ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2774 Einträge
Ursula Laschewski schrieb am 21.04.2020
Mit 10 Jahren, 1963, wurde ich für 6 Wochen nach Bad Sooden-Allendorf verschickt, grauenhaft, gerne hätte ich Kontakt zu jemanden, der dort auch in der Kinderverschickung war. Kann mich dem sehr anschließen, was Brigitta geschrieben hat...
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Christine schrieb am 20.04.2020
Ich habe über einen Zeitungsartikel von dieser Initiative erfahren und bin sehr dankbar darüber.
Eigentlich bin ich eher ein Mensch, der eigene Probleme verharmlost und sicher ist meine Erfahrung auch nicht so dramatisch wie die vieler anderer in diesem Forum. Dennoch fühle ich mich zugehörig und möchte die großen Erinnerungslücken gerne auffüllen.

Ich bin im Dezember 1960 geboren und war 1966 (oder 1965) 4 Wochen wegen Mangelernährung in Bad Rappenau, wahrscheinlich im Kinderkurheim Siloah und 1969 6 Wochen in Königsfeld (Scharzwald) wegen Mangelernährung und einer Lungenerkrankung, wahrscheinlich im Kindersanatorium Schwester Frieda Klimsch Stiftung.
Ich habe leider nur sehr wenige Erinnerungen, aber ich denke nicht, dass ich misshandelt wurde. Trotzdem würde ich gerne mehr erfahren und hoffe, hier andere Menschen zu treffen, die auch dort waren.
Ich denke, der 1. Aufenthalt wurde nach 4 Wochen aus irgendeinem Grund abgebrochen. Ich bin sicher, dass ich großes Heimweh hatte und kann mich noch an einen 13-jährigen Jungen (oder Mädchen) erinnern, der nachts eingenässt hat. Ich hatte große Angst, auch einzunässen, was ich aber nie getan habe. Der Junge/das Mädchen wurde irgendwie abgesondert und vielleicht auch diskriminiert, weil ein so großer Junge/Mädchen noch ins Bett macht. Ich kann mich an einen großen Esssaal erinnern und an Brot mit Johannisbeergelee (ich kannte nur selbstgemachte Marmelade). Ich kann mich an keine Waschräume oder Spiele erinnern. In meinen Kleidungsstücken war mein Name eingenäht, sodass ich davon ausgehe, dass sie gewaschen wurden. Abends nach dem Abendessen wurde immer: Guter Mond, du gehst so stille… gesungen und dann gingen wir wohl ins Bett. Ich war ja erst 5 Jahre alt. Obwohl ich eine sehr schlechte „Esserin“ war, habe ich, außer dem Frühstück, keinerlei Erinnerung an Speisen. An eine Bezugsperson kann ich mich nicht erinnern.

Beim 2. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Wir fuhren mit dem Bus und wurden als erstes ärztlich untersucht. Ich kann mich noch an den Schlafsaal erinnern und an die Lage meines Bettes. Es müssten 4 – 5 Betten gewesen sein und eine Kommode für die Wäsche. Jede hatte eine Schublade. Der Esssaal war hell und ein wenig bunt. Dort aßen etwa 20 Kinder. Ich weiß nicht, ob wir nur Mädchen waren oder gemischt. Ich habe in 6 Wochen 6 kg zugenommen, kann mich aber ans Essen wieder nicht erinnern. Am Freitag zur Mittagszeit, wenn es Fisch gab, hat meine Mutter immer angerufen. Wir mussten nach dem Mittagessen 2 Stunden im Freien mit Wolldecken schlafen. Ich konnte nicht schlafen und habe nur so getan. Wir gingen auch spazieren, aber wir durften keine anderen Spaziergänger treffen (wahrscheinlich wegen unserer Lungenbeschwerden). Meine Bezugsperson hieß Tante Martha, sie hat auch in mein Poesiealbum geschrieben. Sie war sehr lieb zu mir, aber wenn sie nicht im Dienst war, hatte ich niemanden. Auch kann ich mich an die Nächte erinnern. Ich hatte Angst aufzustehen und z.B. zur Toilette zu gehen. Es gab Aufsichtspersonen, die mit Taschenlampen durch die Gänge gingen. Sie waren irgendwie unheimlich. Wenn jemand auf dem Gang erwischt wurde, gab es laute Stimmen auf dem Gang, aber meistens gab es keine. Wir wurden regelmäßig gewogen und es wurde Fieber gemessen.

Insgesamt war ich bemüht, nicht aufzufallen und sehr "brav".
Meine Eltern haben nie darüber gesprochen, ich denke, meine Mutter hatte Angst, einen Fehler gemacht zu haben und dass ich ihr vielleicht Vorwürfe gemacht hätte. Das ist schade, denn jetzt ist meine Mama gestorben und ich weiß nichts über die Aufenthalte. Vorwürfe hätte ich ihr sicher nicht gemacht, zumindest aus heutiger Sicht. Aber irgendetwas in meinem Inneren ist geblieben, eine Ahnung von Einsamkeit, Verlassenheit und vielleicht auch Verrat, obwohl letzteres sicher nicht beabsichtigt war.
Ich hoffe, von Euch Hinweise zu den o.g. Kurheimen zu bekommen. Das wäre sehr schön!
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Uwe schrieb am 17.04.2020
Mitte der 60er Jahre wurde ich für 6 Wochen zur Kur ins Kinderjeim Brilon verschickt. Geleitet wurde es von einer furchtbaren alten Dame, die eine strenges Regiment führte. Es war eine schreckliche Zeit. Allerdings erinnere ich mich (zum Glück?) nicht mehr an alles. Persönliche Gegenstände und Geld wurden einkassiert. Das Essen war ekelhaft. Man wurde gezwungen alles aufzuessen. Schaffte man es nicht, musste man sehr lange alleine vor dem Essen sitzen bleiben, bis man irgendwann doch alles heruntergewügt hat. Musste man während der Mittagsruhe oder in der Nacht aufs Klo wurde das überwacht. Man musste ein "Ergebnis" vorweisen. Natürlich konnte man dann nicht. Man musste dann solange auf dem Klo sitzen bleibenn, bis doch was kam. Man wurde wenn man weinte vor anderen lächerlich gemacht. Die Post wurde streng zensiert. Schrieb man etwas unliebsames wurde die Karte vorgelesen und dann zerrissen. Man musste auf eigene Kosten einen neue kaufen und etwas posives schreiben. Es gab eine Überschlagsschaukel vor der ich Angst hatte. Die "Erzieherin" machte sich darüber lustig und ich wurde ausgelacht. Auch wenn man Heimweh hatte, wurde man ausgelacht. Das Selbstwertgefühl ging einem verloren. Es sind nur einige der Dinge, an die ich mich erinnern kann. Ich habe den Aufenthalt als grauenvoll empfunden und war danach völlig fertig.
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Andre Schnor schrieb am 12.04.2020
Ich wurde als vierjähriges Kind im Rahmen einer Kinderkur in das BRK Erholungsheim nach Muggendorf in die Fränkische Schweiz verschickt. Die Kur dauerte insgesamt – und das war scheinbar üblich – sechs Wochen. Und so verbrachte ich die Zeit vom 3. November 1972 bis zum 14. Dezember 1972 an der Wiesent. Das genaue Datum kann ich deshalb sagen, weil mir meine Mutter vor einigen Tagen die „Kurmappe“ übergeben hat, die lange verschollen, von ihr wiedergefunden wurde. Ich staunte nicht schlecht. In dieser Mappe wurden alle Unterlagen zu meiner Kur aufbewahrt. Sämtlicher Schriftverkehr mit der Krankenkasse, Kofferanhänger, das Schild, das ich während des „Kindertransportes“ um den Hals trug, den Sachenzettel (1 Minitube "Blendi" Zahnpasta), den meine Eltern ausfüllen mussten und sogar die Taschengeldabrechung des Kindererholungsheims Muggendorf, auf der sogar die Schnitte Brot, die uns „Tante Edith“ gekauft hatte, mit 20 Pfennig abgerechnet wurde. Der Arztbericht ist auch dabei. Sämtliche Briefe, die ich von meinen Eltern bekommen habe und die, die von den Schwestern in meinem Auftrag an meine Eltern geschickt wurde sind ebenfalls dabei. Die Briefumschläge wurden mir wohl vorfrankiert von meinen Eltern mitgegeben.

Ich kann mich nicht vollständig an die sechs Wochen erinnern, aber es sind doch einige Dinge hängengeblieben. Eines kann ich vorwegnehmen: Ich war keiner körperlichen Gewalt des Personals ausgesetzt und kann nicht erinnern, geschlagen worden zu sein. Ich meine aber, dass man ziemlich grob und unsentimental mit mir umgegangen ist. Ich habe wohl einige Male ins Bett gemacht. Insbesondere am Abend vor der Abreise, und das weiß ich noch ganz genau. Ich habe vor lauter Aufregung das Bett so vollgekackt, dass ich nicht mehr wusste, wo ich liegen sollte. Das hat dann offensichtlich eine der Nachtschwestern gemerkt und mir mitten in der Nacht den Popo mit eiskaltem Wasser abgewaschen.

In den sechs Wochen haben wir einige Wanderungen in der näheren Umgebung durchgeführt. Ich kann mich daran erinnern, immer über die herausragenden Baumwurzeln gestolpert zu sein. Wir haben vor allen Dingen eines gemacht: Gegessen was auf den Tisch kommt. Das war nämlich auch der Grund meines Aufenthaltes. Ich war schlicht und einfach zu dünn. Das war anscheinend die Meinung der Kinderärztin, bei der wir waren. Damals waren fast alle Ärzte, denen die Generation meiner Eltern offensichtlich hörig waren, noch Götter in Weiß. Also wurde gesagt: „Der Junge ist zu dünn. Ich empfehle eine Kur in einem Kindererholungsheim.“

In der Zeit des Aufenthaltes habe ich viele Briefe von meinen Eltern erhalten. In jedem Brief ist davon die Rede, immer schön artig zu sein und immer „schön zu essen“. Die Briefe, die meine Eltern von mir bekamen, waren vorgeschriebene Briefe, unter die am Ende nur mein Name gesetzt wurde. Ich könnte wetten, dass alle Eltern Briefe mit demselben Wortlaut erhalten haben.

Ich kann mich noch gut an einen Jungen namens Frank B. erinnern. Da ich mich nie gewehrt habe, hat er gekniffen, gebissen und gehauen. Dem war ich nahezu wehrlos ausgesetzt. Ich hatte wahnsinnige Angst vor diesem Jungen.

Zu Beginn und zum Ende einer Kur wird immer ein ärztlicher Befund erstellt: Aufnahmezustand und der Zustand bei der Entlassung. Am 4.11.1972 wog ich 17,1 kg, 6 Wochen später waren es 18,0 kg. Für 900 Gramm Gewichtszunahme wurde ich 1 1/2 Monate von meinen Eltern getrennt, um 600 km von meinem Heimatort entfernt Essen zu lernen.

Sollte ebenfalls jemand zu diesem Zeitpunkt in Muggendorf gewesen sein: Ich habe sogar noch ein Gruppenfoto mit allen Kindern, die mit mir in Muggendorf waren.
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Ursula Ege-Schabler schrieb am 09.04.2020
Hallo,
ich begrüße alle ganz herzlich, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich.
Ich habe diese Seite durch Zufall entdeckt und deshalb ist mir erst jetzt bewusst geworden, dass es viele andere gibt, die die gleiche Angst, Schmerzen und Ekel erfahren haben. Ich dachte bisher, nur mir sei so etwas widerfahren. Aber wenn kleine Kinder sich vor physischer und psychischer Gewalt schützen müssen, wird ihnen wohl auch die Fähigkeit der sozialen Kontaktaufnahme und des Mitleiden genommen. Um zu überleben, habe ich mich anscheinend emotional völlig zurückgezogen. Das ist heute für mich zusätzlich schmerzlich.
Ich hatte seit meinem zweiten Lebensjahr schweres Asthma, was wohl auch der Grund für die “Kuren” war, zumal wir im Ruhrgebiet lebten. Ich bin Jahrgang 1952, zu dieser Zeit war die Luft in diesem Industriegebiet das reinste Gift.
Ich wurde nach Sylt, Wangerooge, Bad Reichenhall, Norderney und in den Schwarzwald . Das erste Mal mit 4 Jahren. Eine besondere “Verschickung” habe ich wohl noch exclusiv erlebt. Mit elf Jahren verbrachte ich die sechs-wöchigen Sommerferien in der Kinderklinik in Essen, wo man feststellen wollte, ob- und wie man mein Asthma heilen könnte oder ob ich überhaupt Asthma habe.
Eine besonders quälende Erfahrung in meiner Jugend war nämlich der Vorwurf, ich habe keine Atemnot, sondern wolle mich nur interessant machen. Meine Eltern erzogen uns vier Kinder nach den damals üblichen Wertvorstellungen. Mein Vater vertrat die Ansicht- Zitat: “Wer sein Kind liebt der züchtigt es” oder “Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen die Intelligenz”. Das war wohl auch der Grund, dass ich nie den Versuch machte, ihnen meine “Kurerfahrungen” zu erzählen.
Im Klinikum Essen ließen sich meine Eltern auch davon überzeugen, dass es besser sei, ihr Kind ohne Verabschiedung dazulassen. So lag ich plötzlich ohne jede Erklärung in der Unterhose auf einer Behandlungsliege, umgeben von mehreren Ärzten und Krankenschwestern. Ich bekam einige Spritzen und mir wurde Blut abgenommen. Dann führte mich eine Schwester zu einem Zimmer und teilte mir auf dem Weg mit, meine Eltern liessen mich grüßen. In dem vorgesehene Vierbettzimmer war ein Bett von einem älteren Mädchen belegt. Ich könnte wählen, zwischen einem Bett an der Tür oder am Fenster. Das Bett am Fenster erschien mir die bessere Wahl. Als mir die Schwester aber erzählte, Besuche seien nur von den Eltern erlaubt und diese dürften den Raum nicht betreten, wählte ich das Bett an der Tür. Besuchszeiten waren nur sonntags und dann wurde die Türöffnung durch die Nachttische blockiert. Am nächsten Tag wurde ein Kleinkind aufgenommen, dass den ganzen Tag weinte und schrie und ich musste in das Bett am Fenster umziehen. Meine Eltern besuchten mich zwei- oder dreimal. Ich verbrachte die sechs Wochen Sommerferien in diesem Zimmer im Bett, erhielt täglich regelmäßig drei Spritzen und im Laufe der Wochen verschiedene Untersuchungen, teils schmerzhaft, teils angstbesetzt, da mir nie erklärt wurde, was mit mir geschah oder warum.
Die Erfahrungen in den Kinderheimen waren vielfach die gleichen, die auch andere Verschickungskinder gemacht haben. Der erste Aufenthalt mit vier Jahren wurde auf eine lange Zeit verlängert, da meine Mutter krank wurde, die genaue Zeit kann ich nicht sagen. Die Ordensschwester, die die Abteilung mit eiserner Hand leitete und der diese Hand oft ausrutsche, fühlte sich bemüßigt, für meine Mutter in der sonntäglichen Pflichtmesse öffentlich zu beten. Ich war während des Aufenthalts längere Zeit sehr krank, isoliert und völlig vereinsamt in einem Verschlag ( unten Holz, oben Fenster). Als ich wieder in der Gruppe sein konnte, bemühte sich die “Tante” freundlich zu sein, was mir bewusst machte, dass ich wohl schwer krank gewesen war, denn bisdahin war sie mir als eine Person in Erinnerung, die mich/uns ständig sehr stark und schmerzhaft an den Haaren riss. Ich kam auch, wie mir meine Eltern erzählten, sehr krank mit hohem Fieber nach Hause.
Die Erlebnisse in Wangerooge waren ähnlich schmerzlich und negativ. Allerdings kannte man hier noch eine besondere Form der Folter: es gab nur etwas zu essen und trinken, nachdem zwei Becher Meerwasser getrunken waren, zu jeder Mahlzeit. Das betraf aber nur die wenigen Kinder mit Asthma oder Bronchitis und sollte wohl eine Heilmethode sein. Auch in Bad Reichenhall gab es die bekannte “schwarze Pädagogik” mit all den schon hier im Forum geschilderten Praktiken. Norderney und das Heim im Schwarzwald waren ok, wenn auch nicht gerade ein Urlaubserlebnis.
Leider kann ich mich nicht mehr an die Namen der Heime erinnern. Da ich sonst eigentlich ein recht gutes Gedächtnis habe, vermute ich, das die Namen zu den vielen verdrängten “Nicht-Erinnerungen” gehören.
Ich grüße alle ehemaligen “Verschickungskinder” und hoffe, der Austausch hilft ein wenig, die Erlebnisse besser zu verkraften und das Selbstbewusstsein zu
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Sylke schrieb am 09.04.2020
Wie dankbar ich über diese Initiative bin, kann sich nur schwer jemand vorstellen, der nicht Ähnliches und/oder Vergleichbares erlebt hat. Bis noch vor vier Wochen glaubte ich, es hätte schon irgendeinen Grund gegeben, der all die Bestrafungen und Misshandlungen, die ich 1970 als Fünfjährige im Haus Köhlbrand in St. Peter Ording erfahren musste, rechtfertigten. Was stimmte denn nicht mit mir, warum wurde ich gefesselt eingesperrt?. Gedemütigt vor der ganzen Gruppe? Warum durfte ich nicht auf die Toilette, wurde nackt mit dem Schlauch abgespritzt, durfte an den Mahlzeiten nicht teilnehmen? War ich so ein schlimmes Kind? Was habe ich den getan? Ich schämte mich und diese Scham hat mich bis zu einem Zeitungsartikel, der mich auf diese Seite führte, jeden Tag begleitet. Und jetzt weiß ich: ich war und bin nicht alleine!!!! Das tut so gut. Ein Weg der Heilung kann jetzt beginnen.....
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Lina-Marie schrieb am 08.04.2020
Ich war 1972 über die Ostertage in Bad Sachsa, vermutlich im Haus Warteberg für wohl sechs Wochen.
Das Haus wurde vom Ärzte Ehepaar Köbrich geleitet. Ich selbst erinnere mich weder an diesen Namen noch an die der Pädagoginnen.

Der Speisesaal war licht und hell, da in einer Art Logia untergebracht. Am Speisesaal befand sich linker Hand eine Teeküche, wenn ich mit dem Treppenhaus im Rücken im Saal stand. Rechter Hand befand sich der Raum für die Erzieherinnen. Die Duschen, großer dunkler Raum, befanden sich im Keller. Wir Mädchen waren in der obersten Etage unter bzw. fast unter dem Dach einquartiert und mussten nackt an den grölenden Jungen vorbei in den Keller laufen.
Waren die Jungs zur Nachruhe albern und laut, wurde einer von ihnen zur Strafe in eines der Mädchenzimmer gebracht.

Ich erinnere mich an ein kleines blondes Mädchen ca. drei Jahre alt. Es saß manchmal bei den Erzieherinnen am Tisch. Mir war das unverständlich und ich hatte Angst um dieses Mädchen.
Nach dem Mittagsschlaf gingen wir alle? mit einem Stück Kuchen in der Hand zu einem langen Spaziergang in den Wald.

Nach dem Abendessen wurde ich gezwungen Tabletten einzunehmen. Zwei oder drei andere Kinder bekamen auch Medizin verabreicht, sie waren schneller aus der Teeküche raus als ich, konnte und wollte ich die Tabletten nicht schlucken.

Ich war mit zwei Mädchen in einem Zimmer. Unsere Kleider wurden in einem Sack aufbewahrt. Frische Kleidung gab es einmal in der Woche.

Ich war damals 9 Jahre alt mit blonden, mittellangen Haaren.
Verschickt wurde ich damals über die BKK VW oder die LVA.
Zum Ende der Kur erkrankte ich an Röteln und wurde von einem mir unbekannten Ehepaar abgeholt.

