`s Licht kommt. Ich wusste immer, dass das nicht OK war. Jetzt ist es raus. Mir geht es heute noch sehr nahe ...
Nach 2 Wochen fing ich an ins Bett zu machen. Daraufhin musste ich ganze Tage auf der blanken Matraze liegen oder wurde für Stunden in eine Besenkammer gesperrt. Schläge und Drangsalierungen waren an der Tagesordnung, für mich merkwürdige Kontakte von älteren Kindern und Erziehen sind mir im Gedächtnis geblieben. Nach 6 Wochen wurde ich allein in den Zug gesetzt(5 Jahre alt!) und nur meiner aufmerksamen Oma ist es zu verdanken, dass ich am richtigen Bahnhof aus dem Zug geholt wurde.
Lange konnte ich meinen Eltern nicht verzeihen, dass man mich dorthin geschickt hat. Bis heute kann ich nicht eine Kur oder Reha wahrnehmen, zu schlimm ist die Erinnerung. Meine Eltern haben mir zeitlebens nicht geglaubt, was ich erlebt habe.
Ich, Torsten, bin Jahrgang 1967 und wurde 1975 nach Wyk auf Föhr verschickt (das Jahr habe ich in meinem Grundschulzeugnisheft ermittelt, meine Verschickung ist dort sogar vermerkt).
Allein die Bahnfahrt war schon traurig, ich kannte natürlich niemanden. Immerhin hat ein ebenfalls verschickter Junge im Zugabteil Gitarre gespielt, das blieb der einzige Lichtblick für 6 Wochen. Alle hatten diese grünen Barmer Ersatzkassen Rucksäcke. (Ich bin natürlich nicht mehr bei der Drecks Barmer!)
Ich war in einem Dreierzimmer mit einem Jungen aus Gelsenkirchen und einem aus Bochum, das weiß ich noch genau. Was ich nie vergessen werde: nach einer der Zwangsmittagspausen mussten alle an einer der ständig rauchenden "Tanten" vorbei, und wir wurden genötigt, einen Zug an ihrer Zigarette zu ziehen. Es war eine schlimme Zeit mit viel Heimweh und Gefängnisatmosphäre. Ich kann mich an nichts Schönes erinnern.
Gestern habe ich hier eine Menge Kommentare gelesen, das hat mich sehr aufgewühlt, ich hatte das Kapitel irgendwie verdrängt. Und ich hätte nie geglaubt, dass das bis in die 90er Jahre ging. Meiner jetzt 12-jährigen Tochter würde ich so eine Verschickung niemals antun. Wie kam man damals auf die Idee, dass das für irgendetwas gut sein soll??? Wer ist verantwortlich? Wer hat dieses System ausgedacht mit den Strafen und seelischer Folter? Sitzen die Verantwortlichen im Knast oder schmoren die schon in der Hölle? Das "Schloss am Meer" bleibt in meiner Erinnerung wie ein Sanatorium aus einem Horrorfilm.
Ich bin Jahrgang 1965 und war 1975 im Allgäu, in Obermayselstein.... Kinderkurheim Marianne
zusammen mit meiner jüngeren Schwester, sie hatte sogar in der Kurzeit Geb und wurde 6 Jahre alt.
Das waren die schlimmsten 6 Wochen die wir je erlebt haben, am 20.12.1975 sind wir wieder nach Hause gefahren....
Ich habe noch HEUTE mit gewissen Ängsten zu kämpfen
Meine Bezeichnung für die Zeit ist... 6 Wochen Kinderknast....
Ich wünsche allen noch einen schönen Tag.....
Kennt jemand das Heim.... heute ist es ein Mutter-Kind-Haus
Kann mir vielleicht jemand helfen? Danke!
Ich wurde in Freiburg von meinen Eltern in den Zug gesetzt. Ein anderer Junge aus meinem Kindergarten, der auch zu dünn , war ging auch mit. Dessen Mutter brachte uns nach Bad Dürrheim.
