Zeugnis ablegen

ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung.

Wir bauen außerdem ein öffentlich zugängliches digitales Dokumentationszentrum auf, dort ist es möglich seinen Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild zu versehen und zusammen mit der Redaktion einen Beitrag zu erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einzustellen, der für zukünftige Ausstellungen und Dokumentationen benutzt werden kann. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr drei Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei der Buko Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selber einer.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2667 Einträge
Petra H schrieb am 14.09.2019
Ich bin Jahrgang 1959 und war im Frühjahr 1967 wg. Hautproblemen zur Kur in St. Peter-Ording. Leider weiß ich den Namen des Kinderheims nicht mehr. Irgendjemand hat geschrieben, dass das Kinderheim einen langen Kellergang hatte, der die Häuser miteinander verbunden hat. Als ich das gelesen habe, kam ein Stück Erinnerung zurück. Ich kann mich allerdings an ganz wenig erinnern - habe wahrscheinlich ganz viel verdrängt -, aber auf jeden Fall daran, dass ich auch einen Jungen gesehen habe, der sein Erbrochenes essen musste. Ich habe die ganzen Jahre immer gedacht, dass ich mir das einbilde, denn so etwas kann man doch keinem Menschen antun. Jetzt habe ich den Beitrag in Report Mainz gesehen und war entsetzt feststellen zu müssen, dass es so vielen Kindern so schlimm ergangen ist. Ich bin erstaunt, dass so viele sich nach den ganzen Jahren noch an so viele Details erinnern können. Ich bin ein guter Verdränger, was in diesem Fall vielleicht ja gar nicht so verkehrt ist.
Es tut weh zu lesen, wie schlimm es so vielen Kindern ergangen ist und kann nachfühlen, dass viele traumatisiert wieder nach Hause gekommen sind. Sechs Wochen unter diesen Umständen von zu Hause weg zu sein ist eine lange Zeit und Zeit genug, um Folgeschäden zu hinterlassen.
Meine Eltern haben mich guten Gewissens auf Anraten unseres damaligen Hausarztes zur Kur geschickt. Hätten sie gewusst, was sich da in den Heimen abgespielt hat, hätten sich mich mit Sicherheit nach Hause geholt. Aber es gab ja keine Möglichkeit, sich mit den Eltern in Verbindung zu setzen.
Meine Mutter hat mir gerade erzählt, dass ich nach der Kur nicht anders war als vorher. Deswegen gehe ich davon aus, dass mir nichts Schlimmeres passiert ist. Ich weiß nur, dass ich die ganze Zeit Heimweh hatte, jeden Tag geheult habe und Milchsuppe mit Einlage und Hagebuttentee bis zum heutigen Tage verabscheue.
Ich wünsche allen Betroffenen eine gute Aufarbeitung dieser Zeit.
Sollte hier evtl. jemand wissen, wie das Heim hieß, würde ich mich freuen, den Namen zu erfahren; vielen Dank.
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Kozel,Heike schrieb am 14.09.2019
Ich bin am 7.4,1957 geboren. Auf dem Foto von Norderney bin ich das Mädchen in der Mitte.
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Giuliana Valle schrieb am 14.09.2019
Sehr geehrte Frau Ritzrau,

ich hätte nicht gedacht, daß noch jemand dort war, da Mambach so klein war / ist. Ja, auch meine Erinnerungen sind altersbedingt nur noch lückenhaft. Wissen Sie vielleicht noch, wie das Haus hieß, wie die uns betreuenden Damen hießen.

Mit besten Grüßen, G.Valle
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Kozel,Heike schrieb am 14.09.2019
Hallo, ich bin Heike Kozel geb Weller,ich war mit dreieinhalb Jahren auf Norderney. Meine Eltern haben mich dort hingeschickt da ich eine Hauterkrankung hatte. Die Ankunft war schrecklich lieblos und beängstigend. Ich musste mich ausziehen und die Nonnen haben sich stumm meine Haut angesehen. Am Abend bekam ich Plastikschinen um beide Arme und wurde in einem riesigen Gitterbett festgebunden. Mir wurde oft Blut abgenommen, es war immer sehr schmerzhaft. Meine persönlichen Sachen wurden mir abgenommen, Bilder von meinen Eltern und meines Hundes. Die Mahlzeiten waren der Horror, ich wollte nicht essen, ich war voller Kummer und Traurigkeit. Beim Mittagessen setzte sich eine Nonne zu mir und hat mir den Löffel in den Mund geschoben, gezwängt. Ich hab mich übergeben, die Nonne hat mich gezwungen,das Erbrochene zu essn. Die täglichen Bäder in einer riesigen Wanne,mit einer blauen Flüssigkeit, hab ich in ganz schrecklicher Erinnerung. Eine Tante hat mich mehrmals unter Wasser gedrückt, weil ich weinte, sie sagt jetzt hätte ich einen Grund zu weinen. Mehr mag ich nicht mehr schreiben. Ich musste drei Monate diese Hölle aushalten
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Peter H. schrieb am 14.09.2019
Nachdem ich den Beitrag in Report Mainz gesehen habe, ist vieles, was ich verdrängt habe, wieder hochgekommen. Ich bin 1976 im Alter von 7 Jahren für sechs Wochen in das Kloster Wessobrunn nach Oberbayern verschickt worden. Meine Erinnerungen sind lückenhaft, decken sich aber mit vielen hier geschilderten Erfahrungen. Das Heim wurde von der Caritas betrieben, "betreut (wenn man das so nennen soll") wurden wir von Nonnen. Angeblich war ich zu dünn und sollte zunehmen.
Erinnern kann ich mich daran, dass uns bei Ankunft das von den Eltern mit gegebene Taschengeld abgenommen wurde und dass wir nur einmal in der Woche eine Karte nach Hause schreiben durften (natürlich wurde die vorher von den Nonnen gelesen). Um zuzunehmen musste man alles aufessen, was einem vorgesetzt wurde. Wer nicht mehr essen konnte oder wollte, musste das, was auf den Teller übrig war, abends kalt aufessen, sonst durfte man nicht aufstehen. Dabei mussten die dicken Kinder, die abnehmen sollten, den dünnen zusehen.
Auch wurden wir geschlagen, insbes. von den älteren Nonnen und insbes.. dann wenn sich jemand im Schlafsaal bewegte oder laut war. Auch wenn vieles lückenhaft ist, erinnere ich mich noch an eine junge Nonne, die uns immer gut behandelt hat und uns versucht hat zu trösten, wenn wir uns einsam gefühlt haben, leider war das eine Ausnahme.
Insgesamt scheint es noch ein bisschen besser gewesen zu sein als in anderen Heimen, immerhin musste ich kein Erbrochenes essen. Trotzdem waren die sechs Wochen ein einziger Alptraum, es herrschte eine beklemmende Atmosphäre und ein Klima der Einschüchterung und Angst.
Nachdem ich in den letzten Jahren immer wieder sporadisch nach Spuren solcher Verschickungen gesucht habe, bin ich froh, dass endlich darüber berichtet wird und dass das Thema Aufmerksamkeit bekommt. Interessieren würde mich, ob sich die Caritas und der Orden der Benediktinerinnen sich dem bewusst sind, was Sie bei den Betroffenen angerichtet haben. Leider kann ich mich an keinen einzigen "Leidensgenossen" mehr erinnern, es würde mich interessieren, ob auch andere ähnliche Erfahrungen in Wessobrunn gemacht haben.
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Petra Schreiber schrieb am 14.09.2019
Mit großem Interesse und Entsetzen habe ich den Bericht von Report Mainz gesehen.Ich bin Jahrgang 1958 und wurde mit 6-7Jahren nach überstandener
Scharlachkrankheit in Nürnberg in den Zug gesetzt,um in Wyk 8Wochen bei
einer Kur zu Kräften zu kommen.Es war die schlimmste,einsamste Zeit
meines Lebens.Zwang zum Essen,Angstzustände beim Mittagsschlaf,
Postkarten nach Hause,die von den "Tanten" geschrieben wurden und
Strafen.An mehr kann ich mich leider nicht mehr erinnern...
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Bernd Marschall schrieb am 14.09.2019
Hallo Frau Nießen,

ich habe auch den Reportbeitrag gesehen und anschließend diese
Webseite studiert und Ihren Beitrag gefunden.

Ich war 1966 im Herbst als 6-jähriger ebenfalls in der "Kinderkur" in der Auracher Wies. Ihre Erlebnisse decken sich mit den meinen. Ich erinnere mich auch noch an einen Bernhardiner-Hund, der regelmäßig mit den Keksen gefüttert wurde, die die "Tanten" den Kindern bereits während der Zugfahrt abgenommen hatten, indem sie alles Gepäck durchwühlte.

An die Milchsuppe erinnere ich mich auch und daran, dass ich sie auf einen Holztisch erbrochen habe. Ich wurde mit meinem Kopf hineingetunkt und wurde gezwungen das Erbrochene aufzuessen. Ich sollte in der Kur eigentlich zunehmen. Essen habe ich aber während des gesamten Aufenthalts als Strafe in Erinnerung.

Kleinere Kinder liefen mit offenen Schuhen herum, wenn sie sich die Schuhe nicht selbst zubinden konnten.

Außerdem sind mir lange Wanderungen in dem umliegenden Bergen in Erinnerung. Wir trugen eine Art Ledergeschirr un den Leib, an denen Karabinerhaken befestigt waren. Bei den Ausflügen wurden die Kinder in kleinen Gruppen zusammengekettet und von den Tanten an der Leine geführt. Ein Junge, der immer liebevoll gestaltete Mecki-Ansichtskarten von seinen Eltern erhalten hatte und deswegen von den Tanten besonders gemobbt wurde, hat sich bei einer Bergtour selbst ausgeklinkt und einen Abhang herunter gestürzt.
Er kam mit einer Kopfverletzung ins Krankenaus. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, Es wurde nicht mehr über ihn gesprochen.

Die Gewalt, die die Tanten auf die Kinder ausübte, wurde durch die Kinder
untereinander weiter gegeben. Ich kann mich daran erinnern, dass ältere Kinder ihren Frust an den kleineren, schwächeren vor allem nachts im Schlafsaal ausließen und sich regelrecht zu kleinen Sadisten und Tyrannen entwickelten.
So wurden kleineren Kindern wurde von den Älteren festgehalten und in den Mund gespuckt.

Außerdem gab es nächtliche Kontrollgänge der Tanten. Hatte ein Kind
ins Bett gemacht wurden alle geweckt. Wir mußten dann alle in den Waschraum
gehen und der Betreffende wurde vor aller Augen mit einem Schlauch und eiskaltem Wasser abgeduscht.

Weiterhin sind mir die Abende in Erinnerung, als uns Onkel Trixl schwarzweiß Trickfilme zeigte, manchmal mit dem Bärenmarke-Bär und dass uns manchmal abends von einer Tante Peterchens Mondfahrt vorgelesen wurde. Diese Geschichte war meine einzige positive Erinnerung an die Kur und gab mir Halt.

Jeden Freitag wurden wir in einer Dachkammer gewogen. Dass sich dort auch nur einen Gramm zugenommen habe, wage ich zu bezweifeln.
Ich hatte nach 6 Wochen das Gefühl, ich hätte ein ganzes Jahr dort verbracht,
da es neben sonnigen Tage auch einen Wintereinbruch mit Schnee gab.

Als ich nach Hause kam, war ich lange Zeit in mich zurückgezogen. Meine Eltern erkannten ich kaum wieder. Hinterfragt haben sie es allerdings nicht. Als ich viele Jahre später Details erzählte war der Kommentar: Das kann ich mir nicht vorstellen. Du übertreibst.

Ich habe das Kinderheim im Internet vergeblich gesucht. Es gibt nur ein paar alte Ansichtskarten, von denen ich selbst eine zu Hause habe. Das Gebäude gibt es vermutlich nicht mehr. Es lag direkt an einer Bahnlinie und einem Bach. Eine Google-Maps Recherche war ergebnislos.

Habe mich auch schon oft gefragt, ob es noch andere gibt, die meine Erfahrungen teilen und bin sehr froh dass es eine Initiative gibt, die sich der Sache annimmt.

Über eine Rückmeldung zum Erfahrungs-Austausch würde ich mich freuen.

Viele Grüße

Bernd Marschall
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Martina Kimmel schrieb am 13.09.2019
Ich wurde im September 1968 (ich bin gerade 4 geworden) zusammen mit meiner 51/2 jährigen Schwester nach Bad Kissingen verschickt worden. Meine Mutter hat uns die Kur als was ganz tolles geschildert und wir haben neue Taschen und Kleider dafür bekommen. Das Kurheim lag im Wald, daran erinnere ich mich noch. Außerdem mussten wir öfter zur Heilquelle, dort hat es fürchterlich nach Schwefel gerochen und wir mussten das Heilwasser trinken. Essen gab es aus verkratzten Plastiktellern. Meine Schwester hat komplett das Essen verweigert, daraufhin fand ein reger Briefwechsel zwischen dem Heim und meiner Mutter statt. Sie hat dem Heim dann Tipps gegeben was man ihr noch zu essen geben könnte. Zum Hintergrund: wir beide waren nicht krank - ganz im Gegenteil, sondern nur dünn. In unserer Familie gibt es auch kein Übergewicht.
Meine Schwester durfte dann mit den 'großen' Kindern in einem anderen Speisesaal aus Porzellantellern essen und ich habe sie dann auch bei den Mahlzeiten nicht mehr gesehen.
Für mich muss die Kur völlig traumatisierend gewesen sein. Mit gerade 4 Jahren hat man kein Zeitgefühl und ich dachte, ich komme nie wieder nach Hause.
Erst über 40 Jahre später kam dann alles hoch und ich bekam Panikattacken (immer wenn ich mit meiner Schwester im Urlaub war). Das ging soweit, dass ich das Hotelzimmer nicht mehr verlassen konnte. Habe mir dann Hilfe gesucht und 7 Jahre gebraucht um die Panik endlich los zu werden. 3 Therapien (mit Traumatherapie), Psychopharmaka und vieles andere konnte mir nicht helfen. Ich hatte die Erinnerung so gut weggepackt, das ich sogar mit mehreren Hypnosesitzungen nicht heran kam. Ich konnte mich an die Zeit vor und nach der Kur erinnern, die Kur selbst war auch unter Hypnose ein schwarzes Loch. Bin sogar mit meiner Schwester nach Bad Kissingen gefahren vor eingen Jahren und hab mir das inzwischen leerstehende Haus angeschaut. Hilfe habe ich erst vor kurzem durch eine sehr gute WingWave Therapeutin bekommen. Als wir die Kur bearbeitet haben, bin ich im wahrsten Sinne des Wortes zur Salzsäure erstarrt. Mit ihrer Hilfe konnte ich aber endlich die Erlebnisse verarbeiten (wenn ich mich auch nach wie vor nicht an Einzelheiten erinnern kann). Insgesamt hat diese Kur ein tiefes tiefes Trauma hinterlassen. Meine Eltern haben uns nach der Kur (auch vor anderen Leuten) öfter gefragt, wie es in der Kur war und wir haben beide immer nur 'schön' gesagt ohne weiteren Kommentar. Wir wollten beide nicht mehr darüber sprechen.
Ich weiß bis heute nicht, ob dort außer der Trennung von den Eltern Schlimmes passiert ist. War sonst noch jemand in Bad Kissingen und kann mir Infos geben??
Als ich den Bericht bei 'Report' gesehen habe war ich schockiert. Das soviele andere das gleiche Leid ertragen mussten finde ich unfassbar. Lange konnte ich meiner Mutter nicht verzeihen, daß sie so kleine Kinder einfach für 6 Wochen weggegeben hat!!
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Angelika Witzorky schrieb am 13.09.2019
Hallo Frederik,

Ich war auch in Hirsau, es muss 1976 gewesen sein, es war furchtbar... Ich habe
meinen Bericht schon hier hinterlassen.

LG Angelika
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Vera K. schrieb am 13.09.2019
Es ist so furchtbar, was Sie damals erleben mußten!
So viel Schlimmes habe ich nicht erleben müssen, aber vielleicht war ich im selben Heim untergebracht.
Mit 8 oder 9 Jahren bin ich nach Wittdün auf Amrum verschickt worden. Das war 1959/1960. Das Heim lag auch direkt am Strand.
Seit Jahren beabsichtige ich auch, dorthin zu fahren, um mich meiner Erinnerungen zu stellen. Habe es noch nicht gemacht.
Jetzt, nach dem Bericht im Fernsehen, möchte ich ein paar Worte dazu schreiben.
Ich erinnere mich an schlimme Tage, die von schmerzendem Heimweh geprägt waren - ein Gefühl von Verlassensein und tiefer Traurigkeit.
Keinerlei kindgerechte, liebevolle Zuwendung, nur Zwang und Anordnung und Regeln, was man tun mußte - und nicht tun durfte.
Immer wieder kommen mir Bilder vor Augen, die mich jedes Mal aufwühlen.

Ein Bild z.B., was immer wieder auftaucht und mir noch heute Brechreiz verursacht:
Ich sitze noch am späten Nachmittag ganz alleine in dem großen Essraum. Vor mir ein Suppenteller voll mit gekochtem Schokoladenpudding mit dieser ekligen Haut darüber.
Ich konnte noch nie - von keinem Pudding dieser Welt - diese Erbrechen erzeugende Haut, die die mit Milch gekochten Speisen überzieht, essen! Hier, mutterseelenallein, wurde ich dazu gezwungen. Ich durfte nicht aufstehen, bevor ich den Teller geleert hatte.
Ich war so abgrundtief verzweifelt in dieser Situation.
Ich weiss auch noch, dass ich nicht nachgeben, mich nicht beugen - mir auch nicht die Blöße geben wollte, auf den Tisch zu erbrechen..... Ich kann mich an meinen inneren Kampf erinnern... aber nicht mehr an den Ausgang des Vorkommnisses.

Jedenfalls mußte ich mich - nachdem man mich eine Zeitlang gut zwangsgefüttert hatte - an den "Dickentisch" setzen. Das war das Schlimmste überhaupt: eine Art Pranger. Wer da saß, bekam den Spott vieler Kinder und Betreuer ab. Man konnte sich nicht dagegen wehren und mußte es ertragen.
Ich schämte mich so sehr.

Hätten meine Eltern gewußt, was man uns antat, mein Vater hätte mich sofort abgeholt. Aber das Wenige, was wir auf die Postkarten schreiben durften - und in dem Alter konnten -, wurde uns vorgegeben. Es durfte nichts Kritisches nach außen dringen....