Gibt es hier die eine oder den anderen mit ähnlichen Erfahrungen?
Welche, wer war zur gleichen Zeit dort?
Kennt noch Namen der Pädagoginnen?
Ich freue mich auf Antworten.
Lina-Marie
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Gerhard Borsdorf schrieb am 07.04.2020
Gerhard

Ich bin ca.1962 als 8jähriger nach Donaueschingen "verschickt" worden, wohl weil unsere Familie aus der DDR geflüchtet war und mein Vater ein noch geringes Einkommen hatte und daher diese Möglichkeit für sein Kind geboten bekam. Dass wir in dem Heim in einem großen Baderaum als Gruppe (nur Jungs) nackt duschen mussten, war mir unangenehm. Dass dann eine der "Tanten", eine relativ junge Frau, einen Fotoapparat dazu mitnahm, fand ich gemein. Wir haben versucht, uns möglichst weit von ihr zu „verstecken“ (so weit das möglich war). Die verordneten Schlammbäder haben mir keinen Spaß gemacht. Vor dem Wiegen wurden wir animiert, beim Frühstück noch möglichst viel von der Kakaosuppe zu essen, damit mehr auf die Waage kam (was für ein Unsinn). Einer der Jungs - weiß seinen Namen Adam noch - hat sich nach dem 5.Teller erbrochen. Naja, gegenüber den anderen Berichte noch harmlos. Und es gab auch schöne Momente, wie ein Sommerfest und die Abendrunde mit "Tante" Gertrud (aus Bottrop, sie hätte ich gern mal ausfindig gemacht), wo wir "Der Mond ist aufgegangen" gesungen haben. Insgesamt hat der Aufenthalt aber einen so schlechten Nachgeschmack bei mir hinterlassen, dass ich mich sehr gewehrt habe, als mein Vater mich ein Jahr später wieder "verschicken" wollte, und war sehr erleichtert, als er auf meinen Protest hin darauf verzichtet hat.
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Britta schrieb am 05.04.2020
Ich war im Jahr 1979 in Mittelberg im Allgäu in einem Kinderheim. 5 Jahre war ich alt. Über 600 km weit weg von meiner Heimat in Bielefeld, zum ersten Mal weg von meinen Eltern und meinen zwei Schwestern. Und das für 6 Wochen. Ich hatte wohl keine gute Muskulatur und ich aß furchtbar schlecht, und der Kinderarzt, dem die Eltern damals noch hörig waren, hatte mir Luftveränderung verordnet. Meine Mutter glaubte tatsächlich daran, dass es gut für mich sei, oder erzählt sie mir das jetzt nur? Es war grausam. Viele meiner Erinnerungen sind verschüttet, einige Bilder sind glasklar und haben sich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Die langen Wege vom Heim ins Dorf, wo wir einmal die Woche für 50 Pfennig etwas Süßes kaufen durften, das hinterher natürlich streng rationiert wurde. Die Postkarten, in denen stand, dass es mir hervorragend gehen würde, wo ich damals schon innerlich schrie ob dieser Lügerei, und mit Sicherheit war dies einer der Gründe, warum ich hinterher, noch vor Schuleintritt, mir das Lesen und Schreiben nahezu selbst beibrachte.
Das Gruppenfoto im strahlenden Sonnenschein, auf dem ich mich an meinen rot-blauen Regenhut (!) klammere, den mir die Fotografin versuchte im Vorfeld noch abzunehmen. Sie hat es nicht geschafft, ich habe mich daran festgeklammert, der Hut ist auf dem Foto zu sehen.
Ich war in einem 6 oder 8- Bettzimmer untergebracht, ich war eine der Kleinsten oder die Kleinste. Ich konnte nachts oft nicht schlafen. Zur Strafe musste ich barfuß und frierend im Flur stehen, wie oft habe ich verdrängt. Eines der schlimmsten Vorfälle, was ich bis zum heutigen Tage nicht verwunden habe, war, dass ich gezwungen wurde, Kartoffelsalat zu essen, eine Riesenportion. Die genaueren Umstände zu diesem Erlebnis habe ich verdrängt, vielleicht ist das auch besser so. Ich habe ihn jedenfalls ausgebrochen auf dem Tisch, woraufhin ich dann eine Weile in der Ecke stehen musste. Seitdem bekomme ich einen Würgereiz, sobald ich in die Nähe von Kartoffelsalat komme. 40 Jahre später noch.
Ich habe kein freundliches Gesicht einer dieser steinalten Erzieherinnen vor Augen wenn ich an die Zeit denke. Es war eine Tortur, und ich spüre, dass meine Verlustängste auch in dieser Zeit mit entstanden sein müssen. Nach den 6 Wochen bekam ich von meinen Eltern ein Kettcar geschenkt, schwarz-weiß-gewürfelt, mein großer Traum. Gegessen habe ich danach noch schlechter als vorher. Und mein Urvertrauen hatte einen Knacks. Als meine eigenen Kinder 5 Jahre alt waren, fragte ich mich, wie meine Eltern es damals fertig gebracht haben, mich in dem Alter einfach so wegzuschicken. Für mich wäre so ein Schritt niemals in Frage gekommen, was für eine Horrorvorstellung, die Kinder am Bahnhof einfach in fremde Hände zu geben, die die Kinder noch nie gesehen haben. Aber wie man immer so schön sagt, und wie auch meine Mutter immer sagt zur Entschuldigung oder Erklärung: "Es waren damals einfach andere Zeiten." - Ich habe es überlebt und auch verwunden, aber vergessen werde ich die 6 Wochen nie, und ganz verziehen hab ich auch meinen Eltern nie. Aber: man kann auch hervorragend ohne Kartoffelsalat leben.
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Franzi schrieb am 05.04.2020
Ich war 1995 als Fünfjährige auf Langeoog zur Kur, zusammen mit meinem zwei Jahre älteren Bruder. Er bekam als „Aufbaukost“ Müsliriegel. Wir durften uns die ganzen Wochen nicht sehen, aber ich erinnere mich noch, wie wir uns heimlich manchmal getroffen haben. Telefonieren durften wir nur einmal pro Woche. Einmal war wegen eines Sturms der Anruf meiner Eltern weg - wieder eine Woche warten, schrecklich! Es gab eine sehr strenge, eine strenge und eine nette Erzieherin. Letztere brach sich aber ein Bein, dann mussten wir eben mit den anderen klarkommen. Viel weiß ich nicht mehr von damals, es sind eher Erinnerungsfetzen an ein unheimliches Gebäude und schlimmes Heimweh.
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Birgitta schrieb am 03.04.2020
Zwei Postkarten habe ich jetzt noch gefunden. Alle Post musste ich unter Aufsicht schreiben, immer wieder: "Dass es mir gut geht!"

Ich kann mich nun wieder erinnern, dass schon die Zugfahrt dorthin ein schreckliches Erlebnis für mich war. Viele der Kinder schliefen auf der sehr langen Zugfahrt, doch ich konnte nicht schlafen, war aufgedreht und ich hatte Bewegungsdrang. Das mochten die Betreuer gar nicht. Wahrscheinlich war ich da schon "unten durch". Dann kann ich mich daran erinnern, dass Sachen, die mir meine Mutter mitgegeben hatte, bei der Ankunft nicht mehr da waren. Ich war in einem Schlafsaal mit 8-10 Kindern. Mein Bett stand vorne an der Zimmertür und das Bett quietschte. Sofort nach der Ankunft habe ich, ich hatte glaube ich Schreibpapier von meiner Mutter dabei, einen Brief geschrieben: Holt mich hier ganz schnell wieder weg. Bitte! Bitte! Es ist ganz schrecklich hier.... Ich staune, aber daran kann ich mich erinnern.

Doch der Brief ist natürlich nicht abgeschickt worden. Da mein Bett quietschte und wir aber still liegen mussten, bekam ich sehr oft Strafen, weil ich mich im Bett bewegte. Eine Strafe erinnere ich: Tagsüber noch mal schlafen, ohne mich zu bewegen! Und da das Bett an der Tür stand, wurde es sofort bemerkt.
Der Inhalt von Päckchen, die meine Eltern schickten, bekam ich nie vollständig.

Pfefferminztee kann ich bis heute kaum riechen. Den gab es täglich in großen Kannen und dazu Graubrot ohne Butter nur dünn mit Marmelade bestrichen. Das mochte ich nicht.
Es gab auch immer Strafen, die alle betrafen, obwohl man selbst gar nichts gemacht hatte.
Viele Erinnerungen sind wohl aber noch verschüttet. Immerhin waren es 7 Wochen. Das Heimweh war unendlich groß.
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Corina schrieb am 03.04.2020
Ich war zw. 1968 und 1970 6 Wochen zur Kinderkur auf Sylt und zw. 3 und 5 Jahre alt. Genaues weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur an einen großen Schlafsaal und eisige Waschräume. Ich bekam Mumps und hatte einmal Verstopfung und muß gefühlte Stunden alleine auf dem Klo gesessen haben, ohne dass jemand nach mir suchte ! Ich habe geglaubt meine Eltern nie wieder zu sehen weil 6 Wochen unendlich für ein so kleines Kind sind.Am Hamburger Hbf holten sie mich dann doch wieder nach 6 Wochen ab. Den Schrei, den ich beim Anblick meiner Eltern abgab, höre ich noch heute. Habe wohl sehr lange vor Freude geweint, sie wieder zu sehen!!!
Es war grausam !!!
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Birgitta schrieb am 02.04.2020
Ich bin am 9.8.1971 als Neunjährige von Dortmund mit dem Zug zum Kinder-Erholungsheim "Schmiedhof" in Kreuth am Tegernsee gefahren. Die Kur war von der Barmer-Ersatzkasse. Erst jetzt bin ich auf die Erfahrungs- und Erlebnisberichte von Kindern in Verschickungsheimen gestoßen und es kommen nur wenige Erinnerungen. Allerdings vermute ich jetzt, dass dieser Aufenthalt großen Einfluss auf mein Leben hatte/hat. Mich würde interessieren, ob es jemanden gibt, der auch in diesem Heim war und welche Erfahrungen oder Erlebnisse er hatte, um an eigene Erinnerungen zu kommen.
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CONNX T. schrieb am 02.04.2020
Hallo Marion, Hallo Joachim, ich war auch in obersdorf mit meiner kleinen Schwester, 1969 +/- 1 Jahr, es gab dort eine heimleiterin sie war klein und ich glaube dunkelhaarig, immer wenn sie tagsüber besonders schlimm war diese Frau holte sie Abends ihre Gitarre heraus uns spielte im Schlaf ganz für die Kinder....oh Ton: Li La Lu nur der Mann im Mond schaut zu....schrecklich ich vergesse das nie!!!!! Ach Jakobi oder so ähnlich hiess die...liebe Grüsse Conny
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Maria Krisinger schrieb am 01.04.2020
„Gefängnis am Meer“


So nannten wir es damals, das „Schloss am Meer“. Die Kinderkur der Barmer Ersatzkasse auf Föhr. Es hatte sogar Gitter an den Fenstern.
Ich war neun. Daher müsste es 1991 oder '92 gewesen sein. Ich hatte chronische Bronchitis, ausgelöst durch Holzschutzmittel in unserem damaligen Haus. Außerdem hatte ich Untergewicht. Und so sollte ich sechs Wochen in eine Kur. Erst einmal freute ich mich, denn wir waren schon die beiden Jahre zuvor auf Föhr im Urlaub gewesen. Auf einem netten Bauernhof. Ich sollte dorthin wegen der guten Meeresluft.
Aber erinnern an Ausflüge draußen, geschweige denn am Meer, kann ich mich an ungefähr drei. In den gesamten sechs Wochen. Wir waren immer drinnen.

Unsere Betten hatten Nummern. Und diese Nummern wurden wir. Ich weiß noch, dass ich meine Nummer noch einige Jahre lang wusste. Nun, nach fast 30 Jahren ist sie zum Glück verblasst. Also, das Bett hatte meine Nummer, mein Kleiderschrank hatte diese Nummer, in meiner Kleidung stand diese Nummer, an meinem Handtuch, meinem Kulturbeutel. Ich war diese nun vergessene Nummer.
Ich teilte mir ein Zimmer mit vier anderen Mädchen. Eines dieser Mädchen war erst sechs Jahre alt. Sie war von ihrer Schwester getrennt worden und, es ist kaum zu glauben, aber sie weinte noch viel mehr als ich. Sie hatte so schreckliches Heimweh. Noch mehr als ich. Und ich habe auch die gesamten sechs Wochen hindurch geweint.
Es störte die Erzieherinnen, dass ich Heimweh hatte und so viel weinte. Das war gar nicht gern gesehen und ich wurde von ihnen (außer einer, die sehr nett war) immer ein bisschen aufgezogen deswegen.
Nur manchmal, ganz selten, kam die Chefin runter. Sie war ein unglaublich dicke Frau. Sie hatte riesige Arme und Beine. Und sie war sehr einfühlsam und nett. Sie kam dann und gab uns „Heimwehpillen“. Ich glaube, es waren Smarties. Aber nur weil sie so nett mit mir sprach und mich tröstete, ging es schon viel besser.

Damals konnte ich nicht einschlafen, ohne die Stimmen der Drei Fragezeichen. In meiner ersten Nacht in der Fremde lauschte ich Justus, Bob und Peter und ließ mich von ihnen beruhigen. Nach nur wenigen Minuten jedoch kam eine der „Wachen“ hinein und nahm mir den Walkman weg. Das sei zu gefährlich, sagte sie. Und dass ich den Walkman am Ende der Kur zurück bekäme.
Weg waren sie, meine tröstenden Stimmen. Und da war die volle Kraft des Heimwehs, des alleine Seins und der Einsamkeit.

Duschen mussten wir immer zusammen. Wir standen in einem weiß gekachelten Raum unter ganz vielen Duschköpfen, die an der Decke hingen. Ich glaube wir standen auf einer großen Stufe, also etwas erhöht. Und das Schlimmste am Duschen war das kalte Abduschen danach. Da musste jede durch. Einzeln wurde man mit einem Schlauch eiskalt abgeduscht. Erst vorne, dann einmal umdrehen, und hinten.

Mit den Mädchen auf meinem Zimmer habe ich mich nicht so richtig gut verstanden. Meine Freundinnen, die ich dort gefunden hatte, waren alle schon 12 Jahre alt und gemeinsam auf einem anderen Zimmer. Mit 12 durfte man schon mehr machen. Auch mal alleine in den Ort gehen. Ich habe mir eigentlich damals geschworen, nochmal mit 12 dorthin zu fahren. Nur um den Laden dann aufzumischen und es den Erzieherinnen heimzuzahlen! Aber die Abneigung war größer als die Rachelust.
Ein Mädchen aus dem Zimmer meiner Freundinnen bot mir an, dass wir ja die Betten tauschen könnten. Sie wollte gerne der armen Sechsjährigen beistehen. Und ich wollte in das andere Zimmer. Unser Vorschlag wurde aber abgelehnt. Denn dann würden ja die Nummern nicht mehr stimmen, die wir durch unsere Betten ja nun waren.


Am meisten erinnere ich mich an die „Wachen“. An die Bewegungseinschränkung und die Kontrolle. Obwohl wir für die gute Luft da waren, hatten wir immer zwei Stunden Mittagsruhe. Da mussten wir auf unseren Zimmern und ruhig sein. Man durfte gar nicht raus. Wenn man aufs Klo musste, wurde man von der Wache dorthin gebracht. Sie wartete dann vor der Tür und brachte einen wieder ins Zimmer. Damit man ja nicht zu Freunden ins andere Zimmer huschen konnte. Die Erzieherinnen schritten die Flure auf und ab und kontrollierten, ob wir auch im Zimmer bleiben.
Nachts gab es auch Wachen im Flur.
Ab 22 Uhr war Nachtruhe. Einmal habe ich noch mit meiner Bettnachbarin geredet und gelacht. Es war kurz nach zehn. Da flog die Tür auf und wir wurden in den Waschraum geschickt. Dort mussten wir die ganze Nacht auf den kalten Fliesen schlafen. Wir haben uns damals alle Handtücher auf den Boden gelegt, um es uns ein bisschen weicher zu machen.

Einmal in der Woche durfte die Familie uns anrufen. Mein Flur war dienstags dran. Dienstags abends durfte meine Familie also anrufen. Wir hatten drei Minuten Zeit. So saßen jeden Dienstag mein Vater, meine Mutter, meine Schwester, meine beste Freundin und ihre Eltern um unser Telefon zuhause und ich im Büro des „Schloss am Meer“. Ich weinend. Jedes Mal. Ich habe sowieso die ganze Zeit nur geweint. Aber besonders am Dienstag. Nach drei Minuten klopfte es an der Tür. Zeit vorbei. Wenn man dann nicht auflegte, kam kurz danach eine Erzieherin rein und beendete das Telefonat.
Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins ist noch heute unerträglich.

Das Wichtigste war die Post!
Meine beste Freundin dachte sich immer ganz kreative Sachen aus. Sie schrieb mir Rätsel und erfand Spiele, damit ich mich vom Heimweh ablenken konnte. Sie schickte mir Briefe, Playmobilfiguren und einmal sogar Hundeleckerlies, damit ich was zu Begrüßung für meinen Hund hätte, wenn ich zurück komme.

Meine Mutter schickte mir vor allem Saft-Trinkpäckchen. Denn in der Kur gab es ausschließlich Früchtetee. Und ich hasse Früchtetee. Heute noch mehr als damals. Aber auch schon zu Beginn der „Kur“ fand ich es schrecklich eklig. Ich konnte es einfach nicht trinken.

Die so überaus wichtige Post durfte aber immer nur zusammen mit einer Erzieherin geöffnet werden. Denn sollten Süßigkeiten drin sein, würden sie einem weggenommen und an alle verteilt. Das kann ich ja sogar noch verstehen. Falls jemand ständig Süßes kriegt und ein anderer nie, wäre das ja auch hart. Was so schlimm war, war dass man darauf warten musste, bis eine Erzieherin Zeit hatte. Da lag ein großes Päckchen, gefüllt mit Fotos, Briefen und Trinkpäckchen. Mit der Sehnsucht nach Zuhause. Und die Erzieherin hatte keine Zeit, es mit mir zu öffnen. Es war zum verzweifeln. Einmal sagte mir eine Erzieherin: „Stell dich nicht so an, da sind doch eh nur Trinkpäckchen drin.“

Eines Tages wollte meine Großtante mich besuchen, da sie auch gerade auf Föhr im Urlaub war. Dass sie da gewesen war und an der großen Holztüre abgewiesen worden war, erfuhr ich erst Tage später durch eine Postkarte, die sie mir schrieb.

Ich war ja auch wegen Untergewicht dort. Und deshalb musste ich immer alles aufessen. Ich habe nie viel gegessen. Und zuhause durfte ich immer aufhören, wenn ich nicht mehr konnte. Dort musste ich aber aufessen. Und jemand setzte sich neben mich, bis ich den Teller leer hatte. Es war ein schrecklicher Zwang. Wenn man satt ist und es geht einfach nichts mehr rein. Aber man darf auch nicht aufhören zu essen, bis man es geschafft hat.
Und eine weitere „grandiose“ Maßnahme war, dass ich jeden Abend vor dem Schlafengehen noch eine Schüssel Smacks essen musste, bzw. durfte. Die sind ja lecker. Aber was für eine hirnrissige Ernährungsphilosophie ist das denn bitte?!

Am Anfang las ich auf dem Plan der Aktivitäten, dass wir eine Kutschfahrt mit Herrn Nikkelsen (ich bin nicht ganz sicher, wie er geschrieben wird) machen werden. Ich freute mich wochenlang wahnsinnig darauf. Denn auf dem Bauernhof dieses nettes Mannes war ich die beiden Jahre zuvor schon im Urlaub gewesen. Und ich war mir sicher, dass er mich noch kennt. Ich freute mich so sehr auf einen netten Bekannten. Und war auch heimlich schon ganz stolz, weil er mich doch bestimmt wieder die Kutsche lenken lassen würde, wie schon einmal zuvor. Am Tag der Kutschfahrt wurde diese ohne Angaben von Gründen gestrichen. Also wieder ein Tag im Essraum mit den großen Fenstern von denen aus man die Drachenflieger am Strand sehen konnte.

Ich weiß, dass meine Mutter es damals nur gut meinte und dem Arzt vertraute, dass diese Kur gut für mich sei. Aber ich kann mir bis heute nicht erklären, warum sie mich nie abgeholt hat. Sie hatte mich doch jeden Dienstag weinend am Telefon.
Und bis heute hatte ich immer eine ganz leise Angst, dass es tatsächlich ein Gefängnis war, oder eine Besserungsanstalt, weil ich laut meiner Mutter ja immer so schrecklich wütend war und das so anstrengend war.

Ich glaube, dass ich in dieser Zeit damit begann, mir die Mundwinkel blutig zu reiben. Das taucht auch heute immer mal wieder auf, dieses Phänomen und während dieser Phasen kann ich es nicht stoppen. Es ist ein Drang, den ich nicht lassen kann. Auch wenn mir die Mundwinkel schon weh tun und ich völlig bescheuert aussehe. Ich kann es nicht lassen. Erst wenn sie wirklich blutig sind und es zu sehr weh tut, sie zu berühren, dann höre ich auf.
Durch die momentane Ausgangs- und Kontaktsperre wegen Corona fühle ich mich immer öfter an diese Zeit erinnert. Wieder einmal Freiheitsentzug und Kontrolle im Namen der Gesundheit. Meine Mundwinkel sind auch wieder wund. Und das ist ja besonders jetzt, da man sich nicht ins Gesicht fassen soll, wiederum mit sehr viel Angst verbunden.

Aber ich bin froh, dass diese Zeit gerade wieder so lebendig wird und ich viel darüber nachdenke.
Denn so kam es, dass ich online suchte nach dem „Schloss am Meer“ (diesen Namen kann ich in meinem Inneren immer nur mit größter Verachtung und Wut denken). Ich wollte wissen, ob es das Haus noch als Kurort gibt und ob ich vielleicht heute noch klagen könnte, um andere Kinder zu schützen oder um nun endlich den Laden aufzumischen, wie ich es eigentlich mit 12 machen wollte. Da stieß ich auf ein altes Foto des Hauses, was mich zu einem Artikel über „Verschickungskinder“ brachte. Ich fand noch viele weitere Artikel und auch zu dieser Seite der Vernetzung von Betroffenen.
Ich fühle mich nur allein dadurch schon so viel besser! Ich bin nicht zu sensibel. Es ist so schlimm wie es sich angefühlt hat. Und ich bin nicht die einzige. Und „das Kind“ hat einen Namen. Und außerdem kann ich jetzt ganz sicher sein, dass es eine Kur war und kein Knast.
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Christian Katz schrieb am 30.03.2020
Hallo zusammen, ich bin ganz neu hier und habe durch einen Artikel in der örtliche Zeitung wieder Interesse bekommen, über meinen Kuraufenthalt auf Wyk auf Föhr nachzudenken.
Leider habe ich gar keine Erinnerung an die Zeit, da ich erst knapp zwei Jahre gewesen sein muss, als ich zur Erholung und Kräftigung nachdem ich nur knapp eine doppelseitige Lungenentzündung überlebt hatte. Das muss so um 1953 gewesen sein. Ich bin in Lübeck geboren. Aus Erzählungen meiner Mutter, die schon lange verstorben ist, kann ich mich an den Namen "Tante Elisabeth" erinnern, weil meine Mutter erzählt hat, dass es dort eine Schwester, eben besagte "Schwester Elisabeth" gegeben hat, die mich zu sich genommen hat und in deren Bett ich schlafen durfte, weil ich noch so klein war. Ich hatte wegen der Erzählung immer ein starkes Gefühl der Dankbarkeit ihr gegenüber. In dem Zeitungsartikel wird diese Frau "Tante Elisabeth" aber als ziemlich brutale und unmenschliche Person dargestellt.
Meine Frage jetzt: War jemand in den Jahren 1953/54 in diesem Heim in Wyk auf Föhr und hat diese Tante Elisabeth gekannt und kann mir mehr über diese Person erzählen? Weiß jemand noch den Namen des Heims? Die Frage, ob sich jemand an einen kleinen, eher zarte zweijährigen Jungen namens Christian in diesem Heim erinnert, ist wahrscheinlich nicht zu beantworten.
Aber vielleicht gibt es aj Infos aus dieser Zeit. Mir wäre es wichtig, weil ich mich immer gefragt habe, wieso ich, obwohl ich eigentlich kein sehr ängstliches Kind war, solange ich mich als kind ein meinem sozialen Umfeld meiner Familie und auf der Straße bewegt habe, aber bei der Einschulung, als meine mich begleitende Mutter den Klassenraum nach der Begrüßung durch die Grundschullehrerin die Klassenraum verlassen sollte (wie alle Eltern), ich sofort laut weinend hinter ihr her und aus der Klasse gelaufen bin.
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Thomas Schmitt schrieb am 29.03.2020
Meine Verschickung 1964 (aufgeschrieben im März 2020)

*Erholung*
Im Herbst 1964 wurde ich als Achtjähriger für sechs Wochen in ein Heim gegeben, wie man damals sagte “zur Erholung”, mit dem Ziel der Gewichtszunahme. Meine zwei Jahre jüngere Schwester begleitete mich mit unzähligen anderen, fremden Kindern.

