ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2773 Einträge
MartinaH schrieb am 23.10.2019
Hallo,
ich bin dir sehr dankbar, Anja Röhl, dass es diese Initiative gibt!
Ich war angeblich zu dünn, aß zu wenig und sollte überhaupt mal raus aus der Stadt Bremen. So kam ich 1967 für 6 Wochen in ein Verschickungsheim nach Boffzen im Sauerland. Das Haus war/ist auch bekannt als "Rothaus", es ist ein kleines Schlösschen auf einer Anhöhe und beherbergt heute ein Altersheim.
Gibt es jemanden, die/der auch dort war?
Ich denke, meine Erlebnisse dort waren nicht so krass wie manches, was ich hier lese. Aber tatsächlich habe ich auch nur ganz bruchstückhafte Erinnerungen und habe womöglich vieles von dem Erlebten verdrängt. Aber diese Bruchstücke möchte ich hier gerne teilen:
Mein erstes Trauma war, dass ich meine Mutter bei meiner Abreise (per Bus) zum ersten Mal weinen sah. Damit verband ich, dass hier grad was Schreckliches passieren muss. Tatsächlich halte ich eine Trennung von Kind und Eltern in dem Alter und für eine so lange Zeit für ein Trauma für sich…
Aus der Zeit in dem Heim erinnere ich vor allem die Strenge, mit der wir "gehalten" wurden. Im Zimmer (mit ca. 8 Betten) mussten wir z. B. jeden Tag streng Mittagsschlaf halten und dabei - wie auch abends - mit dem Kopf zur Wand gedreht liegen. Wir durften nicht miteinander sprechen und wenn wir es doch taten, kam eine "Wache" herein und schlug uns - vorzugsweise mit einem der Schuhe, die vor den Betten standen.
Es gab kein Toilettenpapier und auch selten frische Unterwäsche. Dies war für mich ein großes Problem. Ich benutze einmal ein Stofftaschentuch, das meine Mutter mir gebügelt mitgegeben hatte. Ich konnte es dann nicht wegwerfen, nahm es mit und tat es in mein Nachtschräncken. Die anderen Kinder kriegten das mit und ich wurde schwer gehänselt. Entsprechend erinnere ich mich an Ausgrenzung und Alleinsein.
Ich erinnere mich noch, dass ich viel mit meinen Fingern gespielt habe. Noch heute erzähle ich, dass ich gewisse Fingerfertigkeiten aus der Zeit in dem Heim habe. Ansonsten erinnere ich mich an keinerlei Situationen mit oder ohne andere Personen, weder an Spiele oder Unternehmungen, an Körperkontakte, Freundschaften, Gespräche, Mahlzeiten o. ä. Ich frage mich tatsächlich: Was habe ich in den 6 Wochen dort gemacht?
Merkwürdigerweise kann ich mich auch an gar keine Essenssituation dort erinnern. Wenn ich die Beiträge zu diesem Aspekt hier lese, kommt mir ein Zusammenhang, warum ich irgendwann im Kindeslalter schon das Übergeben "eingestellt" habe. Ich wunder mich noch heute d, dass ich die Fähigkeit habe, Übelkeit zu unterdrücken und Erbrechen aktiv zu vermeiden. Es bleibt Spekulation, aber womöglich habe ich mir das in Boffzen antrainiert…
Ich erinnere mich, dass ich viel geweint habe und für die Postkarten diktierte, dass ich nach Hause wolle. Angekommen sind Karten mit Texten, wonach es mir gut ginge und alles gut sei. Genau weiß ich noch, wie unglücklich ich noch kurz vor Ende der Zeit war. Ich weinte sehr und es gab am Abend eine etwas nettere Schwester, die mich nicht schlug, sondern tröstete und sagte, es seien ja nur noch 2 Tage bis meine Eltern mich holten.
Als meine Eltern dann kamen, habe ich sie nicht erkannt. Es standen plötzlich 2 fremde Menschen an meinem Frühstückstisch (das einzige Bild, dass ich von einer Essenssituation habe). Meine Eltern haben ein verstörtes Mädchen abgeholt und ich soll danach mehrere Tage lang nichts gesprochen haben. Erinnern kann ich mich deutlich an das Gefühl der Fremde und auch der Scham, dass ich in der ersten Zeit im Kontakt mit meinen Eltern hatte.
Im Jahr 2008 bin ich im Zuge einer Radtour nochmal in Boffzen gewesen und habe das Rothaus aufgesucht. Ich erlebte dort eine Art Gefühls-Zusammenbruch, als ich erzählte, warum ich dort sei und als ich die Räumlichkeiten wiedererkannte. Ich bekam gefühlvollen Trost und Verständnis von der seinerzeitigen Leiterin des Altenheims und sie erzählte mir, dass in regelmäßigen Abständen Personen kämen, die in den 60er Jahren auch dort waren und denen es ähnlich erging wie mir. Sie sagte, manche mögen nicht einmal durch das Tor auf das Grundstück gehen…
Das war sehr tröstlich für mich und nun gibt es sogar diese Initiative! Nochmals vielen Dank dafür. An dem Kongress diesen November kann ich leider nicht teilnehmen, aber ich hoffe, dass es weitere geben wird. Und ich bin dankbar für Rückmeldungen aus dem Raum Frankfurt, dann könnte man ggf. ein regionales Treffen anstreben.
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Marlene schrieb am 21.10.2019
Ich war 1954/55, als Sechs- oder Siebenjährige 6 Wochen im Kinderheim Hapag auf Föhr. Ich kann mich nur noch schemenhaft an die Zeit erinnern. Seit dieser Zeit, ich bin jetzt 72, kann ich den Geruch von Milchsuppe nicht ertragen. Immer noch wird mir übel davon. Ich habe jeden Abend darum gebetet, krank zu werden, denn dann kam ich ins Krankenzimmer und musste keine Milchsuppe o. ä. essen. Meine ältere Schwester erzählte mir jetzt, dass ich völlig verstört nach Hause gekommen sei und danach wochenlang kaum gesprochen habe. Ich sei sehr, sehr traurig gewesen. Ich habe wahrscheinlich alles verdrängt. Leide jedoch seitdem an immer wiederkehrenden Depressionen und Ängsten.
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Gerli Ostfriesland schrieb am 19.10.2019
Hallo,
auch ich Jahrgang 1955 und meine Schwester Jahrgang 1951 sind also 1964 zur Verschickung in Mühlenramede nahe Meschede im Sauerland gewesen. Vieles kommt beim lesen der vielen Berichte wieder hoch was im tiefsten inneren vergraben war. Ein tiefschneidendes Vorkommnis erklärt meine Angst vor engen Räumen und Menschenansammlungen. Wir lagen mit 8 Mädchen in 4 Stockbetten, ich durfte weil ich nicht von meiner Schwester getrennt schlafen sollte mit dem älteren Mädchen im Zimmer/ Schlafsaal schlafen. An einem Abend haben die älteren Mädchen Witze erzählt oder denn ich kann mich nicht mehr genau erinnern, jedenfalls habe ich sehr laut gelacht, nach der 2ten Ermahnung der Tante mussten wir alle raus aus dem Bett, ich wurde in die enge Besenkammer eingesperrt und die großen Mädchen mussen das riesige Bad putzen. Das Licht von der Besenkammer ging an, wenn die Tür geöffnet wurde und aus wenn sie geschlossen wurde. Meine Schwester flitzte vom schräg gegenüber liegenden Bad öffnete die Tür immer einen Spalt damit ich nicht im dunklen war. Natürlich bemerkte die Tante das bei ihrem Rundgang, und knallte die Tür mit lautem geschrei ( wer hat die Tür aufgelassen ) zu, das ging so 3 bis 4 mal, dann durfte ich wieder ins Bett, meine Schwester und die anderen Mädchen mussten das Bad fertig putzen. Da ich sehr dünn war, sollte ich natürlich auch gemästet werden, ich hab meinen Teller nie leer essen können, heimlich hat meine Schwester ihren leergegessenen Teller mit meinem getauscht und leer gegessen, sonst hätte ich wie einige andere Kinder auch nicht aufstehen dürfen bis der Teller leer ist.
Die Tanten waren bis auf die eine Nachtschwester schon bestimmt aber auch freundlich.
Es gab im Garten sogar einen Swimmingpool in dem wir an heißen Nachmittagen baden durften. Auch wurden viele Wanderungen unternommen. In der Nähe des Heimes floss ein kleiner Bach, ich bin darin gewatet wenn ich mit meiner Schwester allein ohne Aufsicht raus gehen durften, das war den älteren erlaubt.
Das schlimmste war das Heimweh, worunter ich noch heute sehr leide.
Ich habe noch großes Glück gehabt, denn wenn ich die Berichte der anderen Verschickungskinder hier lese, geht es mir eiskalt den Rücken hinunter.
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Susanne Müller schrieb am 19.10.2019
Ich wurde 1966 und 1968 im Alter von 5 bzw.7 Jahren in das Kinderheim Frohsinn nach Bad Dürrheim im Schwarzwald geschickt. Es war entsetzlich. Ich hatte fürchterliches Heimweh, so dass ich im Bett lag und einen Tag lang nur weinte. Ich musste diesen entsetzlichen Wirsing essen, den es jeden Sonntag gab, und mit Jungs gemeinsam baden, wobei ich mich sehr schämte. Ich war dort elend lange 3 Wochen ohne meine Geschwister untergebracht. Pakete von zuhause mit Leckereien wurden weggesperrt und man bekam sie nur Sonntags zum Essen. Wie wurden sehr früh geweckt und mussten auf die Liegeflächen liegen ohne ein Frühstück zu haben. Ich litt sehr unter Hunger. An Freunde erinnere ich mich nicht, es war einfach nur entsetzlich.
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Karla Fischer schrieb am 18.10.2019
Mein Name ist Karla Fischer, geb. 1952, und ich wurde kurz nach dem 9.ten Geburtstag im Herbst 1961 in Bayern verschickt. Das Heim hieß Schmiedhof und lag meiner Erinnerung nach am Chiemsee (vielleicht war es auch der Tegernsee) in Bayern. Diese sogenannte Kur dauerte 6 Wochen.
Ich kann mich an einen großen Schlafsaal erinnern (ca 20 Mädchen in eng stehenden Betten), an Waschen und Duschen nackig mit kaltem Wasser, ans Essen, wo wir auch Erbrochenes wieder essen mussten. Sogenanntes Fleisch, das hauptsächlich aus Fett bestand, musste ich runterwürgen, obwohl ich mich entschlossen hatte, vegetarisch zu essen, und ich habe das Zeug häufig erbrochen.
Wöchentliches Wiegen und Einteilen nach Gewicht in die Gruppe, die vor dem Essen wandern sollte, und die Gruppe, die vor dem Essen eine "Liegekur" machen musste, damit das Essen dann besser ansetzen konnte. Nach dem Essen mussten alle einen Mittagsschlaf machen.
Da ich nur 1 Pfund unterhalb der Grenze zum Untergewicht lag (ich war relativ kräftig als Ballettmädchen der bayerischen Staatsoper) durfte ich trotzdem mit zum Wandern gehen, sozusagen als "Ausnahme". Die Wanderungen fand ich sehr schön, da mein Bewegungsdrang sehr groß war. Ich hatte damals 5 Geschwister und war es gewohnt mich um die kleineren Kinder zu kümmern. Bei jeder Wanderung hatte ich zwei Kinder an den Händen, ein 6-jähriges Mädchen und einen Jungen, der 4 oder 5 Jahre alt war. Irgendwie waren die automatisch an meinen Händen, wenn die Wanderung losging.
Unsere Briefe nach Hause wurden zensiert. Wenn man Negatives geschrieben hatte, wurde es nicht abgeschickt. Päckchen wurden nicht vollständig ausgeteilt, die Süßigkeiten wurden nach dem Mittagessen an alle verteilt, wodurch von einer Tafel Schokolade nur ein Stück für jeden übrig geblieben ist.
Auch meine Eltern waren keine Stütze, meine Mutter äußerte sich nie darüber und mein Vater machte mich nur lächerlich, indem er sagte, daß er nur Schmiedhof sagen müßte und dann finge ich an zu weinen. Ich weiß, daß auch andere meiner Geschwister verschickt wurden, und keiner von denen hat je etwas davon erzählt.
Vieles von dem was hier andere schreiben, gehört auch zu meinen Erinnerungen, und auch die Auswirkungen auf mein Leben danach sind gut von anderen beschrieben:
Depressionen, Aggressionen, Selbstzweifel, Selbstmordgedanken (mit 12 Jahren hatte ich die überwunden und ich sagte mir, mit 21 Jahren bin ich dann erwachsen und dann mache ich was ich will, und die können mich dann alle mal ^^). Die Schule war eine Qual, vielleicht lag es auch daran daß mich die Lehrer an die Betreuerinnen im Schmiedhof erinnert haben. Jedenfalls hab ich auch heute noch sehr schlechte Gefühle wenn ich Krankenhäuser oder Schulen betrete.
Ich mach hier Schluß, ich weine wieder mal, wenn ich mich daran erinnere.
Jedenfalls viele liebe Grüße
Karla
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Michaela Sangkuhl schrieb am 18.10.2019
guten abend frau Röhl,

meine schwester und mich wuerde ich nicht als verschickungskinder bezeichnen, wir wurden jedoch 1975 von dem kinderarzt unserer familie ueber die DAK zur kur nach Wyk/Föhr in das haus Irmgard Remé geschickt. meine schwester war knapp 7, ich selbst 9 jahre alt.