Wir schliefen alle in einem großen Raum . Und der Speisesaal war auch riesig. Es gab jeden tag Grießbrei, den wir essen mussten. Irgrndwann bekam die Windpoken und musste tagelang isoliert von allem in einem kleinen Raum liegen. Ich glaube, es war eine Wäschekammer. Ich musste Wollhandschuhe tragen und nachts Plastikmanschetten, die vom Unterarm bis zum Oberarm gingen, damit ich nicht kratzen konnte. Die Schwestern dort waren kalt und lieblos.
Leider weiß ich sonst nichts mehr.
Wann warst du genau in St.Peter Ording? Weißt du noch wie das Heim hieß ?
Ich war 1974 im Wetzelhof
Silke
Schon die Zugfahrten waren furchtbar. Man wurde einfach zu wildfremden Leuten ins Abteil gesetzt, die dann gefragt wurden, ob sie ein wenig aufpassen könnten. Zu trinken gab's nichts. Nur eine Tüte Gummibären "gegen den Durst". Das in den Heimen Essen war mies, ich hatte entsetzliches Heimweh und wurde behandelt, als wäre ich ein Möbelstück. Die Betreuerinnen auf Borkum mussten wir "Tanten" nennen. Dabei hatten sie uns nur Kaltherzigkeit und Erniedrigung zu geben. Die Betreuerinnen in Sankt Peter Ording waren auch nicht besser. Ich erinnere mich nur an tiefe Traurigkeit, viel Heimweh, das Gefühl des Ausgeliefertseins und des Alleinseins. Briefe nach Hause wurden zensiert. Und mir ist es bis heute ein Rätsel, warum meine Mutter mich ein zweites Mal in Kur schickte, obwohl doch die erste Kur schon grauenhaft war und das Heim auf Borkum wegen der unhaltbaren Zustände wohl zwischenzeitlich geschlossen worden war.
Wenn ich in den Berichten der anderen von Missbrauch und Misshandlung lese, scheine ich es allerdings noch recht gut getroffen zu haben. Was mich allerdings sehr ärgert ist die Ignoranz, mit der dem Thema begegnet wird. Offenbar möchte man es nicht so genau wissen (so wie damals anscheinend auch meine Mutter). Niemand scheint ernsthaft gegen die Zustände vorgegangen zu sein. Auch heute wird versucht, abzublocken. Die Stadt Sankt Peter Ording lässt sich bspw. auf einer Webpage u.a. über die Geschichte der "Kindererholungsheime" aus und bedauert, dass sie heute nicht mehr existieren, wo doch über 44.000 Kinder Gesundheitsprophylaxe und Erholung gefunden hätten. Niemand will Verzeichnisse besitzen oder noch lebende Verantwortliche kennen.
In dem Heim sollte ich dicker werden. Mein Vater nahm mich zum Abschied in die Arme. Ich klammerte mich an ihn und versuchte, vor den anderen Kindern nicht zu weinen. Eine Erzieherin zeigte uns den Schlafraum. Abends gingen wir in den Speisesaal. Wir saßen auf Holzbänke, die vor langen Tischen standen. Es gab Schokoladensuppe und Brötchen, die mit einer dicken Schicht Butter bestrichen worden waren. Das gab es in den sechs Wochen jeden Abend.
Wir waren ca. 10 Mädchen im Zimmer. In der ersten Nacht hat sich vor Angst mein Darm entleert. Die Erzieherin ließ mich am nächsten Morgen vor allen anderen Kindern mein Laken im Waschraum an einem kleinen Wachbecken mit einem Stück Seife waschen, was mir natürlich nicht richtig gelungen ist.
Beim Sport in der Turnhalle wurde ein Junge bestraft. Er musste die Arme nach hinten halten und die Turnlehrerin steckte ihm einen Gymnastikstab hinter dem Rücken in die Ellenbeugen, so dass er die Arme nicht mehr bewegen konnte. Er musste im Schneidersitz bis zum Ende der Stunde auf dem Boden in dieser Haltung still sitzen bleiben.
Ich versuchte sechs Wochen nicht aufzufallen und alles mitzumachen. Von Morgens bis Abends war ich achtsam, um nichts falsch zu machen.