*Die Fahrt*
Die lange Bahnreise führte uns erstmals im Leben ins Ausland, von Rheinhessen ins Tessin. Bei einem längeren Zwischenhalt in Basel besuchten wir den Basler Zoo, der einzige Lichtblick der gesamten Verschickung.

*Das Heim*
Das Haus lag auf einem Hügel außerhalb der Ortschaft Agra im Tessin, mit einer herrlichen Sicht bis zum Luganer See. Geleitet wurde das Heim von katholischen, deutsch sprechenden Ordensschwestern. Es war das Olga-Burchard-Heim in
6927 Agra - Collina d'Oro,
Lugano - Schweiz

*Die Trennung*
Wie bereits im Zug, so wurden wir Kinder im Heim getrennt und nach Geschlechtern auf verschiedenen Stockwerken untergebracht. Meine kleine Schwester sah ich selten, ich erinnere mich dabei nur an die Essenszeiten im riesigen Speisesaal, aber auch da saßen wir nicht am selben Tisch. Bei Spaziergängen und anderen Freizeitveranstaltungen wurde die scharfe Geschlechtertrennung durchgehalten.

*Die Mahlzeiten*
Hier gab es die eiserne Regel, dass der Teller leer gegessen werden musste. Die Portionsgrößen wurden von den Nonnen bestimmt. Wer nicht aufaß, musste so lange im Treppenhaus auf- und ablaufen, bis der Hunger, die Erschöpfung oder die Verzweiflung so groß war, dass man schließlich doch seinen Teller leer aß. Es gab dabei keinerlei Pardon.

*Die Nächte*
Fünf oder sechs Eisengestellbetten pro Schlafsaal, unter jedem Bett ein großer Blecheimer für’s nächtliche “Geschäft“. Schlafenszeit war schon recht bald nach dem Abendessen, an ein Abendprogramm kann ich mich nicht erinnern. Vor den Türen auf dem Flur patrouillierten Nonnen, um beim geringsten Geräusch hereinzukommen und den “Schuldigen” ausfindig zu machen. Zur Strafe musste der Ertappte lange auf den Fliesen im eiskalten Flur knien, im Schlafanzug und unter Aufsicht. Manchmal passierte es einem Jungen, dass er seinen Blecheimer umstieß. Lärm, Gestank, Geschrei und Strafe waren die Folge, die zur gestörten Nachtruhe hinzukam.

*Die Sonntage*
Für uns “Ältere”, meine Schwester gehörte nicht dazu, war der sonntägliche Kirchgang Pflicht. Das bedeutete einen Marsch durch den Wald zur winzigen Dorfkirche von Agra. Diese war schon wegen der Dorfbewohner ziemlich voll. Unsere Gruppe Kinder musste dann ganz hinten stehen, wir sahen nichts und verstanden kaum etwas, denn die Messe wurde noch auf Latein gehalten, die Predigt etc. war auf italienisch. Am schlimmsten aber empfand ich den stickigen Geruch, wohl verursacht vom alten Gemäuer, von alten Menschen, Kerzen und Weihrauch. Mehr als einmal wurde mir übel!

*Kontakt nach Hause*
Sechs Wochen ohne Kontakt zu Eltern und unseren fünf weiteren Geschwistern! Telefonieren gab’s gar nicht. Briefe und Postkarten wurden zensiert, es durfte nur Positives über unseren Aufenthalt berichtet werden. Es gab Jungs, die einen Hilferuf an die vorgesehene Stelle für die Briefmarke schrieben und dann überklebten. An einen Besuch durch Eltern eines anderen Kindes kann ich mich nur in einem einzigen Fall erinnern.

*Recherche und Erinnerung*
Angeregt durch einen Betrag im Südwestfernsehen Anfang 2020 stieß ich auf die Webseite http://verschickungsheime.org/ und recherchierte dann nach dem Heim in Agra/Tessin. Das “Deutsche Haus” war zunächst als Sanatorium gegründet und von einem Direktor Hanns Alexander aus Dresden geleitet worden, der von den Nazis unterstützt wurde. Zitat aus der Webseite https://www.resortcollinadoro.com/en/the-resort/history : “Nachdem Deutschland 1945 besiegt wurde, litt das Deutsche Haus infolge der Aktivitäten von Doktor Alexander unter seiner schlechten Reputation, bis es 1969 schließlich geschlossen wurde.” - Gelände und Gebäude haben seit Jahren einen anderen Besitzer. Es ist heute ein Ferienresort. Schon beim Betrachten der ersten Fotos kamen deutliche Erinnerungen an das Heim und die Umgebung wieder. Keine Zweifel: hierhin waren ich und meine Schwester 1964, ich mit acht, sie mit sechs Jahren, verschickt worden.
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Katrin Sander schrieb am 29.03.2020
Ich war 1969 als 5 jährige im Bodelschwingh Haus auf Langeoog und vorher war ich ein fünfjähriges aufgewecktes Kind mit Neurodermitis. Als ich zurückkam habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt. Sie haben mich nicht aus Langeoog abgeholt, obwohl ich es ganz oft zu den Schwestern dort gesagt habe. Sie sollten es auf die Postkarten schreiben. Doch meine Eltern kamen nicht, da sie natürlich keine solcher Postkarten bekamen. Danach war ich abgemagert und wieder Bettnässer. Meine Eltern waren erschüttert und nachdem sie einen Brief an das Heim geschrieben haben, kam von der Oberin ein Brief zurück, dass ich wohl geistig minderbemittelt bin und mich nicht habe einordnen können.
Die widerliche Suppe musste ich aufessen und so lange am Tisch sitzenbleiben, bis sie leer war, sodass es dann meine Schuld war, wenn ich nicht mit an den Strand durfte. Auch ins Bett habe ich gemacht, da man nicht mehr aufstehen durfte, wenn das Licht ausging. Einmal habe ich auch eingekotet, warum weiß ich nicht mehr aber ich musste alles selber saubermachen und draußen vor der Tür saß eine Hexe, die aufgepasst hat. Mir kommen immer noch die Tränen und ich hatte es alles bis vor 27 Jahren verdrängt. Doch bei der Geburt meines Sohnes ist wohl wieder alles hoch gekommen und so habe ich bis heute starke Verlustängste und kann nicht gut allein sein. Meinen Eltern mache ich keine Vorwürfe, die wussten nichts von den Zuständen dort. Ich habe lange Zeit an mir selbst gezweifelt. Ich war eben ungehorsam und habe immer Schwierigkeiten gemacht. Jetzt weiß ich, dass es vielen so ging und auch wie ich, daran noch leiden. Das hilft natürlich.
Liebe Grüße an alle da draußen
Katrin
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Brigitte Tritschler schrieb am 25.03.2020
Auch ich war 5jähr. 1968 für einige Wochen in einem Heim in Schulenberg im Harz. Bisher habe ich die Ereignisse wohl verdrängt, nachdem ich aber die Dokumentation von Report Mainz gesehen habe, kommt so einiges wieder zum Vorschein. Zusammen mit meinem jüngeren Bruder wurden wir von der Kinderärztin dahin geschickt. Am schlimmsten ist wirklich diese Erinnerung an die Kirschsuppe, ich fand sie eklig, habe sie auch erbrochen und musste das dann aufessen. Als ich nicht wollte, hat eine der Tanten mich auf den Schoss genommen und mir alles reingestopft. Ich war ganz alleine mit ihr in diesem Saal bis alles weg war. Auch durfte ich nie raus, weidlich anscheinend keine Gummistiefel hatte. Als wir wieder heim kamen, waren die Gummistiefel auf einmal wieder im Koffer. Meinen 4jähr. Bruder habe ich in den ganzen Wochen nur einmal gesehen. Mädchen und Jungs waren damals ja strikt getrennt.
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Birgit Skog schrieb am 25.03.2020
Hej, ich war ungefæhr 1975 als 10 jæhrige in einem kurheim auf Borkum. Meine Erinnerungen daran sind nicht die besten. Denke an dicken hafersuppe, einen grossen speissesal, mussten um 5 uhr ins Bett, rote jogginganzuege, lieder fuer die leiterin singen und vieles mehr. Ich wohne jetzt schon 30 jahre i Dænemark aber diese wagen Erinnerungen haben mich nie verlassen.
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Veronika schrieb am 21.03.2020
Hallo zusammen,
ich habe diese Info durch einen Bericht in unserer Tageszeitung (LKZ) gefunden. Ich war vom 20.9. - 30.10.1963 im Kinderheim Berghof´ in Polling / Obb. Bin 1955 geboren und damals wohnten wir in Essen/NRW. An das Kinderheim kann ich mich nur erinnern, daß wir Holunder essen mußten, den ich nicht mochte. Außerdem mußten wir uns abends immer in eine Reihe stellen, um auf die Toilette zu gehen. Erst wenn die Schüssel voll war, durfte abgezogen werden. Das hat - glaube ich - bis heute Nachwirkungen, da ich immer noch drauf fixiert bin, eine Toilette in der Nähe zu haben. Außerdem bekam ich nach 3 Wochen eine angeblich starke Bronchitis. Der Arzt , Dr.Treidtel, kam ab und zu abends . Als ich nach Hause kam, fiel ich meinen Elternhalbtot ´ in die Arme ( Aussage meiner Eltern). Die gingen gleich am nächsten Tag mit mir zum Lungenfacharzt und der stellte fest, daß ich eine heftige Lungenentzündung gehabt hatte. Nach den 6 Wochen Kur fehlte ich noch 3 Wochen in der Schule, weil ich erst diese Folgen der Lungenentzündung wieder auskurieren mußte.
Wie das weitere `Leben ´ in dem Heim war, daran kann ich mich - Gott sei Dank wohl - nicht mehr erinnern. Es muß wohl auch bald darauf geschlossen worden sein. Über das Heim habe ich noch den Entlassbericht und die Stellungnahme der Krankenkasse von damals, daher die genauen Angaben. Mein Vater hatte sich massiv bei der Krankenkasse beschwert.

Ich finde es gut, daß es jetzt diese Seite gibt und das es endlich bekannt wird, wie in einem Teil der Heime mit den Kindern umgegangen wurde. Mein Mann war mehrfach auf Sylt und hat keinerlei schlechte Erfahrungen in seiner Erinnerung.

Ich wünsche uns allen, das wir durch diese Seiten sehen können, daß wir nicht alleine sind.
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Beate schrieb am 20.03.2020
Hallo, ich war 1970 als 7-jährige für 6 Wochen im DRK-Kindersolbad Bad Dürrheim. Ich erinnere mich an lieblose, empathiefreie Betreuung, strenges Regime mit Ohrfeigen, Drohungen, Schlafentzug und Unterschlagung von Post und Geburtstagsgeschenken von meiner Familie (ich habe dort meinen 8. sehr freudlosen Geburtstag verbringen müssen)

Bislang gibt es auf dieser Seite nur Erfahrungen vom Luisenheim. Vielleicht war ja auch jemand in der DRK-Kinderheilstätte, die oder der mehr erzählen kann?
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Silke schrieb am 19.03.2020
Hallo
Ich war 1979 in St.Peter Ording mit 4 Jahren, mein Bruder mit 6 Jahren war auch dabei. Meine Erinnerungen daran sind sehr schwach, meine Seele weiß aber das da was war. In meinem Heilungsprozeß 2010 aufgrund von Sex.Mißbrauch kam das immer mehr zu Tage. Ich kann mich erinnern das meine Mutter später erzählt hat sie hätte anrufe wegen meines unmöglichen Verhaltens bekommen. Ich hätte doch tatsächlich meinen Kot an die Wand geschmiert... wahrscheinlich aus Langeweile... ha ha. Diese Ignoranz ist mir bei der Aufarbeitung öfters begegnet. Ja ich war halt ein schlimmes Kind und eben unmöglich weil ich mich schon im Kindergarten bestens mit der Anatomie des Mannes auskannte...
Das Kurheim hieß Wentzelhof von Ehepaar Spielmann. Durch einen Heimatforscher habe ich ein Buch über die Kinder Kurheime in St.Peter Ording. Dem Ehepaar habe ich 2011 geschrieben aber meine Akte nicht bekommen.
Ich habe auch noch ein Gruppenfoto und schon oft überlegt wie ich die Kinder ausfindig machen kann. Es würde mich interessieren ob sich jemand an mich erinnert. Vielleicht erinnert sich ja jemand daran.
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Michael Thierbach schrieb am 18.03.2020
Hallo zusammen!
Ich wurde heute durch einen Bericht im "Schwarzwälder Boten" auf dieses Forum aufmerksam und seither habe ich feuchte Augen. Auch ich war ca. 1964 so ein Verschickungskind wegen ständiger Brochitis. Ich habe wirkliche Grausamkeiten erlebt. Ich war in einem DRK-Heim in Wittdün auf der Insel Amrum. Meine Frage: Gibt es jemanden, der dort auch war? Vor ca. 15 Jahren habe ich an das DRK und die Kriminalpolizei dort geschrieben, ob weitere Fälle bekannt sind, leider ohne Ergebnis.
Anlässlich einer kardiologischen Reha im vergangenen September wurde mir dringend empfohlen, die Erlebnisse aufzuarbeiten, da das auch mein Herz beeinträchtigt. Die Psychologin hat bei mir eine PBS diagnostiziert, aber leider gibt es in meiner Nähe keine geeigneten Traumatherapeuten.
Ich würde mich gerne weiter austauschen...
Liebe Grüße aus dem Schwarzwald
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Monika Held schrieb am 17.03.2020
Hallo, ich war schon in den fünfziger Jahren in Wijk auf Föhr. Ich erinnere mich an die ekelhafte Brotsuppe, die es zum Frühstück gab. Ich nahm ein paar Löffel und erbrach die Pampe sofort zurück auf den Teller. Sie wollten mich zwingen, das erbrochene aufzuessen. Als ich mich weigerte, musste ich einen ganzen Tag alleine vor dieser säuerlich stinkenden Suppe sitzen. Ich weiß, dass ich damals dachte: Und wenn ich hier sterbe - den Teller rühre ich nicht an.

Ich erinnere mich auch an einen Nachmittag, an dem getestet wurde, wer von uns schön singen kann. Nach einer Strophe "Hänschen klein" wurde entschieden, wer beim Singspiel mitmachen durfte und wer nicht. Ich nicht. Wir mit den unschönen Stimmen wurden ins Bett geschickt und mussten bis abends anhören, wie die anderen Kinder ein Singspiel einübten. Wir haben stundenlang geweint. Jahre später ist mir diese wieder Szene eingefallen, als ich gefragt wurde, warum ich im Musikunterricht nicht mitsingen wollte. Singen kann doch jeder! Ich nicht mehr.
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Monique Eckardt-Begall schrieb am 17.03.2020
Hallo, ich wurde 1958, mit 6 Jahren, vom Gesundheitsamt Wiesbaden (wie ich vermute), wegen Untergewichts für 6 Wochen in ein Kinderheim nach Bayern (wo genau, weiß ich nicht mehr) verschickt. Viele Erinnerungen an diese schreckliche Zeit habe ich verdrängt, was ich noch erinnere: es gab 3x täglich Haferschleim, und weil ich den noch nie gemocht habe, hatte ich mich während des Essens meistens übergeben. Danach wurde ich an den Tisch gesetzt und musste den Haferschleim weiteressen. Das ging so über Wochen. Die Post wurde zensiert bzw. Briefe an die Eltern wurden erst gar nicht abgeschickt, Telefonate nach Hause verboten. Weil sich mein Vater wunderte, dass ich mich nicht meldete, hatte er 2x in dem Heim angerufen und wollte mich sprechen, jedes Mal wurde ihm gesagt, dass ich gerade nicht da sei. Die Erzieher waren lieblos bis grob, wir wurden oft angeschrien. Ich hatte viel Heimweh und habe ins Bett gemacht, weil wir nachts nicht aus dem Zimmer gehen durften. Die Bettwäsche wurde dann nur getrocknet und ich musste weiter in dem nach Urin riechenden Bettzeug schlafen. Während dieser Zeit sind in dem Haus die Windpocken ausgebrochen und es ging das Gerücht um, dass man auf der Krankenstation besser und freundlicher behandelt und nicht zum Essen gezwungen würde. Ich hatte alles daran gesetzt, mich mit Windpocken anzustecken, um auch in die Krankenstation zu kommen, was mir dann auch gelang. Dort war es dann wirklich besser. Die Eltern wurden über diesen Windpockenausbruch allerdings nicht informiert. Viele von uns wurden dann krank in den Zug nach Hause gesetzt und den entsetzten Eltern übergeben, das war 1 Tag vor Hl. Abend. Ich war damals, wie gesagt, 6 Jahre alt. Bis auf den heutigen Tag kann ich keinen Brei, geschweige denn Haferschleim, auch nur riechen, ohne dass mir übel wird. Leider habe ich nicht herausfinden können, wo das Heim in Bayern genau war und wie es hieß. Aber vielleicht war ja noch jemand, der das hier liest, ebenfalls dort? Den größten Skandal an diesen Verschickungen sehe ich darin, dass damals niemand - weder Eltern noch Behörden - diese Zustände öffentlich gemacht und dafür gesorgt hat, dem ein Ende zu setzen.
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Michael schrieb am 12.03.2020
Hallo
ich war in St.Peter-Ording 1966 und 1967 in Wyk auf Föhr. Leider kennen ich die Namen der Heime nicht mehr ; ich war damals 6 bzw. 7 Jahre alt. St.Peter war besonders furchtbar, Wyk 1967 wenig besser. Leider weiß ich nicht wer damals die Verschickung angeordnet hat , vermutlich der Berliner Kinderarzt zu dem ich damals ging....Würde mich gern mit Leuten austauschen die auch in diesen Jahren in den genannten Heimen waren.... und ich bin froh dass ich zufällig auf dieses Forum und die "Verschickung" gestoßen bin... Vieles habe ich verdrängt, durch die Schilderungen bekomme ich wieder einen "Draht" in die Vergangenheit...
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Heidi schrieb am 10.03.2020
Ich wurde 1975 im Alter von 6 Jahren nach Sylt zu einer Kinderkur geschickt, weil ich Asthma hatte. Es war das Kinderkurheim „Haus Nordmark“, Westerland. An den Aufenthalt selbst habe ich kaum bildhafte, sondern eher emotionale Erinnerungen. Es war sehr schlimm für mich dort, weil ich großes Heimweh hatte. Ich wurde gezwungen, mein Essen stets aufzuessen, weil die Betreuerinnen mir sonst nicht die Postkarten vorlasen, die meine Mutter mir schrieb. Das ist die einzige Szene, die ich immer noch vor mir sehe: Wie ich vor dem Teller mit Essen sitze und die Betreuerin mit der Postkarte meiner Mutter winkt. Ich hatte große Angst vor dem starken Wind auf der Insel. Die Betreuerinnen sagten, dass dort auch schon Kinder weggeweht seien, die nicht brav gewesen seien. Seit dem Aufenthalt bin ich übergewichtig und habe eine Essstörung (vorher war ich ein sehr dünnes Kind).
Im Jahr 1978, im Alter von 8 Jahren, wurde ich dann noch einmal in eine Kinderkur geschickt, weil ich abnehmen sollte. Damals war ich im „Haus am Schmalensee“ in Mittenwald, das von Nonnen geleitet wurde. An diesen Aufenthalt habe ich mehr Erinnerungen. Es gab für mich kaum etwas zu essen, während die anderen Kinder zum Essen angehalten wurden. Ich hatte ständig Hunger und großes Heimweh. Wir bekamen gleich zu Beginn alle Anziehsachen abgenommen und durften erst nach zwei Wochen die Kleidung wieder wechseln. Post meiner Eltern wurde mir vorenthalten, sodass ich dachte, sie hätten mich vergessen. Auch wurde meine Post an die Eltern zensiert. Ich weiß noch, wie eine Nonne mich zu sich rief, um mir einmal zu sagen, dass ich „keinen schönen Brief“ geschrieben habe. In diesem hatte ich meinen Eltern von den Zuständen geschrieben. Den Brief sollte ich noch einmal neu schreiben. Am Ende der 6 Wochen bekam ich alle Briefe meiner Mutter und ein Paket mit Süßigkeiten, die ich auf der Rückfahrt alle auf einmal in mich hineinstopfte, bis mir schlecht war. Es gab kein Mitgefühl dort. Als ich Windpocken hatte, wurde ich in ein Zimmer einquartiert, in dem ich mehrere Tage völlig allein verbringen musste. Die Nonnen waren sehr streng, es fiel kein freundliches Wort, soweit ich mich erinnern kann. Es wurde viel gebetet. Es gab aber einen gewissen Zusammenhalt unter den Kindern, das weiß ich noch. Alle waren in Not und haben auf ihre Art versucht, mit der Situation fertig zu werden.
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Juergen Reinhold schrieb am 10.03.2020
Hallo, ich bin Jahrgang 1959 und wurde im Alter von 5 Jahren, oder so, fuer 6 Wochen nach Spiekeroog zur "Kur" geschickt. Meine Lungen waren damals "unterentwickelt" und das Rhein/ Main Delta Klima im Raum Frankfurt/Main war nicht gut fuer mich (kannn mich noch daran erinnern wie es meinen Eltern erklaert wurde). Die "frische Luft" wuerde mir im Norden
gut tun. Wenn ich das Wort Spiekeroog bis zum heutigen Tage hoere (bin nun 61) geht mir ein eiskalter Schauer ueber meinen Ruecken runter.
Die Sehnsucht nach meinen Eltern und unendlichen Traenen die wir gemeinsam mit anderen Kindern dort geweint haben werd ich niemals in meinem Leben vergessen.
Der eiskalte "Empfang" und taeglichen Umgang mit uns dort auf der Insel waren einfach grausam. Ich kann mich nicht an viele Einzelheiten erinnern, nur das es ein absoluter Alptraum fuer mich war.
Ich bin mir sicher das dieser Schock dort mein Leben gepraegt hat. Ich konnte mich danach kaum konzentrieren, hatte Schwierigkeiten in der Schule. Hatte ueberhaupt kein Selbstvertraunen mehr.
Danke das Sie diese Seite gegruendet haben.
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Monika Pahnke schrieb am 09.03.2020
Ich war Mitte der 70er Jahre auf Sylt, Vogelkoje.
Ich bin von der ersten bis zur letzten Minute Schikaniert und gemobbt worden !
Durch diese Scheiße ( sorry ) lief / läuft bis heute mein Leben komplett aus dem Ruder.
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Elke schrieb am 09.03.2020
Hallo, ich war 1977 als 12jährige im Kinderheim Schlichter am Schliersee und habe zum Glück keine traumatischen Erlebnisse gehabt. Es sind kleine Dinge die bei mir in der Erinnerung auftauchen ich bin gespannt was da noch hervor kommt.
Die jüngeren Kinder haben allerdings sehr unter Heimweh gelitten und die Nähe zu uns Älteren gesucht. In einem Brief an meine Eltern erzählte ich dass ich schon „zwei Töchter“ hätte und ich erinnere mich zudem an einen kleinen Jungen der mich bat, seine Mama zu sein.
Seither habe ich mich nur daran erinnert dass ich 1977 beschoß Erzieherin zu werden, jetzt ist mir klar geworden warum......
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Ute Maria schrieb am 09.03.2020
Ich bin mit 6 Jahren im Jahr 1972 nach Bad Dürrheim verschickt worden, weil die Untersuchung zur Einschulung ergeben hat, dass ich übergewichtig sei und deshalb abnehmen sollte. In Bad Dürrheim wurden Kinder, die übergewichtig waren und die, die Untergewicht hatten, zusammen betreut.