der abschied von der mutter, die uns nach Föhr brachte, war furchtbar. der trennungsschmerz war kaum auszuhalten.

ich wurde vor der gesamten gruppe gedemuetigt, da vor allen verkuendet wurde, ich solle abnehmen. deshalb bekam ich anstatt der weißen mit butter beschmierten brötchen, schwarzbrot mit butter und marmelade. ansonsten keine andere kost. am ende der kur wurde dann nochmals vor allen verkuendet, dass ich weder ab- noch zugenommen haette.

meine tante wollte uns besuchen, stand am zaun, durfte nicht rein.

ich erinnere mich an Katrin aus niedersachsen, und Michaela aus berlin. wir mussten mittagsschlaf halten. die aelteren auch draußen im garten.

meine schwester mochte keine rosinenbroetchen, die es jeden nachmittag gab, bekam jedoch auch keine alternative, obwohl sie zunehmen sollte.

paeckchen der eltern wurden teilweise zensiert, vorsortiert.

anrufe waren moeglich, aber im beisein einer angestellten.

joghurt war schimmlig und musste gehessen werden.

ich schrieb nachhause und bat meine eltern uns abzuholen. ich begang den fehler zu fragen, ob die post vor dem versand gelesen wird. mein brief wurde also gelesen und ich geruegt. ich sollte dann einen neuen brief schreiben.

frau Remé warf mit der buerste nach kindern, die nicht still sitzen konnten waehrend sie bestimmten kindern, die sich teilweise davor fuerchteten, weil sie alt und furchteinfloeßend war, die haare buerstete. dieses tat sie, weil sie und nicht die kinder dieses mochten.

ein geschwisterpaar versuchte zu tuermen. schafften es meines wissens sogar bis zur faehre. ich glaube, das war auch in den medien / rundfunk vllt fernsehen. aber dennoch passierte nichts, uns wurde erzaehlt die beiden seien boese und duerften nicht zurueckkommen. wir beneideten die beiden.

wir wurden eiskalt abgeduscht.

ich erinnere mich aber auch an massagen. und an eine freundliche aufsichtsperson, die glaube ich versucht hat uns zu schuetzen bzw uns getroestet und aufgemuntert hat.