Wir durften nachmittags draußen auf einer Wiese spielen. Der Spielplatz war von einer Hecke umgeben. Auf der Wiese standen Klettergerüste. Ich spielte lieber ein Stück entfernt von den anderen und flüchtete mich in eine Phantasiewelt. Die anderen Kinder machten mir Angst, ich freundete mich mit niemandem an.
Ich habe in den sechs Wochen in diesem "Kindererholungsheim" kein Gramm zugenommen.
Eigentlich bin ich eher ein Mensch, der eigene Probleme verharmlost und sicher ist meine Erfahrung auch nicht so dramatisch wie die vieler anderer in diesem Forum. Dennoch fühle ich mich zugehörig und möchte die großen Erinnerungslücken gerne auffüllen.
Ich bin im Dezember 1960 geboren und war 1966 (oder 1965) 4 Wochen wegen Mangelernährung in Bad Rappenau, wahrscheinlich im Kinderkurheim Siloah und 1969 6 Wochen in Königsfeld (Scharzwald) wegen Mangelernährung und einer Lungenerkrankung, wahrscheinlich im Kindersanatorium Schwester Frieda Klimsch Stiftung.
Ich habe leider nur sehr wenige Erinnerungen, aber ich denke nicht, dass ich misshandelt wurde. Trotzdem würde ich gerne mehr erfahren und hoffe, hier andere Menschen zu treffen, die auch dort waren.
Ich denke, der 1. Aufenthalt wurde nach 4 Wochen aus irgendeinem Grund abgebrochen. Ich bin sicher, dass ich großes Heimweh hatte und kann mich noch an einen 13-jährigen Jungen (oder Mädchen) erinnern, der nachts eingenässt hat. Ich hatte große Angst, auch einzunässen, was ich aber nie getan habe. Der Junge/das Mädchen wurde irgendwie abgesondert und vielleicht auch diskriminiert, weil ein so großer Junge/Mädchen noch ins Bett macht. Ich kann mich an einen großen Esssaal erinnern und an Brot mit Johannisbeergelee (ich kannte nur selbstgemachte Marmelade). Ich kann mich an keine Waschräume oder Spiele erinnern. In meinen Kleidungsstücken war mein Name eingenäht, sodass ich davon ausgehe, dass sie gewaschen wurden. Abends nach dem Abendessen wurde immer: Guter Mond, du gehst so stille… gesungen und dann gingen wir wohl ins Bett. Ich war ja erst 5 Jahre alt. Obwohl ich eine sehr schlechte „Esserin“ war, habe ich, außer dem Frühstück, keinerlei Erinnerung an Speisen. An eine Bezugsperson kann ich mich nicht erinnern.
Beim 2. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Wir fuhren mit dem Bus und wurden als erstes ärztlich untersucht. Ich kann mich noch an den Schlafsaal erinnern und an die Lage meines Bettes. Es müssten 4 – 5 Betten gewesen sein und eine Kommode für die Wäsche. Jede hatte eine Schublade. Der Esssaal war hell und ein wenig bunt. Dort aßen etwa 20 Kinder. Ich weiß nicht, ob wir nur Mädchen waren oder gemischt. Ich habe in 6 Wochen 6 kg zugenommen, kann mich aber ans Essen wieder nicht erinnern. Am Freitag zur Mittagszeit, wenn es Fisch gab, hat meine Mutter immer angerufen. Wir mussten nach dem Mittagessen 2 Stunden im Freien mit Wolldecken schlafen. Ich konnte nicht schlafen und habe nur so getan. Wir gingen auch spazieren, aber wir durften keine anderen Spaziergänger treffen (wahrscheinlich wegen unserer Lungenbeschwerden). Meine Bezugsperson hieß Tante Martha, sie hat auch in mein Poesiealbum geschrieben. Sie war sehr lieb zu mir, aber wenn sie nicht im Dienst war, hatte ich niemanden. Auch kann ich mich an die Nächte erinnern. Ich hatte Angst aufzustehen und z.B. zur Toilette zu gehen. Es gab Aufsichtspersonen, die mit Taschenlampen durch die Gänge gingen. Sie waren irgendwie unheimlich. Wenn jemand auf dem Gang erwischt wurde, gab es laute Stimmen auf dem Gang, aber meistens gab es keine. Wir wurden regelmäßig gewogen und es wurde Fieber gemessen.