Der Begriff Verschickungskind fasst all die Trauer, das nicht begreifen können über die einsamen Wochen zusammen. Verschickt worden wie eine Sendung, die niemand mehr wollte. So hat es sich angefühlt. Verheerend.

Als ich zurück kam war ich verstört, hatte in der Zeit keinen Kontakt zu meinen Mitschüler*innen knüpfen können, war sozial nicht integriert, konnte nicht lesen und schreiben und habe nur durch viel Glück und gute Umstände nicht in der Schule versagt.

Heute bin ich 54 und dieses frühe Trauma hat als Subtext immer mein Leben begleitet. Ich habe 40 Jahre niemandem vertraut, auch mir selbst nicht.
Die Fassungslosigkeit darüber, wie eine Mutter und ein Vater akzeptieren können wochenlang von ihrem Kind getrennt zu werden ohne jedweden Kontakt habe ich nie verloren. Wie Krankenkassen, Ärzte, erweiterte Familie, Umfeld, Schule und andere Beteiligte bei dieser unseligen Praxis zugeschaut und es teilweise bagatellisiert haben.

Ich habe Erinnerungsfetzen an die Zeit und habe jahrelang gemutmasst, dass meine chronische Hautkrankheit und meine Essstörung die Konsequenz von sexuellem Mißbrauch ist. Heute denke ich, dass die Situation als solche, als Kind mit dieser Situation fertig werden zu müssen, jedwedes Vertrauen nachhaltig zerstört hat, keine tragfähigen, langfristigen Beziehungen deshalb möglich waren. Nur sehr viel Therapie und in der Folge Selbstliebe waren nötig um mich selbst heute uneingeschränkt zu schützen. Ich kann mich auf mich selbst verlassen, immer.

Ich bin dankbar, dass ich die Fakten an sich kenne, nicht völlig ahnungslos bin und mich wundere, warum meine Biographie so ist wie sie ist. Dieses Erlebnis hat mich massiv geprägt und mir letztlich Mitgefühl für andere beschert, dass ich vielleicht sonst nicht empfinden könnte. Ich weiß noch ganz genau wie sich die 6-Jährige damals gefühlt hat. Sicher ist, dass ich niemandem mehr erlaube mir zu schaden und mir weiß zu machen, dass man nur das Beste für mich will und sich gleichzeitig völlig übergriffig verhält oder mich benutzt.

Bilder von damals erzählen mir heute, dass ich nicht wirklich übergewichtig war und abgenommen habe ich damals 200 Gramm.
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Peer schrieb am 09.03.2020
Hallo Frau Röhl, vor kurzem habe ich einem Dr.Oliver Schmidt, seines Zeichens Museumsleiter eine Email geschrieben, weil ich ab und an mal gegoogelt habe, was es mit dem Kindesmissbrauch in Bad Sassendorf, wo ich 1974 für 6 Wochen war, auf sich hat. Nun.... ich schrieb ihm folgende Zeilen: Hallo Herr Schmidt,

kürzlich habe ich die Wörter "Bad Sassendorf / Kinderheilanstalt" gegooglet und fand Ihren
Aufruf sich bei Ihnen als Zeitzeuge zu melden zur Kinderheilanstalt Bad Sassendorf zu melden.
Tja....hier bin ich.
Geboren wurde ich 1966 in Kiel. Aufgewachsen bin ich in schwierigen Verhältnissen als jüngerer
Bruder meines Bruders Michael. Mein Vater -Alkoholiker- an den ich nicht viel gute Erinnerungen
hege, meine Mutter ständig arbeitstätig und sehr bemüht meinem älteren Bruder und mir ein gutes
Leben zu ermöglichen.
Die ersten Erinnerungen an Bad Sassendorf sind, dass meine Mutter und ich in einem Büro in
Kronshagen, bei Kiel saßen und das Thema Kur für Kinder erörtert wurde. Dann weiß ich noch,
dass das Thema 6 Wochen im Raume stand, obwohl wir damals nur 4 Wochen Ferien hatten. Ich
meines Erachtens 7 Jahre und in der zweiten Klasse gewesen sein.
Dann weiß ich noch, wie ich in Rendsburg in den Bahnhof gebracht worden bin und als Trostpflaster
ein kleines Spielzeugmotorrad bekam und mir bei der Abfahrt ein paar Tränen heruntergekullert
sind. Und schon ging die Fahrt mit den Betreuerinnen los nach Soest/Bad Sassendorf.
Abends angekommen wurden wir in den Speisesaal geführt, nachdem uns die Koffer abgenommen
wurden. Dort ist einem Jungen das Unglück passiert, dass er gegen einen Tisch gestolpert ist und
sich eine Platzwunde am Kopf zuzog. Der Umgangston dort war sehr harsch und streng, dass viele Jungs
anfingen zu weinen und sich teilweise in die Hosen machten vor Angst. An den Abend kann ich mich
sehr gut erinnern, da dort das Thema aufkam, dass Deutschland Fussballweltmeister geworden ist
und viele Kinder und Betreuer das bejubelt haben. Viele andere Jungs, mich eingeschlossen, waren
eher starr vor Angst und vor dem, was uns bevorstand. Jetzt in diesem Moment, in dem ich Ihnen
schreibe, muss ich ein paar mal durchatmen um einen klaren Gedanken zu finden. Es ist nicht einfach.
Am nächsten Tag wurde uns nach dem Frühstück mitgeteilt, dass alle Naschsachen und Spiel-
gegenstände eingezogen worden sind. Wenn jemand Geburtstag hatte, während dieser sechs
Wochen Aufenthalt, durften die Geburtstagskinder und manchmal auch wir, die keinen Geburtstag hatten,
"blind" in die Tüte reingreifen und uns ein Naschi nehmen. Täglich wurden wir gewogen und wenn wir
nicht zunähmen, müssten wir solange dort bleiben, bis wir zugenommen haben. Diese Androhung haben
wir ernst genommen und haben so viel wie möglich versucht zu essen und zu trinken. Es flossen viele
Tränen, wenn wir nicht zugenommen haben. An das Essen an sich kann ich mich wenig erinnern,
Hagebuttentee und der Geruch von Vanillepudding in Kantinen verursacht bei mir immernoch ein
Gefühl von Unwohlsein. Wöchentlich wurden wir mehrmals in die Solbäder gebracht. Diese waren
so heiss, dass es bei allen Kindern sehr lange gedauert hat ich in diese Holzbottiche. Das ging nie
von statten ohne dass wir uns den Gram der Betreuerinnen zuzogen. Erinnern kann ich mich an eine
"Schwester Brigitte" ….die hatte immer so ein Stars and Stripes TShirt an, so wie es in den Siebzigern
modern war. Den Gram haben wir Kinder uns des Öfteren zugezogen, so dass es immer zu einer
Gruppenhaftung kam, wenn einer von uns kleinen Jungs sich nicht "benommen" hat. Die Strafe folgte
folgendermaßen. Wir mussten uns im Aufenthaltsraum im Kreis hinsetzen und solange die Arme hoch-
halten bis die Finger anfingen zu kribbeln und zu schmerzen, aufgrund des Blutmangels in den Händen
und Armen. Immer haben die Kinder vor Schmerzen geweint, meistens folgte danach das gefürchtete
Finger- und Fußnägeln knipsen und schneiden. Dort wurden uns nämlich die Finger so kurz geschnitten,
dass wir vor Schmerzen weinen mussten. Die aufgestauten Agressionen entluden sich bei vielen
Kindern, indem sie andere Kinder anfingen zu ärgern, schlagen oder quälten. Ich erinnere mich an einen
Jungen Alfred -Sommersprossen, leicht rötliche Haare und einen Sprachfehler aufgrund einer Hasenschate-,
der schlief in unserem 8 oder 6 Bettzimmer und wurde unter Androhung von Schlägen dazu gezwungen
ihm die in den Mund gerotzte Spucke runterzuschlucken. Das ist den schwächeren Jungs dort oft passiert,
ich konnte mich mit meiner großen Klappe dagegen wehren und muss zu meiner Schande gestehen,
dass ich bei diesem erniedrigenden Spiel auch ein- zwei- mal mitgemacht habe. Meistens habe ich jedoch Bilder vom Krieg gemalt. Flugzeuge die Bomben warfen, Panzer und Kriegschiffe und viele schießende Soldaten. Und das als 7jähriger. Ferner weiß ich noch,
wie einem Jungen -ich glaube er hieß Kay (Kai) Fischer, die Flucht gelang, aber wieder eingefangen
wurde. Ich denke auch, dass er es war, der die Einrichtung früher verlassen konnte, da ihn seine Eltern
abholten. Der Glückliche, dachten wir und wussten, dass es Hoffnung gibt und wir bald nach Hause können.
In der Zwischenzeit habe auch ich mir eine Kopfwunde zugezogen und musste einmal täglich zu einer
Nonne in der Sanitätsstation. Ich erinnere mich noch daran, dass wir bei dieser Frau jedesmal ein Bonbon
in Form von einem Storck Riesenkaramel bekamen. Dafür wurden wir von den Betreuerinnen gehasst und ernteten immer böse Sprüche, wenn wir erwähnten, dass wir noch in den Sanitätsbereich mussten. Irgendwann kam der Tag an dem wir nach Hause konnten und in Rendsburg angekommen und meine Eltern
sah, habe ich zur Verwunderung meiner Eltern geweint wie noch nie.....Monate oder Jahre später konnte
ich erst meinen Eltern von dem was wir dort erlebten berichten. Ich wollte nie wieder verschickt werden und habe jahrelang Alpträume von Bad Sassendorf gehabt. Circa 5 Jahre später bin ich dann doch nochmal
nach Arrach oder Filzmoos in Österreich gefahren und wie es der Zufall wollte, habe ich währen der Fahrt
mit dem Bus einen Martin getroffen, der auch in Bad Sassendorf war. Auch er war immernoch gezeichnet
von dem Erlebten.
Ich kann sagen, dass ich wirklich einen Knacks dort bekam und das Erlebte nie vergessen werde und kann.

Falls Rückfragen sind, schreiben Sie mir gerne.
peer-elshoff@t-online.de
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Martina schrieb am 08.03.2020
Liebe Michaela B., wenn Du uns mitteilen würdest wo Du heute wohnst, könnten wir dich leichter vernetzen, wenn Du das möchtest.
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Evi schrieb am 08.03.2020
Hallo , zusammen. Ich war vom 15.08.1972 bis 25.09.1072 mit meiner kleinen Schwester im Kinderkurheim Carola in Schönau b. Berchtesgaden. Tante Elfi und glaub Tante Uschi haben uns in den ersten 3 Wochen betreut. Elfi hatte lange schwarze Haare. Danach wurde es schlimm. Vielleicht war ja von Euch auch jemand zur selben Zeit mit uns dort. Wäre toll.
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Michaela B. schrieb am 07.03.2020
Guten Abend, durch ein Video im Internet und auf Facebook bin ich heute Abend auf die dramatischen Erlebnisse der Verschickungskinder gekommen. Schon beim Lesen der Kommentare und beim Ansehen des Videos kamen sehr schlimme Gefühle in mir hoch.
Plötzlich fing ich auch an mich an Einzelheiten zu erinnern, die mich offensichtlich in meinem Leben sehr unangenehm begleiten.

Ich bekommen jedoch ( zumindest im Moment) nur Einzelheiten zusammen.

Ich wurde 1968 von meinen Eltern in NRW adoptiert und diese waren bei der Barmer Ersatzkasse versichert.
Ungefähr im Jahr 71/72 wurde ich 6 Wochen lang von Remscheid (NRW) nach Freundenstadt in eine Kindererholung geschickt- da gaben mich meine Eltern schon wieder weg.

Den Grund dafür kenne ich nicht.

Es war eine schlimme Zeit, die mir bis heute nachhängt. Die Erlebnisse, die ich dort hatte könnten der Grund für meine persönlichen Einschränkungen und mein ungewolltes Verhalten in der heutigen Zeit sein.

Ich weiss, dass alle Kinder sich zusammen ausziehen mussten- sie wurden mit einem Schlauch abgespritzt und mussten dann in einen riesigen, sehr warmen "Wärmeraum" damit man dort trocknete- besonders die Haare.
Ich erinnere mich an ein Gefühl, wie in einem Konzentrationslager, welches ich in 1985 in München besuchte.
Ich habe Pakete meiner Eltern nie bekommen und musste unter Aufsicht Karten schreiben
Die Postkarten meiner Eltern bekam ich und ich habe sie vor Heimweh und Hunger fast aufgegessen...
Auf die Toilette durften wir nicht und unter dem Bett stand ein Nachtopf - im Zimmer schliefen ca. 10 Kinder.

Als ich eine Nacht weinte holte mich eine Schwester aus dem Bett und ich musste mit Ihr mitten in der Nacht durch lange, dunkle Flure gehen, an vielen Schwestern vorbei, die an Tischen im Flur mit Schreibtischlampe sassen und Nachtwache hielten.

Ich wurde auf die Krankenstation gebracht und musse alleine in der Nacht auf der Behandlungsliege in der Hausarztpraxis des Hauses schlafen.

Es war unheimlich, kalt und einsam - erst am morgen durfte ich aufstehen und eine Schwester hat mich geholt.

Ich suche Menschen, die auch in Freudenstadt zur Erholungskur waren. Ich habe mir einige Bilder angesehen im Netz und denke es könnte in Kniebis das Haus Kohlwald sein, welches ich glaube ich erkenne.

Wer war auch dort und kann mir mehr Informationen geben.

Ich bedanke mich schon sehr im Voraus.
Michaela
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Andreas schrieb am 04.03.2020
Ich bin vermutlich 1967 oder 68 vor meiner Einschulung für 6 Wochen im Haus Schwalbennest in Bonndorf gewesen. Am schlimmsten war das Heimweh... Essen und Betten waren grausam... ich habe mir in den 6 Wochen eine kleine Glatze (ca 6 cm Durchmesser) gedrudelt... weil ich nicht einschlafen konnte und auch nicht verstanden habe warum ich da sein muss..Ich habe nach dem Tod meiner Eltern ein Foto von dem Haus gefunden und wusste sofort das es das Haus war!!!
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Britta schrieb am 02.03.2020
Hallo zusammen.
Ich muß so 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein. Bin 1963 geboren, also 1968 oder so.
Ich war auf Borkum in einem Heim, wie es hieß weiß ich leider nicht. Jedenfalls wurde dieses auch irgendwann geschlossen wegen den schlimmen Zuständen.
Woran ich mich erinnere ist folgendes:
Das Taschengeld das wir mitbekommen haben wurde sofort einkassiert und am Ende diese 6 schlimmen Wochen bekamen wir einen kleinen Betrag zurück und mußten für die Eltern Geschenke kaufen. Ich habe meiner Mutter eine kleine Schmuckdose aus Muscheln kaufen müssen. Diese hat sie heute noch ????
Nachmittags sind wir mit einer Betreuerin zu Meer gegangen und sie hat mit einer Metallkanne Wasser aus der Nordsee geholt. Am folgenden Tag mußte jedes Kind das Salzwasser trinken, einen Becher voll.

Auch gab es ständig Milchreis mit Zimt, auf Plastikteller. Wir mußten die Teller sehr sauber kratzen, so dass auch das Plastik von der Tellern abrieb. Es schmeckte gräßlich. Manche mußten sich auch übergeben, am Tisch. Wir durften nichts machen und mußten tatsächlich weiter essen. Mein Gegenüber hat sich übergeben müssen, das gelang auch auf andere Teller. Das mußte natürlich auch alles aufgegessen werden.
Ansonsten weiß ich nicht viel, aber das reicht mir bis heute. Ich arbeite momentan alles auf.
LG Britta
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Margrit Goodhand schrieb am 02.03.2020
Hallo Ihr Lieben, ich musste mit 6 Jahren nach St. Peter Ording. Eine meiner klaren Erinnerungen ist, dass ich ganz dringend auf die Toilette musste, was nach "Licht aus" verboten war. Ich weiss nicht ob ich trotzdem gegangen bin oder ins Bett gemacht habe. Ich glaube ich bin trotz der Warnung eines groesseres Maedchens gegangen. Trotz Empfindungen von starken Durst- und Hungergefuehlen, habe mich vor dem Essen geekelt und musste sitzenbleiben bis der Teller gelehrt war. Ich erinnere mich an Fruchtsuppen, Haferschleim, und einmal Gulasch mit hartem Fleisch. Einmal wurde ganz schnell ein Einzelfoto bei den Duenen nahe am Haus von mir gemacht--mein Gesicht ist eine kleine Maske mit gezwungenes Laecheln und traurige, unterschattende Augen. Man konnte mich fuer ein vorhergehendes Gruppenfoto nicht finden. Ich wurde gefragt wo ich war und hatte selbst keine Ahnung. Wir mussten nackt im Sackhuepfen zum Bestrahlen. An das Huepfen konnte ich mich erinnern, aber nicht die Bestrahlungen. Beim Postkartenschreiben hatte ich grosse Schwierigkeiten, da ich ja nur sechs Jahre alt war. Ein groesseres Maedchen hat versucht mir zu helfen und gab als Addresse St. Peter Ording an... ich hab die Karte noch, die in einem Umschlag zu meinen Eltern ging. Als einer der kleinsten Kinder, fuehlte ich mich oft in Gruppenbewegungen rum- oder vowaerts gestossen. Ich kann mich nur an einen Strandbesuch erinnern, mit viel Gegenwind und Schwierigkeiten im Sand vorwaerts zu laufen. In der "Schule" habe ich nichts verstanden. I wundere mich was ich eigentlich noch verdraengt habe um zu ueberleben. Mein Name damals war Margrit Benirschke. Mit 14 haben meine Eltern mich in den Heiligenhof in Bad Kissingen gesteckt wo ich fuer ein Jahr "Haushaltspraktikantin" von Nazisymphasizers fuer Haus- Dienst- und Feldarbeit ausgenutzt wurde. Meine Kindheit und Jugend waren versaut in Deutschland und die Angst vor meiner Zukunft in Deutschland
war groesser als die Angst vor dem Unbekannten. Hier studierte ich Sozialarbeit und bin lizenziert. Gibt es Information ueber andere Verschickungskinder in den US?
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Margitta Struß schrieb am 01.03.2020
6 Wochen Hölle in Wittdün auf Amrum

Wegen chronischer Bronchitis wurde ich von Mitte Mai bis Ende Juni 1967 im Alter von 8 Jahren zur Kur verschickt. Träger dieser Maßnahme war die DAK.

Vom Bahnhof Hamburg-Altona fuhr der Sonderzug. Wir Kinder bekamen vor der Abfahrt ein Pappschild mit dem Bestimmungsort um den Hals gehängt. Auf dem Bahnsteig standen auch noch unzählige Kinder mit der Aufschrift „St. Peter Ording“. Alle Kinder bestiegen den Zug. Irgendwo unterwegs mussten die Kinder nach St. Peter Ording den Zug verlassen und umsteigen. Unser Zug fuhr bis Niebüll. Mit der Fähre wurde wir nach Amrum übergesetzt.

Vom Hafen bis zum Heim war es mit dem Koffer, den wir selber tragen mussten, ein beschwerlicher Weg. Im Heim angekommen wurde ich mit 4 weiteren Mädchen einem 5-Bett-Zimmer zugeteilt. Mein Bett war an der Fensterseite. Vor mir, ebenfalls an der Fensterseite lag Ursula aus Schwaben, neben mir, in der Mitte des Zimmers hatte Anette ihr Bett und an der hinteren Wand lag Astrid. Den Namen des 5. Mädchens kann ich nicht mehr erinnern. In einem großen Holzschrank wurde unsere Bekleidung untergebracht. Als erstes wurde uns verboten, an diesen Schrank zu gehen und uns Kleidung herauszuholen. Alles im Zimmer sah sehr einfach und heruntergekommen aus. Wir mussten in gelblich-weißen, abgestoßenen Stahlrohrbetten schlafen.

Zu jeder Mahlzeit wurden wir zum Essen gezwungen. Das, was man uns da servierte, war das Billigste vom Billigsten. Die Kinder, die es nicht schafften, aufzuessen, mussten solange sitzen bleiben, bis sie es aufgegessen hatten. Schafften sie es nicht, gab es für sie keinen Mittagsschlaf und nach dem Mittagsschlaf auch kein Stück Kuchen. 2 – 3 Mal in der Woche bekamen wir zum Abendbrot mit ranzigem Schmalz bestrichene Vollkornbrotscheiben, die wir selbstverständlich auch essen mussten.