dieses sind nur fragmente und ich habe auch gute erinnerungssplitter. dennoch trage ich mein heimweh mach wie vor in mir. meinem kind haette ich nie im leben so etwas zugemutet. allerdings war es wohl in den 70ern so. mein bruder musste allein im krankenhaus bleiben mit fuenf. mein mann war nach erzaehlungen als baby wochenlang allein im krankenhaus ohne mutter.
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Ingrid Metzmacher schrieb am 16.10.2019
HALLO ZUSAMMEN, ich möchte noch erwähnen, das mein Aufenthalt in
Bad Neuenahr im Mai 1959 war. Ich bin jetzt siebzig Jahre. Ich lebte damals glücklich und zufrieden mit meiner Mutter bei den Großeltern in einem kleinen Dorf am Rande der Eifel. Wie schon gesagt, bin ich unehelich geboren. Meine Mutter wollte mir Unangenehmes ersparen. In dieser Zeit war eine Scheidung oder uneheliche Geburt nicht selbstverständlich. In unserem Dorf waren fast alle streng katholisch. Man wußte ja zu dieser Zeit als Kind überhaupt nicht, wo die Babys her kamen. Wir Dorfkinder glaubten an den Klapperstorch. Mit zwölf Jahren wurde ich aufgeklärt.
Ich hatte in Bad Neuenahr solches Heimweh und jeden Tag Angst, das die "TANTE mich wieder nach meinem Vater fragen würde. Die Briefe von zu Hause bekamen wir vorgelesen. Unsere Post wurde kontrolliert. Ich hätte so gerne einen Brief
von meiner Mutter oder den Großeltern in den Händen gehalten und gelesen. Das Vorlesen war so kalt und herzlos.
Einmal mußte ich während der Mittagsruhe neben dem Bett stehen, weil ich es gewagt hatte, mich auf eine andere Seite zu drehen.
Neben dem Heim stand noch ein kleineres Gebäude. Da sollten die Kinder nachts auf einer Pritsche schlafen, die sich nicht benommen hatten. Davor hatte ich große Angst. Das ist mir Gott sei Dank erspart geblieben.
Den Namen der "TANTE" weiß ich nicht mehr. Aber sie hat mich ein Leben lang verfolgt.
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Petra M. schrieb am 16.10.2019
Ich war 1971 od. 72 im Kinder"erholungs"heim Onstmettingen. Ich hatte gerade lesen gelernt und sah die sorgfältig aufgehängten Dankesbriefe von Kindern an die "liebe Frau Rometsch", Dank für die "schönen sechs Wochen". Das erschien mir bereits damals wie Hohn. Die liebe Frau R. hat mich, in unseren wenigen Begegnungen, angebrüllt wegen nix, ebenso die anderen sog. "Tanten", die Ohrfeigen verteilten, sobald man nachts zur Toilette musste oder vor Heimweh laut weinte. Meine selbstgeschriebenen Krakelbriefe nach Hause wurden ironisch niedergelacht. Auf Wanderungen (in meiner Erinnerung Gewaltmärschen) gab es nichts zu trinken, die Bitte danach wurde auch wieder niedergebrüllt. Das versehentliche Anziehen der Jacke eines anderen Kindes wurde - wer errät es? - mit Ohrfeigen bestraft. Usw. usw. Hab nur ICH das so erlebt? Ich zweifle bis heute an mir. Aber es gab natürlich auch die Lieblinge, Mädchen von kleiner Statur mit langem Engelshaar, die vielleicht wirklich "schöne sechs Wochen" hatten...
Nicht zu vergessen Schläge und Anfeindungen von anderen gestressten Kindern, die - und jetzt alle - von den "Tanten" ironisch niedergelacht wurden.
Was für eine gequirlte - unschöne Sache.
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Ingrid Metzmacher schrieb am 15.10.2019
Ingrid Metzmacher
Ich wurde mit neun Jahren zur Erholung nach Bad Neuenahr verschickt. Es war das furchtbarste Erlebnis aus meiner Kindheit. Wir lagen in einem riesigen Schlafsaal und die "Tante" wollte vor der Mittagsruhe von jedem Kind den Namen der Mutter und des Vaters wissen. Da ich unehelich geboren war, ließen meine Mutter und die Großeltern mich in dem Glauben , das ich keinen Vater hätte. Als ich nun der "Tante" den Namen meines Vaters sagen sollte, sagte ich, dass ich keinen Vater hätte. Da wurde die "Tante aber sehr böse und schrie mich an:"Jedes Kind hat einen Vater, los sag den Namen. Das konnte ich aber nicht. So zog sie mich an meinen Zöpfen aus dem Bett und hinaus auf den Flur. Dort stand ich nun die ganze Zeit. Sie brachte mir noch eine Decke, die ich mir um die Schultern legte. Nach dem Mittagsschlaf zogen die anderen Kinder an mir vorbei. Danach durfte ich mich auch anziehen und zu den Kindern. Dieses Erlebnis prägte mein zukünftiges Leben. Auch, als ich längst wußte, wer mein Vaterr war. Ich hatte als Kind das Wort Vater aus meinem Wortschatz gestrichen und ich lebte ständig in Angst, es würde mich jemand nach meinem Vater fragen. Meiner Mutter habe ich davon erst Jahre später erzählt. Nachts durften wir in diesem Heim auch nicht zur Toilette. Wir hatten einen Nachteimer im Schlafsaal, aber nur für das kleine Geschäft. Einmal musste ich so dringend groß, das ich in meiner Not in Tempotaschentücher machte und das Ganze unter dem Bett versteckte. Da habe ich am nächsten Morgen aber was erlebt. Die "Tante riss mir wieder an den Zöpfen, schrie und zeterte und ich musste die ganze "Sauerei" eigenhändig weg machen. Dazu wurde ich auch vor den anderen Kindern so gedemütigt, das kein Kind mehr etwas mit mir zu tun haben wollte. Ich könnte noch mehr Begebenheiten schildern, aber für heute ist es genug. Ich bin froh, das ich meine schrecklichen Erlebnisse hier nieder schreiben kann. Vor allen Dingen bin ich erstaunt, das ich nicht die Einzige bin, die Schreckliches erlebt hat.
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Birgit Hof schrieb am 15.10.2019
Hallo, Wenzlaff
Danke für deinen Eintrag. Ich bin erleichtert,das sich endlich jemand gemeldet hat, der auch in Dausenau an der Lahn, im Kinderheim "Waldesruh" war. Ich habe vor Wochen einen Eintrag geschrieben, indem ich jemanden suche, der in diesem Heim war. Ich war 1966 im Alter von 3 Jahren mit meiner 6 jährigen Schwester dort. Meine Schwester kann sich angeblich an gar nichts mehr erinnern, und will nicht mit mir darüber reden. Mir kommt das alles seltsam vor, da ich mich noch an sehr viele Dinge erinnern kann. Wir hatten zum Beispiel das Glück in einem Zweibettzimmer untergebracht zu sein, aber den strengen Erziehungsmaßnahmen entkamen wir auch nicht. An Schwestern oder an Tanten kann ich mich nicht erinnern, nur an einen Namen einer jungen Frau, sie hieß Monika, und wie ich bereits herausgefunden habe, war sie die Tochter der Heimleiterin, und damals um die 13 Jahre alt. Sie hat am Wochenende mit uns gespielt, und war für mich der einzige Mensch, der mir ein wenig Halt gegeben hat in diesem Albtraum.
Ich würde mich freuen weitere Details oder vielleicht Bilder von Deiner Kur von Dir zu erhalten. Leider bin ich nicht so unbeschadet wie Du davon gekommen.
Viele Grüße, von Birgit Hof.
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Ralf Kellermann schrieb am 14.10.2019
ich war im Frühjahr 1966 für 6 Wochen im "Ponyhof" in Schönau am Königsee, und bin daran interessiert mich mit Leidensgenossen auszutauschen. Habe leider kaum Erinnerungen, aber diverse Fotos (auch aktuelle) und die Adresse anzubieten
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Sina schrieb am 12.10.2019
Ich wurde 1972 an die Nordsee verschickt. Ich sollte aufgrund meiner doppelseitigen Lungenentzündung vor dem Schulbeginn gestärkt werden.
Ich kann mich nicht an einen täglichen Ablauf erinnern.Ich zog mich aber dort ganz stark zurück, lag nur im Bett. War schrecklich allein und voller Heimweh. Als ich nach Hause kam, war ich sehr ungepflegt, meine Haare seit mindestens 1 Woche ungekämmt. Dieser Zustand wurde dem Jugendamt auch gemeldet. Aber durch keine sichtbaren körperlichen Schäden wohl nicht weiter verfolgt. Ich habe diese Zeit immer verdrängt.Es ist jetzt aber durch Ihre Veröffentlichung eine kleine Befreiung für mich und erklärt jetzt Besonderheiten, die danach bei mir auftraten.
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Raffaela Usman schrieb am 09.10.2019
All die Jahre habe ich versucht die Kinderkur aus meinem Gedächtnis zu löschen... Bis ich auf Ihre Veröffentlichung gestoßen bin. Meine Zwillingsschwester und ich waren auch in solchen Kuren. Im Fichtelgebirge erlebten wir die Hölle. Es muss Anfang der 80iger Jahre gewesen sein. Es gab Abnehm und Zunehm Kinder, wobei letztere bevorzugt wurden. Die Pummeligen wurden wie Abschaum behandelt, vorgeführt und vor allen schikaniert. Es gab tagelang Haferschleim... bis zum Erbrechen. Aß man nicht auf, saß man unter Umständen bis nachts im Speisesaal und wurde fertig gemacht. Da wir ohnehin durch die schlechte Behandlung durch unseren Vater bereits Probleme hatten, ging es uns nach der Kur noch schlechter. Meine Schwester war Bettnässerin und wurde deshalb vor allen angeschrien und als alte Sau beschimpft. Haben wir geweint, wurde es noch schlimmer. Stundenlang bis zur Erschöpfung mussten wir wandern. Die Zunehm Kinder bekamen gutes Essen und Süßigkeiten, die Abnehm Kinder durften zu schauen... Es war die Hölle.
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Andrea Weyrauch schrieb am 08.10.2019
Auch ich bin sehr dankbar, dass dieses Unrecht endlich thematisiert wird. 1975 wurde ich mit 5 Jahren auch für 6 Wochen in das Kindersolbad nach Bad Friedrichshall "verschickt" - es war fürchterlich. Bei mir war es wegen einer Mandeloperation. Elternbesuche wurden verboten, weil ich so schrecklich Heimweh hatte. Dort wurde systematisch seelischer Missbrauch betrieben. Dieses Tag und Nacht diesen Menschen ausgeliefert zu sein und sich von den Eltern verlassen zu fühlen war traumatische. Gut, dass dies alles jetzt aufgearbeitet wird.
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Beate schrieb am 03.10.2019
Liebe Renate, wenn du magst, schau mal bei den Kontakten nach, ich habe mich dort inzwischen als Ansprechpartnerin für das Antoniushaus registrieren lassen. Du kannst mir gern schreiben.
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Detlev Otto schrieb am 03.10.2019
Hallo Petra, ich bin auch Jahrgang 58 und war auch im Alter von 6-7 Jahren auf Wyk für 8 Wochen. Meine Erinnerungen sind auch nur sehr bruchstückhaft. Nach und nach kommt immer mehr hoch. Es waren traumatische Erlebnisse für mich. Die Dinge, an die ich mich erinnern kann decken sich vollkommen mit deinen und der anderen auf dieser Seite. Mein ganzen Leben ist durch dieses Traume geprägt. Zur Zeit bin ich wieder einmal in psychologischer Behandlung und versuche das erlebte mit meiner Therapeutin aufzuarbeiten..............
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Christiane schrieb am 03.10.2019
Hallo Christiane, das ist richtig grausam. Ich war auch völlig entsetzt als ich zufällig von diesem Ausmaß erfahren habe. Mir war dass überhaupt nicht bewusst dsss so viele Kinder verschickt wurden. Dass die Behörden nie was erfahren haben lag wahrscheinlich daran dasd die Kinder es vielleicht Zuhause erzählt haben aber die Eltern es als 'nicht so schlimm' angesehen haben und nichts unternommen haben. In den dunklen Schlafsaal gesperrt werden, da erinnere ich mich auch noch dran. Stundenlang. Die sechs Wochen waren einfach schrecklich aber sie haben mich nicht so traumatisiert wie Dich.
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Christiane schrieb am 03.10.2019
Es ist unfassbar dass sowas über Jahre passieren konnte und den Kindern nicht geglaubt wurde oder die Kinder keine Stimme hatten.
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Christiane schrieb am 03.10.2019
Hallo Karin, vielleicht waren wir sogar im gleichen Kurheim. Ich weiß nicht ob es zu der Zeit mehrere in Wittdün gab. An Kindergeburtstage kann ich mich auch noch erinnern und dass wir immer Plumpsack gespielt haben. Ich habe meinen Vater noch gefragt ob er noch was weiß was ich nach der Rückkehr erzählt habe, aber viel wusste er auch nicht mehr. Nur dsss es mir dort nicht gefallen hat und dass ich oft n der Ecke stehen musste zur Strafe . Es existiert noch ein Foto. Auf dem Foto sitzen wir alle vor einer Mühle. Hast du auch Fotos?
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Janette Martens schrieb am 01.10.2019
Über einen Zeitungsartikel bin ich auf diese Seite gestoßen. Ich war tief schockiert beim Lesen des Berichtes.
Endlich jemand, der mir glaubt. Tatsächlich war mir nicht bewusst, dass auch andere Kinder so traumatisiert sind.
1971 wurde ich als Zweijährige mit meiner 2,5 Jahre älteren Schwester in das Haus "Sonnenschein" nach Wyk auf Föhr geschickt, da meine Mutter sehr dünn war und sich allein erholen sollte. Mein Vater arbeitete im Schichtdienst und so landeten wir im "besten" Heim-laut meiner Mutter.
Ich wurde immer wieder von meiner Schwester getrennt, was mir sehr schwer fiel und ich oft deswegen geweint habe. Ich erinnere mich, dass ich eine bestimmte Suppe (Erbsensuppe?)nicht essen mochte und da hat man mich kurzerhand isoliert. In dem großen Speisesaal gab es eine Art Theaterbühne mit Vorhang. Man hat mich also allein mit Tisch und Stuhl hinter zu gezogenem Vorhang gesetzt und gesagt, ich dürfte erst wieder raus kommen, wenn ich aufgegessen habe .Aufsicht war keine in der Nähe. Irgendwann habe ich dann den Teller genommen und die eklige Pampe hinter das Puppenhaus gekippt. Hat bis zu unserer Abreise keiner gemerkt. Das hört sich vielleicht lustig an, aber ich war zwei Jahre alt und habe bis heute von diesen Methoden eine Klatsche.
Meist glaubt mir keiner richtig, da ich ja noch so klein war, aber es ist mir bis heute präsent. Die Pflegerinnen haben wir nach den Sesamstrassenfiguren benennen dürfen, z.B. Bibo, Ernie etc. Vielleicht erinnert sich jemand.
Zum Strand sind wir immer in Zweier Reihen an der Hand gelaufen, ich durfte so gut wie nie an der Hand meiner Schwester gehen, an der ich ja nun sehr hing. Man hat mich konsequent von ihr fern gehalten. Auch im Schlafraum durfte ich nicht bei ihr sein. Das hat mich echt traumatisiert und ich habe so gelitten. Für meine Schwester war es alles nicht so schlimm.
Am Ende unseres Aufenthaltes hat meine Schwester eine richtig hübsche Schmuckdose aus Perlen von der Heimleitung geschenkt bekommen. Ich als unartiges Kind bekam natürlich nichts. War mir auch egal, wollte ich nur noch weg. Meine Großeltern haben mich abgeholt und meine Oma hat mir erzählt, dass ich während der Autofahrt einschlief und wenn ich aufwachte, hoch schreckte und fragte: Seid ihr noch alle da?
Liebe Frau Röhl, ich danke Ihnen sehr.
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Angelika Janz schrieb am 01.10.2019
Ich, geb. 1952 in Düsseldorf, bin fassungslos, plötzlich über meine eigene so schrecklichen Kindheitserfahrungen im Fernsehen zu hören, fassungslos und auf schreckliche Weise glücklich, dass endlich diese Erinnerungen, die ich ein Leben lang mit mir un-erhört mit mir herumgetragen habe, nun plötzlich thematisiert werden. Ich war in 3 Heimen, immer länger als 2 Monate, mit unendlichem Heimweh und voller Trauer und dem Gefühl entsetzlichen Ausgeliefertseins Tag und Nacht, während die Eltern uns "in Erholung" wähnten. Ja, die "Tanten" waren Bestien, manche, eine Schwester Ursula, schlug, wann immer sie dazu Lust zu haben schien, wenn sich ein Kind nicht so bewegte oder schaute, wie sie es erwartete. 2 Namen der Orte erinnere ich: Norderney und Rippoldsau, offenbar im Schwarzwald. Bei diesem Wort, höre oder denke ich es nur, überfällt mich noch heute gegen alle Widerstände ein Würgereiz und es drängen sich Tränen auf. Ja, unsere Münder wurden, ob laut oder nicht, zum Mittagsschlaf draußen auf Liegen in der Kälte mit Pflastern zugeklebt, der Schmerz beim Abreißen unvergeßlich, wir durften nicht auf Toilette, wenn wir mussten, ich litt stets unter brennenden Blasenentzündungen und entwickelte später eine chronische Nierenbeckenentzündung bis ins Jugendalter, wir froren immer, viel zu dünn angezogen die kleinen Mädchen mit diesen Strümpfen und Strapsen in eisiger Winterkälte und - ich fasse es nicht, dass JETZT auch andere das erinnern - - wir mussten Erbrochenes essen, was so entsetzlich war, dass es später niemand glauben wollte und ich über Jahre zum Essen ein gestörtes Verhältnis entwickelte, unterernährt blieb und ein Jahr später, also mit 7 Jahren eingeschult wurde, weil ich zu dünn war. Noch mit 12 Jahren sammelte ich das Essen im Mund und spuckte es später unbeobachtet aus, ich vermochte nur schwer zu schlucken. Als ich die Schilderungen soeben im Fernsehn hörte , traute ich meinen Ohren nicht - fast am Ende meines Lebens erfahre ich, dass ich "erhört" wurde, dass man mir glauben wird nun; denn meine Eltern lachten mich aus, ja schimpften mit mir ob solcher Unterstellungen, die sich bis heute bis in meine tiefsten Träume eingebrannt haben, und ich wache noch heute fast jede 2. Nacht schweissgebadet auf mit diesen unberechenbaren Bildern im Traumgedächtnis. Mit diesem unvorstellbaren Ausgeliefertsein scheinheiliger abgrundtief böser "Tanten" in endlosen kalten Gängen und unbeheizten Schlaf-und Esssälen, in denen die Gewalt gegen uns fast nur weinende Kinder überall plötzlich ausbrechen konnte, und wie es geschildert wurde, war das Weinen eine böse Tat, die wiederum mit Schlägen und Eckenstehen oder Essensverboten (was egal war, denn das Essen war Dreck oder wurde uns zu Dreck gemacht durch den Zwang, das Erbrochene zu essen) bestraft wurde. Elternpäckchen kamen nie bei uns Kindern an, und wir warteten vergeblich darauf, wenn sie uns einmal angekündigt worden waren. Alle Briefe oder Karten, die wir von dem 3. Heim aus schrieben (da war ich schon im 2. Schuljahr und dort mit meinem Bruder untergebracht) wurden vermutlich vernichtet, sie kamen nie an. Ich kann es noch gar nicht glauben, dass plötzlich so so spät dieses dunkle Kapitel meiner Kindheit, das mich lebenslang geprägt hat, aufbricht und mit Glaubwürdigkeit und Verständnis beleuchtet wird. Ich für meinen Teil kann sagen, dass diese Erlebnisse mein Leben entscheidend beeinflusst haben.
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Heidi schrieb am 01.10.2019
Es muss so 1956 oder 1957 gewesen sein, ich war vielleicht 8 oder 9, mein Bruder 6 oder 8 als wir in so ein "Verschickungsheim" auf Norderney kamen.

Von meinem kleinen Bruder wurde ich sofort nach der Ankunft getrennt . Ich habe ihn, wenn ich mich recht erinnere, in den 6 Wochen nur einmal wieder gesehen.

Ich kann mich erinnern an einen unglaublichen Druck, mich "anständig" benehmen zu müssen. Einmal habe ich ins Bett gepinkelt und daür gab es öffentliches Spießrutenlaufen. Das war schrecklich, schrecklich, schrecklich! Danach bin ich jede Nacht aufgewacht, auf einen Stuhl geklettert und habe ins Waschbecken gepinkelt. Immer in Angst, dabei erwischt zu werden. Allerdings habe ich nach ein paar Nächten mitbekommen, dass andere Mädels dasselbe machten.