Insgesamt war ich bemüht, nicht aufzufallen und sehr "brav".
Meine Eltern haben nie darüber gesprochen, ich denke, meine Mutter hatte Angst, einen Fehler gemacht zu haben und dass ich ihr vielleicht Vorwürfe gemacht hätte. Das ist schade, denn jetzt ist meine Mama gestorben und ich weiß nichts über die Aufenthalte. Vorwürfe hätte ich ihr sicher nicht gemacht, zumindest aus heutiger Sicht. Aber irgendetwas in meinem Inneren ist geblieben, eine Ahnung von Einsamkeit, Verlassenheit und vielleicht auch Verrat, obwohl letzteres sicher nicht beabsichtigt war.
Ich hoffe, von Euch Hinweise zu den o.g. Kurheimen zu bekommen. Das wäre sehr schön!
Ich kann mich nicht vollständig an die sechs Wochen erinnern, aber es sind doch einige Dinge hängengeblieben. Eines kann ich vorwegnehmen: Ich war keiner körperlichen Gewalt des Personals ausgesetzt und kann nicht erinnern, geschlagen worden zu sein. Ich meine aber, dass man ziemlich grob und unsentimental mit mir umgegangen ist. Ich habe wohl einige Male ins Bett gemacht. Insbesondere am Abend vor der Abreise, und das weiß ich noch ganz genau. Ich habe vor lauter Aufregung das Bett so vollgekackt, dass ich nicht mehr wusste, wo ich liegen sollte. Das hat dann offensichtlich eine der Nachtschwestern gemerkt und mir mitten in der Nacht den Popo mit eiskaltem Wasser abgewaschen.
In den sechs Wochen haben wir einige Wanderungen in der näheren Umgebung durchgeführt. Ich kann mich daran erinnern, immer über die herausragenden Baumwurzeln gestolpert zu sein. Wir haben vor allen Dingen eines gemacht: Gegessen was auf den Tisch kommt. Das war nämlich auch der Grund meines Aufenthaltes. Ich war schlicht und einfach zu dünn. Das war anscheinend die Meinung der Kinderärztin, bei der wir waren. Damals waren fast alle Ärzte, denen die Generation meiner Eltern offensichtlich hörig waren, noch Götter in Weiß. Also wurde gesagt: „Der Junge ist zu dünn. Ich empfehle eine Kur in einem Kindererholungsheim.“
In der Zeit des Aufenthaltes habe ich viele Briefe von meinen Eltern erhalten. In jedem Brief ist davon die Rede, immer schön artig zu sein und immer „schön zu essen“. Die Briefe, die meine Eltern von mir bekamen, waren vorgeschriebene Briefe, unter die am Ende nur mein Name gesetzt wurde. Ich könnte wetten, dass alle Eltern Briefe mit demselben Wortlaut erhalten haben.
Ich kann mich noch gut an einen Jungen namens Frank B. erinnern. Da ich mich nie gewehrt habe, hat er gekniffen, gebissen und gehauen. Dem war ich nahezu wehrlos ausgesetzt. Ich hatte wahnsinnige Angst vor diesem Jungen.
Zu Beginn und zum Ende einer Kur wird immer ein ärztlicher Befund erstellt: Aufnahmezustand und der Zustand bei der Entlassung. Am 4.11.1972 wog ich 17,1 kg, 6 Wochen später waren es 18,0 kg. Für 900 Gramm Gewichtszunahme wurde ich 1 1/2 Monate von meinen Eltern getrennt, um 600 km von meinem Heimatort entfernt Essen zu lernen.
Sollte ebenfalls jemand zu diesem Zeitpunkt in Muggendorf gewesen sein: Ich habe sogar noch ein Gruppenfoto mit allen Kindern, die mit mir in Muggendorf waren.
ich begrüße alle ganz herzlich, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich.