Es war eine ganz furchtbare Zeit. Erlebnisse, die tiefe Spuren durch mein gesamtes Leben gezogen haben.
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Birgit Ritzrau schrieb am 13.09.2019
Meine Schwester und ich waren auch in dem Heim. Wir waren 1974 5 und 6 Jahre alt. Angeblich zu dünn. Wir haben nur noch lückenhafte Erinnerungen. Wir mussten eine Woche lang dieselbe Kleidung tragen und jeden Tag wandern. Die Jungen durften immer auf den Spielplatz. Für die Bettnässer gab es am Abend nichts mehr zu trinken. Im Treppenhaus war ein Aquarium, aber da durfte man nicht stehen bleiben. Am Sonntag ging es in die Kirche. Wir kamen als andere Kinder zurück. Liebe Grüße aus Norddeutschland Birgit
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Edith Domagala schrieb am 13.09.2019
Es müßte 1950 gewesen sein,als meine schwester und ich verschickt wurden ins Kinderheim Bergfreude nach Scheidegg im Allgau. Meine Schwester ist Jahrgang 1949 und ich bin Jahrgang 1950. Es war ein schönes Haus,nur der Aufenthalt war weniger schön. Wir kamen sofort in unterschiedliche Gruppen. Der Tagesablauf war folgendermaßen: Nach dem Aufstehen Toilettengang vor den Toiletten standeine Schwester (ich weiß nicht mehr ob wir sie Schwester oder Tante nennen sollten) sie fragte Größ oder Klein dann bekamen wir ein oder zwei Blatt Toilettenpapier. Anschließend waschen Anziehen und zum Frühstücken. Gesprochen werden durfte natürlich nicht.Nach dem Frühstück die sog, Rollkur eine Stunde liegen,damit wir auch wirklich an Gewicht zuhnehmen. es durfte nicht gesprochen werden. Bis zum Mittagessen dauerte es dann nicht mehr lange bis dahin wurde gesungen (Kirchenlieder) zum Mittagessen mußten wir unsere zwei Teller leer essen wer während der Woche nicht genügend an Gewicht zugenommen hatte gekam extra ein Sück Butter.Einmal habe ich mein Essen erbrochen ,wennich die anderen Berichte lese, ging es bei mir noch glimpfich ab. Ich wurde nur geschlagen,angeschrien,wurde weg geshickt um meine Kleidung auszuwaschen. nach dem Essen Toilettengang dann zwei Stunden schlafen. Wir durften während dieser Zeit nicht zur Toilette.Es saß auch eine Schwester mit im Schlafraum,die aufgepasst hat daß nicht gesrochen wurde. Meine Schwester hat während dieser Zeit einmal ins Bett gemacht,sie wurde vor allen anderen gedehmütigt durfte dann aber auch zwischendurch auf Toilette was uns anderen nicht erlaubt war.Der Kontakt mit den anderen Kindern wurde unterbunden,wir waren zwar in Gruppen,durften aber nicht sprechen.Jeden Mittwoch wurden wir gewogen natürlich nackt. Einmal in der Woche wurden unsere Nägel geschnittenfast immer hat es geblutet.Die ohren wurden gereinigt, um ien Streicholz wurde Watte gewickelt,dann ging es tief in die Ohren hinein es hat sehr weh getan. Nachmittags wurde gebastelt,ein kleines Erinnerungsheft, manchmal wurde auch gesungen oder wir durften Briefe an unsere Eltern schreiben. Da wir wußten,daß diese Briefe zensiert werden,haben wir nur positiv geschrieben als wir wieder zu Hause waren haben wir über unsren Aufenthalt dort nichts erzählt,da wir in unseren Briefen gelogen haben.dieses hat uns beide sehr belastet.Einmal durften wir auch in den GartenSpielgeräte gab es dort natürlich nicht wir sollten uns ja nicht zuviel bewegen, wir haben einen Schneemann gebaut. Als meine Schwester ausgerutscht ist,wurde ihr "klar gemacht" daß nicht getobt wird. Als Fazit kann man sagen, sechs Wochen Gfängniss im Mastbetrieb ,Anstiftung zur Lüge und Redeverbot.
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Anja Röhl schrieb am 13.09.2019
Hallo, Danke für Ihren Beitrag, wenn Sie möchten, dass wir Ihre Erlebnisse auch sammeln und auswerten sollen, worüber wir uns freuen würden, schicken Sie mir bitte eine mail an: info@verschickungsheime.org mit Ihren Daten,danke! Wir gehen mit den Daten sorgfältig und unter Berücksichtigung der Datenschutzrichtlinien um, mit freundlichen Grüßen, Anja Röhl
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Beller Petra schrieb am 13.09.2019
Sehr geehrte Frau Erfurt, wissen Sie zufällig noch, wer bei Ihnen in der Gruppe mit dabei war? Namen von Kindern, an die sie sich erinnern könnten? Herzliche Grüße Petra Beller
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Beller Petra schrieb am 13.09.2019
Hallo an die Welt da draußen, ich bin Jahrgang 1970 und "durfte" ebenfalls mit 6 und mit 9 Jahren in diesem Kinderheim "Wyk auf Föhr", mit jeweils einem Bruder von mir (Jahrgang 1967 und Jahrgang 1972) für 6 Wochen in den Genuss dieser "Anstalt" kommen. Die größte Furcht, die auch heute noch in meinen Erinnerungen sitzt, kam immer wenn es Schlafenszeit war. Die unnatürliche Stille im großen Schlafsaal, das Gefühl nicht mehr atmen zu können, weil die Erzieherinnen ihren Rundgang machten und das Unterdrücken der Tränen vor Heimweh und Kummer. Mein schlimmstes Erlebnis: Eines Nachts, ich hatte mich wirklich zusammen genommen und mich bewegungslos gestellt, war gerade am Einschlafen, ist ein Kind aufgeschreckt und hat geschrien. Der Schrei wurde "erstickt" und ich selbst bin davon aufgewacht, hatte nur "gefragt": Was ist los? Was ist? Und schon wurde ich von der Erzieherin an den Haaren aus dem Bett gerissen, übelst beschimpft und musste ins "Aufpasszimmer" auf den Boden sitzen. Das hast du davon, wenn du dich nicht an die Regeln hälst. Du bleibst jetzt hier, bist du aufhörst die anderen Kinder zu stören. Sie hat mir dann eine Decke über den Kopf geworfen und mir gesagt, dass ich mich nicht bewegen darf. Wenn ich mich bewege, wird sie den "Stock" holen. Ich musste mittlerweile auf die Toilette und traute mich nicht etwas zu sagen. Die ganze Nacht saß ich regungslos auf dem Boden, bis in den frühen Morgenstunden der "Wachwechsel" kam und mich aufgefordert hat, ins Zimmer zurück zu gehen. Ich hörte noch, wie sie sich gegenseitig stritten. Ich habe es dann nach meinem Aufenthalt meinen Eltern erklärt, die haben es der damaligen Ärztin gesagt und die hatten bei der Heimleitung angefragt und man hat mir dann begreiflich gemacht, dass ich das wohl nur geträumt hätte und das überhaupt nicht sein kann.

Drei Jahre später musste ich wieder da hin. Von den abartigen Szenen im Speisesaal bei den "dicken Kindern", dem Zwang sinnlos Milchreis in mich reinstopfen zu lassen von Erwachsenen, die demütigende Art mich fast täglich (nackt) zu wiegen und die Zurechtweisungen und Drohungen danach, wenn das Gewicht nicht nach oben ging, will ich gar nicht mehr berichten.

Heute weiß ich, woher meine Furcht vor dem Dunkel kommt - es gab nicht nur eine sondern mehrere reale Bedrohungen, die mein Leben begleitet haben! Heute jedoch bin ich eine freie erwachsene selbstbestimmte Person und wüsste, was ich tun könnte. Damals war ausgeliefert und niemand hat mir geglaubt!

Diese Initiative kommt aus meiner Sicht nicht früh, aber immer noch rechtzeitig!

Freundliche Grüße
Petra Beller
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Elfriede Kreuzer schrieb am 13.09.2019
Am 10.09.2019 sah ich in der Sendung Report Mainz (ARD) den Beitrag über „Kinderkuren – Kinderlandverschickungen“ in den 60iger bis 80iger Jahren. Endlich wird darüber berichtet, auch ich war betroffen.

Hier mein Bericht:
Ich wurde auf Empfehlung unseres Hausarztes, bei dem wiederum explizit meine Mutter diesbezüglich nachgefragt hatte, in Kinderkur geschickt. Ich war damals sehr infektanfällig (Bronchitis) und angeblich zu dünn. Den Namen des Kurheimes habe ich vergessen. Vor einigen Jahren jedoch bei einem Besuch in Bad Dürrheim das historische Gebäude wiedererkannt. Es beherbergt heute ein Wellnesshotel(!).

Das Regiment in dem Heim führten Nonnen oder Diakonissen. Unter dieser Führung hatten auch die weltlichen Bediensteten, die „Tanten“ zu leiden.

Einmal habe ich mich beim Essen übergeben, da mich der Geruch, der Geschmack und die Konsistenz des Essens regelrecht anekelten. Ein Teil der „K….“ landete auf dem Teller. Ich wurde gezwungen meinen Teller leer zu essen. Anfangs weigerte ich mich, woraufhin ich mich in eine dunkle Ecke des inzwischen leeren riesigen Speisesaals setzen musste und diesen Saal erst verlassen durfte, als mein Teller leer gegessen war.

Wir schliefen in riesigen Schlafsälen und mussten Mittagsruhe halten. Damals war ich sehr lebhaft, habe nicht geschlafen und mich mit meinen Bettnachbarinnen unterhalten, dadurch war die Mittagsruhe gestört. Eine Schwester hat mich, an Armen und Beinen ans Gitterbett gefesselt und total – auch das Gesicht – zugedeckt. Ich schlief tatsächlich ein, erwachte plötzlich schweißgebadet, bekam keine Luft, konnte wegen der Fesselung die Bettdecke nicht beiseiteschieben und hatte buchstäblich Todesangst, da ich glaubte ersticken zu müssen. Eine weltliche „Tante“ – während meines Aufenthaltes öfters mein rettender Engel – befreite mich, regte sich furchtbar auf und stellte die Schwester zu Rede. Was dazu führte, dass sie von der Schwester heruntergeputzt wurde und eine Rüge erhielt, warum sie sich in Erziehungsmaßnahmen einmische. So bekam ich es jedenfalls mit.

In Erinnerung habe ich auch noch, dass ich eines Tages zur Schwester Oberin ins Büro zitiert und zur Rede gestellt wurde. An mich war ein Päckchen mit Süßigkeiten von meinen Eltern eingetroffen. Mir wurde vorgehalten, dass das Essen im Heim sehr gut und ausreichend sei, was ich – unter Druck – bestätigen musste. Schließlich wurde mit erlaubt, mir ein kleines Stück von den Süßigkeiten aus dem Päckchen auszusuchen. Ich nahm mir ein Waffelröllchen mit Schokoladenende. Das weiß ich noch heute, so hat sich die Szene bei mir eingebrannt. Ich durfte dann das Büro der Schwester Oberin verlassen, mit dem Hinweis, dass ich das Päckchen mit Inhalt am Tage meiner Heimreise mitnehmen darf. Müßig hier zu erwähnen, dass ich die Süßigkeiten nie wieder sah.

Während meines 6-wöchigen Aufenthalts in dem Kurheim kam es zu einem heftigen Ausbruch von Windpocken; ich bekam sie auch. Auf der Krankenstation wurde ich von weltlichen Tanten sehr gut umsorgt und genoss die Zeit einem 4-Bettzimmer.

Ich habe versucht, mich in den 6 Wochen meines Aufenthaltes immer mehr anzupassen, zu essen, mittags zu schlafen (jedenfalls so zu tun) und mich auf die Zugfahrt nach Hause zu freuen.

Es gäbe noch mehr zu erzählen, durch die Berichte im Internet fällt mir ständig wieder etwas ein.

Aber auch Positives gibt es zu berichten! Bei den weltlichen Tanten gab es sehr menschliche empathische Frauen, die zum Teil auch noch sehr jung waren, aber auch sehr unter dem strengen Regiment der Schwestern zu leiden hatten.

Von meinen Erlebnissen konnte ich damals niemanden erzählen. Bei späteren Erwähnungen wurde diese Erzählungen von meinen unmittelbaren Verwanden und Bekannten als Phantasien abgetan. Unmittelbar nach meiner „Kur“ fragte mich niemand danach.
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Anonym schrieb am 13.09.2019
Im Herbst 1966, mit 6 1/4 Jahren wurde ich (m), alleine, von einem großen Bahnhof in Mitteldeutschland, in die Kinderkurklinik nach Neustift, bei Passau, geschickt. 8 Wochen, weil ich oft krank und untergewichtig war. Schon die Vorbereitung war schlimm, die Reise dorthin eine einzige Angst des Verlassenseins.

Diese Anstalt hatte die Ausstrahlung und das Interieur der Schrecken der NAZI Zeit. Geleitet wurde das Heim von Nonnen.

Auch dort die Folterei, tagsüber stundenlanges fixieren im Bett, mit dicken Lagen Wolldecken obendrauf, bis zum Kinn. Ich lag da, konnte schwer atmen, wegen der Fixierung, und habe unter den schweren Decken so geschwitzt, dass ich glaubte wahnsinnig zu werden.
Es war immer so eine Prozedur, da haben zwei Schwestern schon eine Weile gebraucht, bis sie mich, samt Decken, stramm festgezurrt hatten. Ich konnte mich nicht mehr rühren.

Abspritzen im Keller, mit kaltem Wasser aus dickem Schlauch, was weh getan hat, gab es auch.

Stundenlanges Einsperren in einem kleinen weißen, hohen Raum, ohne Fenster, mit kleinem Dreibeinhocker. An der Decke hing diese typische Lampe, weiße Glaskugel an einer Metallstange. Die Tür hatte ein kleines Oberlicht. Das Bild hat sich eingebrannt.

Mein Lieblingskuscheltier wurde mir gleich am Anfang weggenommen und habe es nicht mehr zurückbekommen. Das war das einzig Liebe was ich dabei hatte.

Stunden alleine im Speisesaal verbringen, das in den Teller Erbrochene essen. Eine Nonne hat mich von hinten festgehalten, eine zweite hat mir den Kiefer aufgedrückt und die dritte hat mir den Löffel in den Mund gedrückt. Es kam auch ein Trichter aus der Küche zum Einsatz. Am Ende hat der Kopf und der Hals wehgetan.

Die einzige "Attraktion" im Heim ( so wurde es angekündigt) war das Töten eines Schweins auf bestialische Art und Weise. Mehrere Männer, mit Messern und Mistgabeln, haben das Tier erst, unter Geschrei, Gelächter und Gejohle, gequält. es hat fürchterlich geschrien, und dann wurde es erstochen. Wir mussten uns das anschauen.

Ein Ausflug nach Passau, mit Bootsfahrt auf der Donau und Besuch des Doms gab es.. Da hing ein Bild, mit dem Kopf des geköpften Paulus auf einem goldenen Tablett.
Spaziergänge in Wald und Wiesen.
Es wurde mal was gebastelt, als Geschenk für die Eltern. Ansonsten war das alles sehr trostlos.

Zwei Postkarten wurden in der Zeit von den Nonnen geschrieben. "Liebe Mutti,.mir geht es gut.... usw."
Meine Mutter ahnte, das da was nicht stimmt, ich habe sie nämlich nie Mutti genannt. Sie konnte aber nichts unternehmen. Es gab sonst keinen Kontakt nach Hause.

In dieser Zeit bin ich wie durch einen Alptraum getaumelt, war gar nicht mehr richtig bei mir.
Ich bin krank von dort zurückgekommen und habe noch weniger gewogen.

Auch mein Leben war danach ein anderes.
Ich konnte auch nicht darüber sprechen, jahrzehntelang.

Es gab vor einigen Jahren eine Sendung in Bayern2 Radio, zum Thema Kindesmisshandlung. Dort hat jemand, die gleichen Erlebnisse aus dieser Anstalt geschildert. Er war 3 Mondate dort und ist beinahe ums Leben gekommen. Er kann es auch dokumentieren. Auf Bildern ist er zu sehen, wie ein KZ-Häftling abgemagert, Haut und Knochen, und dieses verzweifelte, ausgemergelte Gesicht mit den großen Augen.

Ich habe ihn kontaktiert, er wollte klagen. Auch sein Leben war zerstört. Leider habe ich keine Daten mehr von ihm. Es hatte mich so aufgewühlt, das ich es auch wieder vergessen wollte. Da habe ich die Daten gelöscht.

Vergessen kann ich das wohl nie.

Wenn ich jetzt all die Berichte lese, wie grausam und traurig das ist. Es ist jetzt für mich klar geworden, dass es die Fortsetzung der Systematik der kranken NAZI-Folterer war. Unfassbar, das so viele Kinder so etwas erleiden mußten.

Liebe Frau Röhl, vielen Dank. Ihre Initiative hilft auch mir, da es Ihr Engagement und Ihre Website überhaupt erst ermöglichen zu verstehen in welchem Ausmaß Leid und Gewalt ausgeübt wurde, und das ich als Betroffener damit nicht alleine bin.

Mit freundlichem Gruß
Anonym
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Angelika Wilke schrieb am 12.09.2019
Kathi ! wir müssen zur gleichen Zeit in dem Heim in Norderney gewesen sein. Ich war nachts auf dem Rücken liegend mit Händen und Beinen an die Bettpfosten gefesselt, damit ich nicht an den Nägeln kauen konnte. Zum täglichen Fiebermessen : s.o., Kathis Bericht. Nachts wurden wir aus dem mühsam erkämpften Schlaf gerissen, und aufs "Töpfchen" gesetzt - IM Bett. Wer umfiel war Demütigungen, Schlägen und Hohn ausgesetzt und musste sein Bettzeug waschen.
Das Schlimmste war am Strand: alle Kinder liefen in einer geordneten Gruppe am Strand entlang - ich durfte nicht in der Sicherheit der Gruppe mitgehen, sondern musste mindestens 20 Meter hinter her gehen, weil ich ja an den Nägeln gekaut habe. Das ist eine besondere Pein, weil für das Kind der neblige Strand, das bedrohliche Rauschen des Wassers und die fast nicht mehr sichtbare Gruppe einen Horror erzeugen. Weihnachtsgeschenke durften zwar ausgepackt, aber nicht behalten werden. Der Teddy, der in meinem Paket war, den hätte ich dringend als Seelentröster gebraucht. Die 3 Monate waren die schlimmste Zeit. 5 Jahre alt, allein, und den Nonnen ausgeliefert. Meine Mutter hat erzählt, ich sei schlimmer krank wieder gekommen, als ich es vor der "Kur" gewesen bin - und das Nägel kauen bin ich viele Jahre lang nicht los geworden.
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Helga Panknin schrieb am 12.09.2019
Moin moin Anja und liebe Heimkinder
Auch ich war als 6-jährige im März 1962 zur Kur - 7 Wochen ohne Elternkontakt in Bad Sachsa in denen mir das Urvertrauen abhanden kam. Mir wurde Erbrochenes eigelöffelt, ich stand stundenlang im Winter barfuß auf dem Steinfussboden im kalten Treppenhaus, erlebte einen pädophilen Übergriff und bekam Prügel...Ich habe auch den Verdacht auf Medikamentengabe zur Ruhestellung, da die Verteilung und Einnahme abendlicher Betthupferl "Bonbons" genau überwacht wurde und die vorgegebene Einnahme mir ungewöhnlich vorkam (kauen und schlucken)
Untergebracht war ich in einer geräumten Speisekammer im Keller- ohne Tapeten Bodenbelag und ohne Heizung.
Es herrschte Raumnot, weil unerwartet Hamburger Kinder untergebracht werden müssten, die durch die Sturmflut vom 16.2.1962 obdachlos geworden waren und ihre Eltern verloren hatten. Der Umgang mit diesen traumatisierten Kindern brach mir trotz des eigenen Leids schon damals das Herz. Diese Kinder waren gesund aber den Tanten zu wild, zu laut, zu frech und unerzogen. Entsprechend die diszplinarischen Massnahmen.
FAZIT
bestimmte Gerüche und Speisen erzeugen noch heute Würgereiz
An der Wiedererlangung des Urvertrauens arbeite ich jahrzehntelang.

Viele Grüße- macht was draus!
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Dagmar Lacher schrieb am 12.09.2019
Hallo, ich bin Jahrgang 1957 und bin 62 oder 63 auf anraten von der Kindergartenleitung mit noch 3 oder 4 anderen Mädchen aus dem Kindergarten nach Bad Sassendorf in die Kinderheilanstalt für 6 Wochen verschickt worden. Angeblich war ich zu schmächtig und anfällig für Krankheiten. Wir Kinder waren ängstlich, aber wir waren ja zu mehreren. Bei der Ankunft im Heim wurden wir bei der Gruppeneinteilung gleich getrennt. Das heißt, ich hatte Glück, ein Mädchen und ich kamen in eine Gruppe. Das war aber auch schon das einzige Glück. Die 6 Wochen sollten zu den schlimmsten meines Lebens werden. Betreut wurden wir von Krankenschwestern, die von Pädagogik null Ahnung hatten. Kalt und Herzlos. Beim Essen durfte nicht geredet werden, man musste sitzen bleiben, bis man aufgegessen hatte, ob man wollte oder nicht. Hatte man das Essen erbrochen, gab es danach noch eine größere Portion oder das Erbrochene musste gegessen werden. Beim Mittagsschlaf musste man ruhig im Bett liegen, wehe man hatte Heimweh und weinte. Da gab es gleich Strafen. Musste im kalten Flur stehen, oder die Kleidung wurde weggenommen. Es gab Tage, da wurde Post nach hause verschickt. Den Text schrieben natürlich die Schwestern und ganz sicher nicht das, was man diktiert hatte. Denn dann wären meine Eltern gekommen und hätten mich geholt. Das schlimmste dort aber waren die Solebäder in riesengroßen Holzwannen. Das Wasser ging einem bis zum Hals und wehe dem, es bewegte sich, dann kam die Schwester und tauchte den Kopf unter Wasser. Ich habe mich kaum getraut zu atmen. Da es Winter war, kann ich mich dran erinnern, immer gefroren zu haben. Lange habe ich das alles verdrängt, man hatte ja niemanden zum Reden. Hat ja keiner verstanden, wer das nicht selbst erlebt. Letztes Jahr musste ich in Therapie und da wurde das auf einmal auch zum Thema. Ich war erstaunt, wie viel mir wieder eingefallen ist. Ich fühlte mich wieder wie damals als Kind. Völlig verängstigt und eingeschüchtert. Beim erzählen liefen mir die Tränen. Ich bin froh, dass ich durch die Sendung Report Mainz auf Sie und Ihre Initiative aufmerksam geworden bin. Man fühlt sich nicht mehr so allein. Sehr interessiert wäre ich auch an diesem Kongress. Gibt es da Möglichkeiten, daran teil zu nehmen? Danke, liebe Frau Roehl für ihr Engagement
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Martin M. schrieb am 12.09.2019
Jahrgang 1963, mit der Bahn verschickt im Jahr 1967, nach Bad Reichenhall, Kinderkurheim für Bronchialerkrankung, in der Kurfürstenstraße 26, zu 6 Wochen Kuraufenthalt, in 20 Nächten schwerer wiederholter sexueller Missbrauch von mehreren Männer je Nacht.
Man brachte mich nachts in einen Kellerraum, kettete mich an der Wand fest oder sperrte mich in eine Kiste oder legte mich mit einem Tuch abgedeckt auf einen kalten Tisch usw. Dann folgte schwerer sexueller Missbrauch. Mal war es ein Täter, mal bis zu drei Täter in einer Nacht. Dann wurde ich geschlagen oder getreten, an die Wand geschleudert, übel beschimpft oder mit dem Kopf auf den Boden geschlagen bis ich bewusstlos war.
Damit ich keinen Ärger machte, wurde mir jedes mal ein Betäubungsmittel gespritzt, das sehr brannte. Anschließend legte man mich wieder regungslos in mein Bett.
Ich wünschte mir als 4- Jähriger den Tod.

Ich hatte diese 42 Tage komplett dissoziiert!