Das Essen war eine Zumutung. Es gab jeden Tag eine Art Milchsuppe, die war fast immer angebrannt und klumpig. Aber das Schlimmste war der Vanillepudding, den es auch so ziemlich täglich gab und widerwärtig

schmeckte. Wir nannten ihn Eiter...

Allerdings erinnere ich mich auch an Spaziergänge am Strand, auch ans Schwimmen erinnere ich mich. Und ganz deutlich erinnere ich mich, dass ich den "Freischwimmer" dort gemacht habe. Mit einem Boot wurden wir rausgetuckert, schwammen dann um das Boot herum und mussten einmal vom Bootsrand springen. Das hat mich ziemlich stolz gemacht.

Ansonsten haben wir wohl die meiste Zeit auf so einer Glasveranda zugebracht und uns gelangweilt haben.

Es passiert mir sogar heute noch, dass ich ab und an schweißgebadet aufwache, weil ich das Gefühl habe, ich hätte ins Bett gepinkelt.

Und bei dem Geschmack von Vainille wird mir immer noch übel.
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Simona schrieb am 01.10.2019
Ich war im Sommer 1972 in Sankt Peter Ording im Haus Quisisana und damals knapp 10 Jahre alt. Straflager ist genau das richtige Wort! Die Spuren die es hinterlassen hat, begleiten mich ich bis heute.
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Otto S. schrieb am 30.09.2019
Hallo Martin M.,
danke für Deinen Bericht!
Der Anstaltsarzt war im Jahre 1965 Dr. Franz Braun. Ich weiß, dort ist zeitweise auch irgendein Pfleger "umhergesprungen". Dieser hatte immer eine lange weiße Schürze umgebunden. Der hatte alle paar Tage auch die Nachtwache auf unserem II. Stockwerk. Doch dessen Namen weiß ich leider nicht mehr.
Ansonsten gab es bei uns lediglich die drei weiblichen Betreuerinnen, alle so zwischen 30 und 40 Jahre alt, eine dieser "Beißzangen" hieß Mechtild, eine etwas dünnere schwarzhaarige hieß Heidi. Die Namen der dritten ist mir leider entfallen. Ja - dann noch das Küchenpersonal, doch wie die alle ausgesehen bzw. geheißen hatten, das bringe ich heute nicht mehr zusammen.

Kannst Du Dich auch an das alte Kurhaus entsinnen, in welchem wir damals das wöchentliche Solbad ausüben durften? Über dem monumentalen Eingangsbereich mit den beiderseitigen Treppen war eine marmorne Schalttafel mit messingfarbenen Armaturen (Hebel und Handräder) sowie Druck- und Temperatur-Anzeigen. Dort hatte immer ein älterer Dienstmann mit Schildmütze die Bedienung der Anlagen inne...

Mir ist bekannt, dass das ehemalige Heim aus dem dritten Reich nach dem 2. Welt -Krieg von der katholischen Diözese München und Freising übernommen wurde.

Ich selbst war im Juli 1982 bergsteigerisch auf dem Hochstaufen unterwegs und hatte damals auf dem Reichenhaller Haus auf 1750m übernachtet. Als ich dann wieder in Bad Reichenhall zurück war, hatte ich jedoch keinen unbelichteten Film mehr in meiner Kamera, so dass es leider keine Bilder dieser Anstalt in meinem Fundus mehr gibt...
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Birgit schrieb am 30.09.2019
Hallo Peter,
ich war 1975 in Wessobrunn und habe heute unter Selbsthilfe eine Gruppe eröffnet. Vielleicht hast du ja Lust auf einen Austausch.
Nein, Wessobrunn war nicht besser als andere Kurheime, es wurde nur nicht mit jedem Kind gleich schlimm umgegangen. Für mich war das 6 Wochen Folter pur, ich musste zwar nicht das Erbrochene essen, wurde aber zum Erbrechen gebracht, idem man das verweigerte Essen pürierte und mit einem Trichter einflößte. Den randvoll gekotzten Teller durfte ich dann in die Küche bringen, den langen Flur vom Speisesaal hinunter. Ich weiß nicht mehr was schlimmer war, der Trichter in meinem Schlund oder die panische Angst, etwas zu verschlabbern auf dem Weg in die Küche. Immerhin waren die Küchenschwestern nett, eine hat mit Schokolade zu gesteckt und mir ins Ohr geflüstert, es wäre nicht in Ordung, was hier passiert.

Grüße,
Birgit
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Katrin schrieb am 30.09.2019
Ich war Anfang 1969 zu meinem 6. Geburtstag für 8 Wochen in Bayerisch Gmain im Haus Datzellehen verschickt. Meine Chefin auf meiner Dienststelle ermutigte mich kürzlich, mich noch einmal diesem Thema zu stellen. Denn hin und wieder bin ich krank, weil ich unvermittelt körperlich völlig erschöpft bin und wandernde Schmerzen im Körper habe, die psychosomatisch bedingt sind, eine Ärztin nannte dies „prolongierter Schock“, der durchaus aus der damaligen Verschickung herrühren könne.

Ich hätte nie gedacht, dass wir Verschickungskinder mal aus unserem Schattendasein heraustreten würden, dass man uns zuhört und vielleicht auch glaubt. Ich bin dankbar und unglaublich bewegt über diese Initiative!

Insgesamt war meine Verschickung schrecklich, schrecklich und dunkel und eine völlige Überforderung. Es gab einige Lichtblicke tatsächlich (der nette Kinderarzt, der einmal bei mir war, der Ausflug in die verschneite Bergwelt, der junge Mann, der uns sonntags immer was vorlas), aber das waren Strohhalme beim ständigen Ertrinken. Das hätte alles nicht stattfinden dürfen. Nur ich hatte das zweifelhafte Glück, meine beiden jüngeren Brüder wurden nicht verschickt.

Ich weiß nicht was schlimmer war, der Heimaufenthalt selber oder die Tatsache, dass hinterher niemand mir zugehört hat, meine Eltern – übrigens bis ins hohe Alter - nicht wissen wollten, wie es mir dort ergangen war, wie ich das alles erlebt habe. Für sie war alles klar: Die Autoritäten im Heim, die Heimleiterin, haben telefonisch nach Hause immer vermittelt, wie toll doch alles sei, dass es mir gut ginge, dass ich ein fabelhaftes Mädchen sei, dass ich auch nicht weine; ja, ich habe vor der Abreise nach Bayerisch Gmain meiner Mami versprechen müssen, dass ich im Heim nicht weinen werde. Wem glaubt man mehr?

Ich habe keine länger anhaltenden Erinnerungen, ich weiß nicht mehr wie die Tage und Nächte verliefen, das Einschlafen, das Wecken, ob ich mein Püppchen behalten durfte. Ich weiß auch nicht mehr die Namen der Tanten. Ich habe lediglich einige wenige schlaglichtartige Erinnerungen: Meine Mutter hat mich Ende Januar hingebracht, mit dem Zug glaube ich. Beim Abschied draußen vor dem Haus wurde es schlagartig dunkel, als wenn eine Klappe herunterfällt, die Trennung zerriss mir das Herz, nichts weniger; das wars jetzt, aus, Ende.

Und ich habe Albträume. Einer meiner Albträume handelt von einem felsigen, in den Berg tief unten hinein gehauenen Raum mit lediglich einer Tür und zwei kleinen schmalen Oberlichtfenstern. Ich stehe mit dem Rücken zu den Fenstern, keine Fluchtmöglichkeit; gegenüber an der Tür stehen zwei gesichtslose, in weiße Gewänder gekleidete Frauen. Es wird etwas Schlimmes passieren. Schluss.

Erinnerung: Das Bad befand sich im Keller eines der beiden Gebäude. 2016 war ich tatsächlich einmal dort, zusammen mit meinem Sohn und einer Freundin. Wir konnten uns die ehemaligen Kellerräume anschauen. Rückblende 1969: Wir Kinder stehen nackt in einer Schlange vor der riesigen Badewanne, dahinter die beiden Oberlichtfenster. Eine weiß gekleidete Schwester beaufsichtigt streng das Baden. In Gruppen zu viert oder fünft müssen wir in das Wasser. Ich muss nötig aufs Klo, traue mich aber nicht, es zu sagen. Im warmen Wasser passiert es, ich pinkel ins Wasser, alles färbst sich gelb, furchtbare Angst, Schluss.

Ein anderer Albtraum (als Jugendliche hatte ich ihn immer wieder, heute ist er seltener): Ein felsiger Stollen der in einen Berg hinunter führt – nimm nicht diesen Weg, er führt zu einem Raum, in dem etwas Entsetzliches geschieht. Was, weiß ich nicht.

Erinnerungen an das Essen: Jeden Morgen gibt es die berüchtigte Suppe, grauer Schleim und da drin dicke feste kleine Knödel wie Mehlklumpen. Nichts anderes. Das ist so eklig, dass ich mich jeden Morgen übergeben muss; ich kann mich aber nicht erinnern, ob oder was darauf folgte; einmal sehe ich mich fluchtartig meinen Frühstücksplatz verlassen um einen heimlichen Platz zum Erbrechen zu finden. Wo der war, weiß ich nicht mehr.

Erinnerungsfetzen: Zwei Jungs, mit denen ich beim Mittagessen am Tisch sitze, machen Unsinn (sie halten ihre Zungen aneinander und ich finde das offenbar sehr interessant). Meine „Lieblingstante“ kommt wütend zu unserem Tisch, greift die Köpfe der Jungen an den Haaren und knallt sie laut zusammen. Ich schaue völlig entgeistert zu. Dann kommt sie noch zu mir und zieht mich brutal an den Haaren, obwohl ich doch nur zugeschaut habe.

Ein Junge muss zur Strafe für irgendwas noch mehr Suppe essen; er muss sich an der Essensausgabe die weitere Kelle Suppe abholen und zu seinem Platz gehen und essen, obwohl er schon satt ist. Wir anderen Kinder können gehen.

Dritter Albtraum: Eine Laborsituation - zwei gesichtslose, weiß gekleidete Frauen sind an einem Arzttisch beschäftigt. Ich bin eine Puppe und muss da auch hin und komme gleich dran mit irgendwas. Allerhöchste Gefahr! Sie brechen mich – die Puppe – am Hals und flößen mir irgendwas ein. Variante des Traumes: Ich, die große Katrin, nehme mich, die kleine Katrin, an der Hand und wir rennen weg von den schrecklichen weißen Frauen.

Erinnerung: Ich habe die Masern (zum zweiten Mal, das erste Mal zuhause in Berlin) und bin in dem Zimmer alleine in Quarantäne; es muss wochenlang gedauert haben; ich erinnere mich dabei nur noch an die ekelhaften kleinen gelben Tabletten zum Lutschen, von denen ich abends immer eine bekam und die ich alle hinters Bett gespuckt habe. Da muss schon ein ganzer Haufen gewesen sein. Ich hoffe, dass man den verklebten Tablettenberg erst nach meiner Abreise gefunden hat, aber genau weiß ich es nicht.

Ich habe keine Bindungen zu anderen Kindern aufgebaut. Ich war in meinem Erleben immer allein, stark und allein. Was mit anderen Kindern war, habe ich nur beobachtet, manchmal fassungslos, aber ohne den Impuls, etwas zu tun. Ich brauchte meine ganze Kraft für mich.

Meine Mutter kam mich Ende März abholen, was für eine Erlösung! Die gemeine Haare-zieh-Schwester war scheißfreundlich zu mir, weil meine Mutter dabei war. Ich habe sie keines Blickes gewürdigt, das weiß ich noch.