Ich habe diese Seite durch Zufall entdeckt und deshalb ist mir erst jetzt bewusst geworden, dass es viele andere gibt, die die gleiche Angst, Schmerzen und Ekel erfahren haben. Ich dachte bisher, nur mir sei so etwas widerfahren. Aber wenn kleine Kinder sich vor physischer und psychischer Gewalt schützen müssen, wird ihnen wohl auch die Fähigkeit der sozialen Kontaktaufnahme und des Mitleiden genommen. Um zu überleben, habe ich mich anscheinend emotional völlig zurückgezogen. Das ist heute für mich zusätzlich schmerzlich.
Ich hatte seit meinem zweiten Lebensjahr schweres Asthma, was wohl auch der Grund für die “Kuren” war, zumal wir im Ruhrgebiet lebten. Ich bin Jahrgang 1952, zu dieser Zeit war die Luft in diesem Industriegebiet das reinste Gift.
Ich wurde nach Sylt, Wangerooge, Bad Reichenhall, Norderney und in den Schwarzwald . Das erste Mal mit 4 Jahren. Eine besondere “Verschickung” habe ich wohl noch exclusiv erlebt. Mit elf Jahren verbrachte ich die sechs-wöchigen Sommerferien in der Kinderklinik in Essen, wo man feststellen wollte, ob- und wie man mein Asthma heilen könnte oder ob ich überhaupt Asthma habe.
Eine besonders quälende Erfahrung in meiner Jugend war nämlich der Vorwurf, ich habe keine Atemnot, sondern wolle mich nur interessant machen. Meine Eltern erzogen uns vier Kinder nach den damals üblichen Wertvorstellungen. Mein Vater vertrat die Ansicht- Zitat: “Wer sein Kind liebt der züchtigt es” oder “Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen die Intelligenz”. Das war wohl auch der Grund, dass ich nie den Versuch machte, ihnen meine “Kurerfahrungen” zu erzählen.
Im Klinikum Essen ließen sich meine Eltern auch davon überzeugen, dass es besser sei, ihr Kind ohne Verabschiedung dazulassen. So lag ich plötzlich ohne jede Erklärung in der Unterhose auf einer Behandlungsliege, umgeben von mehreren Ärzten und Krankenschwestern. Ich bekam einige Spritzen und mir wurde Blut abgenommen. Dann führte mich eine Schwester zu einem Zimmer und teilte mir auf dem Weg mit, meine Eltern liessen mich grüßen. In dem vorgesehene Vierbettzimmer war ein Bett von einem älteren Mädchen belegt. Ich könnte wählen, zwischen einem Bett an der Tür oder am Fenster. Das Bett am Fenster erschien mir die bessere Wahl. Als mir die Schwester aber erzählte, Besuche seien nur von den Eltern erlaubt und diese dürften den Raum nicht betreten, wählte ich das Bett an der Tür. Besuchszeiten waren nur sonntags und dann wurde die Türöffnung durch die Nachttische blockiert. Am nächsten Tag wurde ein Kleinkind aufgenommen, dass den ganzen Tag weinte und schrie und ich musste in das Bett am Fenster umziehen. Meine Eltern besuchten mich zwei- oder dreimal. Ich verbrachte die sechs Wochen Sommerferien in diesem Zimmer im Bett, erhielt täglich regelmäßig drei Spritzen und im Laufe der Wochen verschiedene Untersuchungen, teils schmerzhaft, teils angstbesetzt, da mir nie erklärt wurde, was mit mir geschah oder warum.