Seit diesem Aufenthalt leide ich unter dieser Todesangst, mit Panikattacken, Angststörungen,
schweren komplexen PTBS, Phobien, und einigen somatischen Beschwerden.
Ich suche weiter Opfer als Zeitzeugen oder zum Austauschen.
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Cornelia Pelzer schrieb am 12.09.2019
Ich wusste bisher nicht, dass es so viele Menschen gibt, die in ihrer Kindheit derartige Kinderheimerfahrungen sammeln mussten, für mich waren es die schlimmsten Wochen meines Lebens. Ich war nach einer Mandel- und Blinddarmoperation ziemlich schwach und wurde mit 5 1/2 Jahren 1958 für 6 Wochen nach Juist ins Kinderheim Schwalbennest geschickt.
Das lag hinter einer Düne nahe am Meer, aber in der ganzen Zeit durften wir nur zweimal ans Wasser.
Die Erzieherinnen waren äußerst streng und hart.
Im Zimmer durften wir am Abend nicht sprechen. Wer erwischt wurde, musste eine gewisse Zeit draußen an einer Treppe stehen. Ein Mädchen musste die ganze Nacht auf den Treppenstufen zubringen.
Im Zimmer stand ein Töpfchen, auf das alle Kinder im Dunklen zu benutzen hatten, die in der Nacht zur Toilette mussten. Ein Mädchen hat groß in die Hose gemacht und hat sich aus Angst ein großes viereckiges Loch in die Schlafanzughose geschnitten.
Tagsüber durften nur die Kinder in die Toilettenkabinen gehen, die groß mussten. Alle anderen mussten auf Töpfchen gehen, die vor den Toiletten aufgestellt waren. Das war mir immer ausgesprochen peinlich.
Den Mädchen mit langen Zöpfen wurden diese abgeschnitten, weil die Haare dann leichter zu kämmen waren.
Einmal in der Woche mussten wir uns nackt ausziehen und auf einen Holztisch im Duschraum setzen. Dann wurden immer vier Kinder gleichzeitig unter vier riesige Duschen gestellt und gewaschen, die einen so festen Strahl hatten, dass ich darunter kaum noch Luft bekam.
Einmal in der Woche wurden wir in einem Raum gewogen. Die Kinder, die zugenommen hatten, wurden gelobt und beklatscht, die Kinder, die wie ich abgenommen hatten, mussten sich zur Strafe eine Zeit in eine kleine Metallwanne mit kaltem Wasser setzen. Diese Wannen waren entlang der Wände aufgestellt.
Das Essen schmeckte überhaupt nicht. Oft gab es eine Suppe mit dicken, ekligen Mehlklumpen darin.
Ein Junge, der sich in den Teller übergeben hatte, musste im Speisesaal alleine sitzenbleiben, bis er die Suppe mit dem Erbrochenen ausgelöffelt hätte.
Viele Kinder fanden im Salat Schnecken und wollten ihn dann nicht essen.
Meine Mutter schickte mir aus der Schweiz ein Päckchen mit Schokolade, von der weder ich noch die anderen Kinder etwas bekamen.
Da ich noch nicht schreiben konnte, bat ich ein älteres Mädchen, für mich nach Hause zu schreiben. Diese Karte wurde abgefangen und kam nie an. Stattdessen bekamen meine Eltern zwei Karten, auf denen stand, wie gut es mir ginge und wie schön ich es fände.
Ich habe erst nach Jahren meinen Eltern von dem allen erzählt. Wahrscheinlich habe ich mich zu sehr geschämt. Mein Vater war entsetzt und meinte, warum ich das nicht eher erzählt hätte, dann hätte man doch etwas machen können.
Ich würde so gerne einmal mit einer noch lebenden Erzieherin sprechen und sie fragen, was in ihr vorging bei diesen Behandlungen und wie sie das aus heutiger Sicht sieht und empfindet.
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Claudia Holzinger schrieb am 12.09.2019
Ich habe gerade bei Report Mainz den Bericht über Verschickungskinder gesehen und ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, daß es so vielen Kindern wie mir ergangen ist. Ich war fassungslos.

Ich bin Jahrgang 63, wurde noch vor der Einschulung allein für 6 Wochen nach Pelzerhaken "verschickt". Den Namen der "Anstalt" weiß ich nicht mehr. Es war für mich ein Horrortrip. Meinen Eltern wurde gesagt, daß sie während der Zeit keinen Kontakt zu mir aufnehmen sollten, nicht schreiben oder anrufen. Ab und an bekamen meine Eltern eine Postkarte vom Heim, auf der ihnen seitens der "Aufseher" versichert wurde, daß es mir gut ginge. Meine Mutter hatte mir vorher eingebleut, daß ich auf diesen Karten immer ein Männchen malen solle, wenn es mir gut ginge, Ich konnte ja weder lesen noch schreiben. Ich habe immer gemalt, obwohl es ein Martyrium war. Was hätte ich anderes machen sollen!?
Ich erinnere mich nur bruchstückhaft.
Ich fühlte mich allein und verlassen, hatte schreckliche Angst. Während der Anreise hatte ich immer meine Puppe im Arm, die mir dann von anderen Kindern im Bus zum Heim weggenommen wurde. Ich habe geweint, weil sie mein einziger Halt war. Irgendwer hat sie mir schlußendlich wiedergegeben.
Ich war wohl ein schlechter Esser. Jedenfalls war ich immer eine der Letzten im Speisesaal. Trotz mehrmaligem Erbrechen mußte ich so lange sitzen bleiben, bis ich meinen Teller geleert hatte, egal ob mir das Essen schmeckte oder nicht.
Nachts mußte ich mich übergeben. Ich habe mein Bett und meine Puppe vollgebrochen. Die "Tante" kam und sagte, daß ich bis zum Morgen mit dem Säubern warten müsse. Ich habe die ganze Nacht in meinem Erbrochenen gelegen.
Ich "durfte" auch öfter in der Ecke stehen, wenn ich nicht dem Bild eines braven Kindes entsprach.
Als ich endlich wieder nach Hause kam, habe ich meine Mutter gefragt, ob ich auf die Toilette gehen dürfe. Meine Mutter war entsetzt.
Das sind die Dinge, an die ich mich ganz klar erinnere. Es ist schon so lange her und ich habe sicherlich vieles verdrängt. Aber diese sechs Wochen gehören zu den schlimmsten meines Lebens.
MfG
Claudia Holzinger
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Kirsten B. schrieb am 12.09.2019
Hallo,
meine Erlebnisse habe ich ja schon beschrieben...
Ich würde mich über Kontakte freuen, die ebenso wie ich im Frühjahr 1971 im Schloss am Meer, Wyk auf Föhr waren. Träger der Einrichtung war die BEK.
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Giuliana Valle schrieb am 12.09.2019
Jahrgang 1963, verschickt 1969, ich war noch 5 Jahre. Ziel: Mambach im Schwarzwald. Die üblichen Gründe: zu klein, zu dünn. Ich erinnere mich noch genau, daß ich nichts verstanden habe. Ich wußte überhaupt nicht, was geschah, wie mir geschah. Ich kann mich nicht erinnern, daß mir jemand etwas erklärt hätte. Plötzlich saß ich im Zug mit anderen Zug, und plötzlich fand ich mich im großen Speise- und Aufenthaltssaal des Kinderheims wieder. Ich habe geweint u. gedacht, ich käme nie mehr nach Hause. Anrufe und Besuche gab es nicht. Dort wurde ich zur extremen Bettnässerin u. entwickelte eine Enkopresis. Wie viele andere auch schreiben: Es war demütigend. Nach einigen Wechseln der Bettwäsche hieß es: Wir können das nicht immer machen, jetzt schläfst du in dem Bett. Es war kalt u. naß.
Und das Essen - furchtbar. Ich weiß zum einen nicht mehr, warum ich allein an einem Tisch saß, während die anderen Kinder an großen Gemeinschaftstischen saßen. Vielleicht weil ich so schlecht gegessen habe. Ich mochte so Vieles nicht, v.a. keinen Salat, der mit einer ganz ekligen Sauce u. Rosinen serviert wurde. Auch ich sehe mich noch ewig dort am Tisch sitzen, weil ich nicht essen wollte. Einmal gingen die anderen Kinder in den Wald, es war ein sehr schöner Tag. Ich mußte jedoch im Haus bleiben u. weiß noch, wie ich in den Anderen traurig aus dem Fenster hinterhergesehen habe. Irgendwann wurde die Flüssigkeitsmenge eingeschränkt. Den Tee als einziges Getränk, an das ich mich erinnern kann, mochte ich gern, und ich hatte Durst, aber dennoch durfte ich ab einer bestimmten Uhrzeit nichts mehr trinken.
An meinem 6. Geburtstag - ich wußte nicht, daß ich Geburtstag hatte - wurde ich plötzlich auf den Korridor geschickt, ohne zu wissen, was ich getan hatte. Das klärte sich zum Glück auf; die Damen hatten einen jämmerlichen Geburtstagsaufbau vorbereitet. Meine Mutter hatte mir ein Päckchen mit Süßigkeiten geschickt. Daraus wurde eine Tüte Gummibärchen an alle Kinder verteilt. Mehr habe ich vom Inhalt nicht mehr gesehen.
Die Turnstunde mußte ich in verschmutzter Wäsche (noch von nachts) mitmachen. An die Demütigung kann ich mich noch gut erinnern. Und dann saß ich plötzlich wieder im Zug auf der Rückfahrt. Keiner hatte es vorher gesagt. Zurückgekommen bin ich NOCH dünner, zusätzlich traumatisiert (neben dem, was im Elternhaus ablief) und mit einigen neuen Ängsten u. "Macken".
Ich wüßte gern, ob das Haus noch existiert u. die sehr jungen Damen von damals noch leben.
G. Valle
Essen
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C.L. schrieb am 12.09.2019
Anmerkungen/Erinnerungen:

Ich kann mich sogar (immerhin?) noch an ein Sweatshirt erinnern, welches ich damals trug - es war rot mit dem Aufdruck "San Francisco University" (wahrscheinlich von C&A, kein originales). Und daran, wie ich mich damit abmühte, es unter dem Wasserhahn im Waschraum sauber zu bekommen.

Dafür kann ich mich nicht im geringsten an die anderen Kinder erinnern, die zur gleichen Zeit wie ich in diesem "Heim" Insassen waren, noch wie mein Verhältnis zu denen oder umgekehrt war. Wohl kann ich mich aber daran entsinnen, daß die "Dünnen" in meinen Augen besser behandelt wurden, zumindest bei den Gelegenheiten, bei denen ein Kontakt unausweichlich war.

Eines Tages hatte die Heimleiterin Geburtstag, eine in meiner Erinnerung ältere und freundliche Frau. Wir mußten auf Geheiß der "Betreuerin" in einer Reihe an ihr vorbeidefilieren und einen Geburtstagswunsch aufsagen.
Ich weiß noch, wie gerne ich ihr in diesem Moment vor allen Anwesenden gesagt hätte, was für ein ********* unsere "Betreuerin" ist und wie gerne ich sofort wieder nach Hause möchte - aber ich war bereits perfekt gedrillt und wußte, welche Konsequenzen mich in diesem Fall erwarten würden.

Apropos Sternchen: wie gern würde ich geradeheraus schreiben, was ich denke und fühle, Schimpfworte hin oder her.
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Hollensteiner schrieb am 12.09.2019
Bei mir war es wohl längst nicht so schlimm wie bei den meisten, ich war auch schon 9 Jahre alt und ging in die dritte Klasse, habe trotzdem 1970 unter Heimweh gelitten, vor allem, weil nach meiner Erinnerung nur ein Telefonat in den drei Wochen erlaubt war. Ich war dort wegen einer angeblichen durch den Schularzt bzw. in Kooperation mit Krankenkasse festgestellten Unterernährung, also weniger Gewicht als der Durchschnitt, die aber aus heutiger Sicht eher sehr gesund wäre. Wir mußten bei Tisch immer ewig sitzen bleiben und es wurden immer wieder riesige Platten mit Nutella-schnitten aufgetragen, die wir aufessen mußten, oft vier bis fünf solcher Platten, von denen jeder mindestens 1-3 Brote essen musste. Ich tat meine Pflicht, damit wir endlich aufstehen durfen und legte Gewicht zu. Der Erfolg war eine sich entwickelnde Adipositas, welche mir die letzten 20 Jahre schwer zu schaffen macht und viele weitere Krankheitsfaktoren schafft. Ich würde mir wünschen, dass die Krankenkasse heute für ihre damaligen Sünden Verantwortung auch in der Erstattung der Folgekosten übernehmen.
MfG
K Hollensteiner
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Thomas Harmsen, Prof. Dr. schrieb am 12.09.2019
Das erste, an das ich mich erinnere, war dieser unendlich lange Zug auf dem Bahnsteig in Rheine. Aus den Fenstern schauten unzählige Kinder heraus, einige weinten, andere grinsten mich an (so kam es mir vor). Man hatte mir auf Anraten des Kinderarztes (!) nicht gesagt, dass ich alleine nach Bad Rippoldsau im Schwarzwald zur sog. Kinderkur fahren sollte und so war ich völlig geschockt, als ich alleine mit vielen fremden Kindern im Zug saß. Ich war 1968 sechs Jahre alt und angeblich sollte die Kur mich dazu bringen zuzunehmen, da ich sehr dünn war.
Ich kam in das katholisch geführte Kindersanatorium St.Luitgard. Von Anfang an herrschte dort ein strenger, militärischer Befehlston - jedes KInd wurde nicht beim Namen genannt, sondern bekam eine Nummer, die auf allen persönlichen Sachen vermerkt war. Ich war die Nummer 65.
Wir schliefen in einem riesigen Schlafsaal, für den eine sog. "Tante" zuständig war: Tante Rosemarie hatte nach eigenem Bekunden schon im Faschismus die sog. Kinderlandverschickungen mitorganisiert, das qualifizierte sie wohl zu dieser Tätigkeit. Manchmal nahm sie mich gegen Ältere etwas in Schutz - vermutlich weil ich damals blond und blauäugig war.
Soweit ich mich noch erinnern kann, drehte sich der ganze Tagesablauf um Essen und um Disziplin. Alles musste zu Ende gegessen werden, vorher durfte ich nicht aufstehen, was dazu führte, dass ich ganze Nachmittage und Abende allein im riesigen Speisesaal verbringen musste. Gelegentlich wurde es den Ordensschwestern zuviel, und sie prügelten mit einem Bambusstock auf meine Hände (diese Bestrafung war in den sechzigern durchaus üblich, vor allem in Schulen). Freizeitaktivitäten gab es kaum, bestanden lediglich aus Spaziergängen.
Die Nächte waren mit am schlimmsten, da wir nicht auf die Toilette gehen durften. Wer einnäßte, wurde mit Stockschlägen bestraft und bekam eine Gummihose. Die Schwestern nannten sie "Hosenpisser". Vor lauter Angst blieb ich oft die ganze Nacht wach, weinte und lutschte an meiner Bettdecke (einen Teddybär durfte ich nicht mitnehmen). Als mein Lutschen an der Decke entdeckt wurde, bekam ich nachts "Daumex", ein stinkendes Mittel auf die Finger geschmiert - dann konnte ich noch schlechter schlafen...
Wenn Post von meinen Eltern kam, bekam ich diese nur, wenn ich alles aufgegessen hatte - und auch dann nicht immer. Wollte ich schreiben, so erledigte das "Tante Rosemarie". Ich habe noch zwei von diesen Karten, auf denen allen Ernstes geschrieben steht "Ich bin gut angekommen - mir geht es gut". Meinen Eltern sollte wohl vorgetäuscht werden, das ich dort wirklich gut aufgehoben war. Nach sechs Wochen hatte ich immer noch nicht zugenommen, sodass ich noch einmal zwei Wochen Verlängerung bekam - das war das Schlimmste von allem - bestraft zu werden für Verbrechen, die andere an mir begangen haben.
Als ich endlich wieder im Zug auf der Rückfahrt saß. traf ich zufällig dort eine entfernt verwandte Füsorgerin, die sehr schnell erkannte, was mit mir los war und mich bis nach Rheine begleitete. Erst in dem Augenblick spürte ich, das dieser Alptraum wirklich vorbei war.
Es ist sicherlich kein Zufall,dass ich heute Sozialarbeiter*innen ausbilde. Das fachliche Niveau, die Kenntnisse über kindliche Entwicklungen und ein Minimum an Verständnis und Zuwendung fehlten in Bad Rippoldsau völlig. Und selbst heute finden wir in ähnlichen Einrichtungen immer noch völlig inkompetente Beschäftigte. Ich kann als Lehrender meinen Teil dazu beitragen, dass sich das ändert und unnötiges Leiden verhindert wird.
Im Schwarzwald bin ich nie wieder gewesen - Bad Rippoldsau scheint sich der unrühmlichen Geschichte des Kindersanatoriums überhaupt nicht bewusst zu sein, nimmt man den medialen Umgang damit als Kriterium.
Heute fahre ich viel und gerne mit der Bahn - aber wenn ich mal wieder in Rheine auf dem Bahnsteig stehe, sehe ich immer noch den kleinen Thomas, der allein mit dem riesigen Zug in sein Unglück fahren muss...
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Bärbel Grönegres schrieb am 12.09.2019
Einfach gruselig - wie alles wieder hochkommt...Ich wurde 1966 mit 6 Jahren von Bad Oeynhausen nach Lindenberg im Allgäu verschickt (könnte geografisch hinkommen)
Als Erstes mussten wir alle unsere Butterbrote abgeben (die uns unsere Mütter zuhause ja noch mit Liebe geschmiert hatten) und auf einen großen Haufen legen. Dann wurden alle völlig neu verteilt und ich bekam ein Brot, das mir nicht schmeckte. Mittags mussten alle "schlafen" und sich in eine Richtung jeweils dem Rücken des Nachbarn zugewandt legen und durften nicht reden...Auch bei mir war es so, dass Erbrochenes aufgegessen werden musste - auch wenn es mich nicht selbst betroffen hat. Ich hatte keine Ahnung wo ich bin und wie lange ich noch bleiben würde - wieder zuhause war ich nach Aussage meiner Mutter tagelang völlig verstört...
Ich habe mich auch schon gefragt ob ich mal wieder dahin fahren sollte...aber ich glaube, ich habe damit abgeschlossen. Ihnen wünsche ich das auch von Herzen!
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Dieter Müller schrieb am 12.09.2019
"Zufällig" sah ich vorgestern den Beitrag in "Report Mainz", und zum ersten Mal in meinem Leben begreife ich, dass nicht ich, nicht meine vermeintliche Schwäche, die Ursache meines mich seither quälenden "Verschickt-Werden-Traumas" ist, sondern dass ich 6 Wochen lang einem kinderfeindlichen System ausgeliefert war, 6 Wochen, die mir zur Qual wurden.
Lese ich nur wenige der hier veröffentlichten Berichte, muss ich paradoxerweise sogar noch zum Schluss kommen, dass ich vergleichsweise Glück hatte - Erbrochenes musste ich nicht essen, an "Dunkelhaft" oder "Gewaltmärsche" kann ich mich auch nicht erinnern.
1953 geboren, fuhr ich 1962 mit meinem 4 Jahre jüngeren Bruder aus dem Rheinland nach Röt im Schwarzwald - bei unseren dauernden Erkältungen sollte uns die "Luftveränderung" gut tun.
Ich erinnere mich nicht, dass es anderen Kindern schlecht ging - aber (so schließe ich aus den hier versammelten Berichten) es muss ja so gewesen sein. "Dem System" muss es gelungen sein, Solidarität unter den Kindern so erfolgreich zu verhindern, dass ich tatsächlich bis vorgestern, bis zur Ausstrahlung des Berichts im Fernsehen, immer geglaubt habe, an den 6 schlimmen Wochen wäre ich selbst "schuld" gewesen, weil ich so entsetzliches Heimweh hatte (in meinem Denken: weil ich einen Charakter-Makel hatte/habe)
Die Demütigungen, die ich real erlebt habe - für mich schlimm genug, wenn auch nicht vergleichbar mit manchem, was ich hier gelesen habe - waren, dass ich die mir schon immer verhasste Milch trinken und so lange im Raum sitzen musste, bis es mir gelang, sie herunterzuwürgen (Kann man verdrängt haben, ob man sich erbrochen hat???). Für mich das Schlimmste war folgendes: meinen Heimweh-Brief an meine Eltern ("Bitte holt mich hier ab! Ich halt es nicht mehr aus!") lasen die "Tanten" (ich weiß nicht mehr, ob wir Briefe noch offen der "Zensur" vorlegen mussten, aber ich hatte immerhin den Mut, es dennoch zu versuchen und meinen Eltern offen zu schildern, wie schlecht es mir ging). Dann, immer noch unfassbar: ich musste diesen - natürlich nicht abgeschickten - Brief im Gemeinschaftsraum vor den versammelten Kindern laut vorlesen. Und wieder funktionierte das "System": ich wurde schallend ausgelacht, beschämt! Erst seit vorgestern wächst in mir die Überzeugung, dass dort unter den Lachenden viele gleichzeitig Leidende gewesen sein müssen, die sich dem "Holt mich hier ab!" eigentlich lieber angeschlossen hätten als mich auszulachen, mit einzustimmen in (von den "Tanten" orchestrierten?) Chor. Ist es zu weit hergeholt, hier an das MILGRAM-Experiment zu verweisen...?
Danke an Anja Roehl für die Veröffentlichung - ich trage "gerne" dazu bei, die Vielfalt der Erfahrungsberichte zu erweitern, vor allem: mich zu solidarisieren mit denen, die es noch viel schlimmer erwischt hat als mich, weil der Zufall sie in viel schrecklichere Häuser mit offensichtlich viel grausameren "Tanten" verschlagen hat als mich. (Was ich selbst erlebt habe, reicht mir schon fürs Leben...)
Leider hatten meine Eltern kein Verständnis, und ich wurde nach meiner Rückkehr als "Schwächling" betitelt, der mit seinen 9 Jahren viel mehr Heimweh gehabt habe als sein jüngerer Bruder. Schwarze Pädagogik halt...
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Erfurth Christine schrieb am 12.09.2019
1975 war ich ( 6jährig.) auf Wyk . Ich musste Nächte auf dem Flur stehend verbringen und durfte weder mich hinsetzen, noch einschlafen,weil ich das Redeverbot nicht eingehalten habe. Da diese Strafe und der Schlafentzug mich nicht vom Reden abhielt wurde ich Nachts in ein dunkles Zimmer gesperrt ,indem , wie ich heute weiss, ein behindertes Kind untergebracht war. Die Laute und Geräusche des Kindes , die Dunkeheit und das Eingesperrt sein brachen mich. Auch ich ass mein Erbrochenes. Habe die Demütigungen , nach zb Einnässen, erfahren, dass alle auf dem Hof versammelten Kinder, einen Kreis um mich bilden mussten, um mit dem ausgestrecktenFinger mich auszulachen... Wenn wir an den Strand zum Baden gingen, mussten wir uns in einer Reihe in die Brandung stellen und auf Komando auf den Bauch legen. Aufstehen durfte man erst bei Aufforderung. Auch körperliche Gewalt ist mir in Erinnerung geblieben. Meine Eltern bekamen ein gebrochenes, verängstigtes traumatisiertes Kind zurück. Die Versuche meines Vaters ,um Aufklärung, verliefen im Sand . Ich bin Frau Röhl sehr dankbar für dieses Forum
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Kathi schrieb am 12.09.2019
War im Alter von 5 Jahren auf Borkum, als gerade
die große Flut über Hamburg kam. Daran kann ich
mich nicht mehr so genau erinnern.
Dann Norderney zum Jahreswechsel 64/65. Ich sollte dort sechs Wochen bleiben und es wurde
verlängert auf drei Monate über Weihnachten.
Alle Geschenke aus den Paketen mussten abgegeben werden. Es war eisig kalt und wir mussten zum Turnen in eine eisige Turnhalle.
Schlimm war das Heimweh, wenn man aus einem
behüteten Elternhaus kam. Alles bestand aus Schikanen und Demütigungen. Vor allem, dass man die Toiletten nicht aufsuchen konnte, wenn das Bedürfnis da war. Nächtelang musste ich auf dem Flur stehen, weil ich zur Toilette wollte. Der Grund, man hat so lange angehalten, weil man
morgens Urin abgeben musste und wer das nicht konnte, dem hat man einen Katheder reingejagt.
Demütigend war auch das tägliche Fiebermessen. Alle mussten sich mit nacktem Po aufs Bett legen, damit das schnell ging.
Habe nur am Katzentisch gesessen, weil ich keine Schmalzbrote mochte. Finde ich heute noch ekelig. Als ich nach Hause kam, habe ich am Bahnhof geweint und weiß jetzt, dass man auch vor Freude weinen kann.
Ich habe sehr genaue Erinnerungen, und das kann ein Fluch sein.
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Bernd schrieb am 11.09.2019
Hallo Petra,