Zuhause war heile Welt angesagt. Ich habe mich in mich zurückgezogen, wurde schüchtern und kurzsichtig und wollte nicht in die Schule gehen, weil ich dort immer gehänselt wurde. Erst viel später, nach einer tiefen Lebenskrise, begann ich mich in mühevollen kleinen Schritten zu meiner eigenen Persönlichkeit hin zu entwickeln. Das ganze hat mir doch ziemliche Hypotheken für mein Leben beschert, die nach 50 Jahren immer noch wirken und die ich gerne noch wegarbeiten möchte, für mich selber und für meine Kinder.
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Sabine Rahimi schrieb am 29.09.2019
Hallo Frau Röhl,
ich bin über Report aus Mainz auf Sie aufmerksam geworden. Ich wurde in meiner Kindheit 2x verschickt, um nach 5 monatigem Krankenhaus Aufenthalt wieder zu Kräften zu kommen und um an Gewicht zuzunehmen. Ich bin Jahrgang 1964 und 54 Jahre alt.
Bei meiner ersten Verschickung nach St. Peter Ording war ich 5 3/4 Jahre alt. Es war im Spätsommer Ende Aug 1970 bis Sept. 1970. Das Kurheim war das Haus zum Goldenen Schlüssel und die Leitung die uns betreute hieß Rosmarie, sie hatte dunkelbraune Haare, dunkle Augen und war dicklich und älter.
Es war furchtbar dort. Ich erinnere mich nicht daran wie die anderen Kinder behandelt wurden, die meissten waren älter. Einzelheiten weiss ich nicht mehr, ich werde aber niemals vergessen, dass ich mein Erbrochenes essen musste. Rosmarie hat uns Kindern die Teller vollgefüllt und wir mussten mittags so lange sitzen bleiben bis wir aufgegessen hatten. Alle Kinder waren fertig mit dem Essen nur mein Teller war nicht leer. Rosmarie herrschte mich an und sagte ich müsse bis mein Teller leer ist hier sitzen bleiben und wenn es bis zum Abend wäre. Als ich keine Anstalten machte weiter zu essen fütterte sie mich und schob mir einen Löffel nach dem anderen in den Mund. Ich sagte das ich satt war, dieses ignorierte sie und sagte nur es werde aufgegessen. Als ich erbrechen musste schrie sie mich an und sagte, dass ich damit nicht durchkäme, ich habe meinen Teller leer zu essen, auch das Erbrochene, was sie mir löffelweise in den Mund reinzwang. Abends, als die anderen Kinder Abendbrot bekamen nahm sie mir wütend meinen Teller vom Mittagessen mit dem Erbrochenem weg und schickte mich ins Bett. Sie sagte weil ich nicht aufgegessen hatte bekäme ich kein Abendbrot und könne verhungern. Alle Kinder guckten mich an, ich weinte und Rosmarie bedrohte mich mir den Mund mit dem Pflaster zuzukleben wenn ich nicht sofort mit dem Geheule aufhöre.
Morgens wurden wir wie beim Millitär geweckt, beim Haare waschen im Waschraum lief das Schampoo in die Augen.Wir mussten kalt duschen und Rosmarie kämmte meine nassen Haare ruppig durch, es ziepte.
Als meine Mutter nach 5 Wochen Aufenthalt anrief und fragte wie es mir ginge fing ich am Telefon zu weinen an und sie kam am Wochenende aus Hamburg angereist und hat Rosmarie die Meinung geblasen. Meine Mutter wollte mich sofort mit nach Hause nehmen ,doch Rosmarie sagte, dass es nicht ginge die Kur einfach abzubrechen. Daraufhin hat meine Mutter sich für die verbleibende Woche ein Zimmer in St Peter Ording gemietet, meine Oma hatte währenddessen auf meine kleinere Schwester aufgepasst. Von da an hat meine Mutter mich dort morgens mit dem Bollerwagen abgeholt, weil ich schlecht laufen konnte und mir draussen etwas zu Essen gekauft und mich nur abends zum Schlafen da bei Rosmarie wieder abgegeben. Wenigstens 1 Woche die mir bei Rosmarieerspart wurde .

Meine zweite Verschickung war 1976 als ich 12 Jahre alt war bei Freiburg Königsburg oder so ähnlich hieß der Ort im Scharzwald wo das Verschickungsheim war. Wir mussten mittags draussen Mittagschlaf auf Liegestühlen machen und durften nicht reden für 1,5 Std . Das Haus war umgeben von dunklem Tannenwald, richtig idyllisch. Eigentlich war es ganz nett da, nur das ich mit 12 ohne Betreung von Hamburg in den Zug gesetzt wurde und erst in Kassel eine Betreuerin mit Kindern zustieg war seltsam und beängstigend.Das Essen war gut, wir durften uns selber auffüllen und nachholen. Als ich erwischt wurde wie ich auf die Tannen kletterte bekam ich Hausarrest im Schlittenkeller für 1 Tag, ansonsten war es aber schön dort.
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Christiane Lang schrieb am 29.09.2019
Hallo Christiane, ich bin im Februar 1959 geboren. Kurz vor der Einschulung, im März /April 1965 wollten meine Eltern wir was gutes tun, da sie mit mir in dem Jahr nicht in den Urlaub fahren konnten. Also kam ich zur Kinderverschickung nach Amrum. Bis dahin war ich ein fröhliches aufgewecktes Kind. Es fing schon mit der Zugfahrt an. Alleine weg zu müssen, war für mich schrecklich. Auch bei mir wurden wir zum Essen gezwungen. Neben mir saß immer ein Junge, der sich regelmäßig beim Essen übergeben musste. Aber nicht aufstehen durfte. Da ich mich allerdings regelmäßig entfernt habe, wurde ich in ein dunkles Schlafzimmer gesperrt. Ich weiß nicht mehr wie lange und wie oft ich darin weinend hockte. Auch nachts wurde patrouilliert. Wer nicht schlief oder sogar weinte wurde heftig beschimpft. Nach 6 Wochen kam ich stinkend,extrem stotternd und völlig verstört nach Hause. Meine Eltern waren völlig überfordert, da ich nichts zu Hause erzählt habe. Und so mehr sie mich zu Therapeuten schleppten, umso schlimmer wurde es. Erst, als ich mit Ende 20 mein 1Kind bekam, habe ich es ihnen erzählt. Mein Stottern begleitete mich trotz viele Therapien bis heute. Allerdings habe ich es durch eigene Sprachtechnik seit vielen Jahren im Griff. Meine Mutter hat die Reportage durch Zufall gesehen und hat tagelang geweint. Sie hat jetzt erst begriffen, wie schlimm der Aufenthalt für mich war und wie sehr er mein Leben beeinflusst hat. Denn durch das Stottern hatte ich in der Schule Schwierigkeiten, weil Lehrer mich für nicht zumutbar hielten und mich an eine Schule für Lernbehinderte schicken wollten. Gott sei dank gab es immer Menschen die sich für mich eingesetzt haben. Sodass ich heute ein glückliches Leben führen kann. Allerdings habe ich durch den Beitrag noch mal gemerkt, welche Chancen mir im Leben genommen worden sind. Und das es so viele Kinder gab, die über Jahre das gleiche Schicksal erleiden mussten, macht mich unendlich traurig und wütend zugleich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den zuständigen Behörden oder Krankenkassen keiner etwas davon gewusst hat. Es ist gut, dass endlich darüber berichtet wird .
Danke
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Kirsten B. schrieb am 29.09.2019
Hallo Angelika,
ich war damals 6 Jahre alt. Leider kann ich mich nur an wenige Dinge erinnern.
Das Essen mochte ich jedenfalls auch nicht. Ich habe heute noch eine enorme Abneigung gegen Milchreis, Haferschleim, alles was irgendwie den Geruch von warmer Milch hat. Und Hagebuttentee, den es aus großen Blechkannen gab und einfach nur ekelhaft war. Ich kann mich an einmal erinnern dass ich am Tisch sitzen bleiben musste weil ich nicht essen oder aufessen wollte. Ich glaube ich habe es irgendwann runtergewürgt bekommen, durfte gehen und habe dann wohl auf die Treppe erbrochen. Ich hab kürzlich im Internet ein Foto vom Speisesaal gefunden, in meiner Erinnerung war er riesig groß. Auf dem Foto sah er ehr klein aus. Wie viele Kinder dort wohl gleichzeitig untergebracht waren?
An Schläge kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an die psychische Gewalt die ständig präsent gewesen sein muss.
Wir mussten in einer Art Wintergarten Mittagsschlaf halten, auf Feldbetten mit kratzigen Wolldecken. Wir durften uns weder bewegen noch reden. Wer dagegen verstieß musste sich in die Ecke stellen. Ich habe immer versucht eine Liege möglichst weit weg von der Aufsicht zu erwischen, weil ich immer aus den Decken Flusen herausgezupft und zu kleinen Kugeln gedreht habe.
Auch wir durften nachts nicht aufstehen um zur Toilette zu gehen. Wenigstens einmal habe ich mich im Bett eingenässt und habe fürchterlich geweint.
Ich weiß gar nicht was wir den ganzen Tag gemacht haben. Eine wage Erinnerung habe ich noch an ein Spielzimmer? unten im Souterrain. Und wir waren wohl auch am Strand, der gleich vor dem Gebäude, über eine Steintreppe zu erreichen war.
Ich wüsste nicht das ich mit anderen Kindern gespielt habe, habe ehr an der Mauer im Sand gesessen und den durch meine Finger rieseln lassen.
Es gab eine Tante die ganz nett war. Ich glaube sie hieß Anita. Sie ist einmal mit mir an der Hand die Treppe zum Strand herunter gefallen. Sie war sehr besorgt das ich mir weh getan haben könnte.
Vielleicht war sie zu Deiner Zeit noch da? Ich habe ein Foto von den Kindern und zwei Tanten das vor dem Haus aufgenommen wurde.

Damals dachte ich es läge alles nur an meinem "ungezogenen" Verhalten und ich müsste nur lieb und angepasst sein, dann würde mir nichts passieren. Das ist auch heute noch, spontan, ein Teil meines Verhaltens. Immer unauffällig sein, keine Ansprüche zu stellen, mich selbst immer kontrollieren... Nach der Kur bin ich eingeschult worden. Ich hab mich nie getraut mich zu melden, was auch immer in den Zeugnissen stand..."Kirsten muss sich mehr am Unterricht beteiligen".
Mir ist es immer schwer gefallen Freundschaften zu schließen, mit anderen Kindern zu spielen oder gar Teile einer Gruppe zu sein. Einzelgänger halt.
Bis ins Erwachsenenalter hinein konnte ich körperliche Nähe fast nicht ertragen.
Leider konnte mir meine Mutter später auch keine Auskunft über evtl. Veränderungen in meinem Verhalten geben. Kurz vor meiner Kur verstarb meine Schwester. Meine Mutter war zu der Zeit nur mit ihrer Trauer beschäftigt.

Ich wünschte ich könnte mich an mehr erinnern. Es würde mir helfen zu verstehen warum ich so geworden bin.

Vielleicht meldest Du dich auch noch mal.