Die Erfahrungen in den Kinderheimen waren vielfach die gleichen, die auch andere Verschickungskinder gemacht haben. Der erste Aufenthalt mit vier Jahren wurde auf eine lange Zeit verlängert, da meine Mutter krank wurde, die genaue Zeit kann ich nicht sagen. Die Ordensschwester, die die Abteilung mit eiserner Hand leitete und der diese Hand oft ausrutsche, fühlte sich bemüßigt, für meine Mutter in der sonntäglichen Pflichtmesse öffentlich zu beten. Ich war während des Aufenthalts längere Zeit sehr krank, isoliert und völlig vereinsamt in einem Verschlag ( unten Holz, oben Fenster). Als ich wieder in der Gruppe sein konnte, bemühte sich die “Tante” freundlich zu sein, was mir bewusst machte, dass ich wohl schwer krank gewesen war, denn bisdahin war sie mir als eine Person in Erinnerung, die mich/uns ständig sehr stark und schmerzhaft an den Haaren riss. Ich kam auch, wie mir meine Eltern erzählten, sehr krank mit hohem Fieber nach Hause.
Die Erlebnisse in Wangerooge waren ähnlich schmerzlich und negativ. Allerdings kannte man hier noch eine besondere Form der Folter: es gab nur etwas zu essen und trinken, nachdem zwei Becher Meerwasser getrunken waren, zu jeder Mahlzeit. Das betraf aber nur die wenigen Kinder mit Asthma oder Bronchitis und sollte wohl eine Heilmethode sein. Auch in Bad Reichenhall gab es die bekannte “schwarze Pädagogik” mit all den schon hier im Forum geschilderten Praktiken. Norderney und das Heim im Schwarzwald waren ok, wenn auch nicht gerade ein Urlaubserlebnis.
Leider kann ich mich nicht mehr an die Namen der Heime erinnern. Da ich sonst eigentlich ein recht gutes Gedächtnis habe, vermute ich, das die Namen zu den vielen verdrängten “Nicht-Erinnerungen” gehören.
Ich grüße alle ehemaligen “Verschickungskinder” und hoffe, der Austausch hilft ein wenig, die Erlebnisse besser zu verkraften und das Selbstbewusstsein zu
Das Haus wurde vom Ärzte Ehepaar Köbrich geleitet. Ich selbst erinnere mich weder an diesen Namen noch an die der Pädagoginnen.
Der Speisesaal war licht und hell, da in einer Art Logia untergebracht. Am Speisesaal befand sich linker Hand eine Teeküche, wenn ich mit dem Treppenhaus im Rücken im Saal stand. Rechter Hand befand sich der Raum für die Erzieherinnen. Die Duschen, großer dunkler Raum, befanden sich im Keller. Wir Mädchen waren in der obersten Etage unter bzw. fast unter dem Dach einquartiert und mussten nackt an den grölenden Jungen vorbei in den Keller laufen.
Waren die Jungs zur Nachruhe albern und laut, wurde einer von ihnen zur Strafe in eines der Mädchenzimmer gebracht.
Ich erinnere mich an ein kleines blondes Mädchen ca. drei Jahre alt. Es saß manchmal bei den Erzieherinnen am Tisch. Mir war das unverständlich und ich hatte Angst um dieses Mädchen.
Nach dem Mittagsschlaf gingen wir alle? mit einem Stück Kuchen in der Hand zu einem langen Spaziergang in den Wald.
Nach dem Abendessen wurde ich gezwungen Tabletten einzunehmen. Zwei oder drei andere Kinder bekamen auch Medizin verabreicht, sie waren schneller aus der Teeküche raus als ich, konnte und wollte ich die Tabletten nicht schlucken.
Ich war mit zwei Mädchen in einem Zimmer. Unsere Kleider wurden in einem Sack aufbewahrt. Frische Kleidung gab es einmal in der Woche.
Ich war damals 9 Jahre alt mit blonden, mittellangen Haaren.
Verschickt wurde ich damals über die BKK VW oder die LVA.
Zum Ende der Kur erkrankte ich an Röteln und wurde von einem mir unbekannten Ehepaar abgeholt.
Gibt es hier die eine oder den anderen mit ähnlichen Erfahrungen?
Welche, wer war zur gleichen Zeit dort?
Kennt noch Namen der Pädagoginnen?
Ich freue mich auf Antworten.