ich habe die meisten Erinnerungen an dort tief begraben oder verdrängt. Ich war im Herbst dort, es lag viel Laub herum, wir waren viel draußen, offenbar auch, um Farbe und rosa Bäckchen zu bekommen. Ich erinnere mich an eine Blindschleiche, die wir dort gesehen haben. Keine Ahnung, warum ich mich nicht an viel mehr erinnere.

Es böte sich die Bildung einer Betroffenengruppe an, um das einmal aufzuarbeiten. Es gibt sicherlich noch mehr Betroffene aus Bremen.
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Maike schrieb am 11.09.2019
Hallo,
da kamen alle schrecklichen Erinnerungen wieder hoch. Ich war April/Mai 1968 für 6 1/2 Wochen in der Kinderheilanstalt Bad Sassendorf . Schon der Name ist Programm.
Es war eine reine Mastanstalt. Es gab einfach alles zu essen, was ich nie mochte (hauptsächlich Sachen mit Milch, wie Pudding mit Haut, Grießbrei, Haferflocken u.s.w.). Dies alles konnte ich kaum herunterbekommen, es wurde aber aufgepasst, dass man mindestens 2 mal nachnahm, und wehe nicht!!!
Abends musste man um 07:00 Uhr schlafen gehen, vorher durften wir noch eine halbe Stunde lesen, die Bücher wurden wahllos auf die Betten verteilt. Ich war schon 14 1/2 Jahre alt und bekam ein Bilderbuch hingeschmissen.
Nachts wurde einem mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet um zu sehen, ob man auch schlief.
Auf die Toilette durften wir auch nur zu bestimmten Zeiten und gruppenweise gehen.
Ich hatte Monatsbinden in meinem Nachtschrank, als die Schwester bei einer Inspektion diese entdeckte wurde ich wie eine Verbrecherin behandelt und die Binden weggenommen...
Mehrmals die Woche mussten wir Solebäder nehmen, einige Male, wenn wir in den Wannen lagen, gingen plötzlich wildfremde Männer durch den Raum (wohlgemerkt, ich war fast 15 und schon voll entwickelt).
Die Briefe, die wir nach Hause schreiben durften, wurden durchgelesen. Ein Mädchen hatte geschrieben, dass Sie es nicht aushält und dass Ihre Eltern sie wieder abholen sollten. Sie wurde während der Mittagsruhe aus dem Bett gezerrt und musste weinend den Brief neu schreiben.
Ein Mädchen hatte plötzlich kreisrunden Haarausfall bekommen, ein sicheres Zeichen für höchste psychische Not!
Wir mussten eine ganze Woche lang die selbe Kleidung (auch Unterwäsche!) tragen, das war sehr, sehr unangenehm.
Die Haare waschen durften wir uns in den ganzen 6 1/2 Wochen nur 2 mal, einmal nach 4 Wochen, dann wieder kurz bevor es nach Hause ging, wahrscheinlich, damit die Eltern nichts merken.
Meine Eltern hatten übrigens zu Ostern ein Paket mit Süßigkeiten geschickt, welches ich nie zu Gesicht bekommen habe. Als wir dann am letzten Tag auf unsere Abreise warteten, lagen plötzlich die ganzen Tische im Speiseraum voll mit Schokohasen und Eiern, von denen wir uns dann nehmen konnten, soviel wir wollten.
Ich könnte noch stundenlang weiterberichten, will es aber jetzt dabei belassen. Auf jeden Fall finde ich es gut, dass all diese Sachen jetzt mal aufgearbeitet werden. Man hat ja damals gedacht, dass ist normal und es glaubt einem sowieso niemand.

Nachtragen möchte ich noch, dass es eine Person gab, die mir den Aufenthalt etwas angenehmer gemacht hat, dass war Schwester Annegret. Ohne sie hätte es sicher nicht ausgehalten.
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Sabine Theidig schrieb am 11.09.2019
Hallo,
immer wieder versuche ich den Menschen in meiner Umgebung zu erklären, dass ich nicht zu einer Kur möchte, um mich mal zu "erholen".
Nur das Warum kürze ich immer ab, indem ich nur sagen : ich war Anfang der 70 iger für 6 Wochen in Wyk auf Föhr zur Kinderkur und das habe ich in sehr schlechter Erinnerung.
Uns wurde verboten während des Mittagschlafes oder auch während der Nachtruhe aufzustehen. Das beinhaltete auch den Toilettengang.
Das hatte zur Folge, dass wir uns eingenässt haben und z.B. die ganze Nacht in unserem eigenen Urin gelegen haben. Mit Taschentüchern haben wir dann versucht, die nassen Matratzen trocken zu reiben.
Einmal konnte ich mich auf Toilette schleichen und wurde auch prompt von dem Heimleiter erwischt. Der zerrte mich regelrecht aus der Toilette in mein Bett zurück.
Dort entdeckte er natürlich die Bescherung und brüllte mich an, was ich da für eine Schweinerei veranstaltet hätte, so dass auch der letzte wusste, welches Mißgeschick mir passiert war.
Bis heute leide ich unter einer extrem " schwachen Blase" und ich werde belächelt, dass ich jedes Getränk verweigere, wenn es in der Nähe keine Toilette gibt.
An eine nette Betreuerin kann ich mich erinnern. Sie spielte Gitarre, hatte dunkle Locken und hat uns immer was zum Schlafen vorgesungen. Wenn sie Nachtwache hatte, durften wir wenigstens auf Toilette gehen. Ich liebe sie bis heute dafür.
Meine Süßigkeiten aus den Päckchen habe ich dann wieder entdeckt, als die Geburtstagskinder sie auf Ihren Tellern liegen hatten und wir uns reihum was nehmen durften.
Meinen Eltern habe ich jeden Tag eine Karte geschrieben, dass sie mich ganz schnell abholen sollen. Diese wurden zerrissen und unter Tränen wurde mir ein Text diktiert, mit der Begründung, dass ich meine Eltern sonst ganz traurig mache. Ich kam mir ganz schlecht vor. Ich sollte meine Eltern anlügen, obwohl lügen doch was schlechtes war. Ich durfte meinen Eltern nichts sagen, auch nicht, wenn ich wieder zu Hause bin, denn dann mache ich sie ja traurig. Ich war also die Schlechte, so oder so.
Eigentlich kam ich nach Wyk, weil ich immer so dünn war, aber ich hatte es geschafft, noch dünner nach Hause zu kommen.
Ich bin so glücklich, dass es diesen Bericht im Fernsehen gab. Endlich kann ich zum ersten Mal darüber berichten und ich kann es nicht fassen, wie viel " wir" eigentlich sind.
Meine Eltern haben mir leider nie richtig geglaubt und immer gedacht, dass ich mir das alles nur ausgedacht habe, damit ich nicht nochmal verschickt werde. Das war eben die Zeit, als es auch noch die Götter in weiß gab und die Lehrer immer Recht hatten.
Nochmals vielen Dank für dieses Initiative an die Öffentlichkeit zu gehen

Eure Sabine ( 54 Jahre )
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Petra, Bremen schrieb am 11.09.2019
Hallo Bernd,
Gleicher Jahrgang, gleicher Ort des Schreckens, gleiche Heimat.. Ich war 4 oder 5 Jahre alt sein, als ich auf Anraten eines Arztes verschickt wurde. Es muss Winter gewesen sein. Ich sehe noch viele Treppenstufen vor mir, über die wir Kinder unser Gepäck zerren mussten. Die wenige Post nach Hause haben ältere Kinder oder die Tante geschrieben, der Inhalt war immer zensiert. Vor meiner Oma hatte ich ein Päckchen mit Malsachen und süssigkeiten bekommen. Daraus habe ich einen Malstift behalten dürfen, alles andere bekamen andere Kinder - darüber war ich sehr traurig, weil mein Heimweh so gross war. Es gab rüde Masernimpfungen ohne ein Fünkchen Mitgefühl, nur Strenge und Drill. Das Essen war furchtbar und war oft übersüsst und musste, egal wie, gegessen werden. Nur für den Heimweg gab es reichlich belegte Stullen, die ich nicht angerührt habe. Meine Mutter hat sich grosse Vorwürfe gemacht, dass sie mich geschickt hat. Schuheputzen für alle war eine beliebte Strafe. Einmal hat man vergessen, das Fieberthermometer aus meinem Rektum zu entfernen. Ich lang die halbe Nacht wach und habe es schliesslich selbst entfernt. Am morgen lang es entwei am boden, die quecksilberkügelchen verteilt. Es gab schlimme Schelte. Ich kann mich nur an harte Regeln und Massregelungen erinnern. Eine schlimme Zeit, ganz unverständlich für so kleine Menschen.
Anja, ich danke Dir, dass Du dieses dunkle Kapitel öffentlich machst. 8 Millionen Kinder - nicht vorstellbar
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Faye schrieb am 11.09.2019
Hallo alle...
endlich. So lange schon habe ich nach Spuren gesucht, Spuren einer Zeit, über die ich 50 Jahre lang nie reden konnte, denn zu den schrecklichen Wochen kam das Unverständnis der Eltern. Ich war in den 60er Jahren in der Nähe von Freudenstadt (irgendwas mit "roth"?) und schrieb Lügen nach Hause, (nachdem ich für den ersten
kleinen Brief ein Donnerwetter vonder 'Tante" bekommen hatte), duschte nackt und eiskalt in der Gruppe und schämte mich, bekam Kleidung zugeteilt, und wenn die "Tante' nicht gleich was fand, dann hatte ich das Nachthemd an und schämte mich. Nachts nicht zur Toilette, sonst stundenlang in der dunklen Ecke stehen. Da hatte ich Angst und fror. Taschengeld war nie da. Einmal habe ich irgendwas zerrissen (einen Bettbezug?), aus Versehen, ich war ein ängstliches Kind, und dann log ich. Es folgte die Inquisition. Das ganze Heim defilierte an mir vorbei, auch die Jungen, und in meiner Erinnerung habe ich mich unfassbar vor allen geschämt. Freunde fand ich dort keine. Aufessen war selbstredend nötig, sonst gab es Strafe. Vorher kein Aufstehen vom Tisch. Wanderlieder, lange Spaziergänge, tolle Spiele im Wald habe ich aber auch in Erinnerung. Ihr habt das ja alle schon so beredt erzählt. Danke für die Arbeit daran. Wir alle müssen anfangen zu verstehen, dass auch wir womöglich ungewolltes Erbe von Nazi-Pädagogik in uns tragen. Auch das ist eine wichtige Facette des aktuellen "Kriegsenkel" Themas. Ich würde sehr gern auf dem Laufenden gehalten werden.
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Cecily Bürgel schrieb am 11.09.2019
Im August 1969 werde ich für gute drei Wochen mit meiner älteren Schwester von Berlin nach Bad Reichenhall (Karlstein) verschickt. Meine Eltern brauchen Entlastung, wir sind vier Kinder, die Zwillinge sind noch klein. Wir sind voller Vorfreude auf diese Reise. Es dauert nicht lange bis diese Freude ganz anderen Gefühlen weicht.
Meine Mutter hat vor der Reise in alle unsere Kleidung Etiketten mit unseren Initialen eingenäht und die Koffer vorausgeschickt. Sie sind auch angekommen, es wird gesagt, was für hübsche Sachen da in den Koffern sind. Aber wir bekommen sie nicht, wir tragen Heimkleidung. Das ordnen die Heimleiter „Onkel Vati“ und „Tante Mutti“ an. Es sind komische Kleider. Ich mag sie nicht. Wir machen bei großer Hitze lange Wanderungen in Schuhen, die nicht passen. Einmal in der Woche gibt es frische Kleidung. Auch die Unterhose wird nur alle paar Tage gewechselt. Wir bekommen die Sachen zugeteilt. Meine Unterhosen sehen schlimm aus. Ich bin 5 Jahre alt. Manchmal schaffe ich es nicht ganz rechtzeitig auf die Toilette. Die Toiletten sind in einem Raum, nur durch kleine, kurze Wände voneinander getrennt, es gibt keine Türen. Ich schäme mich und verstecke die Unterhosen hinter dem Vorhang im Zimmer.
Weil ich, statt Mittagsschlaf zu machen, also absolute Ruhe zu halten, immer nur mit meiner Schwester quatsche, muss ich in einem anderen Zimmer schlafen. In dem Zimmer sind nur Jungs. Sie sind alle älter als ich, überhaupt sind alle Kinder mindestens 8 Jahre alt, ich bin mit Abstand das jüngste Kind. Ich starre die Decke an, wenn die Jungs abends im Schlafanzug auf ihren Betten herumspringen. Wenn sie hochspringen, ziehen sie ihre Schlafanzughose herunter, wenn sie landen wieder hoch. Rauf, runter, rauf, runter. Ich verkrieche mich unter der Bettdecke und halte mir die Ohren zu. Ich drücke mit den Fingern auf meine geschlossenen Augen bis ich bunte Muster sehe und ihr schiefes Grinsen verschwindet. Das Ausziehen ist für mich eine Tortur. Ich behalte auch unter meinem Schlafanzug meine verschmutzte Unterhose an und ekel mich.
Ich höre die Mittagshitze und ich rieche sie als ich in der Mitte des Zimmers stehe. Onkel Vati winkt mich zu sich heran. Er steht auf und kommt hinter seinem Schreibtisch vor, als ich den Raum betrete, und lobt mein niedliches Kleidchen. Er ist riesenhaft.
Meine geliebte Schwester, für mich plötzlich unerreichbar, schreibt (unfreiwillig) nichtssagende Briefe nach Hause.
Wieder zu Hause, daran habe ich zwischendurch nicht mehr geglaubt, erzähle ich nichts von den Gefühlen des Ausgeliefertseins und Verlassenseins, der wahnsinnigen Angst, der Einsamkeit, der Hilflosigkeit und der Scham. Man macht seinen Eltern keinen Kummer, so bin ich erzogen worden wie so viele andere auch.
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Renate Reuschenberg schrieb am 11.09.2019
ein zufällig habe ich den Bericht heute abend in der Sendung Report gesehen...es hat mich erschüttert, denn da kamen alle Erinnerungen wieder zurück...auch ich bin eine Betroffene.
Ich wurde im Februar März 1965 für sechs Wochen zur Kur in das katholische Kinderkurheim Sankt Antonius in Niendorf verschickt, weil ich zu dünn und ein schlechter Esser war, ich war damals 10 Jahre alt.
Es war einfach nur grausam und mir wird immer noch übel, wenn ich heute daran denke. Ich habe zwar keine Schläge und auch kein Essen von Erbrochenem erlebt, aber sehr wohl jede Menge psychische Misshandlungen, Demütigungen und Drohungen.
Es fing damit an, dass ich in den ersten 14 Tagen nicht wusste, wo meine Sachen waren, niemand hat mir das gesagt oder gezeigt, ich trug 14 tagelang denselben Schlüpfer, dieselben Socken. Wir duschten in den 6 Wochen genau zweimal...einmal nach drei Wochen und einmal zum Ende nach sechs Wochen. Die Duschen befanden sich in einem kalten Keller, unsere Sachen waren bereits eingepackt, wir hatten nur noch einen Schlüpfer an und wir schliefen unter den abgezogenen Betten, unter den kalten Inlets. Ich habe die ganze Nacht gefroren. Als ich nach Haus kam, erkrankte ich wenig später an einer schweren Grippe mit extrem hohem Fieber, der Arzt kam damals zu uns nach Hause...noch Jahre später hat mir ein Arzt gesagt, dass man diese schwere Erkrankung noch am EKG sehen kann... es ging mir nach der Kur schlechter als vorher und noch dünner war ich auch...
Das Essen war extrem schlecht, es wurde in großen Metallbehältern angeliefert und nur ausgewählte Kinder durften es an der Tür in Empfang nehmen, bei den anderen hatten sie Angst, dass die weglaufen. Montags gab es einen Eintopf, der dunkelgrau aussah und beim Essen zog sich das so, als wäre ein Kaugummi da drin, ich denke, es waren Nudeln...jedenfalls war alles reingemischt, was in der Woche übrig geblieben war. Und mit dem Essen war immer die Drohung verbunden...wenn du nicht genug isst, wenn du nicht zunimmst bzw dicker wirst, dann musst du länger bleiben...
Ich hatte furchtbares Heimweh, aber das durfte man nicht in Briefen schreiben. Alle Briefe wurden gelesen und kontrolliert, man durfte keinen Brief heimlich in den Kasten stecken...das ging auch gar nicht, weil wir in der ganzen Zeit höchstens zwei oder dreimal draußen waren, wir saßen die ganze Zeit in einem Dachzimmer und mussten spielen. Die Tanten sagten uns immer wieder, es sei zu kalt draußen, wir hätten eben Pech, im Sommer sei man die ganze Zeit am Strand.
Und wehe man musste noch einmal auf die Toilette, wenn man schon im Bett war, sie liefen Patrouille und brüllten einen an, das man gefälligst vorher gehen sollte.
Zweimal in der Zeit gab es eine ärztliche Untersuchung, dabei hatte man nur einen Schlüpfer an, ansonsten war man nackt,und man stand in einer langen Schlange, und bei manchen Kindern zog der Arzt den Schlüpfer herunter oder guckte in den Schlüpfer und ich habe nur gehofft, hoffentlich macht er das nicht bei mir..Es gab noch viele grausaame Details, aber jetzt wo ich das aufschreibe, merke ich wieder, es reicht...Ich bin Jahre später beruflich in Niendorf gewesen, habe die Straße, das Heim gesucht und musste den Ort ganz schnell wieder verlassen, weil die körperlichen Symptome unerträglich waren.
Dieser Kuraufenthalt hat mich mein lebenlang begleitet, noch heute...54 Jahre später, träume ich manchmal davon...in Farbe... und wache dann schweißgebadet wieder auf...
Und ich leide schon sehr lange an einer generalisierten Angststörung...ich denke, ein stückweit "verdanke" ich das auch dieser Kur, das hat mich als Kind geprägt.
Ich würde gerne an dem Kongreß auf Sylt teilnehmen. Ist das möglich?
Und ich freue mich, dass es nun eine Initiative gibt, die das aufarbeitet...bis heute dachte ich...das war eben so...das war wohl normal...