Liebe Grüße
Kirsten
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Christa M aus O schrieb am 29.09.2019
hallo Bärbel, leider waren unsere Eltern ja Kriegskinder und fanden das wohl alles richtig. Meine Wussten aber nichts von alle dem. Die wurden selber streng erzogen.
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Christa M aus O schrieb am 29.09.2019
hallo Christiane, ich war 1964 in Wittdün auf Amrum. DRK Kinderheim Ich war 12. Wie kann es angehen, dass keiner was gemerkt hat oder haben will? Wir mussten jeden Tag stundenlang am Meer spazieren gehen. Wer nicht mehr konnte, wurde einfach zurückgelassen. Meine Füße taten schrecklich weh weil ich keine Wanderschuhe hatte.
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Steffi W. schrieb am 29.09.2019
Hallo Frau Röhl,
ich möchte mich gerne bei Ihnen bedanken, dass sie dieses Thema aufgegriffen haben.
Ich bin Jahrgang 1961, also 58 Jahre alt. Mit 9 Jahren in der 3. Klasse war ich in St. Peter Ording für 6 Wochen zur „Erholung“, weil ich zu dünn war. Auch ich habe einige der bereits von anderen geschilderten Horrorgeschichten erlebt. Welches Heim es war, weiß ich nicht mehr.
Ob es anderen Kindern dort auch so ergangen ist, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern, mitgekriegt zu haben, dass andere auch so oder ähnlich behandelt wurden wie ich. Ich dachte, es geht nur mir so und liegt an mir.
Ich war mit 9 die jüngste, die anderen mindestens 2 Jahre älter. Von den Kindern wurde ich schikaniert, von den Erwachsenen kam keine Unterstützung, statt dessen Strafen und Quälereien.
Seit 1986 arbeite ich bei der Krankenkasse, war damals im Schreibzimmer und bekam mit ca. 30 Jahren (?) eine Akte der Reha-Abteilung in die Hände, in der eine Mutter sich über eine solche Behandlung ihres Kindes beschwerte. Die Sachbearbeiterin, mit der ich daraufhin über meine Erlebnisse sprach, sagte, so was habe sie schon öfters gehört. Was aus der Beschwerde geworden ist, weiß ich leider nicht. Das war das erste Mal, dass ich so was von anderen hörte.
Mein Ex-Mann war mit 10 oder 11 Jahren ebenfalls in St. Peter Ording und erlebte auch Diverses in der Richtung. Seine Eltern erkannten ihn nach seiner Rückkehr am Bahnhof erst nicht mehr.
Auf der Homepage von St. Peter-Ording gibt es eine Chronik, auch über Kinderheime und eine Bildergalerie. Wenn man die Minibilder öffnet, steht auch darunter, welches Heim auf dem Bild ist - https://www.chronik-spo.de/ortsgeschichte/statistik-des-ortes/kinderheime/. Sämtliche Bilder kommen mir nicht bekannt vor. Ich kann mich nicht an das Haus erinnern, in dem ich war, nur ein paar Sachen und die nicht sicher. Das gleiche mit Unternehmungen etc. Ich war 9 Jahre alt und 6 Wochen lang dort. Da müsste doch was hängen geblieben sein? Nur an meine Horrorerlebnisse, an die erinnere ich mich.
Dort habe ich mich schon unfair, ungerecht und gemein behandelt gefühlt – von den anderen Kindern und von den Betreuerinnen. Zudem hatte ich Heimweh und war entsprechend traurig, entsetzt und fassungslos über die Behandlung, fühlte mich verloren, hilflos, hoffnungslos. Zuhause wurde mir nicht geglaubt, ich wurde angefaucht, das könne nicht sein, so was gäbe es nicht, ich solle nicht so ein Zeug erzählen. Teilweise wurden die Betreuerinnen noch in Schutz genommen. Das kam dann noch dazu. Auch das fand ich ungerecht und unfair und mich allein gelassen – und teils noch schlimmer, weil das von meinen Eltern kam, an denen mir ja was lag, entgegen den Betreuerinnen. Daraufhin habe ich nichts mehr weiter davon erzählt. Auch später habe ich ganz viele Erlebnisse in meinem Leben nicht erzählt, weil ich dachte, ich bekomme es eh nicht geglaubt oder die anderen kriegen noch Recht.
*
Mit meinem Ex-Mann war ich vor einigen Jahren eine Woche dort in Urlaub. Das Heim fanden wir nicht mehr. Ich weiß aber darüber oder die Lage nichts mehr Genaueres, mein Mann eher aber auch nicht sicher). Die Gegend gefiel uns gut, es war auch eigentlich schön.
Ich hatte aber die gesamte Zeit – Tag und Nacht – geradezu abartige Kopfschmerzen. Vielleicht lag es tatsächlich nur am Klima, das ich vielleicht nicht vertrug. Eigentlich bin ich (und auch mein Mann) aber davon überzeugt, dass es mit den Erinnerungen an meine „Erholungszeit“ als Neunjährige zusammen hing.
*
Erst jetzt, nach 49 Jahren, nachdem ich massig Horrorgeschichten von anderen auf
http://www.anjaroehl.de/verschickungsheime/ und www.verschickungsheime.org
gelesen habe, bin ich wirklich sicher, dass ich mir nichts von all diesen Erinnerungen eingebildet oder geträumt habe. Immer wieder habe ich an mir gezweifelt. Bisher dachte ich, dass das Einzelfälle waren. Aber das scheint ja eher umgedreht zu sein und war bundesweit an der Tagesordnung. Wie kann man nur dermaßen grausam und sadistisch zu Kindern sein? Unfassbar. Das hat nichts mit strenger Erziehung zu tun, sondern ist reiner Sadismus. Ich bin völlig fassungslos und entsetzt. Dazu kommt, dass ganz ganz viele wesentlich jünger als ich waren als sie so wo hingeschickt wurden. Für die muss das ja noch viel viel schlimmer gewesen sein. So viele Menschen sind bei den Erlebnisberichten, die immer noch damit zu kämpfen haben – nach so langer Zeit.
Mir ist bewusst, dass es wesentlich schlimmere Erlebnisse gibt. Aber trotzdem finde ich auch diese schlimm genug.
Immer noch zieht es mir bei diesen Erinnerungen den Hals zu, bekomme ich Atemnot, muss zumindest ordentlich durchatmen, finde ich es deprimierend und resigniere vor so viel psychischer und teils auch körperlicher Gewalt. Mir wird eiskalt, eine Kälte, die nicht von außen, sondern von innen kommt. Oft genug ist mir dabei zum Heulen zumute. - Wie erschreckend, dass mir das nach so langer Zeit noch so nah nach geht. Und nicht nur mir, wie ich in den anderen Berichten lese.
Und alles stimmt. Ich war nicht die einzige, nicht allein. Ich hab nicht gesponnen, geträumt, phantasiert, gelogen. Es war und ist die Wahrheit!!!
Es lag nicht an mir, sondern an denen!!!
Danke Frau Röhl und danke denen, die Ihre Erlebnisse hier geschildert haben. Ich wünsche
Euch alles alles Gute!
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Maike schrieb am 28.09.2019
oh ja, auch Milchreis. Der Drachen Schwester Elvira hat schon aufgepasst, dass man nicht zu wenig davon ißt.
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Beate schrieb am 28.09.2019
Liebe Renate,

ich war im selben Jahr wie du im selben Heim in Niendorf ("das Kind ist so dünn, es braucht Luftveränderung"), allerdings im August/September. Sechs lange, endlose, einsame Wochen. Ich erinnere mich auch sehr gut an alles, vor allem die Angst vor den Mahlzeiten und vor dem Schlafsaal. Man musste (natürlich!) alles aufessen, was auf dem Teller lag, aber wenn es doch nur lecker gewesen wäre. Ich erinnere mich mit Schaudern daran, dass wir den Nachtisch oder andere Reste, die vom Vortag offenbar übrig geblieben waren, als Suppe serviert bekamen. Ich kann aus diesem Grund bis heute keine Nußecken essen. Und auch bei Schokoladenpudding mit Haut graust es mich. Die Sülze, die es jeden Morgen gab, habe ich mit allen Mitteln zu entsorgen versucht, weil ich sie so eklig fand. In den Ärmel gestopft, in die Hosentasche, danach draußen im Sand vergraben, und später dann (keine Ahnung, wie ich das geschafft habe) in meinem Koffer deponiert. Dort ist der Sülzevorrat dann verschimmelt, und man hat alles entdeckt. Ich wurde ausgeschimpft und die anderen mussten mitleiden und meinetwegen eine Stunde still sitzen. Bis heute kann ich Sülze nicht mal berühren oder ohne Schaudern ansehen. Aber am schlimmsten waren die Nächte, in denen man die anderen Kinder weinen hörte und auch selbst in sein Kissen weinte, zum Teil aus Verzweiflung, weil man dringend auf Toilette musste und nicht durfte. Draußen im Flur saß eine strenge Wache und schickte einen mit barschen Worten sofort wieder zurück. Die Bauchkrämpfe, die Not, und zum Schluss wußte man sich nicht anders zu helfen, als ins Bett zu machen. Was auch wieder Strafen und Beschimpfungen nach sich zog. Und dann die schlimme Woche, in der viele von uns Brechdurchfall bekamen.....Unvorstellbare Szenen. Und keinerlei Trost. Nur Einsamkeit. Zum Glück hatten wir zwei sehr nette junge Betreuerinnen, die tagsüber mit uns zusammen waren. Und wir waren auch tatsächlich viel draußen. Aber die Nächte..... und das Wiegen.....der Arzt, der in die Unterhose schaute, ist mir auch noch sehr präsent, es war so peinlich, die lange Schlange Mädchen aller Altersstufen nur in Unterhosen nackt auf dem Flur stehend, die zensierte Post.... die Hilflosigkeit... die Wehrlosigkeit.... und das furchtbare Essen. Ich hatte lange eine Eßstörung, einfach Ekel vor dem Essen, und Panik, wenn der Teller schon voll war. Und auch sehr, sehr viel Angst. Bis zu dem Reportbericht hätte ich nicht für möglich gehalten, dass es so viele von uns gibt! Aber jetzt haben wir endlich eine Stimme. Ich habe als Schriftstellerin schon mehrfach über meine Erfahrungen geschrieben und werde es weiter tun. In den nächsten Tagen auch auf meiner Homepage über "unser" Heim in Niendorf.