Lina-Marie
Ich bin ca.1962 als 8jähriger nach Donaueschingen "verschickt" worden, wohl weil unsere Familie aus der DDR geflüchtet war und mein Vater ein noch geringes Einkommen hatte und daher diese Möglichkeit für sein Kind geboten bekam. Dass wir in dem Heim in einem großen Baderaum als Gruppe (nur Jungs) nackt duschen mussten, war mir unangenehm. Dass dann eine der "Tanten", eine relativ junge Frau, einen Fotoapparat dazu mitnahm, fand ich gemein. Wir haben versucht, uns möglichst weit von ihr zu „verstecken“ (so weit das möglich war). Die verordneten Schlammbäder haben mir keinen Spaß gemacht. Vor dem Wiegen wurden wir animiert, beim Frühstück noch möglichst viel von der Kakaosuppe zu essen, damit mehr auf die Waage kam (was für ein Unsinn). Einer der Jungs - weiß seinen Namen Adam noch - hat sich nach dem 5.Teller erbrochen. Naja, gegenüber den anderen Berichte noch harmlos. Und es gab auch schöne Momente, wie ein Sommerfest und die Abendrunde mit "Tante" Gertrud (aus Bottrop, sie hätte ich gern mal ausfindig gemacht), wo wir "Der Mond ist aufgegangen" gesungen haben. Insgesamt hat der Aufenthalt aber einen so schlechten Nachgeschmack bei mir hinterlassen, dass ich mich sehr gewehrt habe, als mein Vater mich ein Jahr später wieder "verschicken" wollte, und war sehr erleichtert, als er auf meinen Protest hin darauf verzichtet hat.
Das Gruppenfoto im strahlenden Sonnenschein, auf dem ich mich an meinen rot-blauen Regenhut (!) klammere, den mir die Fotografin versuchte im Vorfeld noch abzunehmen. Sie hat es nicht geschafft, ich habe mich daran festgeklammert, der Hut ist auf dem Foto zu sehen.
Ich war in einem 6 oder 8- Bettzimmer untergebracht, ich war eine der Kleinsten oder die Kleinste. Ich konnte nachts oft nicht schlafen. Zur Strafe musste ich barfuß und frierend im Flur stehen, wie oft habe ich verdrängt. Eines der schlimmsten Vorfälle, was ich bis zum heutigen Tage nicht verwunden habe, war, dass ich gezwungen wurde, Kartoffelsalat zu essen, eine Riesenportion. Die genaueren Umstände zu diesem Erlebnis habe ich verdrängt, vielleicht ist das auch besser so. Ich habe ihn jedenfalls ausgebrochen auf dem Tisch, woraufhin ich dann eine Weile in der Ecke stehen musste. Seitdem bekomme ich einen Würgereiz, sobald ich in die Nähe von Kartoffelsalat komme. 40 Jahre später noch.
Ich habe kein freundliches Gesicht einer dieser steinalten Erzieherinnen vor Augen wenn ich an die Zeit denke. Es war eine Tortur, und ich spüre, dass meine Verlustängste auch in dieser Zeit mit entstanden sein müssen. Nach den 6 Wochen bekam ich von meinen Eltern ein Kettcar geschenkt, schwarz-weiß-gewürfelt, mein großer Traum. Gegessen habe ich danach noch schlechter als vorher. Und mein Urvertrauen hatte einen Knacks. Als meine eigenen Kinder 5 Jahre alt waren, fragte ich mich, wie meine Eltern es damals fertig gebracht haben, mich in dem Alter einfach so wegzuschicken. Für mich wäre so ein Schritt niemals in Frage gekommen, was für eine Horrorvorstellung, die Kinder am Bahnhof einfach in fremde Hände zu geben, die die Kinder noch nie gesehen haben. Aber wie man immer so schön sagt, und wie auch meine Mutter immer sagt zur Entschuldigung oder Erklärung: "Es waren damals einfach andere Zeiten." - Ich habe es überlebt und auch verwunden, aber vergessen werde ich die 6 Wochen nie, und ganz verziehen hab ich auch meinen Eltern nie. Aber: man kann auch hervorragend ohne Kartoffelsalat leben.