Nach dem Mittagessen mussten wir Mittagsschlaf machen, was ich nicht gewohnt war. Eines Tages lieh ich mir von Astrid ein Comic-Heft aus, setzte mich hinter die zugezogene Gardine und las, statt Mittagsschlaf zu machen. Dabei erwischte mich „Tante“ Erika. Sie riss mir das Heft aus der Hand und schlug damit schimpfend auf mich ein, so dass ich nur noch Schutz suchend unter der Bettdecke verschwinden konnte.

Ab 20:00 Uhr abends durfte keiner mehr zum WC gehen, egal, wie dringend man musste. Das brachte mir unzählige durchschwitzte und durchfrorene Nächte ein. Teilweise hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Also schlich ich mich aus dem Bett. Schnell konnte ich mit meinen nackten und verschwitzten Füßen nicht über den mittelgrünen Linoleum-Fußboden laufen, da ich sonst schmatzende Geräusche verursacht hätte. Beim WC angekommen, durfte ich die Tür nicht schließen, da dies auch verräterische Geräusche gemacht hätte. Nun musste ich versuchen geräuschlos Wasser zu lassen. Meistens gelang mir das. Trotzdem wurde ich einmal dabei von der Nachtwache erwischt. Sie bestrafte mich damit, dass ich im eiskalten, zugigen Flur barfuß eine ¼ Stunde lang in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand stehen musste.

Neben der Heimleiterin „Tante“ Marianne war ihre Tochter dort „Tante“ und hatte dort auch ihre beiden ca. 10 und 12 Jahre alten Kinder. Eines Tages kamen diese zu spät zum Mittagessen. Die Mutter war sauer und holte das ältere Kind in den Speisesaal, in dem wir schon alle saßen und keifte ihre Tochter an: „Wo warst Du?“ Antwort: „Am Strand.“ Daraufhin schlug die Mutter ihrer Tochter ins Gesicht. Ihre Wange färbt sich leuchtend rot. Und wieder fragte sie rechenschafts- und authoritätsheischend und geradezu schreiend:“Wo warst Du?“ Antwort: „Am Strand.“ Und wieder schlug die Mutter ihrer Tochter mitten ins Gesicht. Vor Schmerzen rannen ihr schon die Tränen runter. Das Hin und Her ging einige Male so. Dann machte „Tante“ Marianne den Vorschlag, doch mal die jüngere Tochter hereinzuholen, denn die wäre wohl eher weich zu kriegen. Also wurde die ältere, weinende Tochter vor die Tür geschoben und die jüngere Tochter gewaltsam hereingezerrt. Wieder fragte die Mutter schreiend nun die jüngere Tochter: „Wo warst Du?“ Antwort: „Am Strand.“ Auch sie kassierte eine klatschende Ohrfeige. Nach einigen weiteren Malen gab die jüngere Tochter weinend zu, dass sie nicht am Strand waren, sondern in der Stadt. Eben da, wo sie nicht spielen durften, weil dort Autos fahren. Nach diesem heraus geprügelten Geständnis wurde die ältere Tochter wieder hereingeholt. Nun schlug die Mutter auf ihre beiden Töchter äußerst brutal ein, so dass beide Kinder zu Boden gingen. Sie lagen weinend am Boden und erbrachen sich. So auf dem Boden liegend trat die Mutter auf ihre Kinder ein und beschimpfte sie extrem beleidigend.

An einem Tag, als wir am Strand spielen durften, musste ich mal wieder sehr dringen aufs Klo. Aber weit und breit gab es keines. Kinder, die dasselbe Problem hatten, verzogen sich hin und wieder mal in die Dünen. Wenn sie dabei erwischt wurden, bekamen sie Ärger. Vom kalten Wind an den Beinen wurde der Blasendrang so übermächtig, dass ich in die Hose machte. Wieder im Heim angekommen, wechselte ich sofort meine Unterhose, bekam aber einen Riesenärger, weil ich mir die eigenmächtig aus dem Schrank geholt hatte.

Der 4-jährige Ingolf hatte es eines nachts nicht geschafft, bis zum nächsten Morgen, anzuhalten und ließ unter sich, so dass am nächsten Morgen seine Matratze durchnässt war. Das war Anlass genug für die Heimleiterin „Tante“ Marianne, den kleinen Ingolf brutal zusammenzuschlagen. Außerdem wurde seine durchnässte Matratze für alle sichtbar vor die Tür gestellt und ihn vor uns allen als „Schwein“ bezeichnet. Ingolf bekam Stubenarrest. An diesem Tag war das Wetter schön und es war wieder mal Wandertag. In 2er-Reihen aufgestellt wurde an uns Kinder geschabte Möhren verteilt. Die mochte ich wohl, aber mir war nach dem Genuss einer solchen Möhre immer sehr unwohl. Außerdem ließ ich mich von der allgemein schlechten und aufgeheizten Stimmung anstecken und machte die Bemerkung: „Bäh, schon wieder Möhren.“ Darauf hin schlug mir einer der „Tanten“ eine schallende Ohrfeige mit dem Kommentar: „Hat das Frauenzimmer hier sonst noch was zu meckern?“ Als jeder seine Wegzehrung hatte gingen wir los. Während der Wanderung löste sich unsere 2er-Reihe auf und wir wanderten im lockeren Verband. Ich ließ mich langsam immer weiter zurückfallen und in einem unbeobachteten Moment flogen fortan meine Möhren in die Dünen.

Einmal in der Woche wurden wir angehalten, einen Brief nach Hause zu schreiben. Dass ich nichts von den Quälereien schreiben durfte, wusste ich instinktiv und schrieb irgendwas Unverfängliches, denn die „Tanten“ lasen unsere Post bevor sie sie abschickten.

Gegen Ende der Kur gingen wir Mädchen mit einer „Tante“ zum Souvenir-Laden und durften uns dort etwas aussuchen. Ich war als letzte dran und wurde angehalten, mir etwas aus dem schon ziemlich ausgedünnte Sortiment etwas auszuwählen und entschied mich für ein getrocknetes Seepferdchen, was ich selbstverständlich von meinem Taschengeld bezahlen durfte.



Auf einer alten Postkarte habe ich im Internet das Haus Seemöwe wiedererkannt.

Lange Zeit konnte ich nichts essen, was mit Schmalz zu tun hatte. Irgendwann sagte mir meine Mutter, dass Schmalz nicht stinken darf und nahezu geruchlos ist. Um neu zu lernen, kaufte ich ein Päckchen Schmalz und briet darin Frikadellen und Kartoffeln. Beides konnte ich ohne Ekel essen, nur keine Schmalzbrote. Schon wenn jemand das Wort „Schmalz“ ausspricht, zieht sich mir sofort der Hals zusammen. In einigen Restaurants gehört es zur Tischkultur, dass wartende Gäste ein Teller mit Messer, ein Körbchen mit kleinen Weißbrotscheiben und einem Töpfchen Schmalz kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um die Zeit, bis das Essen serviert wird, zu überbrücken. In einem solchem Restaurant kann ich nicht essen, denn schon der Anblick von Schmalzbroten essenden Leuten läßt mich die Flucht ergreifen.

Wegen des wochenlangen nächtlichen nicht zum WC gehen dürfen, begannen nach der Kur psychosomatische Blasenbeschwerden. Wenn beispielsweise meine Mutter mich anwies, sie zum Einkaufen zu begleiten, kam ich vom heimischen WC nicht mehr runter, weil mich ein übergroßer Blasendrang wegen extrem verkrampfter Blasenmuskulatur quälte. Eines Tages sagte sie zu mir: „Du gehst jetzt auf Klo.“ Das tat ich auch. Als ich den WC-Raum verließ, wies sie mich an, mir Mantel und Schuhe anzuziehen, weil wir jetzt zum Einkaufen müssen. Da geriet ich in Panik weil sich sofort meine Blasenmuskulatur wieder extrem schmerzhaft verkrampfte und sagte: „Ich muss mal.“ Meine Mutter: „Das kann gar nicht sein. Du warst doch eben.“ Aber ich blieb dabei und hatte Angst, unterwegs kein WC mehr rechtzeitig erreichen zu können. Als mich meine Mutter das nächste Mal anwies, zum WC zu gehen, kam ich vom WC nicht mehr runter, denn ich wusste, dass wir gleich einkaufen gehen würden. In den folgenden Jahren bin ich immer wieder vor Schmerzen wegen verkrampfter Blasenmuskulatur zu Boden gegangen. Als ich wegen Blasenbeschwerden bei meinem Urologen war, nahm ich mal meinen ganzen Mut zusammen und erzählte ihm, dass uns Kindern damals verboten wurde, zum WC zu gehen. Der Arzt wäre fast aus seinem Ledersessel gefallen, schlug seine Hand vor sein Gesicht und sagte: „Oh mein Gott, Sie sind ja gefoltert worden.“ Ein anderer Urologe fand es bemerkenswert, was für eine extrem ausgeprägte Blasenmuskulatur ich habe und sagte: „Das habe ich in meiner jahrzehnte langen Berufstätigkeit noch nie gesehen.“ Noch heute habe ich immer noch diese Beschwerden.

In den Urlaub zu fahren war für mich seit meinem „Kuraufenthalt“ ein echtes Problem. Wenn sich bei anderen Urlaubern wegen zu guten und zu reichhaltigen Essens das Hüftgold vermehrte, nahm ich genau die Menge im Urlaub ab. Lange in einer fremden Umgebung zu sein, ist für mich kaum auszuhalten. Dann habe ich den Eindruck, ich befinde mich im Feindesland und verspüre einen ständige Fluchtimpuls und habe Stress pur. Das geht inzwischen soweit, dass wenn ich mich längere Zeit in einer fremden Umgebung befinde, ich stressbedingten, teilweise großflächigen Haarausfall bekomme. Die Haare wachsen wohl immer wieder nach, nur sind die kahlen Stellen lange Zeit sichtbar.
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Simone schrieb am 01.03.2020
Hallo an alle!

Schön, dass es dieses Forum gibt. Auch ich war im Oberstdorfer "Sonnenhang", leider mehrmals... (ich war auch laut des Kinderarztes, der den Aufenthalt anregte, ein sehr zartes, zerbrechliches, fast schon zu liebes, dazu noch schüchtern und häufig fiebrig erkranktes Kind...) Das erste Mal war ich mit 5/6 Jahren 1960 dort, an einiges erinnere ich mich noch ganz besonders: komplett ausziehen, in eine Reihe stellen, dann einzeln ins Arztzimmer auf die Liege, mir war schrecklich kalt und ich schämte mich so vor den fremden Leuten. Ich musste mich auf den Rücken legen, es sollte Fieber im After gemessen werden, irgendwie sah ich das nicht ein, ich war nicht krank, presste Po und Beine zusammen und rief nach meiner Mami, von einer Schwester setzte es sofort sehr hart etwas hintendrauf und ja, sogar zwischen die Beine von vorne. Solche Schmerzen hatte ich noch nie, sofort dumme Sprüche "das kommt davon", allgemeines lautes Lachen, ich konnte gegen das Messen keinen Widerstand mehr leisten und musste es geschehen lassen, es wurde sehr unsanft durchgeführt... Bis heute habe ich Alpträume und manchmal sogar Schlafstörungen. Das alles zu schreiben hat mich sehr viel Kraft gekostet, mein Hals ist zugeschwollen. Später werde ich mehr schreiben, vieles ist mir auch nur schemenhaft in Erinnerung, allerdings wird einiges nach und nach scharf. Ich musste nackig zur Strafe auf dem eiskalten Fliesenboden sitzen und anderes, die Verpflegung verdiente ihren Namen nicht...

Ganz liebe Grüße an alle!
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Birgit schrieb am 27.02.2020
Ich war 1968 (im Alter von zehn Jahren) wegen einer "chronischen Nierenbeckenentzündung" im Kinderkurheim Reinhardshausen bei Bad Wildungen (ist das hier schon erwähnt worden?). Damit verpasste ich die ersten sechs Wochen auf der neuen Realschule ...

Im Heim der hier schon oft geschilderte Essenszwang, ich erinnere mich an ein Mädchen, die ihr Erbrochenes vom Fußboden wieder essen musste. Also versuchte ich, den Brechreiz, den ich bei vielen Speisen empfand, zu unterdrücken und entwickelte Strategien, das Essen trotzdem herunterzuwürgen. Außerdem Zwang zum MittagsSCHLAF: Es reichte nicht, still dazuliegen, es wurden einem die Augenlider hochgezogen, um zu kontrollieren, ob man auch "wirklich" schläft. Wenn nicht, wurde einem das Ohr umgedreht, sehr schmerzhaft.

Mein Heimweh war unermesslich, aber wegen der Postkontrolle (in beide Richtungen) konnte ich es nicht zum Ausdruck bringen. Ich erinnere mich an die ständige Angst vor öffentlicher Bloßstellung (kam häufig vor) und Bestrafung.

Ich musste drei Tage auf die Krankenstation wegen eines Bremsenstiches; das habe ich als Erleichterung empfunden.

Ich glaube, die angebliche Nierenbeckenentzündung war ein Vorwand, um meinen Eltern etwas Luft zu verschaffen, da es zu Hause große Probleme gab.

Es würde mich interessieren, ob jemand dieses Heim kennt.

Viele Grüße an meine Leidensgenossinnen und -genossen
Birgit
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Jochen schrieb am 25.02.2020
Hallo,
Ich war 1975 mit 5 Jahren in Niendorf an der Ostsee. Kann mich daran erinnern das ich Masern oder Windpocken hatte und isoliert untergebracht wurde. In meiner Erinnerung war ich in einem abgedunkelten Raum den ganzen Tag alleine, mit Ausnahme der Zeiten wo das Essen gebracht wurde. Wurde von Nonnen beschimpft, da ich Bettnässer war. Habe ansonsten so gut wie keine Erinnerung an diesen sogenannten Kuraufenthalt.
Hatte jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?
Grüße
Jochen
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Ingrid H. schrieb am 24.02.2020
Ich bin Jahrgang 1955 und scheinbar eine der Älteren, die sich einklinken. Ich habe nur diffuse Erinnerungen zu dem Verschickungsheim im Schwarzwald. Finanziert von der DAK. Nachdem ich ich nach Masern eine schwere Nachkrankheit entwickelte, sollte ich im Sommer 1960 dort vor Schuleintritt aufgepäppelt werden.
Ich hatte nur Heimweh, kann mich an Misshandlungen nicht erinnern, weiß nur, dass fast alle Kinder im Schlafsaal abends (leise, weil laut war verboten) schluchzten. So viel Traurigkeit um mich rum und keiner, der tröstete. Das war für mich total verwirrend - ich erstarrte einfach; konnte weder essen noch trinken und kümmerte vor mich hin.
Wie ich heute weiß, entsprach ich dem deutschen "Mädchen-Bild": blond, blaue Augen und zart angelegt. Das wird mich vor mancher Schikane bewahrt haben, denn ich kann mich erinnern, dass mich eine "Tante" mal von einer Wanderung bis ins Haus trug. (Der Wald war beängstigend und wir Kinder blieben immer dicht beinander.)
Da ich während des Aufenthalts extrem an Gewicht verlor, wurden meine Eltern benachrichtigt mich nach 3 Wochen abzuholen/ Aufenthaltszeit waren 6 Wochen. Daran habe ich auch keine klaren Erinnerung, nur dass mein Vater mit mir schimpfte.

Leider sind meine beiden Eltern in den letzten 2 Jahren verstorben, so dass ich nichts Genaueres zu dem Ort sagen kann, außer Schwarzwald. Meine Mutter hat sehr geweint, als sie mich nach der "Erholung" in Empfang nahm, "wenn sie das gewusst hätte ..."

Seitdem war ich nie mehr in der Gegend und würde auch freiwillig niemals in den Schwarzwald fahren.
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Martina schrieb am 24.02.2020
Ich war Ende der 1960er Jahre auch in so einem Heim (Rauenstein im Erzgebirge) 2 Fotos von unserer Gruppe auf der Schloss-Treppe, besitze ich noch. Es war der blanke Horror! Ich habe nachts vor Angst eingenässt. Diese Erinnerung werde ich nie mehr los. Eine Betreuerin stand neben meinem Bett, ich versuchte krampfhaft meine Augen geschlossen zu lassen, weil wir zum Einschlafen gezwungen wurden. Sie leuchtete mich mit der Taschenlampe an und sagt in einem äußerst agressiven Ton zu mir:" wenn du nicht sofort schläfst dann bring ich dich nach draußen in den Wald, binde dich an einen Baum und da bleibst du bis morgen früh!" Da habe ich mir zum ersten Mal in die Hose gemacht, aus panischer Angst. Das setzte sich am nächsten Tag, beim Mittagsschlaf, fort und ich behielt dann meine nassen Hosen an. Einnässen wurde bestraft und darum habe ich das jedesmal vertuscht. Essen mussten wir, bis zum Würgereiz. Seit dem mag ich auch kein Müsli! Die ganze Atmosphöre, auch das Schloss, in dem dieses (Kur) Heim sich befand, haben mir von Anfang an Unbehagen und Angst eingeflösst. Ich war damals erst 8 Jahre alt, völlig ausgeliefert. Drinnen mussten wir uns jeden Morgen, vor dem Frühstück, in Unterwäsche gegenseitig mit einer Bürste warm bürsten, dann ging es in Unterwäsche raus in den Schnee, das sollte als Abhärtung dienen. Ich wurde übrigens durch das Gesundheitsamt zwangseingeliefert, weil ich angeblich zu dünn war. Zurück nach Hause war ich nicht ein Kilo schwerer. Ich wurde dann erst richtig krank!
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Anja schrieb am 22.02.2020
Ich war in Bad Sassendorf, sollte zunehmen und mich Erholen. Aber es war genau das Gegenteil, kam dünner und eingeschüchtert wieder. Es war sehr grausam. Langes Schweigen und Stille Sitzen, kein Toilettengang nach 19 Uhr, alles Essen und so lange Sitzen bleiben bis alles aufgegessen war usw.
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Lutz schrieb am 21.02.2020
Ich war 1962 im Schwarzwald zur Verschickung, den Ort weiß ich leider nicht mehr, wurde aber von der Barmer betrieben. Ich war zu meinem Geburtstag dort für 6 Wochen....Herbst / Winter. Die Gegend fand ich toll, nur das Heim nicht. Alle hatten Heimweh und es liefen überall die Tränen, denn keiner in der Gruppe verstand, warum er hier war. Im Ort ...ein kleines Dorf...wurde noch auf dem sandigen Dorfplatz geschlachtet, haben wir Kinder mitbekommen. Ich habe dort Mumps bekommen und kam auf die Krankenstation. Da ich schlecht schlucken konnte beim Essen, gab es öfter mal eine Ohrfeige von den Erzieherinnen...Nach 6 Wochen kam die Rückfahrt und ich wurde nicht im Bus mit den anderen Kindern zur Bahn gebracht, sondern im grünen Mercedes des Heimbetreibers. Die Fahrt begann morgens gegen 9 Uhr...und ich 7 Jahre alt. Unterwegs blieb die Dampflok wegen Schaden liegen und musste repariert werden, da es noch keine Ersatzloks gab wegen der Nachkriegszeit.....dann gegen 21 Uhr fiel der Zug komplett aus in Braunschweig. Ich stand als 7 jähriger mit einem Schild um den Hals allein und mit meinem Koffer auf dem Bahnsteig. Es war Winter und 1962 war das noch ein kalter Winter. Die Bahnhofsmission wollte , das ich mit in den Bahnhof ins Warme ging. Tat ich aber nicht, da meine Alleinerziehende Mutter mir immer gesagt hat, gehe nicht mit Fremden mit. Ich ging auf und ab auf dem Bahnsteig und mir war alles egal, was mit mir passierte....keine Träne vergoss ich. Die Bahnhofmission schaute auf mein Schild um den Hals und telefonierte nach Helmstedt in meinen Heimatort....nur gab es damals nur wenige Telefone....doch man rief einen Arzt in Helmstedt an und bat einen Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse Ausfindung zu machen.Der Arzt zog sich an und suchte gegen Mitternacht diese Person auf....dann wurde eine weitere Person mit PKW ausfinding gemacht, der von Helmstedt nach Braunschweig fuhr und ich abholte....gegen 5 Uhr am anderen Morgen kam ich dann zu Hause an....ohne Schlaf innerhalb von 24 Stunden.....Ich erinnere mich an das zerbomte Schloss in Braunschweig und davor stand ein großer Weihnachtsbaum..Ich würde meinen Kindern so etwas nie zumuten.....
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Ina Janßen schrieb am 20.02.2020
Ich verbrachte 6 Wochen in Mittenwald als 5-jähriges Mädchen, weil ich zu "leicht " war und vom Arzt für ein Jahr für die Einschulung zurückgestellt wurde. Das war im Jahr 1975 oder 1976. Es war eine schlimme Zeit voller Heimweh, Ungerechtigkeit, Willkür und unbeantworteter Fragen. Das Heim hieß Haus am Schmalsee und wurde von Nonnen geleitet. Dort gab es keine Wärme oder Trost, sondern Bestrafungen und Einschüchterungen, Essenszwang und unverständlichen Regeln. Zweimal habe ich versucht in meiner großen Not, von dort wegzulaufen.. vergeblich,,, anschließend waren die Strafen wie zum Beispiel Stubenarrest. und Einsperren im Holzschober umso härter,,,es gab keinen Kontakt zu meinen Eltern außer einem kurzen Telefonat zum Ende der Kur unter Aufsicht, denn ich konnte ja noch nicht lesen und schreiben. Nach dem Aufenthalt wog ich noch weniger als vorher, war ein verändertes, verstörtes Kind, ängstlich und unsicher und immer verfolgt vom Gedanken, meine Eltern schicken mich wieder weg. 45 Jahre hatte mein Gedächtnis diese furchtbare Zeit fest verschlossen, doch nun, wo darüber berichtet wird, kommen Erinnerungen, Bilder und vor allem Gefühle wieder hoch...ein Phänomen, wie der Körper sich selber schützt...
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Margrit Davoodi schrieb am 18.02.2020
Ich war im Frühjahr 1954, noch vor meiner Einschulung, 6 Wochen in einem katholischen Kinderheim in Bad Soden im Taunus. Den Namen des Heims weiß ich nicht mehr. Es wurde von katholischen Nonnen geleitet, die alle eine schwarzweiße Tracht trugen.
Ich sollte zunehmen und musste täglich „Buttermilch“ trinken, warme Milch mit einem Esslöffel Butter. Vor diesem Getränk musste ich so lange am Tisch sitzen bleiben, bis ich es runtergewürgt hatte, und oft genug war mein Erbrochenes auch dabei.
Nachts habe ich mich einmal zur Toilette geschlichen, weil der Eimer im Schlafsaal übergelaufen war. Eine (damals für mich riesige) Nonne hat mich erwischt und mich mit der Hand oder der Faust so ins Gesicht geschlagen, dass ich von der Toilette runtergefallen bin. Dann hat sie mich an den Haaren zum Schlafsaal gezerrt und mich unter weiteren Schlägen ins Bett gesteckt. Den ganzen nächsten Tag bekam ich nichts zu essen.
Schöne Erinnerungen habe ich keine einzige aus dieser Zeit.
Ich habe jeden Abend gebetet: Lieber Gott, bitte lass mich morgen früh zuhause sein. Da er mich nicht erhörte, bin ich damals, also bereits mit 5 Jahren, vom Glauben abgefallen.
Der katholischen Kirche gegenüber empfinde ich eine Mischung aus Hass und Verachtung. Wie sie mit dem Thema Kindesmissbrauch durch Priester umgeht, bestärkt mich darin.
Das einsame Kind, das der liebe Gott nicht hört, wohnt immer noch tief in mir. Heute bin ich 71 Jahre alt und konnte diese Zeit nie vergessen.