Ganz herzliche Grüße, Beate
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Bärbel Andres schrieb am 28.09.2019
Noch ein kleiner Nachtrag zu meiner Geschichte, weil man daran sieht, wie "nachhaltig" diese grässlichen Erfahrungen sind: Wir hatten (jeden Tag?) Gymnastik bei einer Lehrerin mit sehr langen, knallroten Fingernägeln, Wenn wir die Übungen ihrer Meinung nach nicht richtig machten, hat sie unsere Ohrläppchen zwischen ihre langen Fingernägel genommen und so lange "hineingestochen", bis wir die Übung besser oder richtig machten. Gymnastik hasse ich bis auf den heutigen Tag (bin jetzt fast 68!).
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Bärbel Andres schrieb am 28.09.2019
Ich bin durch Report Mainz auf Sie aufmerksam geworden. Habe schon lange darüber nachgedacht, warum sich niemand der "Verschickungskinder" annimmt und finde es super, dass Sie dieses Thema jetzt angehen! Ich wurde insgesamt 3 Mal "verschickt". An das erste Kinderheim in Bad Kissingen habe ich keine negativen Erinnerungen. Zweimal war ich in einem Kinderheim im Allgäu - jeweils im Winter. Beim ersten Mal war ich nur mit einem Bruder dort (den ich allerdings so gut wie nie gesehen habe), beim zweiten Mal waren wir alle 4 dort. Da ich klein und zierlich war und Ostern 1962 aufs Gymnasium kommen sollte, hielten meine Eltern es für eine gute Idee, mich noch einmal "aufpäppeln" zu lassen. Das Heim war ihnen von den "Heimkehrern" (VdH) empfohlen worden. Die Heimleitung (Frau Leckies o.ä.) war wohl der Ansicht, dass eine Gewichtszunahme das einzig erstrebenswerte Ziel unseres Aufenthaltes war, d.h. wir wurden mit Essen "vollgestopft", auch wenn wir nicht mehr wollten (6 Wochen Milchsuppe mit unterschiedlichen und unterschiedlich verabscheuten Einlagen zum Frühstück); es gab Nachschläge, die man auch aufessen musste, und bis heute hasse ich es, wenn ich einen zu vollen Teller vorgesetzt bekomme und dann irgendjemand oder ein Ober im Restaurant zu mir sagt "das schaffen Sie schon". Ich habe jeden Abend erbrochen und schon nach einer Woche das erste Kilo abgenommen (wodurch ich auf den Index der Heimleitung kam und noch mehr in mich hineingestopft wurde). Einmal pro Woche wurden ein paar Kinder ausgewählt, eine "Wurmkur" zu machen (ohne Indikation), d.h. wir bekamen außer je einer Pille morgens, mittags und abends (abends gab es noch einen Apfel dazu) nichts zu essen. Das schlimmste (und psychisch sicherlich "nachhaltigste"), was mir passiert ist, war Folgendes: Wir lagen alle in unseren Betten. Einem älteres Mädchen war es gelungen, ein Paket ihrer Eltern "unversehrt" zu erhalten (bei den jüngeren wurden Pakete konfisziert und der Inhalt an alle Kinder verteilt). Sie warf mir einen Kaugummi zu, der unter mein Bett fiel. Ich stand auf, um ihn aufzuheben. In diesem Moment kam Frau Leckies herein, sah mich, schrie mich an ("Schneegans"); ich musste meine (Woll-) Decke nehmen und mit ihr in die ungeheizte große Diele vor den Zimmern hinausgehen. Dort stellte sie mich in einer dunklen Ecke ab. Noch heute erinnere ich den Geruch der Wolldecke, in die ich eingewickelt war und die oben völlig durchnässt von meinen Tränen und meiner laufenden Nase war, sowie das Gefühl einer grenzenlosen Verlorenheit. Wie lange ich dort frierend und weinend stand, weiß ich nicht mehr. Irgendwann öffnete sich eine Tür und ein Lichtstrahl fiel auf die Diele. Ich schluchzte laut auf und wurde von einer entsetzten "Tante" aus meiner Ecke herausgeholt. Sie brachte mich erst einmal in ihr Zimmer, da ich völlig vereist war. Natürlich wurde ich krank und kam auf die Krankenstation, was es nicht besser machte (Fiebermessen: Alle Kinder auf Kommando auf dem Bauch, Hose runter, dann "rammte" uns Frau Leckies ein Fieberthermometer in den Po). Die Post wurde nicht nur kontrolliert, sondern auch zensiert. Unsere Eltern waren entsetzt über die Horrorgeschichten (und ich denke, dass sie sie zunächst gar nicht glauben wollten), denn sie hatten es mit unserer "Verschickung" nur gut gemeint!
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Norbert schrieb am 28.09.2019
Bis heute reagiere ich körperlich auf die Worte "Quisisana" und "Sankt Peter Ording" - kein Witz.
Je länger das Ganze wieder in mir hoch kommt, umso mehr Lust bekomme ich, den Aufsehern und .-innen von damals zu begegnen und sie aus Leibeskräften anzuschreien, ihnen die ganze Trauer und Wut darüber, wie sie uns gequält und zum Teil versaut fürs Leben haben ins Gesicht zu schreien...
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Uschi Pietzsch schrieb am 27.09.2019
Hallo Herr Martin M. diesen Samstag ist nicht möglich. Ich gebe mal mein Einverständnis Ihnen meine Mail Ad. an sie weiter zu geben. Oder schaueen sie mal da ist ein Ansprechpartner jetzt für Bad Reichenhall. Da habe ich schon hingeschrieben und eventuell können wir über diesen unsere Mail.Adressen austauschen um ein Treffen zu organisieren. Herzlichst U.P.
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Karin schrieb am 27.09.2019
Hallo Christiane, ich war auch 1974 mit 5 Jahren auf Amrum; im unten erwähnten Lenz-heim in Wittdün. Ich kann mich leider nur an wenig erinnern. Bei Kindergeburtstagen - die bei so vielen Kindern ja ständig waren - mussten wir um die Wette Süßigkeiten essen. Ich erinnere mich daran dass ich mehrfach erbrochen habe und danach zum essen gezwungen wurde. Eine Erzieherin saß neben mir und wartete dass ich den Teller leer aß. Mehr brauchte es dazu auch nicht - ich war ja schließlich folgsam und hatte nicht gelernt mich zu wehren. Dementsprechend dicker kam ich zurück. Wir kamen auch kaum aus dem Haus raus. Wie streng und lieblos es war, erinner ich nicht. Das war ich ja schließlich gewohnt.
Von meiner Mutter habe ich erfahren, dass sie mich nicht kontaktieren konnte, Telefonate verboten waren.
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Susanne schrieb am 27.09.2019
Ich würde 1983, mit fünf Jahren, gemeinsam mit meinem Bruder(4 Jahre alt) nach Borkum in das Kurheim Kiebitzdelle verschickt. Es muss der Zeitraum von Mitte/Ende Januar bis Februar gewesen sein. Die Gesamtdauer war 6 Wochen. Damals hatte die BEK meine Eltern angeschrieben und Werbung für diesen Kuraufenthalt gemacht. So kam eins zum andern und wir wurden zur „Kur“ geschickt! Leider oder vielleicht auch zum Glück sind meine Erinnerungen an die Zeit gering!Erinnern kann ich mich beispielsweise daran, dass ich zur Strafe allein und längere Zeit im Speiseraum stehen musste, mein Bruder stundenlang vor seinem Teller sitzen musste bis er aufaß, das alle Süßigkeiten/Plätzchen der Kinder eingesammelt und weg geschlossen wurden! Die gesamte Kurzeit war immens belastend für mich und bei der Heimkehr bin ich einfach unter Tränen zusammengebrochen! Meinen Eltern gegenüber haben wir wohl geschwiegen und kaum etwas über die Zeit dort erzählt! Doch seit dem Zeitpunkt habe ich mit „Kur“ nur negative Gefühle in Verbindung gebracht!
Mein Gefühl sagt mir, dass dort mehr geschehen ist, als das,was ich noch aus dieser Zeit erinnere!
Auch ich bin geschockt darüber, wieviele Kinder aus dieser Zeit betroffen waren und noch heute an den Folgen leiden!
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Martin M. schrieb am 26.09.2019
Hallo Frau Pietzsch,
wir könnten uns in Saarbrücken am St. Johanner Markt in dem Restaurant Tante Maja treffen, vielleicht am 28.09.19 der nächste Samstagnachmittag um 14.00 Uhr. Ich trage einen schwarzen Rucksack.
Hinterlassen Sie mir bitte eine Nachricht, wenn es bei Ihnen an dem Termin gehen würde oder nennen Sie mir eine Alternative dazu.
Viele liebe Grüße Martin M.
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Christiane schrieb am 26.09.2019
Ich bin 1974 mit 5 Jahren in ein Kinderkurheim in Wittdün auf Amrum geschickt worden da ich laut Aussage meiner Mutter oft krank war. Es war schrecklich dort. Am schlimmsten war das Essen. Man wurde zum Essen gezwungen. Einmal musste ich stundenlang vor meinem Teller ekliger Suppe (Graupensuppe o.ä.) sitzen bleiben bis ich es mir reingewürgt habe und mich übergeben musste. Zur Strafe wurde ich dann in den dunklen Schlafsaal eingeschlossen wo ich mehrere Stunden alleine ausharren musste während die anderen Kinder an den Strand gingen. Kann mich auch noch einen Bettnässer erinnern der vor allen vorgeführt wurde. Einmal waren wir mit unserer Gruppe draußen unterwegs. Ich bekan den Reißverschluss meiner Jacke nicht zu und hab wohl etwas wütend mit dem Fuß gestampft und eine der Erzieherin gefragt ob sie mir helfen könnte. Hierfür wurde ich auch lautstark verbal beschimpft und zurechtgewiesen. Es herrschte dort eine strenge, lieblose Atmosphäre. An Kontakt mit meinen Eltern während der Zeit kann ich mich nicht erinnern, auch an die Zug - und Schiffahrt nicht. Ich hatte schlimmes Heimweh. Bis heute war mir überhaupt nicht bewusst dass es früher so weit verbreitet war in Kinderkur verschickt zu werden. Es ist echt schockierend was viele dort erleben mussten.
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Hildegard schrieb am 26.09.2019
Liebe Anja Röhl und liebe andere Verschickungskinder,
meinen Text habe ich überarbeitet, präzisiert und etwas ergänzt:

1958 war ich vom 14. Februar bis zum 25. März im Alter von sieben Jahren kurz vor meinem achten Geburtstag in der Asthma-Kinderheilstätte in Bad Reichenhall, Kurfürstenstr. 36. Diagnose: asthmatoide Bronchitis (Ärztlicher Schlussbericht vom 25.3.58).

Da ich für mein Alter recht klein war, wurde ich der Gruppe der jüngeren Kinder, ausschließlich Mädchen, zugeordnet und nicht derjenigen, die meinem Alter entsprochen hätte. Die Kleinste dort war zwei oder drei Jahre alt. Soweit ich mich erinnere, haben die Tanten, so nannten wir die Betreuerinnen, die Kleine gut behandelt. – Die anderen Kinder nicht.

Es war furchtbar. Wenn Kinder weinten, weil sie Heimweh hatten, drohte man ihnen. Herr Dr. B. (Chefarzt) hätte gesagt: „Wer weint, muss noch einmal 6 Wochen länger bleiben.“ Die Kur sollte ca. 6 Wochen dauern und 6 Wochen länger wären dann 12 gewesen, eine unvorstellbar lange Zeit für uns ...

Glücklicher- oder unglücklicherweise (?) sind meine Erinnerungen äußerst bruchstückhaft. – Objektiv betrachtet, wurde (natürlich) niemand in diesem Kinderheim „gut“ behandelt, auch die Kleinste in der Gruppe nicht. – Allein schon der Essensterror, dem jedes Kind ausgesetzt war, muss ja für alle unerträglich gewesen sein, auch für die ganz Kleine ... Gefühlsmäßig erinnere ich noch mein Entsetzen über die Gewaltszenen an den größeren Kindern und, dass ich immer dachte: „Hoffentlich behandeln sie die Kleine gut!“ Dass ich froh war, wenn sie verschont blieb. Aber, ob sie davon verschont blieb? Ich habe keine Ahnung ...

Wir sollten alle zunehmen. Zum Essen wurden wir gezwungen. Eine Frau erzählte uns Horrorgeschichten von einem Schlauch, der durch Nase oder Mund in den Magen eingeführt werden würde, falls wir nicht anständig äßen. Daran, dass erbrochen wurde, habe ich nur noch unklare Erinnerungen. – Ein Mädchen wurde über einen Stuhl oder Hocker gelegt und eine „Tante“ hatte einen Gong-Schläger in der Hand ... Danach bricht meine Erinnerung ab. Ich glaube, man hat ihr angedroht, sie zu schlagen, damit sie „besser“ isst ...

Bei den Mahlzeiten durfte nicht gesprochen oder gelacht werden. Einmal lächelte ich, ich weiß nicht mehr, warum. Darauf wurde ich des Raumes verwiesen und musste draußen vor der Tür sitzen. – Dort kam eine nette, jüngere Frau vorbei, die Atemtherapeutin. Diese war eine Ausnahme, sie begegnete mir als Mensch. Sie fragte mich, was ich da draußen mache und wie es mir gehe. Ihr vertraute ich mich an: „Ich will nach Hause und zu meiner Schwester.“ – Die Atemtherapeutin meinte, vielleicht könne ich früher heim (eine Hoffnung, die zwar nicht erfüllt wurde, aber immerhin, ich fühlte mich verstanden ...). Diese Frau war menschlich, ein Lichtblick in dem ganzen Elend.

Ich hatte ständig Angst, weinen zu müssen. Dies unterdrückte ich mit aller Macht, so lange, bis ich zum Mittagsschlaf oder in der Nacht im Bett lag, damit niemand das Weinen bemerkte. Einmal konnte ich es, als wir zusammen spielten, nicht zurückhalten. Als Entschuldigung gab ich Bauchschmerzen an, denn ich fürchtete die sechswöchige Kurverlängerung. Daraufhin erwiderte eine der Tanten, mich auslachend, wir würden gleich alle zum Arzt gehen und dann würde ich wohl eine Spritze gegen die Bauchschmerzen kriegen.

Die Getränke, ich glaube, es war Malzkaffee, erhielten wir in weißen Bechern mit Henkeln. Diese wurden, nachdem sie ausgetrunken waren, umgestülpt auf den Tisch gestellt. Eines Tages kam eine der Tanten (die, der ich das mit den Bauchschmerzen erzählt hatte) auf mich zu und fragte, ob ich meinen Becher ausgetrunken hätte. Eingeschüchtert und verwirrt antwortete ich: „Ich weiß es nicht.“ Da haute sie mir links und rechts Ohrfeigen. Sie hätte sich ihre weiße Schürze mit den Getränkeresten vollgegossen, weil nicht alles ausgetrunken gewesen wäre ...

Es gäbe noch mehr zu berichten. Aber ich möchte es dabei belassen. Insgesamt war die Atmosphäre geprägt von Empathielosigkeit und menschlicher Kälte. Es herrschte ein Klima unerträglicher Angst.

Als ich wieder zu Hause war, schämte ich mich für das, was ich erlebt hatte. Ich traute mich nicht, mit irgendjemandem darüber zu sprechen.