Renate Reuschenberg
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Udo Deuerlein schrieb am 11.09.2019
Das erste mal habe ich durch die Sendung Report etwas zu diesem Thema gehört! Bin selbst ein Betroffener! Ich war, weil ich als Kind unter Asthma litt, im Sommer 1968 im Kurt Pohle Erholungsheim in Westerland auf Sylt! Dort habe ich auch, wie andere Kinder ein Martyrium durchlitten.
War 6 Wochen dort! Wie im Bericht in Report kann ich mich auch daran erinnern, dass ein Junge so lange am Mittagstisch sitzen musste, bis er Alles aufgegessen hatte! Da er sich so vor dem Essen ekelte, erbrach er und er musste das Erbrochene vor allen Kindern aufessen! Man muss dazu sagen, dass es einmal in der Woche ein Essen gab, was anscheinend aus den Resten der Woche durcheinander, gekocht wurde und das sah wirklich nicht appetitlich aus! Die Post an die Eltern wurde zensiert und wurde falls jemand die Zustände in dem Heim geschildert hat, vor uns aller Augen zerrissen!
Ich musste einmal, zur Strafe, im Sommer einen ganzen Tag im Bett unter einer Steppdecke liegen, ohne Essen und Trinken!
Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen unserer Betreuerin erinnern!
Dann kann ich mich erinnern, dass ich zur Strafe, einmal meine Hose runterziehen musste und alle Kinder mich auf den Hintern schlagen durften! Anschließend musste ich ohne Strümpfe in Turnschuhen am Strand spazieren, so dass ich richtige Löcher in den Fersen hatte! Nachts habe ich anschließend Pläne gemacht, wie ich abhauen könnte, aber wie sollte man als zehnjähriger Junge der total eingeschüchtert war, diese Pläne in die Realität umsetzen!
Ich kann mich ebenso erinnern, dass wir einmal einen jungen Mann, als Vertretung hatten, der sehr nett war. Als unser Drachen aber wieder da war, gab es ein riesen Donnerwetter gegenüber dem jungen Kollegen, da er gewagte hatte, dass wir duschen durften! Im Nachhinein kam es mir sehr merkwürdig vor, dass während wir nackt duschten, sie gleichzeitig im selben Raum in einer Badewanne saß! Also war es ihr Privileg uns duschen zu lassen!
Leider werden die Verantwortlichen dieses Heimes wohl nicht mehr leben so dass man sie zur Rechenschaft ziehen könnte! Das Heim war glaube ich in der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt!
Ich werde demnächst 61 Jahre alt, aber diese Vorgänge in dem Heim, werde ich wohl nie vergessen!
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Birgit S. schrieb am 11.09.2019
Zufällig habe ich soeben bei "Report Mainz" noch einige Minuten des Beitrags der Verschickungskinder mitbekommen. Ich wusste aber schon nach ein wenigen Sekunden, worum es ging. Das eigene Erleben lässt sofort alle belastenden Ereignisse wieder aufleben:
1963 "Kurheim" in Oberstdorf mit 5 Jahren für 6 Wochen kurz vor Weihnachten; Drohungen, Erbrochenes wieder aufzuessen (ich hatte Glück, dass eine "liebe" junge Tante die Androhung der Ordensschwester abwenden konnte und mich sogar auf den Arm nahmm, was die einzige menschliche Wärme in der ganzen Zeit war); Drohungen, das Weinen zu unterlassen; Lächerlich machen vor allen Kindern wegen Einnässen der Bettwäsche, eine Auswirkung der Tatsache, dass ich aus einem sowieso schon belasteten und gewalttätigen Elternhaus kam.
Die Süßigkeiten aus dem Päckchen von zu Hause wollte ich mit anderen Kindern teilen, was untersagt wurde.
Schön, Frau Röhl, dass Sie das Thema aufgreifen.
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Meike Leveke schrieb am 11.09.2019
Ich war insgesamt 3 Mal in verschiedenen Erholungsheimen, das erste Mal mit 6 Jahren 1975 vor der Einschulung, in Bad Pyrmont, später mit ca. 11 oder 12 im Schwarzwald.
Beim 1. Aufenthalt bekam ich nach ein paar Tagen heftige Bauchschmerzen, was nur mit "Stell dich nicht so an!" quittiert wurde. Es wurde immer schlimmer, und schließlich bin ich auf der Straße zusammengebrochen. Eine fremde Person, also noch nicht mal jemand vom Heim, brachte mich ins Krankenhaus, wo eine akute Blasenentzündung diagnostiziert und ich stationär aufgenommen wurde. Das war an einem Freitag - meine Eltern wurden von der Heimleitung erst am Montag darüber informiert.
Die nächsten 2 Aufenthalte waren in Baiersbronn und noch heute bekomme ich beim Wort "Schwarzwald" eine Gänsehaut. Meine Eltern dachten, sie täten mir einen Gefallen. Ich als Einzelnkind mit vielen anderen Kindern, das fände ich doch bestimmt toll! Ich habe jede einzelne Minute gehasst. Kontrolle der ein- und abgehenden Post, ungenießbares, verkochtes Essen, zu trinken gab es nur zu den Mahlzeiten, trotz Hochsommer. Demütigungen, Bloßstellen von Kindern, all das gehörte zum Alltag . Auch dort endete ein Aufenthalt im Krankenhaus, und darüber war ich fast glücklich, da es mich von den cholerischen "Tanten" befreite. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Geld die Heime von den Verbänden, Kirchen, Eltern bekommen haben!
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Birgit Signo schrieb am 11.09.2019
Zufällig habe ich soeben bei "Report Mainz" noch einige Minuten des Beitrags der Verschickungskinder mitbekommen. Ich wusste aber schon nach ein wenigen Sekunden, worum es ging. Das eigene Erleben lässt sofort alle belastenden Ereignisse wieder aufleben:
1963 "Kurheim" in Oberstdorf mit 5 Jahren für 6 Wochen kurz vor Weihnachten; Drohungen, Erbrochenes wieder aufzuessen (ich hatte Glück, dass eine "liebe" junge Tante die Androhung der Ordensschwester abwenden konnte und mich sogar auf den Arm nahmm, was die einzige menschliche Wärme in der ganzen Zeit war); Drohungen, das Weinen zu unterlassen; Lächerlich machen vor allen Kindern wegen Einnässen der Bettwäsche, eine Auswirkung der Tatsache, dass ich aus einem sowieso schon belasteten und gewalttätigen Elternhaus kam.
Die Süßigkeiten aus dem Päckchen von zu Hause wollte ich mit anderen Kindern teilen, was untersagt wurde.
Schön, Frau Röhl, dass Sie das Thema aufgreifen.
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Brigitte Kock schrieb am 11.09.2019
Ich war im Alter von 6 Jahren mit meiner 4jährigen Schwester in Bad Dürrheim zur "kur".
Ich musste in einem anderen Saal schlafen als meine Schwester
. Morgens zum wecken mussten wir uns alle auf den Bauch legen und dann wurde uns ein Fieberthermometer in den Anus gesteckt,und das nicht vorsichtig.
Ich kann mich auch an zwillingsmäschen erinnern,die schreckliches Heimweh hatten und denen das Weinen verboten wurde. Außerdem ein blondes Mädchen,welches gebrochenes Essen so lange immer wieder essen musste,bis es drin blieb.
Päckchen,die von Zuhause verschickt wurden,haben wir nie bekommen.
Diese Erlebnisse haben mich sosehr geprägt,das ich auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle zur Krankenschwester 1971 einen Platz in Köln außer Acht gelassen habe,weil auf dem Flyer eine Krankenschwester abgebildet war,die schreckliche Ähnlichkeit mit einer Schwester aus dem Kuraufenthalt hatte. Es ist jetzt 58 Jahre her,aber ich könnte die Frau immer noch beschreiben.
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Manni schrieb am 11.09.2019
Mein Name ist Manfred aus Düsseldorf

Hallo, alle Betroffenen,
Ich war in den Sommerferien im Alter von 10 Jahren (3. Klasse) 1963 für 6 Wochen im Kinderheim in Wyk auf Föhr.
Meine Eltern hatte mich dort hin verschicken lassen, weil ich in ihren Augen ein schlechter Esser war. Ich sehr schlank.
Seit einiger zeit verfolge ich die Geschehnisse im Internet und habe mit Erschütterung gestern abend (10.09.2019) den 'Report aus Mainz' gesehen.
Meine einizige Erinnerungen sind, dass ein Kind Manschetten über die Ellenbogen bekam, dass es sich nicht kratzen konnte, es hatte Windpocken.

Mittags, nach dem Essen, mussten wir mucks mäuschen still, für ca. 2 Std. auf Liegen auf der großen Terrasse ausharren, damit das Essen ansetzen konnte..

Ich hatte nur unbändiges Heimweh und hatte meinen Eltern eine (Post/Ansichts) Karte geschickt (schicken wollen), mit der Bitte, mich ab zuholen. Natürlich ist diese Karte niiiiie angekommen. Später wusste ich dann warum. Möglicherweise wollte 'die' meine Eltern nicht beunruhigen.

Eine allgemeine Strenge herrschte schon.

Mit ca. 6 Jahren, vor der Einschulung, war in einem ähnlichen Kinderheim in Freudenstadt im Schwarzwald.
Hier ging es sehr streng zu:
Ich musste Abend's mal auf die Toilette, durfte ich aber nicht, so machte ich mein großes Geschäft in die Schlafanzughose und musste damit über die Gänge laufen.
Weil ich ja immer noch ein schlechter Esser war, mussten die Teller immer leer gemacht werden, so auch der Teller mit Milchsuppe, die ich zum ..... nicht mochte. Zu allem Überfluss, machte ein älteres Kind den Dreck unter seinen Fingernägeln in meine Suppe. Als das 'gepetzt' habe, musste ich die Suppe trotz dem auf essen.
Es gab keine Gnade und kein Entrinnen.
Gruß Manni
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Jochen Winkler schrieb am 11.09.2019
Ich war 1961 mit gerade mal fünf Jahren im Kinderheim Hirschegg/Kleinwalsertal und kann die Erinnerungen der anderen nur bestätigen. Allein mit dem Zug mit umgehängter Namenskarte in eine völlig unbekannte Umgebung geschickt, erwiesen sich die Tage dort als reine Tortur. Streng und unnachgiebig behandelt, kein freundliches Wort. Wir bekamen morgens und abends gerade mal eine Tasse Milch zu trinken, sodass alle immer fürchterlichen Durst hatten. Bei Wanderungen hätten wir am liebsten aus den Bächen getrunken. Jungs, die in die Hose gemacht hatten, mussten unter eine kalte Dusche und wurden abgebraust. Ich hatte mich mit Masern dort angesteckt und wurde in ein dunkles Zimmer gelegt, wo ich keinerlei Behandlung, sondern nur die notwendige Nahrung bekam. Es geschah so viel Ungeheuerliches, das ich hier aber nicht weiter ausbreiten möchte. Alles dies hat bei mir bis heute ein Trauma hinterlassen,
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Fröhlich, Carola schrieb am 11.09.2019
C. Fröhlich
Auf Langeoog war mein "Kurort": 1974, Ich: 10 Jahre.
Mir wurden auch Geld und Süßigkeiten abgenommen während ich duschte. Auf Nachfrage wurde ich angelogen sah aber wie es die Betreuer aßen. Seitdem habe ich auch Verlustängste und kann schwer vertrauen. Bin auch Single seit 55 Jahren.
Finde auch, dass ich seltsam oft beklaut werde, vielleicht wirke ich so, als ob ich mich nicht wehre.
Das fehlende Briefgeheimnis kann ich bestätigen. Die Zwänge und Schickanen auch. Habe auch niemandem erzählt: Einstellung: was soll´s. Ändert eh nichts.
In 2er Reihen Spazierengehen gab´s bei mir auch.
In Seniorenheimen herrscht teilweise eine "ähnliche Atmosphäre" für mich fühlt sich das eklatant an. Ich vermute, ich nehme es stärker wahr durch das frühe Erlebnis. Wehrlos, Machtlos, als Opfer fühlte ich mich.
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Beate Tilg schrieb am 11.09.2019
ich bin Jahrgang 1960 und war 1966 mit meiner Schwester (JG 1959) in Bondorf - Anfang Dezember. habe zwar nur rudimentäte Erinnerungen, aber wirsing und kotze sind für mich noch heute eins, angstvolle Nachmittage auf dem dachboden wegen schwätzen in der mittagspause und und und . Aber das verstörenste Erlebnis war, als Nikolaus und Knecht Ruprecht kamen. sie steckten ein paar der Jungs, die halt ein bissl unruhiger waren, in einen großen Sack mit der drohung, man würde sie am nächsten Tag ins Tote Meer werfen. Ich höre heute noch die Schreie, die uns eine ganze Nacht den Schlaf raubten.
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Peter Becker schrieb am 11.09.2019
Peter Becker
11.9.2019

ich war erschüttert über den Bericht von Frau Röhl.
Ich war ca.1958 und 1960 verschickt im Kinderheim
Wyk/föhr. Ich habe noch sehr stark in Erinnerung, daß ich versuchte nur nicht aufzufallen, da kleinste
erfehlungen bestraft wurden. In Erinnerung ist mir immer noch, daß ein artiges Kind am Abend einen
Apfel auf seinem Bett vorfand. Ich war also nicht artig,
weil ich erst nach Wochen einen Apfel bekam und ständig ein schlectes Gewissen hatte. Beim Essen
musste man gerade sitzen.. Das würde von einer
Frau überwacht, die bei krummer Haltung mit Ihrer Faust in den Rücken schlug. Auch erinnere
ich mich an den Heimleiter ,der Vorträge hielt,
die ich später als Verherrlichung der NS-Zeit
betrachtet habe. Die Unterdrückung in dieser
Zeit haben sicher eine Auswirkung auf mein
Selbstwertgefühl gehabt.
Vielleicht.melden sich einige Zuschauer, die
in meiner Zeit auf Föhr waren. Eine Wiedergabe
meiner vielen Erinnerungen würde diesen Rahmen
sprengen
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Steffi schrieb am 11.09.2019
Die Fernsehsendung „Report Mainz“ hat mich auch an meine damalige Zeit in der Kinderkurklinik Prinzregent Luitpold erinnert.

Im Sommer 1981 wurde ich im Alter von 12 Jahren auf Empfehlung des Kreisgesundheitsamtes Herford für 6 Wochen nach Scheidegg/Allgäu in die Kinderkurklink Prinzregent Luitpold zur „Erholung“ geschickt. Mit weiteren Kindern aus dem Kreis Herford und den Nachbarkreisen ging es im Sonderzug ins Allgäu. Dort angekommen wurden wir Kinder dann auf die Zimmer verteilt. Leider hatte ich das Pech gehabt, dass ich ein zu kurzes Bett bekam. Die ersten Nächte durfte ich also in gekrümmter Körperhaltung in einem zu kurzen Bett verbringen. Einige Tage später bekam ich dann ein längeres Bett.
Am Tag nach unserer Ankunft wurden wir dann der Ärztin der Kinderkurklinik vorgestellt. Jeder wurde einzeln ins Untersuchungszimmer gebeten. Ich musste mich komplett ausziehen und wurde von allen Seiten „begutachtet“. Außerdem musste ich einige Gesundheitsfragen sowie intime Fragen beantworten. Mir war die ganze Aktion peinlich, ich habe mich geschämt und gedemütigt gefühlt. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Ärztin und die Aufseherinnen/Nonnen einen Spaß daraus gemacht haben, uns Kinder so zu demütigen. Gleich in den ersten Tagen wurden wir von den Nonnen/Aufseherinnen und Heimleiterin eingeschüchtert: Sollte es jemand wagen, zu Hause anzurufen, müssten die Eltern den Klinikaufenthalt aus eigener Tasche zahlen und das wären einige Tausend DM. Die Krankenkasse würde dann keine Kosten übernehmen. Und unsere Eltern wären dann auch ziemlich ärgerlich auf uns.
Da nach unserer Ankunft in der Kinderklinik in vielen Bunderländern die Sommerferien noch nicht begonnen hatten, hatten auch wir Unterricht in der Kinderklinik. Dort gab es einen Klassenraum. Soweit ich mich erinnern kann, wurden wir in Deutsch, Mathe, Englisch und Biologie unterrichtet. Mit Beginn der Sommerferien in den jeweiligen Bundesländern hatten dann auch wir Ferien. Die 6 Wochen „Erholung“ verliefen ziemlich schleppend. Schulunterricht, Anwendungen (Inhalieren von Sole, Fichtennadelbäder, Wassertreten nach Kneipp usw. wechselten sich ab. Das Mittagessen schmeckte teilweise widerlich. Mehrmals mussten wir zur Strafe solange sitzenbleiben, bis wir aufgegessen hatten. Andere, die trotz Ekel das Essen in sich hineingestopft hatten, mussten sich dann später auf der Toilette übergeben. Damit wir Hunger bekamen, wurden uns mehrere Male Appetitanreger in Form von Tabletten verabreicht. Wer die Tabletten nicht schlucken wollte, dem wurde von der Heimleitung wieder gedroht, dass die Eltern den Klinikaufenthalt dann aus eigener Tasche zahlen müssten oder man wurde dann für einige Zeit in ein Zimmer gesperrt. Versehentlich bekamen wir einmal statt Appetitanreger Schlaftabletten verabreicht. Das hatte natürlich dann zur Folge, dass wir uns nach dem Mittagessen in die Schlafsäle zurückgezogen und geschlafen haben. Als die Aufseherinnen/Nonnen dann ihre Kontrollgänge machten, wurden wir von ihnen aus dem Schlaf gerissen und zusammen geschrien, wir sollten gefälligst aufstehen. Die Schlafsäle wurden dann tagsüber abgeschlossen, so dass man keine Rückzugsmöglichkeit mehr hatte.
Natürlich war es Standard, dass die Post, die wir nach Hause schickten oder von zu Hause bekamen, zunächst durch die Aufseherinnen/Nonnen gelesen wurde.
Es gab aber auch angenehme Seiten, wie z. B. ganztägige Ausflüge, was aber eher die Ausnahme war.
Wie groß war die Freude, dass es nach 6 langen Wochen endlich wieder Richtung Heimat ging. Keine Kontrollgänge, keine Drohungen und kein Anschreien, kein ekelhaftes Essen und keine Tabletten mehr. Zu Hause begann dann die Erholung von der Kur.
Meiner Mutter hatte ich nach meiner Rückkehr von den schlechten Erfahrungen und Vorkommnissen berichtet. Sie hatte sich beim Gesundheitsamt beschwert. Das Gesundheitsamt hatte meiner Mutter nur mitgeteilt, dass es sich bei den Tabletten vermutlich um Vitamintabletten gehandelt habe.
Die schlechten Erfahrungen, dich ich innerhalb der 6 Wochen Kur in Kinderklinik Prinzregent Luitpold gemachte habe, haben mein Leben geprägt. Sie haben dafür gesorgt, dass ich im Erwachsenenalter bisher nie wieder eine Kur angetreten habe bzw. auch in Zukunft nie antreten werde.
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Silke M. Lachmund schrieb am 11.09.2019
Vor einigen Wochen habe ich (soweit ich mich erinnern kann zum ersten Mal überhaupt) einer Bekannten von meiner Aufpäppelkur auf der Insel Spiekeroog erzählt.
Und nun hat mir der Bericht bei Report Mainz und die Kommentare hier bestätigt, dass es sich nicht um Alpträume oder wirre Phantasien handelt, sondern um tatsächliche Erlebnisse.
Es muss Anfang 1960 gewesen sein, als man mich auf die Insel verschleppte. Ich war fünf Jahre alt und kurz davor eingeschult zu werden.
Von der Reise dorthin erinnere ich mich nur an die Überfahrt mit einem kleinen Boot. Ich saß mit anderen in einem kleinen Raum unter Deck auf einer Bank, die ringsum an den Wänden angebracht war. In der Mitte stand ein „Bollerofen“ mit einem Ofenrohr. Das Boot schaukelte stark – trotzdem (oder deshalb?) stand ich auf und torkelte in Richtung Ofen und verbrannte mir die Hand an dem Ofenrohr.

Wie einigen anderen geht es auch mir so, dass die Erinnerung sehr verschwommen ist und dass ich mich nicht an Gesichter von Menschen erinnere. Aber einige Dinge habe ich beängstigend klar vor Augen, als ob ich es gestern erlebt hätte und nicht vor fast 60 Jahren.

Nur an einen Menschen erinnere ich mich. Es war ein sehr kleiner Junge mit Locken, den ich auf einem Dachboden in einem Bett liegen sah. Es war ein düsterer Raum und man konnte die Dachbalken sehen. Nur eine einzelne Lampe strahlte das Bett an. Der Junge lag auf dem Rücken in einer Gipsschale und schrie sich die Seele aus dem Leib. Daneben standen irgendwelche Menschen die, als sie mich entdeckten, anfingen mich anzuschreien, dass ich sofort verschwinden soll. Das tat ich – aber das Bild von dem Jungen und seine furchtbaren Schreie verschwanden leider nie. Ich kann es bis heute nicht ertragen, wenn ich ein Kind schreien höre - völlig egal, warum es das tut.