Margrit, Bochum
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Laura-Lore Diehm schrieb am 18.02.2020
Von allen vier Kinderverschickungen, die mich zu einer besseren Esserin machen sollten, war meine erste die Schlimmste:

Ich wurde im Alter von vier Jahren gemeinsam mit meiner um acht Jahre älteren Schwester für einen sechswöchigen Heimaufenthalt geschickt. Das Heim befand sich in Oberstdorf genannt „Sommerhang“ ( Wir wohnten damals in Stuttgart- Untertürkheim )
Meine Eltern sind - so erzählten sie im Nachhinein - davon ausgegangen, dass ich gemeinsam mit meiner Schwester dort untergebracht sei. Dem war jedoch nicht so. Es gab dort zwei Kurheime.

D.h., meine Schwester traf ich nie.

Ich habe eine traumatische Erinnerung an diesen Heimaufenthalt.

Es geschah beim Mittagessen.
Ich aß meine Suppe nicht schnell genug auf und bekam dann die Hauptspeise mit dazu in die Suppe.
Ich musste mich am Tisch übergeben. Dann wurde ich von der "Tante" aufs Clo gezerrt, musste meine Unterhose ausziehen und bekam schlimme Schläge auf den nackten Hintern.

Dies war jedoch lediglich der Anfang. Sie steckten mich in den großen Schlafsaal ins Bett .
Es wäre der einzige Tag gewesen, meine Schwester einmal zu sehen, da sie alle einen gemeinsamen Ausflug aufs Nebelhorn machten. Damals freute sich jedes Kind darauf.
Ich dagegen lag in dem - von Kindern - leeren Schlafsaal, den ich heute noch vor mir sehe.

Man kann sich sicher vorstellen, wie groß das Heimweh eines vierjährigen Kindes gewesen sein muss. Ausgeliefert den sadistichen „Tanten“, die – ich fand eine Karte - meinen Eltern berichteten, wie gut es mir dort ginge.

Die anderen drei Aufenthalte waren auch alles Andere als angenehm. Doch an diesen ersten Heimaufenthalt habe ich die schlimmsten Erinnerungen.

Später, im Schulalter, wurde ich noch drei Mal – immer in den Sommerferien – zum Zunehmen verschickt.

Vor einigen Jahren war ich im Internet schon auf der Suche nach Kinderverschickungen. Ich wurde nie fündig, bis mein Mann vor kurzem ein Interview auf SWR hörte und mir davon erzählte.
Endlich wurde mir dann klar, dass ich kein Exot bin und war.

Es tat gut, zu lesen, dass auch viele andere Menschen sich noch mit diesen Erinnerungen rumplagen
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Christel schrieb am 17.02.2020
Im Alter von 6 Jahren, ich war in der 1. Klasse, wurde bei einer schulärztlichen Untersuchung festgestellt, dass ich an Tuberkulose erkrankt war. (im Jahr 1961) Das hatte zur Folge, dass ich in die Kinderheilstätte Stieg geschickt wurde. Das war im Kreis Waldshut im südlichen Schwarzwald und es handelte sich um eine spezielle Einrichtung für Kinder mit TBC. Ich war 4 Monate dort. In den ersten 6 Wochen durfte man keinerlei Besuch von Eltern oder Bekannten bekommen. Angeblich, damit man kein Heimweh entwickeln sollte. Was natürlich nicht stimmte, alle hatten Heimweh! Es gab Esszwang, wir wurden gemästet. Alles musste aufgegessen werden, auch wenn es eklig für einen war z.B. Milchsuppen, Haferschleim, Milch mit Haut. Es kam öfter vor, dass ich allein mit einer Tante im Speisesaal bleiben musste bis ich alles gegessen habe. Oder ich bekam es kalt am Abend wieder hingestellt. Erbrochenes oder Ausgespucktes aufessen kam leider auch vor.
Wir mussten jeden Tag Liegekur machen, auf dem Balkon, warm eingepackt. Das gehörte halt dazu in einem Lungensanatorium. Je nachdem wer Aufsicht hatte, konnte man sich mit den anderen Kindern unterhalten oder aber man musste Mucksmäuschen still sein.
Ärztliche Untersuchungen waren ziemlich barsch. Es gehörte auch dazu, dass man einen Magenschlauch schlucken musste, was mich sehr grauste. Aber es hieß, man solle sich nicht so anstellen. Da waren sie sehr streng und hatten kein Verständnis.
Zu meinen schönsten Erinnerungen gehörte, wenn ich Briefe von zu Hause bekam. Päckchen gab es auch und man durfte den Inhalt behalten. (Meist teilte man es mit den Kindern aus dem gleichen Zimmer). Und die Ausflüge in den Wald fand ich immer spannend.
Es gab strenge Tanten, die einem zu ziemlich alles verboten und vor denen ich mich sehr fürchtete. Aber ich kann mich auch an verständnisvolle erinnern, die mich trösteten, wenn ich Kummer hatte.
Manche Kinder waren schon ein halbes Jahr dort, das hat mich erschreckt und ich war sehr froh, dass es bei mir nach 4 Monaten hieß, ich dürfe nach Hause.
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Wolfgang Wipfler schrieb am 16.02.2020
Bin Jahrgang 1965, wurde im November 1969 als Vierjähriger für 6 Wochen ins Kinderheim "Haus Quickborn" nach Westerland/Sylt verschickt. Grund: Der Kinderarzt in meiner Heimatstadt Baden-Baden, ein älterer Herr, diagnostizierte bei mir "Untergewicht". Nach heutigen Maßstäben war ich ein vollkommenen normalgewichtiger Junge, doch aus seiner Sicht galt: Nur ein dickes Kind ist ein gesundes Kind. Also Verschickung an die See, zur "Appetitsteigerung". Meine Eltern brachten mich zu spätabends zum Karlsruher Hauptbahnhof, es folgte eine eine Zugfahrt über Nacht im Liegewagen nach Westerland. Ich kannte weder den Betreuer noch eines der mitreisenden Kinder der Gruppe (ca. 10-20 Kinder, vermutlich alle aus dem Raum Mittelbaden). Wir lagen im 6er-Abteil und wurden vom Betreuer angewiesen, uns hinzulegen und keinen Mucks von uns zu geben, wohlgemerkt während der gesamten ca. 10-stündigen Fahrt im abgedunkelten Zugabteil. Morgens in Westerland angekommen wurden wir am Bahnhof von einem kleinen Bus abgeholt, der Busfahrer ermahnte uns unter Androhung von harten Strafen, nur ja nichts in seinem Bus schmutzig zu machen. Dann folgte ein sechswöchiger Aufenthalt im "Haus Quickborn", den ich auch heute noch als die sinnloseste Zeit meines Lebens betrachte. Als "untergewichtige" Kinder wurden wir auf eiweißreiche Kost gesetzt: Milch, Eier in jeder Form, Käse. Zum Frühstück gab es weiche Eier und ein großes Glas warme Milch. Schon vor meinem Aufenthalt auf Sylt war ich kein großer Milchtrinker, aber dort bekam ich einen derartigen Ekel vor dieser morgendlichen Milch, dass ich sie einfach nicht herunterbekam. Konsequenz: Ausschluss vom Strandspaziergang der Gruppe, stattdessen wurde ich in einem fensterlosen Zimmer eingesperrt, auf einem Stuhl sitzend, vor mir das Glas Milch. Ich konnte es dennoch an keinem Tag trinken, was zur Folge hatte, dass ich während der sechs Wochen viele Tage zur Strafe vormittags vor meinem Glas Milch verbringen musste, während die anderen, "braven" Kinder, an den Nordseestrand gehen konnten. An manchen wenigen Tagen durfte ich aber, aus welchen Gründen auch immer, trotz nicht getrunkener Milch, am Strandausflug teilnehmen. Ich erinnere mich sehr gut an die beiden Betreuerinnen bzw. Erzieherinnen unser Gruppe - es waren junge Frauen, vielleicht 25, 30 Jahre alt, die mit unerbittlicher Härte die Einnahmen der Mahlzeiten überwacht haben. Der Name der eine Dame lautete "Frau Kleinige" oder "Kleinicke". Das Schlimmste während des gesamten Aufenthaltes war jedoch der unbändige Durst, den ich gelitten habe, denn aufgrund der Tatsache, daß ich nicht in der Lage war, Milch zu trinken, wurde mir auch jegliches andere Trinken, z. B. Wasser, verweigert. Lediglich zum Abendessen gab es Tee, so lange musste ich dann jeden Tag notgedrungen warten, um meinen Durst einigermaßen zu stillen. Dass ich so gut wie nichts von dem angeboten und mir immer mehr verhassten Essen zu mir nehmen konnte, wie erwähnt hauptsächlich Eierspeisen in jeglicher Form sowie Käsebrot am Abend, hat mich weniger beeinträchtigt als der große, ständige Durst. Am Nikolaustag wurde die Gruppe versammelt, es gab Pakete, die die Eltern uns zu diesem Anlass schicken durften. Ansonsten war es den Eltern nicht erlaubt, Post zu senden. Andererseits wurden aber einige Male Postkarten von den Kindern nach Hause geschickt, in meinem Falle wurden die Karten, da ich als Vierjähriger ja noch nicht schreiben konnte, von den Betreuerinnen verfasst mit dem Inhalt, wie grossartig es mir doch auf Sylt gefallen würde und was für wunderbare Erlebnisse ich hier hätte. Die Karten existieren heute noch... Ein anderes Erlebnis hat sich mir auch noch stark eingeprägt: Am Abend unserer Rückfahrt nach Hause (wieder mit dem Nachtzug) wurde zum Abendessen kein Tee, sondern nur Milch ausgegeben. Ich weiß noch wie heute, welche Angst ich davor hatte, mit meinem unbeschreiblichen Durst diese Reise überstehen zu können und schlich mich in einem unbeobachteten Augenblick direkt vor der Abfahrt noch in die grosse Küche, um etwas Trinkbares zu finden und fand dort eine ältere Frau, eine Küchenhilfe, der ich meine Not schilderte. Sie war der erste Mensch der vergangenen sechs Wochen, der mich verstand und gab mir ganz viel wunderbaren, kalten roten Tee zu trinken und tat sogar noch Zucker hinein! Das einzige schöne Erlebnis meiner Zeit der Kinderveschickung! Am nächsten Morgen, es war der Tag vor Heiligabend, holten mich meine Eltern am Karlsruher Bahnhof ab - das erste, was meine Mutter nichtsahnend zu Hause tat, war, mir ein großes Glas Milch hinzustellen...! Nie wieder habe ich bis heute Milch oder Eier angerührt, es befällt mich nach wie vor ein großer Ekel davor. Übrigens habe ich damals im Verlauf der Kinderverschickung nicht zu-, sondern einige Kilo abgenommen, was der Kinderarzt überhaupt nicht verstehen konnte. In späteren Jahren habe ich natürlich mit meinen Eltern über diese Zeit gesprochen - sie sagten mir, dass nicht nur der Kinderarzt, sondern in irgendeiner Form auch die Krankenkasse sehr auf die Verschickung gedrängt habe. Ein "Geschäftsmodell"?
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Gregor schrieb am 14.02.2020
Ich kam im Herbst 1989 in die Kurklinik Santa Maria im Oberjoch Hinderlang. Die Einrichtung hatte schon damals den Beinamen Santa Knasta. Ich erlebte dort selbst sexuellen Missbrauch durch einen Nachtpfleger. Vorher wurden zum Abend Tabletten verteilt. Was das war wurde nicht gesagt, jedoch müssten alle im Zimmer die Tabletten schlucken. Wer war zu dieser Zeit auch dort?
Weite Erinnerung die ich habe sind folgende:
An zwei Filme die abends im Fernseheraum geschaut wurden kann ich mich erinnern. Das war Spacey Balls und das Wunder in der achten Straße. Bei einer Gruppe älterer Jugendlicher wurde der Film das Leben des Brian durch die Geistliche Führung abgebrochen. Wir müssten uns abendlich in Unterhose oder Schlafanzugdhose in einer Reihe auf den Flur stellen und uns gegenseitig mit einer Wurzelbürste die Haut bürsten. Das tat sehr weh und ich erinnere mich an manch geilen Blick der Pfleger. Nachts hatten fast alle Angst vor den Nachtpflegern. Kaum jemand traute sich auf die Toilette. Oftmals war das Essen mehr als fragwürdig.

Als ich einen Bericht auf einer Webseite für Klinikbewertung postete, wurde dieser nach einiger Zeit von der Webseite gelöscht. Jedoch habe ich über ein Kommentar dort von dieser Webseite hier erfahren, worüber ich sehr dankbar bin.

Wer war zur fraglich Zeit auch dort?
LG Gregor
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Ingrid E. schrieb am 08.02.2020
Ingrid E. 1959 oder1960
Verschickt nach Bad Salzdetfurt
Aufgenommen und kontrolliert v.Frl Fröhlich
Das im Essen erbrochene hab ich persönlich und täglich mitansehen müssen!
Den Holzlatschen von Frl Fröhlich sehr oft zu spüren bekommen, wegen Nichtigkeiten, wie zB Bettnässen, Planschen im 1× wöchentlichem Bad im viel zu heißem Wasser ( zumindest für uns Kinder)
In meinem Zimmer schlief ein Mädchen, die in der Nacht oft zur Toilette musste und deshalb klingelte. Sie wurde dann auf eine Pfanne gesetzt und musste die ganze Nacht dort sitzen. Oft schlief sie darauf ein und warm war es nicht gerade.
Dieses und viele furchtbaren Erlebnisse habe ich bis heute nicht verarbeiten können und auch nie drüber gesprochen, denn damals habe ich mich dafür geschämt und war nur glücklich, nach etwa 7 schlimmen Wochen ( die schlimmsten in meinem jungen Leben) wieder daheim zu sein....
So, vielleicht kann man damit etwas anfangen und ich weiß nicht ob ich noch den Geb.namen dazu schreiben soll und die Briefe sind auch kontrolliert worden und nicht verschickt, wenn irgendwas negatives darin stand......ich glaube ich schreibe ein Buch ??
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Daniela Frey schrieb am 04.02.2020
Hallo, ohne zu wissen das ich heute Abend noch auf diese Seite stoßen werde, dachte ich erst heute Vormittag wieder an meinen Kuraufenthalt in Aschersleben. Seit Jahren beschäftigt mich immer wieder die Aufenthaltszeit während dieser Kur , dass dort erlebte.Es scheint, das bestimmte nicht verarbeitete und sortierte Erinnerungen ,nie verblassen...
Immer wenn ich an meinen Kuraufenthalt dachte , dachte ich ; schade das es kaum etwas im Internet zu finden gibt über die damaligen Zeiten in den Heimen. Deshalb danke ich sehr , für das was hier bisher auf die Beine gestellt wurde. Ich vermute die wenigsten haben noch untereinander Kontakt zu damaligen Kindern aus den Heimen. Ich weiss ja von meinen Erlebnissen und Gefühlen damaliger Zeit, aber ohne Austausch darüber, hatte ich bisher fast das Gefühl ich stehe alleine da mit dem erlebten...

Ich war Nov/Dez 1982 als Kind im Alter von 10 Jahren , 8 Wochen in im Orthopädischen Kindersanatorium Aschersleben zur Kur.
Vieles ähnelt sich mit den Berichten anderer, wir durften keine Post mit negativen Bemerkungen an unsere Eltern schicken, alles wurde vorher gelesen und musste eventuell neu geschrieben werden. Päckchen die an Kinder gesendet wurden ,wurden geöffnet vor allen , wenn Süssigkeiten darin waren musste man entweder alles sofort alleine aufessen oder mit den anderen Kindern teilen. Bekleidung wurde zugeteilt, so musste ich mich entscheiden welche von meinen beiden Jacken ich acht Wochen trage und welche sauber im Schrank liegen bleibt für die Abreise.
Es gab Filmabende , an deren Inhalt der Filme ich mich noch heute erinnere als ob es gestern war. Ein Film handelte über ein Kind welches einen Mord sah und dann entführt wurde...
sicher keine Altersenstsprechenden Kinderfilme.
Es sind noch einige Sachen mehr die ich berichten könnte , es sind die vielen kleinen und grossen Erlebnisse welche nie hätten geschehen dürfen . Manchmal fragte ich mich schon ,warum eigentlich nie jemand dafür verantwortlich gemacht wurde.
Ich selber habe meiner Mutter erst Jahre später davon erzählt. Sie war schockiert und hätte vielleicht, früher davon gewusst, Schritte eingeleitet gegen das damalige Kurhaus.

Ich hatte Freundinnen damals dort (Heike), es wäre schön wenn jemand der zur gleichen Zeit oder auch in anderem Zeitraum dort war , sich melden würde...
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Hartmut H. schrieb am 03.02.2020
Im November / Dezember 1961 befand ich mich im Alter von 4 Jahren für 6 Wochen im „Kinderkurheim Bremen” auf Norderney. Diesen Aufenthalt habe ich als sehr traumatisch wahrgenommen und auch mein ganzes Leben mit mir „rumgeschleppt”. Vieles habe ich gefühlt verdrängt, aber kleine Details sind mir noch klar in Erinnerung. Der Abschied auf dem Bahnsteig und die Anfahrt mit der Bahn zur Küste, auf der ich gezwungen wurde, labberigen Kochschinken und Tomaten zu essen. Vor beidem habe ich mich geekelt.

Tägliches für mich unwürdiges Fiebermessen in überfüllten Schlafsälen. Wir Kinder mussten mit entblößtem Hinterteil, auf dem Bauch bereit liegend auf die Schwester warten, die irgendwann dann mit einem mit Fieberthermometern gefüllten Gefäß die Betten ablief und die Fieberthermometer am Fließband in die Po’s „versenkte …” und auf dem Rückweg kontrollierte und wieder entfernte. Sicher bin ich mir nicht mehr, aber ich glaube, das geschah jeden Abend!

Der Ton gegenüber uns Kindern war zumeist sehr streng und einschüchternd. Erinnern kann ich mich auch an die brachial (auch verbal) versuchte, erzwungene Nahrungsaufnahme durch stundenlanges einsames Sitzen vor dem gefüllten Teller im leeren Speisesaal. Ich kann mich erinnern, das eine Reinigungskraft oder Küchenhilfe Mitleid mit mir hatte und manchmal einen großenTeil meines Essen vom Teller nahm, um mich aus diesen Situationen zu befreien, in denen ich mich manchmal kurz vor dem Übergeben befand, vor Ekel und besonders vor Aufregung. Ganz furchtbar für ein Kind von gerade mal 4 Jahren.

Mitgenommen von diesem Aufenthalt jedoch hatte ich einen über viele Jahre wiederkehrenden Alptraum. Vor jedem zu Bett gehen hatte ich Angst, dass dieser Traum mich wieder quält und schweißgebadet und wimmernd wach werden lässt. Bis heute weiß ich nicht, was dieser Traum bedeutete. Diesen immer wiederkehrenden Traum habe ich bis ins Erwachsenenalter mit mir herumgeschleppt, bis er dann nach über 25 Jahren nicht mehr zurückkehrte: In diesem Traum musste ich in der Dämmerung allein über eine Brücke, vorbei an einem diagonal gelb-schwarz-gestreiften „Wachhäuschen”. Der Eingang des kleinen Wachhäuschen war finster und bedrohlich und ich konnte nichts darin entdecken, konnte nur spüren das dort etwas war, mir fürchterliche Angst machte und im Moment des Vorbeigehens mich völlig verängstigt wach werden ließ.