Bezüglich des Essens erinnere ich mich nur an eine Milchsuppe mit kleinen Sternchennudeln drin. Es war für mich unglaublich ekelig. Ich weiß noch, dass ich mir das Zeug in den Mund gestopft und dann ins Klo gespuckt habe. Ich weiß nicht, ob ich vorher Milch mochte – ich weiß aber, dass ich solange ich denken kann keine Milch mag und auch nie wieder welche getrunken habe.

Aber das allerschlimmste habe ich in der Nacht vom 28. Auf den 29. Februar 1960 erlebt. Ich weiß das so genau, weil am 29. Rosenmontag war und alle Kinder feiern durften – nur ich nicht.
Ich wachte in der Nacht auf, weil ich aufs Klo musste. Ich hatte starken Durchfall. Ob das von der ungewohnten Ernährung oder von irgendwelchen Keimen kam, weiß ich nicht. Ich stieg also aus dem Bett und suchte ein Klo. Aber ich konnte den Stuhl nicht halten. Ich versuchte mit einer Hand und meinem Nachthemd das Elend aufzuhalten – es gelang mir nicht.
Das Klo habe ich auch nicht gefunden.
Ich sehe mich mit meinem Nachthemd in einem riesigen dunklen Treppenhaus stehen – es war nur eine kleine Notbeleuchtung an. Irgendwie habe ich dann mein Bett wiedergefunden.
Am Rosenmontagmorgen wurde mein „Vergehen“ entdeckt. Wutentbrannt wurde mir das Nachthemd vom Leib gerissen und ich wurde nackt über den Flur in das Jungenschlafzimmer geschleift. Dort befanden sich nicht nur einige bei meinem Anblick laut grölende und lachende Jungen sondern auch ein Waschbecken mit kaltem Wasser, an dem ich gereinigt wurde.
Ich weiß nicht, was das mit mir gemacht hat – ich weiß nur noch, dass ich, als ich wieder zuhause war, drei Tage lang nur geheult habe.

Aber ein Gutes hatte die Kur doch: inzwischen hat wenigstens das Aufpäppeln funktioniert. Leider viel zu gut…
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Yvonne schrieb am 11.09.2019
Liebe Frau Eich,

wo in Berchtesgaden war Ihre Schwester denn? Dort gibt/gab es 2 Heime, wenn ich richtig informiert bin.

Danke!

Yvonne
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Detlev schrieb am 11.09.2019
Hallo zusammen,

ich fasse es nicht, was ich hier lese und gestern im Report Mainz gesehen habe. Und ich dachte immer, das sei nur mir passiert. Ich war 8 oder 9 Jahre alt, als ich auf Langeoog im Heim war, weil ich "zu schmächtig" war.

Ich will nicht alles wiederholen, was schon geschrieben wurde, aber hier direkt dem Manni antworten. Auch mir ist es passiert, dass ich beim Essen auf die Toilette musste und nicht durfte. Ich habe mir dann in die Hose gemacht und das wurde hinterher die größte Demütigung in meinem Leben, weil ich damit "vorgeführt" wurde. Ich verspüre noch heute ungeheure Wut auf die damaligen Betreuerinnen und Betreuer.

Zu vielen anderen hier berichteten Erlebnissen kann ich nur sagen: mee too.
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Sabine schrieb am 11.09.2019
Ich musste 1974/75 in der ehemaligen DDR im Alter von 8 Jahren nach Salzwedel zu einem Kuraufenthalt. Ich bin zum Essen gezwungen worden, wurde mit Büchern geschlagen, in den Keller eingesperrt und die Briefe an meine Eltern wurden rezensiert. Bis heute habe ich Ängste, wenn es auf Reisen geht.
Ich hätte nicht gedacht, dass meine Erelebnisse von damals in der Gegenwart thematisiert werden könnten. Vielen Dank!
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C. schrieb am 11.09.2019
Ich bin als 8- oder 9-Jähriger Junge wegen Übergewichts Ende der 1970er Jahre zur "Kur" nach Langeoog verschickt worden, und zwar in ein Heim der AWO.

Schon am ersten Tag tat sich eine "Betreuerin" (deren Namen ich nicht vergessen werde) dadurch hervor, meine Bitte nach einem Nachschlag mit einem geknurrten "Du wirst schon sehen, was du bekommst" zu beantworten.
In den nächsten Tagen lernte ich diese Betreuerin nur zu gut kennen - selbst übergewichtig, machte sie sich dennoch einen Spaß daraus, insbesondere die übergewichtigen Kinder wie mich zu quälen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit herunterzumachen.

Zu ihrem speziellen Objekt wurde ich, als ich (ich denke, es war in der ersten Woche) einen Brief an meine Eltern schrieb und sie neben den üblichen Dingen vom Ort darum bat, mir ein paar Sachen nachzuschicken, die mir während des Kuraufenthalts fehlten. Ich war zutiefst erschrocken, als die "Betreuerin" unsere Gruppe nach dem Abendessen zusammenrief, meinen Brief vor der gesamten Gruppe verlas und mich dann nach allen Regeln der Kunst verbal eniedrigte. "Verwöhnt" und "undankbar", das waren ihre Kommentare an mich, und ob meine Eltern sich nicht für mich schämen täten.
Als sich dieser Schock gelegt und ich für eine Minute Zeit für mich hatte, mußte ich heulen und wollte nur noch nach Hause.

Zu spät...denn von nun an wurde ich selbst für Nichtigkeiten sofort bestraft, wobei diese Strafen in der Regel psychologischer Natur waren. Das reichte von den ständigen Verbalinjurien über eine Nacht im Betreuerzimmer (die ich mehrmals erleben durfte, wenngleich nicht immer mit dieser Person - trotzdem ein Horror) bis hin zu der Maßnahme, daß ich zukünftig meine Wäsche selbst zu waschen habe...warum auch immer, ich weiß es nicht mehr.
Dankenswerterweise blieben zumindest mir die drastischen physischen Maßnahmen wie Erbrochenens essen und Schläge erspart - möglicherweise war diese Person aber auch nur schlau genug, um keine sicht- und nachweisbaren Spuren zu hinterlassen.

Als ich nach 6 Wochen wieder zuhause ankam, fiel ich meinen Eltern weinend in die Arme. Aber als ich ihnen erzählte, was mir in dieser Zeit widerfahren ist, wollten sie es mir nicht glauben. Teilweise gaben sie mir sogar die Schuld daran...
In den 1990er Jahren hatte ich nach einer Serie von persönlichen Rückschlägen sogar zeitweise den Gedanken gefasst, diese Person aufzuspüren und umzubringen - nur um wenigstens einen Teil meiner negativen Gefühle und Gedanken loswerden zu können.

Dieser "Kuraufenthalt" hat einen wesentlichen Anteil dazu beiigetragen, daß ich zu dem wurde, was ich heute bin - schwer depressiv, schwer gestört und nur noch in eingeschränktem Maß empfindungsfähig.
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C. Rudolph schrieb am 11.09.2019
Ich bin Jahrgang 1950. Meine erste "Kur" war in Immendingen mit 4 Jahren. Mit 6 ging's nach Steimel im Westerwald, mit 7 nach Bad Nauheim, mit 9 und 11 nach Lindenberg/Allgäu und mit 15 nach Mittenwald. Es wurde schon alles mehrfach geschrieben: Vom Fraß, Erbrechen, still auf einer Seite liegen, Post wurde laut vorgelesen, bei Krankheit tagelang ganz alleine in einem Raum ... Meine Schwester erzählte ihrem Mann, dass ich die Verwöhnteste in der Familie sei. Durfte immer in Urlaub. Dabei habe ich den Kopf und meine Seele für meine Geschwister hingehalten.
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Gabriele H. schrieb am 11.09.2019
Mein Name ist Gabriele. Ich wurde 1966 vor meiner Einschulung ins Oldenburger Kinderheim auf Wangerooge „verschickt“. Ich war ein sehr zierliches Kind und angeblich für die Schule nicht „schwer“ genug. Eigentlich dachte ich, dass ich all das Erlebte in den vielen Jahren aufgearbeitet und verarbeitet habe.
Als ich am 10. September 2019 zufällig den Bericht im Report Mainz auf ARD gesehen habe, liefen mir sofort wieder die Tränen über meine Wangen. Die Seele hat nicht vergessen! Viele Erzählungen, treffen auch auf mich zu. Es war für mich auch die schlimmste Erfahrung in meinem Leben. Viele psychische Probleme führe ich zurück auf das Erlebte. Hier ein paar Dinge, an die ich mich heute noch erinnern kann.
Bei der Ankunft wurde eine große Schüssel rumgereicht. Hier mussten wir alle Süßigkeiten hineingeben. Unsere Koffer wurden nach dem ausräumen auf den Dachboden gebracht. Die Koffer wurden alle durchsucht. Wurden noch Süßigkeiten gefunden, sind sie verschwunden. Es gab keine Privatsphäre.

Jeden Morgen, vor dem Frühstück mussten wir einen langen Gang entlang in einen dunklen Keller gehen. Dort angekommen, standen wir splitternackt in einer Reihe und wurden dann einzeln mit einem kalten Wasserstrahl abgespritzt.Es war demütigend.

Das Essen: Zum Frühstück gab es immer einen Teller Milchsuppe und 4 halbe Brötchen. Das musste gegessen werden. Ich hasste Milchsuppe. Hatte aber auch davon gehört, dass Erbrochenes wieder gegessen werden musste. Aus Angst habe dann immer morgens die heiße Suppe ganz schnell gegessen, bevor sie anfing dick zu werden. Denn dann hätte ich mich bestimmt übergeben. Mein Nachbarin konnte gut essen. Ihr gab ich öfter einen Teil meiner Brötchen, da ich diese Menge nicht essen konnte. (Natürlich heimlich mit Zeichensprache). Außerdem erinnere ich mich, dass bei all den vielen Kindern ein Mädchen anwesend war, die abnehmen musste. Alle anderen Kinder wurden „gemästet“. Regelmäßig ging es auf die Waage. (Heute noch verfolgt mich dieser Wiege-Wahn und ein gestörtes Essverhalten sind sicher eine Folge dieses Aufenthaltes.)

Post: Die Briefe die ich geschrieben habe, sind nie zu Hause angekommen. Ich war krank vor Heimweh. War noch nie alleine von zu Hause weg. Ich weinte sehr, sehr viel. Briefe von Zuhause wurden zensiert. Telefonieren durfte man nur in Gegenwart einer „Tante“. Es wurde genau darauf geachtet, dass nichts Negatives erzählt wurde.
Nachts: Dieses Erlebnis hat ganz viel in mir zerstört. Eines Nachts musste ich zur Toilette. Ich schlich mich im Dunkeln in den Raum. Die Toilette war schon „voll“. Ich ekelte mich und wollte ziehen. Das Wasser war abgestellt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Der Druck auf den Darm war aber so schlimm, dass ich ebenfalls darauf machte. Mein schlechtes Gewissen hat mich krank gemacht. Am nächsten Morgen schrie eine der „Tanten“ wer denn diese Schweinerei gemacht habe“. Ich habe mich nicht getraut etwas zu sagen. Hatte wahnsinnige Angst. Kann mich nicht mehr erinnern, wie es ausgegangen ist.
Auch ich bin froh, dass ich nicht alleine solch böse Erinnerungen habe und dass es jetzt an die Öffentlichkeit kommt. Vor einigen Jahren gab es über dieses Heim im Netz noch ein Forum, doch irgendwann war nichts mehr zu finden. Nur noch alte Postkarten erinnern daran. Sie zeigen genau meine Erinnerung.
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Helga Hadler schrieb am 11.09.2019
Finde meine Erlebnisse in vielen Berichten wieder und wiederhole darum nicht. Bin schon lange auf der Suche nach dem Heim, in das ich 1957 von Oldenburg aus geschickt wurde. Eine ewig lange Zugfahrt in eine bergige Gegend erinnere ich (Bayern?)ich war noch vor der Schule verschickt worden mit 6 Jahren. Es gibt ein Gruppenfoto was ich gerne schicken kann. Gibt es Möglichkeiten, dieses Heim ausfindig zu machen? Mir würde es sehr helfen. Als meine Mutter noch lebte, fragte ich sie einmal danach und sie brach nur in Tränen aus... So fragte ich nie wieder. Ich glaube, ein Wiedersehen mit der Landschaft um dieses Heim würde heilende Wirkung haben. Vielen Dank für Ihre Recherchen und die Möglichkeit, dieses Forum zu nutzen.
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Brigga schrieb am 11.09.2019
Kleiner Nachtrag zu meinem Post von gestern: Bin sehr überrascht... das Gänze hat mich doch sehr aufgewühlt, sehr schlecht geschlafen. Plötzlich kommen viele Erinnerungen und Gefühle hoch. Wohl doch nicht so spurlos an mir vorübergegangen, sondern gut verdrängt. Ich ahnen, dass da Einiges im Arten liegt, was mir heute zu schaffen macht. Mein Glück war wohl, dass ich schon älter war und mich besser aus der Affäre ziehen konnte als kleinere Kinder. Dennoch spüre ich, das es damals einen Grundstein für Angst und Vertrauensbruch gegeben haben muss.
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Christa Krumm schrieb am 11.09.2019
1959 wurde ich (Jahrgang 1950) in ein Kindererholungsheim an der Ostsee geschickt.
Wo? ich kann mich nicht mehr erinnern...hatte es verdrängt ...bis gestern, als ich den Bericht gesehen habe....auch ziemlich erfolgreich.

Nun ist alles wieder zurück in der Erinnerung.

Die Erniedrigungen vielfältiger Art.
Auch ich musste Erbrochenes wieder und wieder essen, bis der Teller leer war.

Danach durfte ich meinen Mittagsschlaf im Stehen absolvieren. Ich sehe noch heute eine Postkarte meiner Mutter auf meinem Bett liegen, die vor meinen Augen zerrissen und weggeschmissen wurde, ohne dass ich sie lesen durfte.

Wir durften auch nur zu vorgegebenen Zeiten zur Toilette. Natürlich nur unter Aufsicht, d.h. alle sahen allen zu. Die "Tanten" machten sich über alles lustig, was mir höchstpeinlich war. Als ich einmal nicht anhalten konnte und meine Unterhose naß geworden war, wurde diese, unter lautem Gelächter und fiesen Beschimpfungen mir gegenüber, "weitergeworfen", von einer zur anderen "Tante" .

Gerade jetzt, wo ich dieses alles schreibe, wird mir übel und ich werde unendlich wütend und traurig über diese Quälereien, die irgendwo in mir tief eingegraben bis gestern geschlummert haben. Ich denke, es ist an der Zeit, endlich auch diese Themen aufzugreifen und öffentlich zu machen, damit Heilung in unseren Seelen stattfinden kann. Ich bin nicht alleine betroffen, sondern so viel mehr andere "Ehemalige". Das tröstet und macht Mut, endlich darüber zu sprechen.

Danke für diese Möglichkeit!
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Angelika Gelbke schrieb am 11.09.2019
Hallo guten Tag,
Soeben habe ich im „Report“ die Reportage über die Verschickungsheime gesehen. Ich war erschüttert und hatte gleichzeitig ein Dejavue!!!
Auch ich war in Kindertagen verschickt in einem Kinderheim in Wyk auf Föhr. Ich weis nicht mehr in welchem Jahr es war; ich kann mich nur noch erinnern, dass ich immer schreckliches Heimweh hatte und nachts viel weinte.
Einmal habe ich eine Postkarte nach Hause geschickt, in der ich schrieb, dass es hier sehr „widisch“ sei .... es mir aber gefalle und ich genug zu Essen bekäme. Diese Karte haben meine Eltern sehr lange aufbewahrt; leider gibt es die Karte heute nicht mehr.

Was ich schrieb war gelogen denn auch ich musste, weil ich beim Schwatzen erwischt wurde, mit einem großen Pflaster auf dem Mund stundenlang in einer Ecke stehen, ich glaube mich zu erinnern, dass dies mehrmals der Fall war.
Das schlimmste aber war, dass ich mein Essen immer aufessen musste - auch das Erbrochene - bis mein Teller leer war. Ich erinnere mich noch genau:wir saßen alle an einem großen langen Tisch .... es gab eine Suppe aus Kakao oder ähnliches, es schmeckte mir überhaupt nicht und ich wollte nicht aufessen; da ich meinem Teller leer essen sollte, erbrach ich und musste nun auch mein Erbrochenes essen, bis mein Teller aufgegessen war!!! Ich durfte nicht vorher aufstehen und habe dann später ganz alleine am Tisch gesessen. Ich habe aber nie am Tisch geweint!!!!
Es war schrecklich !!!
Das sind meine Erinnerungen an Wyk auf Föhr, das erzähle ich noch heute, wenn über Wyk auf Föhr gesprochen wird. Aber so richtig glaubt niemand was ich erzähle.
Nun habe ich Reportage im TV gesehen und weis, dass es auch Anderen genauso erging.
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Wilhelm schrieb am 11.09.2019
Meine Erfahrungen musste ich 1968 im "Kinderheim Tüskendör" auf Borkum machen ...
Wurde während des Aufenthalts zwölf Jahre (jung), und kann einige der im TV-Beitrag gemachten Schikanen nicht nur bestätigen, ich könnte sie auch einige mehr ergänzen ...
Ob es hier wohl "Leidensgenossen" aus besagter Zeit gibt ???
Liebe Grüße -carpe diem-
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Manni schrieb am 11.09.2019
Hallo, alle Betroffenen,
Ich war in den Sommerferien im Alter von 10 Jahren (3. Klasse) 1963 für 6 Wochen im Kinderheim in Wyk auf Föhr.
Meine Eltern hatte mich dort hin verschicken lassen, weil ich in ihren Augen ein schlechter Esser war. Ich sehr schlank.
Seit einiger zeit verfolge ich die Geschehnisse im Internet und habe mit Erschütterung gestern abend (10.09.2019) den 'Report aus Mainz' gesehen.
Meine einizige Erinnerungen sind, dass ein Kind Manschetten über die Ellenbogen bekam, dass es sich nicht kratzen konnte, es hatte Windpocken.

Mittags, nach dem Essen, mussten wir mucks mäuschen still, für ca. 2 Std. auf Liegen auf der großen Terrasse ausharren, damit das Essen ansetzen konnte..

Ich hatte nur unbändiges Heimweh und hatte meinen Eltern eine (Post/Ansichts) Karte geschickt (schicken wollen), mit der Bitte, mich ab zuholen. Natürlich ist diese Karte niiiiie angekommen. Später wusste ich dann warum. Möglicherweise wollte 'die' meine Eltern nicht beunruhigen.

Eine allgemeine Strenge herrschte schon.

Mit ca. 6 Jahren, vor der Einschulung, war in einem ähnlichen Kinderheim in Freudenstadt im Schwarzwald.
Hier ging es sehr streng zu:
Ich musste Abend's mal auf die Toilette, durfte ich aber nicht, so machte ich mein großes Geschäft in die Schlafanzughose und musste damit über die Gänge laufen.
Weil ich ja immer noch ein schlechter Esser war, mussten die Teller immer leer gemacht werden, so auch der Teller mit Milchsuppe, die ich zum ..... nicht mochte. Zu allem Überfluss, machte ein älteres Kind den Dreck unter seinen Fingernägeln in meine Suppe. Als das 'gepetzt' habe, musste ich die Suppe trotz dem auf essen.
Es gab keine Gnade und kein Entrinnen.
Gruß Manni
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Imke schrieb am 11.09.2019
Ich war in den 70er Jahren 2x zur Kinderkur in Bad Kissingen.
Ich war zu dick und der Kinderarzt meinte, es sei eine gute Idee.
Für mich war es einfach nur ein Alptraum. Beim ersten Mal war ich 5 und meine Schwester durfte mit, allerdings konnte sie nach kurzer Zeit zu den Normalessern am Nebentisch und während wir z.b. Grahambrot mit Hüttenkäse oder zerkochte Tomaten mit Wasserreis (kein Salz, keine Kräuter oder Gewürze) bekamen, durften die anderen alles essen.
Ich esse noch heute keinesfalls puren Reis, gekochte Tomaten, etc.

Ich hatte damals so Heimweh, dass ich mit Bindehautentzündung auf die Krankenstation kam, jeden Morgen waren meine Augen dick verkrustet vom vielen Heulen.
Wir Abnehmkinder bunkerten sogar Bastelnudeln und weichten sie im kalten Wasser etwas ein, weil wir einfach zu wenig zum essen bekamen.
Meine Mutter war zu dieser Zeit extra auch in Bad Kissingen zur Kur, jedoch durfte ich sie nicht sehen, nicht mit ihr sprechen. Auch nicht, als wir sie zufällig trafen im Kurpark. Zerstörend, ich begriff gar nicht, was das sollte.

Viele Jahre später, das Schicksal spielt komische Spielchen, begegnete mir in meinem Heimatdorf in Friesland eine Erzieherin von damals. Ich erkannte sie sofort und vor Schock wechselte ich die Straßenseite.
Jedoch konnte ich der Begegnung nicht gänzlich ausweichen, sie wurde als Erzieherin am Kindergarten meiner Tochter eingestellt!? :-/ einfach schlimm für mich.
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Angelika Gelbke schrieb am 11.09.2019
Hallo guten Tag Frau Röhl,
Gestern habe ich im „Report“ die Reportage über die Verschickungsheime gesehen. Ich war erschüttert und hatte gleichzeitig ein Dejavue!!!
Auch ich war in Kindertagen verschickt in einem Kinderheim in Wyk auf Föhr. Ich weis nicht mehr in welchem Jahr es war; ich kann mich nur noch erinnern, dass ich immer schreckliches Heimweh hatte und nachts viel weinte.
Einmal habe ich eine Postkarte nach Hause geschickt, in der ich schrieb, dass es hier sehr „widisch“ sei .... es mir aber gefalle und ich genug zu Essen bekäme. Diese Karte haben meine Eltern sehr lange aufbewahrt; leider gibt es die Karte heute nicht mehr.