Es war für meine damals kleine Seele ein traumatisches Erlebnis, dass ich bis heute leider verschwommen und für mich unvollständig mit mir rumschleppe. Aber ich habe mit nun knapp 63 Jahren meinerseits damit abgeschlossen.
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Anja H. schrieb am 02.02.2020
Hallo.
Ich habe heute einen Radiobericht im SWR gehört, zum ersten Mal davon gehört, das ich nicht alleine bin.
Ich bin 1968 geboren und wurde 1976 nach einer Operation, wegen Blässe und zu wenig Gewicht ins Haus Berchtesgaden nach Marktschellenberg geschickt.Für 6 Wochen.
Kontakt nur in schriftlicher Form.
Unsere Briefe wurden gelesen. Wenn dort etwas negatives stand, wurden die zerrissenen und man musste neu schreiben. Pakete von zu Hause wurden an alle verteilt.
Wir waren mit 5 Mädchen auf einem Zimmer.
Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr.
Wir durften nicht reden. Wer erwischt wurde, musste die restliche Zeit in Unterwäsche auf dem Flur in einer Ecke stehen..
Das ist mir einmal passiert. Aus Langeweile habe ich mir dann einen Wackelzahn gezogen.
Das Blut musste ich runterschlucken. Den Mund durfte ich mir nicht ausspülen.
Vor Ort habe ich mir die Fingernägel abgekaut.
Eine Nagelschrere hatte ich nicht. Und die Damen haben sich geweigert mir zu helfen.
Morgens gab es Caro Kaffee. Wer den nicht mochte, bekam halt nichts. 2 Scheiben
Schwarzbrot mit ganz dünn Butter drauf und nur auf einer Scheibe ein bisschen Marmelade.
Zwangsduschen. In meinem Zimmer war ein älteres Mädchen, gegen die ich mich nicht wehren konnte. Die hat mich jeden morgen gezwungen, ihre eingenässte Matratze zu tauschen. Dann musste ich in der Nässe liegen und habe täglich Ärger bekommen.
Bei meiner Rückkehr bin ich ganz alleine durch den Bahnhof meinen Eltern entgegen gerannt und habe nur noch geweint.
. Bis heute morgen wusste ich nicht wie viele Erinnerungen da hoch kommen.
Unglaublich
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Franz Beutler schrieb am 02.02.2020
Habe diese Plattform und die "Verschickungskinder" erst heute entdeckt. War im Oktober 1955 in Bad Dürrheim im Schwarzwald in eine Kinderheilstätte wegen chronischer Bronchitis verschickt worden. Habe auch einem Kind gegenüber gesessen, das sein erbrochenes Essen aufessen musste. Post nachhause wurde zensiert. Mussten als "Mumie" verwandelt nachmittags ruhen. Kann mich nur an Einschüchterung und Zwang erinnern.
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Torsten Kohlschein schrieb am 02.02.2020
Ich bin, Jahrgang 1967, zwischen 1972 und 1979 dreimal zur Kur gewesen, 1972 in Ühlingen im Südschwarzwald im Kindersanatorium Dr. Schede, 1974 im Sommer in Timmendorfer Strand in einer Einrichtung, die von einer Ärztin namens Düvel geleitet wurde, 1979 in St. Peter-Ording im Kinderkurheim Dr. Drenckhahn, der aber damals wohl schon nichts mehr damit zu tun hatte. Damals hat ein Ehepaar namens Buchwald die Einrichtung geführt. Er Erzieher, was ihn nicht daran gehindert hat, auch mal ein Kind zu schlagen, sie offenbar schwedischstämmige Ärztin.

Die eigenartigsten, bizarrsten Erfahrungen sind mir jedoch aus Timmendorfer Strand erinnerlich. Es sind dort durchaus auch mal Kinder geschlagen worden - ich habe noch den Ruf "Hosen runter!" im Ohr, war aber selbst nicht betroffen - ausgehende Post wurde kontrolliert, und bei vermeintlich unwahren Behauptungen in Briefen nach Hause - wohl eher unbequemen - wurde derlei öffentlich im Speisesaal verlesen und der Schreiber verächtlich gemacht.Ob auch namhaft, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich noch, dass die Einrichtung nicht besonders gepflegt war, dass wir merkwürdige Spiele gespielt haben wie "Stühleriechen", dass wir merkwürdige, dem Entwicklungsstand von Grundschülern unangemessene Lieder singen mussten - ging wohl so in die martialisch-seemännische Richtung - dass wir, wenn wir am Meer waren, zwar ins Wasser, aber unsere Badehose nicht nass machen durften, dass Hänseleien und Mobbing der Größeren gegenüber den Kleineren an der Tagesordnung waren und die "Tanten" da auch nicht eingegriffen haben. Das Essen wurde in großen Waschwannen aus Kunststoff in den Speisesaal getragen, an die Qualität des Essens kann ich mich nicht mehr erinnern, außer an Schokoladensuppe. Und sehr oft Pflaumenmus, was sich naturgemäß stark auf die Verdauung ausgewirkt hat. Sonst waren es wohl eher Gerichte zum Löffeln, die man mit der Kelle ausgeben konnte. Auch daran, dass, wenn ein Kind Post bekommen hat, ein anderes Kind sie aufmachen durfte, erinnere ich mich. Eventuell darin enthaltene Bücher durfte zunächst jemand anderes lesen, ob übriger Inhalt ebenfalls geteilt werden musste, ist mir nicht mehr erinnerlich. Sollte wohl sowas bedeuten wie "Du bist hier nichts Besseres, nur, weil du Post bekommst." Natürlich gab es Mittagsschlafzwang, an Aufesszwang kann ich mich nicht erinnern, aber alles in allem erscheint mir dort im Nachhinein vieles ziemlich merkwürdig. Ich bin wohl nur nicht so traumatisiert davon, weil meine Eltern mit mir gleich anschließend nach dem Heimaufenthalt ebenfalls in Timmendorfer Strand Urlaub gemacht haben, das hat wohl vieles überformt. Viel erzählt habe ich von dort wohl nicht. Es ist auch nicht viel gefragt worden. Meine Mutter hätte sich das Heim damals gern noch mal angesehen, mein Vater hat das unabsichtlich unmöglich gemacht, da er mich wegen der Sehnsucht nach mir (um ein paar Stunden) vorfristig allein aus dem Heim abgeholt hat, danach waren die Türen natürlich verschlossen. aber was hätte es auch gebracht, im Nachhinein?


Ein Rätsel ist mir bis heute, warum überhaupt es die drei Kuren für mich gegeben hat. Ich war zwar öfter etwas kränklich - nicht zuletzt, weil meine Eltern (die ich bis auf dieses Detail in sehr guter Erinnerung habe) damals in meiner Gegenwart (im geschlossenen Auto inklusive) ungeniert geraucht haben, die Zusammenhänge mit meinen häufigen Atemwegserkrankungen hat damals noch keiner begriffen - aber nicht so schwer malade, dass ich derlei so regelmäßig nötig gehabt hätte. Ich war normalgewichtig, und an der Niederelbe, wo ich aufgewachsen bin, war auch immer gute Luft. Ich vermute eher, dass meine Mutter, die des öfteren depressive Phasen hatte, gelegentlich "Urlaub" von mir gebraucht hat und dafür bei der Krankenkasse willige Unterstützung fand. Ich weiß nicht, ob mich dort etwas traumatisiert hat, aber dafür, dass diese Aufenthalte - vor allem der zweite und der dritte - so lang her sind, denke ich verdächtig häufig daran, und die Schauplätze geistern mir öfters durch den Kopf. 46 respektive 41 Jahre später! Es hat in den beiden letzten Heimen jedenfalls stetig ein sehr rauer, wenig kindgemäßer Ton geherrscht. An Bestrafungen, wie sie Sabine Ludwig in ihrem sehr lesenswerten Buch "Schwarze Häuser" beschreibt, gut, es spielt 1964, erinnere ich mich nicht. Aber halte das Buch für sehr glaubwürdig. Auch unter den Kindern gab es in meinen Erinnerungen unschöne Szenen und Dialoge. Homo, Mongo, Spast, so die Preislage. Im dritten Heim (das immerhin ab 12-Jährigen schon Ausgang in kleinen Gruppen erlaubte) wurde man überdies dazu angehalten, sich wirklich nur in dringenden Fällen an die ärztliche Heimleitung zu wenden.

Zu den Anreisen kann ich nur sagen, dass mich zum ersten Kurort im Schwarzwald mein Vater selbst gebracht hat - zwei Tage Autofahrt von Stade bis in den Kreis Waldshut, - zum zweiten ebenfalls. Zum dritten nach Nordfriesland ging es ab Hamburg mit der Bahn (ohne nennenswerte Verpflegung) mit Reisebetreuerinnen, älteren Damen,die das wahrscheinlich auf Honorarbasis gemacht haben. Da war es auch anders als meines Erinnerns nach ihren anderen beiden Heimen so, dass eine komplette Heimbelegung gleichzeitig anreiste und gleichzeitig wieder abfuhr. Rückblickend erinnere ich mich noch, dass wir in den jeweiligen Heimen ziemlich wenig geistige Anregung hatten, so etwas wie eine Bibliothek ist mir nicht erinnerlich, Fernsehen war sowieso verboten, an einen Kindergottesdienst erinnere ich mich und an einen Diavortrag über die Nordsee. Ich weiß noch, dass ein paar Kameraden (Geschlechter waren natürlich getrennt) sich in St.P.-O. dann bei Freigang gelegentlich mal eine Bild-Zeitung gekauft haben. Und ich habe Comics gelesen, die mich eigentlich gar nicht interessiert haben. Aus purer Not.

Der erste Kuraufenthalt im Schwarzwald war wohl ganz in Ordnung, da war ich fünf und weiß so gut wie nichts mehr, nur, dass meinen Eltern von der Ärztin regelmäßig handschriftlich Bericht über meinen Zustand gegeben wurde. Wie fundiert, vermag ich nicht zu sagen. Nur dass ich mit einer Erkältung wieder nach Hause gekommen bin, das weiß ich noch. An die beiden anderen Aufenthalte habe ich eher zwiespältige Erinnerungen. Ob sie gesundheitlich positiv gewirkt haben, weiß ich nicht.

Meinem Selbstbewusstsein, meinem Vertrauen gegenüber anderen Menschen und meiner Haltung gegenüber Autoritäten waren sie wohl eher nicht zuträglich. Ja, ich meine, dass sich dort vielleicht nicht nur bei mir Kindheitsmuster ausgebildet haben. Dahingehend, sich Dinge bieten zu lassen, die man sich nicht bieten lassen sollte, unsinnige Regeln und Anweisungen nicht in Frage zu stellen, weil man davon Nachteile zu erwarten hat. Die Schuld immer erstmal bei sich zu suchen und am Ende sogar zu finden, selbst wenn da gar nichts ist. Zu funktionieren und Probleme mit sich selbst auszumachen, im Bewusstsein: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.

Was nicht heißt, dass es nicht auch andere Orte gibt, an denen man sich solche Kindheitsmuster einfangen kann. Alles Sachen, die erstmal schlummern und sich im späteren Leben negativ wieder bemerkbar machen, wenn man es nicht schafft, sie wieder abzulegen, in der Partnerschaft, im beruflichen Alltag, im sozialen Umgang. Im achtsamen Umgang mit sich selbst.
Ich kann mich wirklich nur noch an das Wenigste aus diesen dreimal sechs Wochen erinnern. um so mehr wundere ich mich, dass ich so oft an diese Aufenthalte denken muss. Was ist dort geschehen, was ich verdrängt habe?

Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass nach diversen Aufarbeitungsrunden über die Vorgänge in Kinderheimen zur Dauerunterbringung - die dortigen ehemaligen Kinder haben natürlich Vorrang, sie haben oft Jahre in solchen Einrichtungen und unter keinesfalls besseren Umständen verbringen müssen - auch dieses Kapitel ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird. Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an die von mir beschrieben Heime?

Wir stehen vor vielen Fragen. Vielleicht finden wir gemeinsam Antworten.
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Tanja K. schrieb am 30.01.2020
Hallo!

Ich wurde damals im November 1988 kurz vor der Einschulung von Nürnberg aus zur Kindererholung nach Wyk auf Föhr "Schloß am Meer" geschickt. Viele Erinnerungen habe ich dazu "leider" (oder vielleicht auch zum Glück) nicht mehr. Lediglich an das große Heimweh, der Zwang zum Essen (ich war ein ziemlich dünnes Kind), die Abgabe des Inhaltes meiner Päckchen die ich erhalten habe, sind in meiner Erinnerung vorhanden. Wir hatten Lieder wie "Kookaburry sit in the old gum tree" oder "What shall we do with a drunken Sailor" gelernt. Auch mussten wir uns in den Gemeinschaftsduschen mit rosafarbenen Gummibürsten abreiben und ich bin der Meinung, dass es eine große Glastür (weiß), zum Essensaal führte. Wir mussten morgens beim ärztlichen Personal antreten zum Lebertran- und Vitamineinnahme. Auch an einem Laden in Wyk kann ich mich erinnern, wo wir eine Kleinigkeit von unseren Taschengeld in Spielsachen umsetzen durften. Ich meine dieser Laden stand bei einem großen Marktplatz dessen Bodenmuster schwarz/weiß gekachelt war.

Fakt ist jedoch dass diese Zeit mich enorm geprägt hat. Wenn auch sicher unbewusst, denn viele Erinnerungen sind nicht vorhanden. Denke ich habe vieles verdrängt.
Ich hatte immer Verlassenheitsängste, ging nie mit auf Schullandheimaufenthalten oder habe bei Freunden übernachtet.
In der Jugend kamen dann Essstörungen und eine Borderline-Erkrankung dazu.
Ich dachte meine damaligen Probleme mit meiner Psyche hätten andere Ursachen. Heute denke ich eher, dass die Ursache dessen, das Trauma Kindererholung war/ist.
Ich habe noch sehr viele Unterlagen von meiner Kindererholungszeit, dich ich auf Facebook schon in der Gruppe hochgeladen habe.
Ich hoffe wir werden diese Sache aufarbeiten können. Ich freue mich auf Austausch hier.

Lieben Gruß

Tanja
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Katrin schrieb am 30.01.2020
Hallo,

ich habe vor 20 Tagen schonmal geschrieben (Katrin, verschickt nach "Lensterhof" in Lenste bei Grömitz an der Ostsee) - hier noch ein Nachtrag. Es fiel mir eben plötzlich ein, als in den neueren Beiträgen jemand schrieb, sie hätten weinend fröhliche Lieder singen müssen. Ein scheinbar unwichtiges Detail, das vielleicht doch nicht so unwichtig ist: Wir mussten "Armer schwarzer Kater" spielen (siehe z.B. Wikipedia). Ziel ist dabei kurz gesagt, so lange wie möglich nicht zu lachen, während jemand versucht, einen zum Lachen zu bringen. Ich war durch die hartnäckigsten Bemühungen nicht zum Lachen zu bewegen... und das fiel nach meiner Erinnerung sogar der "Tante" auf, die das Spiel betreute.

Hm, interessant, dass doch - ausgelöst durch die Erzählungen anderer - so manche schlummernde Erinnerung wieder hoch kommen kann.

Gruß
Katrin
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Michael schrieb am 30.01.2020
Hallo,war in den späten 60ee Jahren zweimal in Niendorf Ostsee.Hab außer der großartigen Landschaft keine positiven Erinnerungen.Schokopuddingsuppe bis zum erbrechen, Demütigungen,Schläge.Ähnliche zum Teil traumatisierende Erlebnisse in Berchtesgaden Anfang der 70er.War jemand 68+69 in Niendorf bzw 70/71 in Berchtesgaden?
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Doris Katzor-Uebersohn schrieb am 28.01.2020
Grüßt Euch, liebe "Mitleidende",
habe mir div. Berichte - speziell meinen damaligen Aufenthalt im Schwarzwald bei Freudenstadt (Ort nicht mehr präsent), Wohnort damals Peine, betreffend - durchgelesen .... 

Diese "Verschickung" trat ich widerwillig im Jan./Feb. 1964 an, sprich -> im tiefsten Winter, die 50/60er Jahrgänge wissen um diese Bedeutung. Zudem ein Winter in der Region noch viel mehr Schnee androhte, als er hier in Nord-Ost- und Westdeutschland üblich war/ist. Mein Zwangsurlaub erfolgte als ich gerade 6 Jahre alt war, kurz vor meiner Einschulung im April 64, und dauerte wie bei den meisten hier, elendige nicht enden wollende 6 Wochen.

Auch ich muss mich hier bei den Leichtgewichten einreihen: Krampfhafte Versuche meiner Mutter, mich mit Butter (Ekel!), Kondensmilch - eben alles was fettig war und dieses beinhaltete - Kalorienbomben, zu mästen, fehlschlugen, obwohl meine 3 Geschwister alles aßen, was auf den Tisch kam und auch meine jüngere Schwester größer war und einen stärkeren Körperbau hatte, als ich. Erwähnenswert ist hierbei, dass ich damals bereits Fleisch verweigerte, mit jämmerlichem Erfolg, diese wichtige Eiweißgrundlage fehlte wohl auch dem im Wachstum befindlichen Körper ***. Somit gipfelte meine für Außenstehende fragwürdige Ernährung in dieser schrecklichen Maßnahme.  

Meine Erinnerung an die Abreise ist lediglich die, dass mein Vater mich und meinen kleinen Koffer bei Kälte und Schnee irgendwie auf sein Fahrrad verfrachtete und zum ca. 3 km entfernten Bahnhof brachte.

Dort angekommen wurde ich in den Zug gesetzt, kann mich aber kaum an das Prozedere und die Bahnfahrt erinnern, nur dass ich ab jetzt allein und "fern der Heimat/der Familie" war, wollte nur noch nach Hause. 

Das Heim befand sich irgendwo auf freier Fläche und grenzte an einen großen Wald, es war ein großes, langes Haus, so wie damals Krankenhäuser und Heime gebaut wurden. Natürlich war es auch im Schwarzwald bitterkalt, kälter als zuhause, der Schnee war meterhoch, den ich damals, speziell dort, hasste.
 
Die Mahlzeiten betreffend, ergießen sich in dem Frühstück, was eigentlich nach meinem Geschmack war; es bestand aus einem Teller Haferflocken mit dunklem Kakao und einer Scheibe Brot mit Erdbeermarmelade -> was ich übrigens seltsamerweise noch heute liebe; regelmäßig mit Heißhunger verschlinge, immer wenn ich mal wieder mal einen Zuckerabfall habe, weil ich seit eh und je ein sehr unregelmäßiges Essverhalten pflege, jedoch nicht an Diabetes leide. Außerdem bekamen wir nachmittags Brezel mit heißem Kakao, auch das mochte ich. 

Das eigentliche "Trauma" -> HEIMWEH kreuzte immer in den Abendstunden auf, da schmerzte es am meisten. Als wir Mädchen abends in den Schlafsaal gingen, bekamen wir jedes Mal ein "Betthupfer´l" in Form von Bonbon oder Schokoladenstück, welches auf dem Kopfkissen lag, entsprach ganz meinem Geschmack, allerdings nach dem Zähneputzen?! Und zum Abschluss vor dem Schlafen sangen die Schwestern mit uns das Lied "Guten Abend, Gute Nacht", das werde ich nie vergessen ... 

Das grausamste Gericht - außer Fleisch & Co. sowieso - war der NUDELSALAT; dieser wurde aus den dafür bestimmten Nudeln mit Mayonnaise, Äpfeln und Erbsen gemischt. Wie heute erinnere ich mich an den Brechreiz und das damit verbundene ÜBERGEBEN später abends, seitdem dreht sich mir schon der Magen, wenn irgendwo auf Feiern ein Nudelsalat serviert wird ...

Bezüglich der "Mithäftlinge" - Mädels dort waren wir in einem größeren Raum ca. 8-10 ...
s. Foto. Eine kleine Freundin hatte ich auch, welche mich auf diesem Foto umarmt ... allerdings ärgerte ich mich von Beginn an, weil alle bezweifelten, dass ich "schon" 6 Jahre alt war, war also auch hier die kleinste ....

Das Personal hat uns wohl nett behandelt, denn ich kann mich nicht erinnern, dort physisch gelitten zu haben und unsere zuständige Schwester sah aus wie meine Lieblingstante ... s. Foto, was mich wohl etwas über die Zeit hinweg tröstete.

Auf meinem Lebensweg hat sich bis dato sooft der Kreis geschlossen, in etlichen Bereichen, somit ergab es sich, dass ich aufgrund von Knie-LWS-Arthrosen *** bereits mit 24 Jahren meine erste Reha - damals noch Kur genannt - absolvierte und landete, wie sollte es auch anders sein? -> ganz in der Nähe von Freudenstadt 🙂 Bad Wildbad, welche übrigens sehr schön war (Unterbringung in einer Pension, da die Kurklinik überlaufen war) und meine Arthrosen - leider nur - vorübergehend linderte ....

M.a.W. .... ich lebe noch 🙂 

Grüße Doris Katzor-Uebersohn
aus Langenhagen - Hannover

PS Leider ist es nicht möglich ein Foto anzuhängen - schaaaadeeee
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Alex R. schrieb am 28.01.2020
Hallo Frau Röhl,
gibt es die Möglichkeit in diesem Forum nach Bundesland oder gar nach den Heimen selbst zu filtern, um so schneller mit Menschen in Kontakt zu kommen, die evtl. zur gleichen Zeit dort waren wie man selbst?
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Alex R. schrieb am 28.01.2020
Hallo an alle,
ich kann mich den Ausführungen fast aller nur anschließen. Es hört sich so an, als ob alle Heime einem gleichen System untergeordnet waren, fast wie Heime im 3.Reich. Zumindest empfand ich nahezu alles als ungerecht und willkürlich. Wir wurden menschenunwürdig behandelt.
Ich hätte noch eine Frage in die Runde.
Ich bin Jahrgang 1962 und war im Sommer 1968 für 6 Wochen in einem Heim Im Odenwald. In der Nähe von Bad Michelbach oder Michelstadt. Da mir meine Mutter darüber früher und auch heute keine Antwort geben will oder kann, meine Frage weiß jemand wie das Heim und der Heimleiter zu dieser Zeit hieß und ob es noch existiert.
Vielleicht gibr es ja einen Leidensgenossen / -Genossin mit dem/der ich die Zeit dort verbrachte.
Danke für eure Mithilfe.

Alex
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Claudia T. schrieb am 27.01.2020
Ein Hallo an alle, die schon einen Kommentar geschrieben haben oder dies vielleicht noch tuen werden.
Ich habe mir ganz schön Zeit damit gelassen. Die Beschäftigung mit diesem Thema hat viel angerührt.
Unglaubliche Dinge, die Verschickungskinder widerfahren sind. Von denen ich nichts geahnt hatte.
An dem Tag als der REPORT MAINZ ausgestrahlt wurde, hatte ich schon zufälligerweise das erste Mal überhaupt davon im Radio gehört und konnte gar nicht glauben, was ich hörte. So viele Kinder, die von der Verschickung betroffen waren und schreckliche Erfahrungen gemacht haben. Bis zu dem Zeitpunkt habe ich immer gedacht, dass nur ich es furchtbar fand. Wenn ich mal davon erzählt habe, konnte es keiner verstehen und nachvollziehen.
Jetzt endlich darf ich es wirklich schrecklich finden. Es ist wie eine Befreiung.
Ich war 6 Jahre alt als ich im Sommer 74´ für sechs Wochen auf Langeoog im Haus Dünenheim untergebracht war. Eigentlich sollte noch eine Freundin von mir mit, was dann letztendlich doch nicht geklappt hatte. Ich war blass und sehr schüchtern und sollte dort "aufgepäppelt" werden.
Ich weiß nicht mehr sehr viele Dinge, erinnere mich jedoch an das tiefe Verlassenheitsgefühl, an das schreckliche Heimweh. In meiner Gruppe war ich die jüngste, konnte als einzige nicht schreiben und lesen. Musste immer warten, bis mir jemand meinen Brief vorgelesen hat. Bei der Ankunft habe ich den letzten Schrank bekommen, den ich nicht erreichen konnte, da zu hoch. Nie konnte ich alleine an meine Sachen. Immer war da dieses Gefühl nichts eigenes zu haben. Was ich von zuhause und meinen Großeltern mitbekommen hatte, durfte ich nicht behalten. Ebenso wenig wenn ein Päckchen ankam. Als kleines Kind versteht man das nicht...das war ja die einzige Verbindung zur Familie. Der Essenssaal war riesig, bis heute mag ich keinen Milchreis und Puddingsuppe etc., an weiteres erinnere ich mich nicht. Nur dass wir in diesem Saal lustige Lieder singen sollten, auch wenn die Tränen kamen.
Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern mit anderen Kindern gespielt oder gesprochen zu haben. Das ist komisch, ich hatte sonst immer Freundinnen. Ich kann mich auch überhaupt nicht daran erinnern, was wir den ganzen Tag gemacht haben. Obwohl ich sonst schon Erinnerungen an dieses Alter habe.
Innerhalb der sechs Wochen bin ich krank geworden(Windpocken?) und lag für viele Tage in einem kleinen Isolierzimmer ganz alleine ohne jeglichen Besuch oder Kontakt. Nur der Blick aus dem Dachfenster in den Himmel ist noch präsent. Und die Einsamkeit und gefühlte Ewigkeit, die diese Isolation dauerte.
Meine Eltern wussten von der Krankheit, durften/konnten mich aber nicht abholen.
Laut meinen Eltern war ich noch blasser und stiller als vor der Kur. Deutlich zu sehen auf dem vorher-nachher Foto.
Ich habe auch schon früher öfters mit meinen Eltern über diese Verschickung gesprochen. Es tut beiden leid, dass ich diese Erfahrungen gemacht habe. Sie wollten mir eigentlich auf Anraten der Kinderärztin etwas Gutes tun.
So viele Wunden auf kleinen Kinderseelen. Allgegenwärtig.
Endlich wurde der Stein ins Rollen gebracht...DANKE!!!
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Birgit schrieb am 27.01.2020
Ich bin Jahrgang 1963 und war wahrscheinlich, noch bevor ich in die Schule kam, 6 Wochen in einem Kloster, in Wessobrunn, bei Weilheim. Am schlimmsten, war das Heimweh!
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Ulrike G. schrieb am 27.01.2020
Hallo. ich bin 1965 geboren und war mit etwa 3 oder 4 Jahren für sechs Wochen in Scheidegg zur "Kinderkur". Als ich heute meine Mutter danach fragte, erzählte sie folgendes: Mein damaliger Kinderarzt hat mich , weil ich oft erkältet und sehr dünn war in "Kur" geschickt. Eine Frau muss mich in meiner Heimatstadt abgeholt haben und brachte mich dann nach Scheidegg. Meine Eltern durften nicht mit mir telefonieren oder mich besuchen. Laut meiner Mutter wären die Schwestern dort sehr hart zu uns gewesen. Ich wäre dort auch geschlagen worden. Eine Schwester wäre nett zu mir gewesen. Ich hätte immer alles aufessen müssen. Dies deckt sich mit meiner wagen Erinnerung, dass ich auch, wenn ich gebrochen hatte, weiter essen musste. Sie erzählte weiter, dass ich die "Liegestunde" gar nicht mochte.
Wenn ich daran denke, bekomme ich immer ein sehr ungutes Gefühl.
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Sell Elisabeth schrieb am 27.01.2020
als 5 jähriges Kind war ich auch auf --Erholung-- !!! die abreise war schon ein Drama, ich hatte mich am Bahnhof an eine Stange geklammert und geschrieen, wie am spieß. da hat mir die --tante-- eine ins gesicht gehauen un d hat mich in den zug reingeschmissen.daran kann ich mich noch wie heute ,fast 70 jahre später ,gut erinnern.ich war in bad Reichenhall und auch mal in bad Soden. in reichenhall musste ich den grünen Wackelpeter zweimal aufessen, einmal normal, dass aufn teller gekotzt und das ganze nochmal.und musste stundenlang im Speisesaal sitzenbleiben, bis der teller leer war.wenn ich heute grünen wackelpudding seh, denke ich sofort daran zurück. aber ich muss trotzdem sagen, ich habe kein Trauma davon zurück behalten,sondern wut. im Gegenteil, mich hat die ganze ungerechtigkeit dort gestärkt und hat mich zu einer Kämpferin gemacht. das hat mir im späteren leben geholfen, mich durchzusetzen und mir nix mehr gefallen lassen.deshalb tun mir die kinder heute noch leid , die es nicht verarbeiten konnten .es wird immer wieder zu Ungerechtigkeiten kommen, nur heute sind Eltern und Familie eher bereit , was zu unternehmen.und ich glaube, dass kinder auch heute noch gequält werden, nur auf eine andere art und weise.
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Petra Becker schrieb am 26.01.2020
Hallo, ich bin 1962er Jahrgang und etwa mit 5 Jahren in der Nähe vom Neadertal in einem Kinderkurheime gewesen. Weiß jemand wo das gewesen sein könnte?
Herzliche Grüße
Petra Becker
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Angela S. schrieb am 25.01.2020
Liebe Karina, wahrscheinlich war ich 1967 in dem selben DRK Heim. Ich würde mich gerne mit Dir darüber austauschen. Wenn Du auch möchtest, wende Dich bitte an die Heimort Verantwortliche für Amrum. (Bea, ihre Email findest Du unter Vernetzung). Sie wird Dir meine Email weiterleiten.
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Karina Kammeritsch schrieb am 24.01.2020
Ich muss da mal ein wenig ausholen. Wie gesagt, 1968 kam ich nach meiner Erkrankung für 6 Wochen zur "Erholung " nach Amrum. Es war ein Haus des DRK's. Zeitgleich wurde der kleine Sohn der Nachbarn dorthin verschickt. Der war ca 2 1/2-3 Jahre alt. Eigentlich dachten unsere Eltern, dass wir zusammen bleiben würden. ... Jedenfalls stand ich mit einigen anderen Kindern und dem Kleinen an der Hand auf dem Bahnhof , jedes Kind mit einem Pappschild um den Hals und wartete auf den Sammelzug nach Amrum. Die Betreuer hatten uns in Empfang genommen und die Eltern nach Hause geschickt. Der Kleine war ganz verschreckt und hat mich die ganze Zeit nicht losgelassen. Auf Amrum angekommen, wurden wir sofort getrennt. Und ich habe ihn die ganzen 6 Wochen nicht mehr gesehen. Ich hatte dann auch genug mit mir selber zu tun. Meine Mutter hatte mir für die 6 Wochen 50 DM Taschengeld mitgegeben. Das war sehr viel Geld für die Zeit. Das haben die Betreuer sofort einkassiert ! Ich habe es nie mehr wiedergesehen. Ich kam in einen Schlafsaal mit fünf anderen Mädchen. Wir waren im Alter von 10 bis 15 Jahre. Die Jüngste kam aus Bayern und hat sechs Wochen lang eigentlich nur geweint. Ich erinnere mich , dass ich Schulaufgaben mit hatte, um den Anschluss nicht zu verpassen. Aber es gab da keine geregelte Anleitung. Nach dem Frühstück hatten wir 2 Stunden Lernzeit. Aber ohne Hilfe. Hauptsache, wir haben uns ruhig verhalten. Danach mußten wir zurück in unseren Schlafsaal. Und uns ruhig verhalten. Es war Hochsommer , die Sonne schien und es war heiß. Aber wir durften nicht nach draußen. Und wir hatten Durst ! Es gab nur morgens, mittags und am Abend was zu trinken. Für jedes Kind genau 2 Tassen Tee pro Mahlzeit ! Wir haben und heimlich in den Waschraum geschlichen und Wasser aus dem Wasserhahn getrunken. Wenn wir erwischt wurden, mussten wir für 1-2 Stunden in die Besenkammer.Das war nicht so schlimm. Schlimmer war, dass uns zur Strafe dann die Trinkmenge bei der nächsten Mahlzeit abgezogen wurde.Also wir dann nur noch ein Tasse Tee bekamen. Oder nur ein halbe Tasse..... Nachmittags wurden wir ausgeführt. Schön in Reih und Glied.... Stundenlang über die Insel geschleift, ohne was zu trinken. Und selber kaufen ging ja auch nicht. Unser Geld hatten ja die Betreuer einkassiert. Meine Mutter hatte aufgeschrieben, auf was ich allergisch reagiere. Unter anderem auf Nivea Creme. Das hat niemanden interessiert. Ich wurde dick mit Nivea eingecremt und bin dann fürchterlich verbrannt. Mein Gesicht war blasig, verschwollen und tat unheimlich weh. Die Betreuerin fand das nur lustig. Ich habe dann versucht mir selber zu helfen. Meine Mutter hatte mir Penaten Creme eingepackt. Die hab ich mir dann dick auf das Gesicht geschmiert. Das hat auch geholfen. Aber am nächsten Morgen hab ich dann Ärger bekommen, wegen dem eingesauten Kopfkissen. Habe deshalb kein Frühstück bekommen und musste im Schlafsaal bleiben. Da konnte ich wenigstens ungestört Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Samstags mußten wir Ansichtskarten nach Hause schreiben. Die Texte waren vorgegeben. Und jede Karte wurde kontrolliert, ob wir auch ja nichts negatives geschrieben haben. Dann wurde die Karte zerrissen und wir mussten eine Neue schreiben. Die Karten und Briefmarken wurden uns von unserem konfiszierten Taschengeld abgezogen. Am letzten Samstag vor der Heimreise verkaufte uns das Heim Andenken. Im Speisesaal war ein Tisch mit Sachen aufgebaut und wir mussten uns was aussuchen. Jedenfalls wurde damit unser letztes Geld geschrottet. Bei der Heimreise habe ich dann den kleinen Sohn der Nachbarn wiedergesehen. Er war dünner und blasser als bei der Anreise. Wie sich später heraus stellte, war er während der Zeit recht schwer an Windpocken erkrankt. Man hatte es nicht für nötig gehalten, die Eltern zu informieren. Ich habe meinen Eltern alles erzählt. Und sie haben mir geglaubt. Dann kam auch noch eine Taschengeld Abrechnung. Da standen Positionen drauf, die nicht korrekt waren. Wie Eis und Limonade. Habe ich nicht einmal bekommen. Und die Ansichtskarten und Andenken waren wohl auch ziemlich überteuert. Meine Eltern und die Eltern des Kleinen haben sich dann gemeinsam bei der Krankenkasse beschwert. Und anscheinend auch noch andere Eltern. Wir haben dann irgendwann gehört, dass einige Kassen die Verträge mit dem Heim gekündigt haben und das Haus geschlossen wurde.
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Barbara schrieb am 23.01.2020
Ich war ca. 1969 und ca. 1975 in Bad Dürrheim. Ob es das gleiche Kindersolbad, wie das genannte war, weiß ich nicht, aber ich vermute es. Auch mich haben diese Aufenthalte stark geprägt.
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Stefan Mahlstaedt schrieb am 23.01.2020
Hallo,
schon lange frage ich mich, ob es für mich oder auch andere hilfreich wäre, sich zu dem Thema Heimverschickung zu vernetzen. Nun habe ich kürzlich über eine Arbeitskollegin von dem Kongress auf Sylt gehört. Immer noch ein wenig skeptisch, ob ich mich wirklich mit dem Thema mehr beschäftigen möchte, so weiss ich auch, dass mich die Heimaufenthalte schon sehr geprägt haben mit einer Reichweite bis in mein heutiges Leben. Ich war von 1966 bis 1969 fünf Mal im DRK- Kindersolbad in Bad Dürrheim im Scharzwald. Kennt jemand dieses damals sehr grosse Kinderheim unter dem Chefarzt Dr. Kleinschmidt?
Aus heutiger Sicht ist mir klar, dass der Faschismus damals gerade mal wenig mehr als 20 Jahre "vorbei" war und so waren die Strukturen und Methoden in dem Heim auch noch davon sehr stark geprägt. In diesem Sinne....
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Bärbel M. Aus Freiburg schrieb am 21.01.2020
Ich suche Menschen die wie ich auch in Friedenweiler waren unter anderen Corinna Dietz die hier einen Kommentar gepostet hat deren Kontaktmöglichkeiten ich nicht finden kann.
Bitte melden unter baerbma@gmx.de
Es wäre für mich wichtig mich nicht mehr allein zu fühlen.
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Heike Husak (geb. Haab) schrieb am 20.01.2020
Ich bin Jahrgang 1962 und wurde 1970 zusammen mit meiner Cousine nach Wittdün auf Amrum zur Erholung geschickt. Ich weil ich unter Neurodermitis litt und meine Mutter ins Krankenhaus musste. Wir waren 4 Kinder und ich das Jüngste. Mein Vater und sein Bruder fuhren uns nach Heidelberg zum Sonderzug und ich kann mich noch daran erinnern, dass er mich ganz fest drückte bevor ich in den Zug stieg. Meine Freude an die Nordsee zu fahren war riesengroß. Doch leider hielt die Freude nur bis zur Ankunft am Erholungsheim Nordfriesland. "Tante" Katie hat uns in Empfang genommen und die Zimmer zugewiesen (ich durfte nicht mit meiner Cousine in ein Zimmer) und wir mussten sofort unsere Betten beziehen. Weil ich es nicht richtig machte, bekam ich eine Backpfeife. Unsere persönlichen Sachen durften wir nicht behalten. Wir bekamen sehr wenig zu trinken, zu jeder Mahlzeit eine Tasse Tee oder sehr verdünnten Himbeersirup oder Buttermilch - mehr nicht. Auf einer Wanderung kamen wir an einem Haus vorbei mit einer Leuchtreklame von Union-Bier. Das U war das obere Teil von einem Pilsglas. Mit meinen 8 Jahren dachte ich immer daran wie gerne ich jetzt ein Bier trinken würde! Der erzwungene Mittagsschlaf war sehr schlimm für uns Kinder. Wenn wir beim Flüstern erwischt wurden, mussten wir den Rest der Zeit in Unterwäsche auf der Jungen-Station stehen. Sehr erniedrigend. Die Ansichtskarten oder Briefe wurden zensiert. Ich habe genau 6 Karten geschrieben, auf denen jeweils das gleiche geschrieben stand: Mir geht es gut, die Aussicht (aus dem Speisesaal) ist schön. Die Aussicht war schön, aber mir ging es nicht gut. Die Dusche war ein Gang bei dem von zwei Seiten kaltes Wasser rausspritzte und man durchlaufen musste. Das Wasser war bräunlich und stank faulig. Schläge, Erniedrigungen waren an der Tagesordnung. Vor 30 Jahren wollte ich mich mit dem Heim konfrontieren und bin nach Amrum gefahren. Das Haus wurde entkernt und neu aufgebaut mit Wohnungen. Es heißt Haus Kerrin, wie auch damals die Heimleiterin hieß. Ich kann mich leider nur noch an die grausame Tante Katie erinnern und hoffe, dass sie sehr einsam ist oder war und sehr viele Schmerzen erleiden muss oder musste. Sie hat mir meine unbeschwerte Kindheit genommen. An die Namen der anderen Tanten kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Ich habe lange nach Leidensgenossen gesucht, wurde aber nicht fündig, da ich nicht wusste, dass wir "Verschickungskinder" sind. Durch einen Bericht in unsrer Tageszeitung bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden. Es hat Wunden aufgebrochen und ich habe viele Tränen vergossen. Mir war nicht bewusst, dass es so viele von uns gibt. Ich dachte immer, dass es nur in diesem Erholungsheim so schlimm war!
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Bärbel M schrieb am 20.01.2020
Bärbel M. aus Freiburg
Durch Zufall habe ich diese Seite letzte Woche gefunden und bin seither sehr emotional bewegt.
Meine Leben hat dieser Heimaufenthalt in Friedenweiler als 6 jährige 1965 sehr negativ geprägt......bis heute!!!!!!!.....mein Wunsch war schon immer auch Betroffenen zu finden um sich sehr vorsichtig auszutauschen.............ich würde mich unendlich freuen wennn wir eine gemeinsame Sprache über unser Erleben finden ..Kontakt baerbma@gmx.de Nur Mut Gemeinsam nicht mehr Einsam!!!!!

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linnea schrieb am 19.01.2020
Ich bin 1977 in Arnsberg geboren und wurde vor meinem Schulantritt für 4 Wochen ins Kinderkurheim Norderney geschickt. Wie ich dorthin kam weiß ich leider nicht, nur dass meine Eltern mich abholten. Vorher wurde ich von der Schwester Oberin eingeschworen, den Eltern nur das Beste über den Aufenthalt zu erzählen. Leider habe ich ein excellentes Gedächtnis und ich erinnere mich an vieles. Sofort am Anfang wurde ich von einem Kind bei unserem ersten Ausflug ins Wasser geschubst. Folglich durften alle Kinder eine Woche nicht an die Nordsee. Die Stimmung war dementsprechend. Wir mussten unser Taschengeld für Süßes ausgeben, damit wir 'wohlgenährt' nach Hause kamen. Schaumküsse und Baiser erzeugen bei mir heute noch Brechreiz. Die ewigen Suppen und der Kartoffelmatsch haben scheinbar nicht genug Gewicht gebracht. Ich hatte Angst vor Wasser da ich noch nicht richtig schwimmen konnte. War im Lehrschwimmbecken aber kein Grund Rücksicht zu nehmen. Eines der schlimmsten Erlebnisse war der Griff einer Ordensschwester in meinen Nacken um mich aus dem Schlafsaal zu zerren. Ich musste den Rest der Mittagsruhe im abgeschlossenen Waschraum ohne Socken auf dem Klo hockend verbringen. Von anderen Kindern wurde ich leider meiner Geschenke beraubt und niemand dort hat mir geglaubt. Kurzum. Wenn man das alles überstanden hat, ist man deutlich erwachsener und hat einen unbeschwerten Teil der Kindheit hinter sich gelassen zumal ich lange nicht verstanden habe warum meine Eltern mir so etwas angetan haben.
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Anja Korte schrieb am 19.01.2020
Ich bin 1972 in Hamburg geboren, muss so ca. 1978 verschickt worden sein, nach Wyk auf Föhr für 6 Wochen. Viel erinnere ich mich nicht. Ich sollte zum Zunehmen, weil ich stark untergewichtig war. Das Essen wurde mir reingezwängt, bis ich es erbrochen habe. Ich musste so lange das Erbrochene essen, bis der Teller leer war. Im Speiseraum gab es mehrere Tischgruppen. An jedem Ende saß eine Tante und sorgte für Ordnung. Ich erinnere große Schlafsäle mit kratzenden Decken (Bundeswehrdecken?) und dass ich durchweg gefrohren habe. Am Abend wurden Hände in Fäustlinge gewickelt, zum Teil am Bett fixiert. Ich weiß nicht, ob bei mir auch. Vieles hat man ja auch als abschreckendes Beispiel bei den anderen Kindern beobachten dürfen. Eines erinnere ich aber genau. Als wir von was auch immer wiederkamen, waren alle Schränke ausgeräumt. Davor die Tanten und nähten in unsere private Kleidung so kleine Punkte rein. Ich war sehr erbost darüber, weil es ja meine Sachen waren, aber ich wurde nur ausgelacht und sollte es so hinnehmen. Ich erinnere auch, dass Kinder zur Strafe im Flur stehen sollten, mit Decke oder Kissen. Ob ich es auch musste, weiß ich nicht. Das kalte Abduschen mit Wasserschlauch erinnere ich auch. Viele Kinder weinten und hatten Heimweh. Für mich war die gesamte Zeit beklemmend. Von der Insel und vom Strand habe ich nicht viel gesehen. Vielleicht waren wir ein oder zweimal da. Es gab ein Spielplatz am Haus. Aber irgendwie hatte keiner so richtig Lust zu spielen und fröhlich ging es auch nicht zu. Die Tanten saßen da und passten auf. Und ich war mir nie sicher, ob das, was ich da tat oder auch nicht, überhaupt richtig war, also ein gewünschtes Verhalten. Aber ganz ehrlich, zu Hause erzhählte ich es und wurde nicht ernst genommen, wurde es meiner regen Fantasie zugeschrieben.
Ich war auch noch auf anderen Verschickungen, z.B. am Brahmsee, aber das fand ich nicht so schlimm. Es war in einem Wald mit verschiedenen Hütten und da erinnere ich mich an Lagerfeuer mit Gitarrenmusik, Nachtwanderungen und Nachmittage am und im See, Waldspaziergänge....und dann Quarantäne mit Masern, wo ich mich bis heute frage, warum die mich nicht einfach wieder nach Hause geschickt haben.
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Sonja W. schrieb am 19.01.2020
Nachdem ich gestern meinen Fragebogen ausgefüllt habe, schreibe ich nun hier meine Erfahrung: Ich wurde 1989 im Juni für 4 Wochen nach Waltersdorf (Sachsen bei Zittau) in das Kinderkurheim "Rübezahlbaude" geschickt. Ich war gerade 7 Jahre alt und bis zu dem Zeitpunkt ein fröhliches, aufgewecktes Mädchen (so wie es meine Tochter heute ist). Zurück kam ich als ruhiges, in sich gekehrtes und nachdenkliches Kind. Dies erzählte mir kürzlich mein Vati. Was war passiert? Meine damalige kleine Seele muss so sehr verstört worden sein, dass ich mich kaum noch an was erinnern kann. Langes sitzen beim Essen und unbedingt aufessen. Panisch in der Sauna sitzen weil man Angst hat und den Geruch widerlich fand, dennoch sitzen bleiben musste. Täglich weinend im Bett auf einem Zimmer mit zwei älteren Mädchen, die mich oft trösteten. Die Postkarte an die Eltern malen, wo der Text von jemand anderem geschrieben wurde. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Ich war jedenfalls danach ein ganz anderes Kind, was schwer Vertrauen zu anderen Menschen fand, kaum Selbstvertrauen hatte und Bauchweh bekam, wenn ich andere Kinder zu unrecht behandelt sah. Ich hoffe, hier noch mehr Betroffene aus Sachsen bzw. aus der Ostregion zu finden.
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