Was ich schrieb war gelogen denn auch ich musste, weil ich beim Schwatzen erwischt wurde, mit einem großen Pflaster auf dem Mund stundenlang in einer Ecke stehen, ich glaube mich zu erinnern, dass dies mehrmals der Fall war.
Das schlimmste aber war, dass ich mein Essen immer aufessen musste - auch das Erbrochene - bis mein Teller leer war. Ich erinnere mich noch genau:wir saßen alle an einem großen langen Tisch .... es gab eine Suppe aus Kakao oder ähnliches, es schmeckte mir überhaupt nicht und ich wollte nicht aufessen; da ich meinem Teller leer essen sollte, erbrach ich und musste nun auch mein Erbrochenes essen, bis mein Teller aufgegessen war!!! Ich durfte nicht vorher aufstehen und habe dann später ganz alleine am Tisch gesessen. Ich habe aber nie am Tisch geweint!!!!
Es war schrecklich !!!
Das sind meine Erinnerungen an Wyk auf Föhr, das erzähle ich noch heute, wenn über Wyk auf Föhr gesprochen wird. Aber so richtig glaubt niemand was ich erzähle.
Nun habe ich Reportage im TV gesehen und weis, dass es auch Anderen genauso erging.
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Angelika Gelbke schrieb am 11.09.2019
Hallo guten Tag,
Soeben habe ich im „Report“ die Reportage über die Verschickungsheime gesehen. Ich war erschüttert und hatte gleichzeitig ein Dejavue!!!
Auch ich war in Kindertagen verschickt in einem Kinderheim in Wyk auf Föhr. Ich weis nicht mehr in welchem Jahr es war; ich kann mich nur noch erinnern, dass ich immer schreckliches Heimweh hatte und nachts viel weinte.
Einmal habe ich eine Postkarte nach Hause geschickt, in der ich schrieb, dass es hier sehr „widisch“ sei .... es mir aber gefalle und ich genug zu Essen bekäme. Diese Karte haben meine Eltern sehr lange aufbewahrt; leider gibt es die Karte heute nicht mehr.

Was ich schrieb war gelogen denn auch ich musste, weil ich beim Schwatzen erwischt wurde, mit einem großen Pflaster auf dem Mund stundenlang in einer Ecke stehen, ich glaube mich zu erinnern, dass dies mehrmals der Fall war.
Das schlimmste aber war, dass ich mein Essen immer aufessen musste - auch das Erbrochene - bis mein Teller leer war. Ich erinnere mich noch genau:wir saßen alle an einem großen langen Tisch .... es gab eine Suppe aus Kakao oder ähnliches, es schmeckte mir überhaupt nicht und ich wollte nicht aufessen; da ich meinem Teller leer essen sollte, erbrach ich und musste nun auch mein Erbrochenes essen, bis mein Teller aufgegessen war!!! Ich durfte nicht vorher aufstehen und habe dann später ganz alleine am Tisch gesessen. Ich habe aber nie am Tisch geweint!!!!
Es war schrecklich !!!
Das sind meine Erinnerungen an Wyk auf Föhr, das erzähle ich noch heute, wenn über Wyk auf Föhr gesprochen wird. Aber so richtig glaubt niemand was ich erzähle.
Nun habe ich Reportage im TV gesehen und weis, dass es auch Anderen genauso erging
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Kristina schrieb am 11.09.2019
Als fünfjähriges Kind bin ich 1972 wegen chronischer Bronchitis und Unterernährung in Scheidegg gewesen. Ich erinnere mich z.B. noch an die riesigen Brotscheiben mit Butter und Schmelzkäse, die ich in mich hineinzwingen musste. Wir durften erst aufstehen, wenn der Teller leer war. Das Mädchen neben mir hat sich fast jeden Tag erbrochen und musste vor ihrem Teller sitzen bleiben, während ich meinen Teller leeren musste. Bis heute muss ich würgen, wenn ich Schmelzkäse rieche. Nachts durften wir nicht zur Toilette. Wer auf dem Gang erwischt wurde, musste die Nacht auf einem Treppenabsatz verbringen. Wer einnässte, wurde vor den anderen Kindern im Schlafsaal erniedrigt. Die Fingernägel wurden so kurz geschnitten, dass das Nagelbett schmerzte. Nach dem Duschen in der Gemeinschaftsdusche mussten wir uns in einer Reihe aufstellen und wurden mit kaltem Wasser abgespritzt.
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Wenzlaff schrieb am 11.09.2019
absolut richtig,ich war mit 13J. in Dausenau,also 1969,
wir hatten sogenannte Schwestern, nicht Tanten,die großen mussten die Kleinen waschen und anziehen,die Geschichten im Speisesaal stimmen,mussten unsere damals langen Haare mit kaltem Wasser waschen, so dass alle krank waren, alle mussten die gleiche Medizin schlucken, Briefe nach Hause wurden kontroliert, so dass wir sie rausgeschmuckelt haben, jeder, auch Übergewichtige mussten zunehmen, für jede 100Gramm gab es Süßigkeiten, habe aber keine bekommen, weil ich nicht zugenommen habe, aus heutiger Sicht undenkbar,aber hatte das Glück, einige nette Gleichaltrige zu finden, so dass die schlimmen Wochen zu überstehn waren. Mitgenommen in die heutige Zeit habe ich diese Erlebnisse nicht, und wünsche allen, dass sie es überwinden können!
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Susanne Nießen schrieb am 11.09.2019
Mir geht es so wie vielen...nach der Reportsendung kam alles wieder hoch. Ich war über die DAK 1967 für 6 Wochen in Verschickung im "Kindererholungsheim Auracher Wies" in Hammer bei Fischbachau bei Tante und Onkel Trixl, Onkel Hermann und Tante Friedel.Ich war zu dünn und sollte aufgepäppelt werden.Meine Eltern setzten mich im Alter von 8 Jahren mit einem Namensschild in Köln in den Zug mit einem Koffer voller gekennzeichneter Kleidung. Es sollten die schlimmsten 6 Wochen in meinem jungen Leben werden.Die meisten Dinge habe ich wohl verdrängt und mein Herz und meinen Verstand davor verschlossen.Aber ich hatte Angst, Scham, Beklemmungen,fühlte mich hilflos, ohnmächtig und furchtbar einsam. Ich hatte sogar den Plan, aus dem "Gefängnis" auszubrechen und nach München zu laufen, wo eine Freundin meiner Eltern lebte, aber keine Chance. Furchtbar war auch für mich die Essenssituation: wir mussten eine Milch-Mehlsuppe mit viel Fett und Marmeladenbrot zum Frühstück aufessen, und so lange schweigend sitzen bleiben, bis alles leer war.Viele haben erbrochen. Meine Tischnachbarin gab mir den Tip, zu fragen ob ich "austreten darf"um mir dann auf Toilette den Finger in den Hals zu stecken, zu erbrechen um dann weiteressen zu können. Grausam und entwürdigend war auch das Duschen jeden 2. Tag: im kalten Keller wurden alle nackt hintereinander mit kaltem Wasser abgespritzt und dann abgebürstet. Wir mussten jeden Tag 2 Stunden Mittagsschlaf unter Aufsicht machen, hatten dann sowie nachts Toilettenverbot, was dazu führte, dass viele Kinder ins Bett machten und unter hämischem Vorführen der Erzieher alles reinigen mussten. Briefe nach Hause wurden natürlich zensiert und /oder diktiert und immer von Tante Trixl mit einem Gruß an die Eltern versehen. Wir wurden so angehalten zu lügen. So schreib ich zum Beispiel" Heute Morgen worden wir wieder Geducht. Es war schön Warm." Eine schöne Erinnerung hatte ich: abends wurde gesungen, z.B. "kein schöner Land". Heute finde ich das Lied schrecklich!!! Als ich wieder zu Hause war, habe ich meine Eltern nichts erzählt, ich konnte das alles nicht einordnen und als ich es später als junge Erwachsene meinem Vater erzählt habe, äußerte er Zweifel an meinen Erinnerungen. Es ist gut zu erfahren, dass es auch andere Menschen mit ähnlichen Erfahrungen gibt. Ich habe immer gedacht, es hätte an mir gelegen. Danke, dass jetzt darüber berichtet wird, das hilft mir bei der Verarbeitung.
Mich würde interessieren, ob es noch andere gibt, die im Auracher Wies waren.
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Angelika Witzorky schrieb am 11.09.2019
Sehr geehrte Frau Röhl,

mit Betroffenheit habe ich am 10.09.19 durch Zufall den Bericht in Report Mainz über die Verschickungsheime gesehen.

Vieles von dem Beitrag kam mir so bekannt vor......
Ich dachte immer, mein Erlebtes sei ein Einzelfall und war jetzt sehr schockiert, dass es vielen anderen Kindern ebenso ergangen ist.

Auch ich war in einem solchen Heim, ich war sechs Jahre alt und habe dort sechs Wochen lang nur geweint. Ich bin 1969 geboren. Ich weiß noch, dass das Heim in Hirsau war Und von Nonnen geführt wurde. Wie ich jetzt über das Internet herausgefunden habe, war es wohl das Caritas Kindererholungsheim Hirsau, Calw, Baden Württemberg, Wildbader Straße 20.

Meine Eltern haben mich immer gefragt möchtest du denn dahin? Und ich hab gesagt ja. Ich glaube, ich hatte keine Vorstellung, wie lang sechs Wochen sind alleine.

Ich war als Kind sehr dünn. Vielleicht war das eine Begründung, dass ich dahin sollte, ich weiß es nicht.

Meine Mutter war auch sehr krank (Rheuma) und wir waren vier Kinder, wahrscheinlich war das auch ein Grund, dass wir dann alleine zur Kur gefahren sind.

Als besonders traumatisch habe ich folgende Dinge erlebt:

Ich weiß noch als wir ankamen, alle Kinder waren in einem großen Raum und fast alle haben nur geweint vor Heimweh.

Es gab keinerlei Privatsphäre. Von allen Kindern wurden die Koffer in einer Reihe aufgestellt. Es wurde immer ein Koffer geöffnet und alle Kinder, die ungefähr die gleiche Größe hatten, haben dann aus diesem Koffer die Sachen angezogen bekommen. Bis alles getragen war aus diesem Koffer, dann wurde der nächste Koffer geöffnet . Ich erinnere mich noch genau, dass meine Mutter in jedes Kleidungsstück kleine Aufnäher mit meinen Initialen genäht hat, Das war Pflicht bei jedem Kind, so konnten sie die Sachen auseinanderhalten. Ich fand das ganz schrecklich, dass andere Kinder meine Sachen an hatten, und ich fremde Sachen anziehen musste.
Ich hieß Angelika Sch., und meine Mutter hat A. SCH. in jedes Kleidungsstück genäht. Darüber haben sich natürlich alle lustig gemacht..... Arsch..... Das war mein Spitzname fortan. Und niemand hat sich darum gekümmert.

Es gab sehr wenig zu trinken, wir hatten ständig Durst. Nach langen Wanderungen mussten wir uns in einer Schlange aufstellen und es gab pro Kind nur eine kleine Tasse zu trinken.

Auch beim Essen gab es nichts zu trinken. Weil wir alle noch Durst hatten, stürmten wir alle zur Toilette um aus dem Wasserhahn zu trinken.
Nach einiger Zeit standen aber auch da dann Aufpasser und verboten uns dieses.

Gebadet wurde einmal die Woche in einem Waschraum /Badezimmer. Wir mussten uns nackt in einer Reihe aufstellen und man wurde in eine Wanne gesetzt und mit einem Schlauch abgespritzt. Ich erinnere mich noch, dass wir alle sehr gefroren haben.

Nachts durften wir nicht zur Toilette, in der Mitte des Raumes stand ein Topf, auf dem man sein kleines Geschäft erledigen sollte.

Nur in Ausnahmefällen durfte man nachts zur Toilette um sein großes Geschäft zu erledigen. Dabei musste man die Tür auflassen und eine Aufpasserin stand direkt davor und hat einen beobachtet.

Wir haben alle gelernt, den Urin so lange wie möglich anzuhalten, damit wir nicht vor allen anderen auf dieses Töpfchen gehen mussten. denn wenn man auf diesem Topf war, haben sich alle lustig gemacht, es waren ich weiß nicht wie viele Kinder in dem Schlafraum. Wir waren Jungen und Mädchen gemischt, Alter von 2 – 15 Jahren.

Das mit dem Urin Anhalten ist meiner Mutter danach übrigens extrem aufgefallen.

In den Schlafräumen galt absolutes Redeverbot. Die kleinsten Kinder waren zwei Jahre alt und schliefen im Gitterbett. Ich erinnere mich noch, dass eines dieser kleinen Kinder unsauber war nachts, dieses Kind wurde dann bestraft. Vor allen anderen Kindern wurde das nasse Bettzeug gezeigt und es wurde sich darüber lustig gemacht. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, denn ich erinnere mich kaum noch, glaube aber sogar, dass dieses Kind geschlagen wurde. Oft musste man auch zur Strafe lange in einer Ecke stehen, dabei die Wand ansehen.

Einmal wurde ich verpetzt, weil ich Abends gesprochen hatte, am nächsten Morgen durfte ich nicht aufstehen und das Bett nicht verlassen, nicht mal, um zur Toilette zu gehen. Das war an meinem Geburtstag. Neben mir war noch ein weiteres Kind in seinem Bett, was ganz nötig zur Toilette musste. Groß. Auch dieses Kind durfte nicht zur Toilette. Aus lauter Not hat sich dieses Kind in einem Tempo erleichtert. Ich erinnere mich noch wie heute daran.

Beim Essen musste alles aufgegessen werden und jeder Teller leer gemacht werden. Auch wenn man es nicht mochte. Wenn etwas auf den Boden gefallen war, konnte man sich melden und das schmutzige Essen vom Boden auf Essen. Dafür gab es extra Lob.
Einmal habe ich mich gemeldet und das gemacht, ich kann mich noch an diesen schrecklichen Geschmack wie heute erinnern. Die Äpfel musste man ganz aufessen, bis auf den Stiel, dieser durfte übrig bleiben. Ich erinnere mich noch, dass ich rote Beete gehasst habe, aber Gott sei Dank war ein Mädchen an meinem Tisch, welches sie gerne aß, wir haben dann heimlich getauscht und ich habe etwas gegessen, was sie nicht mochte.

Jeden Mittag mussten wir alle zusammen einen Mittagsschlaf halten. Es durfte wieder nicht gesprochen werden, 2 Stunden lang. Ich erinnere mich noch, dass wir auf Pritschen gelegen haben, mit grauen Decken, Jugendherbergsdecken waren das, ganz kratzig. Ich fand dieses Redeverbot mitten am Tag ganz furchtbar, und müde war ich auch nicht, ich war ja sechs Jahre alt.

Wenn meine Mutter von zu Hause angerufen hatte, stand eine Nonne neben mir und hat aufgepasst, dass ich nichts falsches sage. Wir wurden darauf getrimmt zu sagen, dass es uns gut gefällt. Da ich noch so klein war, konnte ich nicht schreiben. Wir hatten einen Spielraum, in dem auch eine Tante saß und die Karten schrieb. diese Frau war sehr nett, die einzige an die ich mich erinnere, die nett war.

Sie hat die Karten nach Hause geschrieben, aber sie schrieb immer: Alles ist toll, alles ist super.

Einmal war ich im Waschraum. Alleine. Da kamen ältere Kinder oder Aufpasser - ich weiß es nicht mehr, haben den Waschraum abgeschlossen und sie haben mir die Hose herunter gezogen und sich dann über mich lustig gemacht. Ich hatte furchtbare Angst. Die Betreuer und Aufpasser in dem Heim waren Nonnen (Tag und Nacht) und junge Mädchen, die nur tagsüber dort waren.

Ich hatte auch Geburtstag während dieser sechs Wochen. Meine Tante wollte mich besuchen, sie wurde aber nicht herein gelassen nur ihr Paket für mich durfte sie abgeben. Aus diesem ganzen Paket habe ich als Geschenk nur ein einziges Duplo bekommen. Der Rest wurde laut Nonnen unter allen Kindern aufgeteilt, was ich ja nicht mitbekam, da ich den ganzen Tag im Bett bleiben musste.

Ich weiß noch, dass ich schreckliches Heimweh hatte, und mich jede Nacht in den Schlaf geweint habe. Mein einziger Halt war mein Stofftier, eine Katze. Angst und fürchterliches Heimweh haben mich durch diese sechs Wochen begleitet. Mein Bett war direkt neben dem Eingang, es fiel ganz wenig Licht aus dem Flur ins Zimmer und ich fürchtete mich immer sehr in der Dunkelheit und habe meine Katze ganz eng an mich gekuschelt. Noch heute brauche ich nachts Stofftiere neben meinem Körper, um schlafen zu können. Ich habe übrigens danach noch sehr, sehr lange nachts unbewusst am Daumen gelutscht, ich glaube sogar bis zu meinem 13. Lebensjahr. (Als kleines Kind hielt ich mir dabei immer eine kleine Puppenwollmütze unter die Nase, an der ich geschnüffelt habe)

Wir kamen jeden Morgen an einem Kalender vorbei, und da ich noch so klein war, habe ich das Mädchen vor mir immer gefragt: wie lange noch? Und sie hat immer gesagt, wieviel Tage es noch sind, bis es nach Hause geht.

Was mir damals geholfen hat, dass ich zuhause viel über das Erlebte reden durfte und meine Eltern mir geglaubt haben.

Vielen Dank, dass ich das schreiben durfte, vielleicht konnte ich Ihnen etwas weiterhelfen.
Wenn hier jemand mitliest, er auch in besagtem Zeitraum (Juli /August 1976) in Hirsau war, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen.

MfG Angelika Witzorky
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Helga schrieb am 11.09.2019
Ich wurde mit 4 oder 5 Jahren (1965 oder 1966) vom Gesundheitsamt zur Erholung nach Bad Rappenau geschickt und kann mich noch erinnern, als ich weinend im Zug saß und auf dem Bahnsteig meine Angehörigen standen.
Mir ging es ähnlich wie von den anderen Betroffenen bereits im TV-Beitrag und in den Kommentaren geschildert. Man musste immer alles aufessen, auch wenn man erbrochen hatte. und man musste immer Mittagsschlaf in Rückenlage auf Pritschen in einem großen Saal halten. Dies wurde überwacht von einer Aufseherin, die in der Mitte des Saals erhöht saß, um alles zu überblicken. Wenn man sich nur bewegte oder die Augen aufmachte, wurde man angeschrien. Man durfte sich nur gehend in dem Erholungsheim fortbewegen. Ich bin einmal über einen Flur gesprungen und wurde dabei von der Heimleitung gesehen. Diese Frau zwang mich, den Weg nochmals zurückzugehen und diesen erneut gehend zurückzulegen. Wenn ein Kind nachts eingenässt hatte, wurde es morgens von den "Tanten" beschimpft und musste zur Strafe in der Ecke stehen.
Besonders grausam war "Tante Molly". Es handelte sich um mein schlimmstes Erlebnis in meiner Kindheit und ich weiß, dass darin der Ursprung von mich bis heute belastenden Ängsten liegt.
Es wäre interessant, wenn sich noch andere Betroffene melden würden, die einen Zwangsaufenthalt im Erholungsheim in Bad Rappenau hinter sich haben.
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Hildegard schrieb am 11.09.2019
1958 war ich vom 14. Februar bis zum 25. März im Alter von sieben Jahren kurz vor meinem achten Geburtstag in der Asthma-Kinderheilstätte in Bad Reichenhall. Diagnose: asthmatoide Bronchitis (Ärztlicher Schlussbericht vom 25.3.58).

Da ich für mein Alter recht klein war, wurde ich der Gruppe der jüngeren Kinder zugeordnet und nicht derjenigen, die meinem Alter entsprochen hätte. Das kleinste Mädchen dort war zwei oder drei Jahre alt. Soweit ich mich erinnere, haben die Tanten, so nannten wir die Betreuerinnen, die Kleine gut behandelt. – Die anderen Kinder nicht.

Es war furchtbar. Wenn Kinder weinten, weil sie Heimweh hatten, drohte man ihnen. Herr Dr. B. (Chefarzt) hätte gesagt: „Wer weint, muss noch einmal 6 Wochen länger bleiben.“ Die Kur sollte ca. 6 Wochen dauern und 6 Wochen länger wären dann 12 gewesen, eine unvorstellbar lange Zeit für uns ...

Wir sollten alle zunehmen. Zum Essen wurden wir gezwungen. Eine Frau erzählte uns Horrorgeschichten von einem Schlauch in den Magen. Das müssten diejenigen erleiden, die nicht richtig äßen. – Ein Mädchen wurde über einen Stuhl oder Hocker gelegt und eine „Tante“ hatte einen Gong-Schläger in der Hand ... Danach bricht meine Erinnerung ab. Ich glaube, man hat ihr angedroht, sie zu schlagen, damit sie „besser“ isst ...

Bei den Mahlzeiten durfte nicht gesprochen oder gelacht werden. Einmal lächelte ich, ich weiß nicht mehr, warum. Darauf wurde ich des Raumes verwiesen und musste draußen vor der Tür sitzen. – Dort kam eine nette Frau vorbei, die Atemtherapeutin. Diese war eine Ausnahme, sie begegnete mir als Mensch. Sie fragte mich, was ich da draußen mache und wie es mir gehe. Ihr vertraute ich mich an: „Ich will nach Hause und zu meiner Schwester.“ – Die Atemtherapeutin war menschlich, ein Lichtblick in dem ganzen Elend.

Ich hatte ständig Angst, weinen zu müssen. Dies unterdrückte ich mit aller Macht, so lange, bis ich zum Mittagsschlaf oder in der Nacht im Bett lag, damit niemand das Weinen bemerkte. Einmal konnte ich es, als wir zusammen spielten, nicht zurückhalten. Als Entschuldigung gab ich Bauchschmerzen an, denn ich fürchtete die sechswöchige Kurverlängerung. Daraufhin erwiderte eine der Tanten lachend, dann würde ich wohl eine Spritze gegen die Bauchschmerzen kriegen.

Die Getränke, ich glaube, es war Malzkaffee, erhielten wir in weißen Bechern. Diese wurden, nachdem sie ausgetrunken waren, umgestülpt auf den Tisch gestellt. Eines Tages kam eine der Tanten (die, der ich das mit den Bauchschmerzen erzählt hatte) auf mich zu und fragte, ob ich meinen Becher ausgetrunken hätte. Eingeschüchtert und verwirrt antwortete ich: „Ich weiß es nicht.“ Da haute sie mir links und rechts Ohrfeigen. Sie hätte sich ihre weiße Schürze mit den Getränkeresten vollgegossen, weil nicht alles ausgetrunken gewesen wäre ...

Es gäbe noch mehr zu berichten. Aber ich will es dabei belassen. Insgesamt war die Atmosphäre geprägt von Empathielosigkeit und menschlicher Kälte. Es herrschte ein Klima der Angst.

Als ich wieder zu Hause war, schämte ich mich für das, was ich erlebt hatte. Ich traute mich nicht, mit irgendjemandem darüber zu sprechen.
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Andreas schrieb am 11.09.2019
Es kommen nun auch noch weitere Erlebnisse hoch.

Die Schlafsäle: locker 20 Feldbetten mit den grauen Decken. Es saß immer eine "Schwester"/Nonne auf einem Stuhl, ein Buch lesend und unter einer blendenden Lampe. Die Atmosphäre kalt. Auch bei uns waren vom Verhalten auffällige Sonderbehandlungen unterzogen. Bettnässer bekamen ab Nachmittags nichts mehr zu trinken, Daumenlutscher wurden die Hände ans Bett geschnallt.

Die Solaraerosol"Behandlungen" gab es bei uns ebenfalls. Diese schwarzen Brillen, die genau wie die heutigen Schwimmbrillen aussahen, dieser chemisch riechende Dampf von der Decke.

Ich zog mir dort eine Mittelohrentzündung zu und ohne mich darauf vorzubereiten kam ich zum dortigen Doktor, der mit einer übergroßen Spritze (zum Spülen) hämisch grinsend rumfuchtelte. Ich hatte Angst und wurde dann von drei Erwachsenen lachend und drohend fixiert auf den Behandlungstisch gedrückt, damit der dann die Spülung vornehmen konnte.

In Zweierreihen wandern, immer still und stumm. Gespräche waren nie erwünscht.

Zensierte Post - bzw. es wurde vorgelesen und danach weggeworfen.

Das bleiernde Gefühl von schuldig sein - für was auch immer.

Ungesüsster Haferschleim zum Frühstück. Nicht mit Milch.. mit Wasser. Jedoch aß ich von dem eher mehr, weil mir das Mittagessen immer graute.

Und noch einmal, vielen Dank Anja. Es ist befreiend, das hier schreiben zu dürfen und mich haut es echt um, wie vielen es genauso ging.

Wie lange habe ich sogar daran gezweifelt, das überhaupt erlebt zu haben.

Jetzt wird doch nochmal im Nachhinein klar, warum sich mein Leben so entwickelte, warum die rohe Gewalt in meinem Elternhaus mir nochmal extra zusetzte und weshalb ich mich als 9jähriger das erste Mal erhängen wollte, es dann doch nicht tat, weil das Seil so kratzte und ich es doch mit der Angst bekam.

Es ist so schlimm, wenn in einer so wichtigen Zeit Kinder in solche Horrorstreifen verwickelt werden, hochgradig traumatisiert im späteren Leben an Depressionen erkranken und solche Situationen die Ursache waren.

Ich als Betroffener bekomme das alles nicht mehr weg. Was passiert ist, ist passiert. Es ist nur so unglaublich unfair, sich dann auch noch gegen Stigmatisierung zur Wehr setzen zu müssen, weil der Rest der Welt das nicht zu verstehen scheint und mit einem "Naja, reiß Dich mal zusammen" salopp antwortet.

Ich hoffe, es melden sich noch mehr.
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Irene Grimm schrieb am 11.09.2019
Heute bin ich nach einem Bericht bei Report Mainz auf diese Seite aufmerksam geworden. 1962 in Leipzig geboren gehöre ich nicht zu den sog. "Verschickungskindern", aber auch in der DDR gab es solche Kureinrichtungen. Bis heute dachte ich, dass ich mich falsch erinnere, da ich nur Rudimente erinnere. Im Oktober 1967 war ich mit 5 Jahren für 6 Wochen in Bad Salzelmen, heute Sachsen-Anhalt, zur Kur, da ich häufig an Bronchitis litt. Noch im Alter von 25 Jahren hatte ich Alpträume. Ich erinnere mich an das Gefühl totalen Verlassenseins, nur eine der "Erzieherinnen" hat etwas Freundlichkeit ausgestrahlt, sie war schon älter. Die anderen waren sehr streng und distanziert. Wenn es die Erzieherinnen für sinnvoll hielten, wurden wir auch geschlagen. Geschlafen wurde in großen Sälen. Wir mussten in großen Räumen duschen, an der Decke hingen im Rechteck viele Duschköpfe und es war überall Dampf und Wasser. Ich hatte Angst, habe mich am Türrahmen festgeklammert und wurde mit Gewalt in den Raum gezerrt. Beängstigend waren Spaziergänge entlang der Gradierwand, von der ich erst seit einem Besuch in Bad Salzelmen weiß, davor hielt ich das Bauwerk aus meiner Erinnerung für Ruinen von Wohnhäusern. Ich erinnere mich noch an einen Tag, an dem ich krank war. Es gab eine separate Krankenstation in einem anderen Gebäude als die Gruppenräume. In dieser Nacht wurde ich ganz allein in dem Gebäude gelassen. Als ich zur Toilette musste, suchte ich in dem Gebäude nach den Sanitärräumen. Ich habe geweint, ich war allein und habe mich gefürchtet. Am Ende des Aufenthaltes gab es ein Gruppenfoto, das ich noch besitze. Es zeigt außer mir 14 Kinder und die einzige freundliche Erzieherin, ich denke, sie hieß Frau Klose.
Darüber hinaus habe ich nur sehr verschwommene Erinnerungen, die immer mit Angst verbunden sind.
Nach meiner Rückkehr nach Hause stellten meine Mutter und meine Großeltern fest, dass ich mich verändert hatte. Ich wollte mich nicht berühren lassen, lehnte körperliche Nähe ab. Einen weiteren Kuraufenthalt lehnten sie zu meinem Glück ab.
Bis heute nahm ich an, dass es niemanden gibt, der ähnliche Erinnerungen hat wie ich. Außerdem dachte ich an, dass ich meine kindlichen Eindrücke überzeichne und zu viel hinein interpretiere. Allerdings hat das Erlebnis mein Leben nicht unwesentlich geprägt, nicht nur wegen der lang anhaltenden Alpträume. Manchmal braucht es offenbar über 50 Jahre, um zu sehen, dass auch andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Mitte der 90er Jahre habe ich Bad Salzelmen besucht. Vieles erkannte ich wieder, Beängstigendes war in meiner Erinnerung viel größer als in der Realität, was vermutlich auch an meiner damals geringen Körpergröße lag.
Falls es jemanden gibt, der die Kinderkureinrichtung in Bad Salzelmen kennt und auch in den 60ern dort war, wäre es schön, hier von deren Eindrücken zu lesen.
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Andreas schrieb am 11.09.2019
Ich bin 64er Jahrgang, wurde zweimal in ein christliches ehemaliges Sanatorium verschickt. Irgendwo in Passau.

Meine Erinnerungen sind lückenhaft, diese dann aber tiefsitzend und heute noch Teil meiner Traumatherapie. Zusammengefasst erlebte ich als kleiner Junge Erniedrigungen, Trostlosigkeit, Bestrafung für gezeigte Emotionen, Demütigungen, Ohnmacht und Hilflosigkeit

Durch das bisher Gelesene kamen meine Erinnerungen wieder als Bilder hervor. Erbrochenes aufessen zum Beispiel.

Es gab zum Mittag grundsätzlich Speisen, die bei Kindern unbeliebt waren. Kopfsülze, Leber, Nieren. Es musste grundsätzlich alles aufgegessen werden.

Wenn sich ein Kind erbrach, endete es in einem Steppenbrand, so dass sich dann die meisten ebenfalls übergaben. Jeder, der sein Erbrochenes nicht wieder aufaß, galt als Krank und musste im Bett liegen, mit Bettpfanne und UrinEnte. Diese mussten selbst gesäubert werden. Wer sich dabei ebenfalls wieder übergab, musste dann die Bettpfannen der anderen Kinder mit säubern.

Bei einer Verschickung hatte mir meine Großmutter ein Paket geschickt. Dieses wurde von den Nonnen vor den zusammen getrommelten Kindern aufgerissen, mir warf man den leeren Karton zu und meinte, "es ist doch toll, wenn man teilen kann".

Ich war zu dieser Zeit 5 oder 6.

Das Schlimmste war, dass das Erlebte derart heftig war, das mir das "zuhause" niemand glaubte.

Es trug sehr zu meiner negativen Entwicklung bei, die ich heute immer noch aufarbeite.

Vielen Dank Anja, für diese Plattform und Dein Engagement zu diesem Thema.

Man kann nur erahnen, wievielen Kindern es so erging. Es waren geburtenstarke Jahrgänge und die Züge mit Verschickungskindern waren immer voll!

Diese Menschen arbeiten heute noch diese Traumata auf oder sitzen unwissend auf einem Pulverfass.
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Ute B. schrieb am 10.09.2019
Die heutige Fernseh-Sendung "Report Mainz" hat mich plötzlich und völlig unerwartet an meine Verschickung erinnert. Einige Einzelheiten habe ich schon ab und zu mal erzählt aber erst heute ist mir so richtig bewusst geworden, wie schrecklich vieles dort Erlebte war.
Ich wurde mit 9 Jahren kurz vor dem Wechsel zur Realschule nach Borkum verschickt. Mein Lehrer meinte mir etwas Gutes zu tun und setzte sich sehr dafür ein, dass ich für sechs Wochen auf die Insel durfte. Es war Januar/Februar 1964 und meistens kalt und stürmisch. Geplant war, dass ich ins Haus Ruheck sollte. Dann sollte eine Klassenkameradin auch nach Borkum und wir wollten gern ins gleiche Heim. Bei mir war kein Platz mehr frei aber bei ihr im Haus Marienhof (von Nonnen geführt). Also wurde ich kurzerhand dorthin geschickt. Während des Aufenthalts auf Borkum habe ich das immer wieder bereut, denn immer wenn wir Ruheck-Kindern begegneten, waren sie sehr fröhlich, durften durcheinander laufen, Jungen und Mädchen...... während wir -nur Mädchen- artig in Zweierreihen marschieren mussten. Ich erinnere mich an Mädchen, die Läuse hatten und denen die Haare geschoren wurden, an ungenießbares Essen.... an ekligen verbrannten Grünkohl, vor dem ich stundenlang sitzen musste, bis er aufgegessen war (übergeben hab ich mich zwischendurch mehrmals auf der Toilette). Und daran, dass ich Durchfall bekam und die beschmutzte Unterhose vor Angst in der Toilette runtergespült habe, die dann verstopfte und ich sehr bald als Täterin bekannt wurde, da ja mein Name eingenäht war..... Das hab ich bisher kaum jemandem erzählt...... aber meine Klassenkameradin konnte es nach unserer Rückkehr nicht für sich behalten und ich hab mich lange dafür geschämt. Während des 2-stündigen Mittagsschlafs dürften wir nicht zur Toilette, davor saß eine der Schwestern und überwachte die Einhaltung dieser Regel. Kinder, die dann ins Bett gemacht haben, mussten auf dem Hof ihr Bettlaken mit dem verräterischen Kringel hochhalten. Briefe an die Eltern wurden zensiert und entweder zum großen Teil geschwärzt oder gar nicht versandt. Ich war in der Gruppe von Schwester Dagmar, die aber keine Nonne war und das große Glück für unsere Gruppe. Sie hat sich manchmal für uns den Regeln widersetzt, uns zum Beispiel Papier und Briefmarken besorgt, damit wir nach Hause schreiben konnten und den Spaziergang so gelegt, dass er am Briefkasten vorbei ging. Sie war der Lichtblick im Marienhof. Es fallen mir jetzt immer mehr Dinge ein..... von Missbrauch weiß ich nichts aber Prügel hat es wohl gegeben. So Schlimmes, wie es andere schildern, kann ich nicht berichten. Vielleicht ist meine Erinnerung auch selektiv und braucht noch etwas Zeit. Tatsächlich hab ich im April dieses Jahres ein paar Tage auf Borkum verbracht, um jemanden zu besuchen, der dort eine Reha machte. Ich hab mich auf die Suche gemacht und das Haus Marienhof gefunden. Ich hab es nach so langer Zeit sofort erkannt. Die Veranda, wo wir abwechselnd zeitlich begrenzt mit einer einzigen Puppe spielen durften. Es ist zum Glück kein Kinderheim mehr!
Es verwundert mich, dass das Haus mir keine Angst mehr gemacht hat und ich sogar auch schöne Erinnerungen daran habe.... Doch auch das Leid von damals spüre ich noch und bin dankbar, dass ich jetzt weiß, dass ich mit dieser Historie nicht alleine bin.
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Uta schrieb am 10.09.2019
Soeben habe ich den Bericht im Report Mainz gesehen.
Auch ich kann eigene Erinnerungen hinzufügen und Einiges, was dort und in weiteren Kommentaren erwähnt wurde, bestätigen.
Ich war 1967 vor meiner Einschulung mit 6 Jahren für 6 Wochen in einem Heim der "Inneren Mission" auf Spiekeroog.
Anlaß waren nach meiner Erinnerung mein bei der Einschulungsuntersuchung festgestelltes Untergewicht sowie Asthma. Zurück kam ich noch magerer, völlig blass und mit einer Lungenentzündung...

Die Reise dorthin mit einer großen Gruppe mir völlig fremder Kinder und nur wenigen (ich glaube zwei) Betreuerinnen per Zug und dann Fähre aus dem Bergischen Land war auch für mich sehr angstbehafted. Vor dem Umsteigen auf die Fähre musste ich zur Toilette, durfte aber nicht. Mit dem Erfolg, dass ich dann beim Besteigen des Schiffes nicht mehr einhalten konnte und mir in die Hosen machte. Dafür wurde ich ausgeschimpft und ausgelacht und war von da ab als "Bettnässer" ettiketiert. So bekam ich im Schlafraum auch gleich einen Matratzenüberzug, was die anderen Kinder dann auch mit großem Gelächter begrüßten. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt und unglaublich alleingelassen gefühlt.

Zu trinken bekamen auch wir außerhalb der Mahlzeiten nichts (Bettnäßer schonmal gar nicht!), so daß viele von uns Wasser aus dem Hahn tranken und ständig Magen-Darmprobleme 'im Umlauf' waren. Ich erinnere Kommentare der Betreuerinnen, dass sie dann 'wenigstens nicht mit uns raus müßten', aber wehe wir würden in die Betten spucken...

In den ganzen 6 Wochen gab es keine Spaziergänge, wir waren eigentlich immer im Heim, oft auch im Schlafraum, durften dann aber nicht die Betten berühren. Mein einziger Ausflug bestand darin, dass ich mit zwei Betreuerinnen und zwei anderen Mädchen in einem Souvenirladen Souvenirs für alle aussuchen durfte, die dann anschließend an alle Kinder verteilt wurden.
Dies, nachdem meinen Eltern aufgefallen war, dass der Text auf einer Ansichtskarte kaum von mir sein konnte und sie darauf bestanden hatten, dass man mich ans Telefon holte.
Mir war eingeschärft worden, dass ich am Telefon nicht viel reden sollte und mir ja nicht einfallen lassen sollte, irgendwelchen Blödsinn zu reden. Ging auch gar nicht, denn ich bin erstmal in Tränen ausgebrochen...
Den Inhalt meiner Päckchen habe auch ich nicht erhalten, lediglich die Glanzbilder, sie lagen abends unter meinem Kopfkissen. Die angeblich an alle Kinder verteilten Plätzchen und Bonbons dürften wohl eher die Betreuerinnen verputzt haben, denn wir haben niemals welche bekommen.

Das Essen habe ich auch als sehr einseitig in Erinnerung, Nudeln mit Backobst, Puddingsuppe und Erbsensuppe und roten Tee. Auch wir durften nicht sprechen beim Essen und alle mussten sitzen bleiben, bis auch der letzte fertig war. Was lange dauern konnte, auch bei uns erbrachen Kinder in den Teller und mussten dies wieder essen.

Als ich wieder zuhause war, kam mir Alles ganz fremd vor, besonders die Türklinken. Warum genau die, weiß ich nicht wirklich, vermute aber, dass wir tagsüber oft in den Schlafräumen eingeschlossen wurden.

Ja, das ist nun soweit Alles, was ich erinnern kann. Ich habe bis heute eigentlich nicht daran gedacht, dass meine Erfahrungen traumatische Einflüsse gehabt haben könnten.
Doch vielleicht muss ich bestimmte Ängste und auch Instabilitäten, die mich schon mein Leben lang begleiten, noch einmal neu bewerten. Vielleicht lassen sie sich ja dann auch (endlich!) gezielt beenden?! Das wäre schön!
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Anja Röhl schrieb am 10.09.2019
klar waren es auch Jungen, auf jeden fall! Vollkommen richtig! Der Reporter hatte sich nur Frauen als Interviewerinnen ausgesucht, es traf Jungen ebenso wie Mädchen, Anja
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Brigga schrieb am 10.09.2019
Interessante Berichte... und ich dachte, ich wäre ein Einzelfall und ich hatte nur Pech das falsche Kurheim erwischt zu haben...1979 Bonndorf, Schwarzwald Kinderkurheim Schwalbennest (die Ironie des Namens habe ich als Kind nicht verstanden) Ich war in den Sommerferien dort und "feierte" meinen 13. Geburtstag dort. Es war so, wie in sämtlichen vorangegangenen Berichten. Die Tanten, die Drohungen, die Puddingsuppen, einmal die Woche (Sonntag zum Kirchgang!) Wäschewechsel, das galt auch für die Unterwäsche. Nicht Reden beim Essen, Arme hinter die Stuhllehne-wegen der guten Haltung! ständig beten, in der Ecke stehen. Mittagsschlaf, Stundenlange monotone Spaziergänge mit Gesang. Unverhältnismäßige Strafen, diktierte Briefe, Postkontrolle. Ich hab tatsächlich ins Bett gepullert, weil vorher schon Sanktionen ausgesprochen wurden, dabei ist mir so etwas vorher nie passiert. Ich war clever genug, einfach das Bett trocknen zu lassen mit der Bettdecke, denn sonst hätte ich abends nichts zu trinken bekommen. Und so schlief ich sechs Wochen in einem stinkenden bepissten Bett. Trinken gab es auch nur zu den Mahlzeiten... im Hochsommer! Einen, mit Glück zwei Becher Tee- je nachdem wo man saß. Wenn der Topf am Ende leer war-Pech. Und so rannten alle heimlich in den Waschraum zum Trinken- war natürlich hochgradig verboten! Wer erwischt wurde- Ecke stehen in der Mittagszeit oder abends auf dem Flur. Mein jüngerer Bruder wurde von mir getrennt. Wir sahen uns vielleicht zwei, dreimal sporadisch. Mein Geburtstagspaket...einmal Reingucken und weg... Das Taschengeld der Eltern ebenso. Wurde mit angeblichen Bastelmaterialien, Porto und Souvenirkäufe, Eisbude, Grillabend oder Sommerfest etc. "verrechnet". Abends um 19 Uhr Bettruhe... im Juli... als Dreizehnjährige...1979... unglaublich. Meine Mutter und auch andere Eltern haben unsere Berichte nicht glauben können. Was hätten sie auch tun sollen? Ich war immer ein Kind, dass gerne verreiste und eher abenteuerlich eingestellt. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben Heimweh und nachts geheult. Ich wollte nur nach Hause. Die schrecklichsten Sommerferien aller Zeiten hatte ich eigentlich vergessen oder gut verdrängt. Ich habs GottseiPunk ohne größere Schäden überstanden, weil ich relativ selbstbewusst, frech und rebellische war. Ein totales liebloses beklopptes Irrenhaus mit Nazipädagogik.
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Renate SÜNNEMANN schrieb am 10.09.2019
Norderney Haus Upstalsboom?
Ich Jahrgang 1950 und mit 9 Jahren auf Norderney
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