Gruß
Hildegard
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Britta K. schrieb am 26.09.2019
Seehospiz Kaiserin Friedrich, Norderney, ca. 3.monatige Kur im Frühling 1972, Barmer Ersatzkasse, Grund: Asthma, Neurodermitis
Ich war damals 7 Jahre alt, Sammelzug ab Hagen. Mein erstes negatives Erlebnis beim Kofferauspacken bei der Ankunft. Ein schöner Strandausgehanzug, den meine Mutter mir als Trostpflaster gekauft hatte, wurde direkt mit den Worten konfisziert, "so etwas tragen wir hier nicht". Auch die Schlüpfer wurden zugeteilt (eher 2 pro Woche denn pro Tag). Schlafen im Schlafsaal mit wimmernden Kindern. Morgens um 6 Uhr Fiebermessen. Das Thermometer musste man selbst einführen und saubermachen. Morgens stand man in Unterwäsche frierend in einer langen Schlange zur Medikamenten- und Cremeabholung. Duschen und Waschen nur unter Aufsicht. Ich kann mich an keinen heiteren Moment erinnern, keine Spiele, keine Bastelstunden. Ich hatte schmerzhaftes Heimweh. Zum Glück habe ich eine Freundin gefunden. Das prägendste Ereignis war, dass ich im März ins Büro der Oberin gerufen wurde. Drohend fragte sie mich, ob es mir denn etwa nicht gefalle. ich sagte daraufhin eingschüchtert, mir gefalle es. Daraufhin sie: Und warum schreibst Du dann böse Dinge nach Hause und willst an Deinem Geburtstag nicht mehr hier sein? Zur Strafe musste ich in der Ecke stehen. Nicht nur ausgehende Post wurde kontrolliert, sondern auch die eingehende. Päckchen von meiner Oma mit selbstgebackenen Plätzchen wurden geöffnet und in einem Spind verschlossen. An Telefonate mit zuhause kann ich mich nicht erinnern. Heutige Eltern würden ihre Kinder sofort abholen. Damals war noch so ein ungesunder Respekt vor medizinischem Personal und Kinderrechte wurden kleingeschrieben.
Im Zugabteil auf der Rückfahrt wurde ich Mitreisenden über meinen Kopf hinweg als besonders gelungene Heilung präsentiert, mit dem Verweis, ich sei so mager gewesen.
Danke für die Initiative!
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Cornelia Maier schrieb am 26.09.2019
Nur durch Zufall sah ich vor einigen Wochen den Report aus Mainz.
Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass es eine Vereinigung / Initiative Verschickungskinder gibt.
Über den TV Bericht war ich entsetzt, über die Berichte die ich später im Internet verfolgte noch viel mehr.
Danke Frau Anja Röhl, dass Sie sich dem Thema angenommen haben.
Ich kann hier nur einen kleinen Beitrag zu meiner Verschickung niederschreiben. Leider habe ich nicht mehr die Möglichkeit meine Eltern zu fragen, wie es denn nun wirklich in einigen Punkten ablief bzw wie es überhaupt zur Kinderverschickung gekommen ist. Meine Eltern sind verstorben, Dokumente liegen nicht vor.
Hier mein Bericht aus meiner Erinnerung heraus; meine Erinnerungen habe ich aber auch immer wieder im Laufe meines Lebens auch mit meinen Eltern und mit meiner Großmutter erzählt. Antworten gab es keine, weil sie sie nicht kannten oder weil meine Eltern glaubten alles richtig gemacht zum haben. Ich werfe meinen Eltern und meiner Großmutter nichts vor. Mein Bruder, Jahrgang 1962, wurde zweimal verschickt und hat nichts berichtet (vor seiner Einschulung). Der Fall meines Bruders liegt auch anders, er ist als Baby „falsch in einem Hamburger Krankenhaus“ behandelt worden und daraus her rührt eine Schwerbehinderung (geistig). Vielleicht hat er deshalb nichts mitbekommen oder er ist anders behandelt worden oder er weiß es einfach nicht.
Ich habe versucht das Thema, nach dem TV Bericht, noch einmal mit ihm anzugehen. Ohne Erfolg.

Ich bin geboren 1964. Aus meiner Erinnerung hieß es, wir sollten in das Hamburger Kinderheim nach Wyk auf Föhr verschickt werden, weil wir zu oft an Mandelentzündung erkrankt waren. Es wurde durch unsere Kinderärztin verordnet. Wir sind nicht als Geschwisterpaar gefahren.
In welchem Jahr ich verschickt wurde kann ich nicht sagen, auf jeden Fall vor der Einschulung. Vielleicht war ich 4 Jahre alt. Es ging los vom Bahnhof Hamburg-Altona nach Wyk auf Föhr. Ich habe keine Erinnerung wer die reisenden Kinder begleitet hat.
Ich litt sehr unter Heimweh und habe viel geweint. Ich musste wegen des Weinens oft im Waschraum übernachten. Daran ist meine Erinnerung so groß- nur mit Bademantel auf dem Boden oder auf einer Holzbank. Der Waschraum wurde abgeschlossen.
Ich erinnere mich an den Schlafsaal; an dessen Eingangstür ein kleinerer Raum war mit einer kleinen Tischlampe. In diesem Raum saß immer eine Frau (Tante) und die hielt „Wache“. Wenn ich weinte holte diese Frau mich aus dem Bett und ich musste in den Waschraum.

Ich wurde krank und kam auf die Krankenstation (hohes Fieber). Von da aus wurde ich zurück nach Hamburg geschickt.

Die ersten Worte in Hamburg-Altona von meinem Vater und meiner Großmutter waren: Oh Gott, was hat das Kind für eine dicke Mütze auf, hattest du die die ganze Zeit auf. Das Kind sieht schlechter aus, als zu dem Zeitpunkt als es losfuhr.
Ich habe keine Erinnerung ob mich jemand auf der Rückfahrt begleitet hat. Mein Vater und meine Großmutter hatten mir einen Spielzeug-Hund mitgebracht zum Bahnhof der so an einer Schnur laufen konnte und auch bellen konnte (mit Batterie). Erst dann soll ein Lächeln meinerseits gekommen sein.
Ich erinnere mich noch daran, dass wir Kinder in Wyk immer Muscheln gesammelt haben. Ich hatte einen wunderschönen Beutel von meiner Mutter genäht bekommen. Auf den war ich sehr stolz.

Im Laufe meines Lebens habe ich immer mal wieder von dieser Waschraum - Geschichte berichtet und sah immer diesen kleinen Raum an der Schlafsaal - Eingangstür vor mir.
Ich war erstarrt, als ich solche Bilder im TV vom Wyker Kinderheim sah.

Ich bedaure sehr, dass so viele Kinder so so schlimme Erfahrungen gemacht haben.Meine Erfahrung ist dagegen sehr klein und nicht von großem Belang/Interesse.
Ich habe mit meinen Kindern und meinem Ehemann darüber gesprochen und bin zu dem Entschluss gekommen, hier meinen kleinen Beitrag zu leisten. Ich bin erschüttert, dass mich dieses Thema nach über 50 Jahren einholt.

Eines noch: Erst seit ca 2009 bin ich das erste Mal wieder nach Föhr gereist. Bei jedem Spaziergang am Kinderheim vorbei, stockt mein Atem. Ich habe auch mal in die Fenster des Kinderheimes geschaut, es war kein gutes Gefühl.

Die Insel Föhr, mit seinen lieben Insulanern, ist zu einem meiner Lieblingsreiseziele geworden. Ich glaube für mich hat sich ein „Kreis“ ums Thema Verschickung geschlossen.

Ich wünsche allen betroffenen Kindern von damals (8 Mio!!!!) nur das Beste.
Ich werde diese Berichte hier weiter verfolgen.
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Anette Setzler-Bändel schrieb am 26.09.2019
Die Sendung von Report Mainz hat mir ein bis dato erfolgreich verdrängtes Trauma schlagartig ins Bewusstsein geholt. Ich bin im Haus Heckenrose auf Norderney gewesen, vom 19.2. - 1.4.65, von der Techniker KK bezahlt und der AWO organisiert. In dem Sommer wurde ich 6 und sollte meinen Dauerhusten als Ruhrpottkind loswerden, außerdem war ich etwas dünn. Ich hatte so viel Heimweh wie nie (obwohl ich öfters, auch für 2 - 3 Wochen schon allein bei meinen Großeltern gewesen war)
Dass mit dem aufpäppeln hat nicht geklappt durch Suppen, die mehr Wasser als Suppe waren, durch rohe, ungewaschene und ungeschälte Karotten, die mir den Bandwurm eingetragen haben, den ich mit nach Hause brachte. Haferschleimsuppe im Kinderheim hat dazu geführt, dass ich als Schulkind die Haferflocken, die ich mit Milch jeden Morgen essen sollte, mit viel Verachtung gegessen habe. Ich habe sie manches Mal, weil meine Eltern, mit recht, von der Nahrhaftigkeit überzeugt waren, ins Klo geschüttet und, als Mutti mir auf die Schliche kam und geschimpft hat, hab ich sie aus dem Fenster im 3. Stock geschüttet. Pech für mich, hatte die Nachbarin unten drunter in der Wohnung ihre Betten zum Lüften im Fenster liegen. Es gab mächtig Ärger, aber Haferflocken musste ich nur noch, wenn ich sie wollte essen! Nach der Kur war ich eher abgemagert und vor allen Dingen krank vor Heimweh und meinte auch vorzeitig wieder heim geschickt worden zu sein, aber ich denke, das war der Wunschgedanken der Kleinen.
Durch den Bericht war auf einmal die Szene wieder da, dass auch ich ein Pflaster über dem Mund hatte, damit ich nicht reden kann und heute Morgen wurde mir bewusst, dass ich noch heute lieber "den Mund halte, wenn es mir schlecht geht, oder ich mich beschweren müsste" als dass ich rede. Ich erinnerte mich an große Schlafsäle, in dem ich mich in den Schlaf weinte (zumal meine Puppe, die ich dabei hatte, weg gesperrt war in einen Schrank - auch das ist gestern Abend plötzlich als Erinnerung wieder da gewesen) und an unfreundliche "Tanten", die mit Strafen schnell dabei waren zum Beispiel ist mir eine Szene eingefallen, wo ich auf dem Boden knie in dem großen Waschraum und putze mit meinen nackten Kinderknien. Diese großen Steinwaschbecken, an denen wir uns morgens im ungeheizten Waschsaal in Reihe gewaschen haben mit eiskaltem Wasser und nur mit Höschen bekleidet sind mir wieder ins Bewusstsein gekommen und woher mein Ekel vor ungeputzten mit Zahnpastaschlieren verschmutzen Waschbecken noch heute kommt ist mir auch auf einmal klar. Ebenso habe ich jetzt das Gefühl, dass da noch was zu heilen ist, und ich dann nie mehr Gewichtsprobleme, „Lebensmittelallergien“ und Durchschlafprobleme haben werde – das macht gerade so viel Sinn, dass damals in diesem Kuraufenthalt die Trigger für das was ich heute noch habe liegen. Hagebuttentee mag ich bis heute noch nicht wieder. Überhaupt die Hagebutten (Haus Heckenrose!) die auf dem Weg zum Strandspaziergang wuchsen: das waren aber eher die Mit-Kur-Kinder-Jungs, die diese gepflückt und aufgemacht haben und das „Juckpulver“ überall im Bett verteilt und auch hinten in den Kragen gesteckt.
Die Insel Norderney hat es mir nicht verdorben. Ich war nie wieder in der Kinderlandverschickung. Meine Mutti ist ab 1966 mit mir immer privat in den Osterferien dorthin gefahren in ein privates Zimmer in der Nordhelm-Siedlung und sowohl sie, als auch ich, lieben Norderney bis heute. Die "Tanten" werden längst verstorben sein, das Haus Heckenrose gibt's nicht mehr, wem nutzt der Ruf nach Aufarbeitung noch? Meine Eltern, der Kinderarzt, alle haben es gut gemeint und wollten mir was Gutes tun. Okay, mir nutzt es die Aufarbeitung, die über 54 Jahre später angestoßen wird, mir, die weiß, sie war damals nicht allein und ist es heute nicht, es gibt Tausende davon und es ist wichtig darüber zu reden und sich den Schatten zu stellen.
Es gibt nicht nur böse Erinnerungen an jenen Kuraufenthalt: z. B. Matjes in Gelee, den manche als traumatisierend erlebt haben mag ich heute noch und auch Schwarzbrot hat man mir dort nicht verleiden können. Als Wasserratte, die ich schon lange bevor ich schwimmen konnte war, erinnere ich mich an das Wellenbad sehr gerne. Aus Erzählungen weiß ich, dass auch meine Eltern Heimweh nach mir hatten und einmal an einem Wochenende auf die Insel kamen, wo sie mich aus der Ferne am Strand beobachtet haben – gut heraus zu kennen aus all den Kindern mit meinem roten Mantel und Kopftuch. Irgendwie hab auch ich das Bild von ihnen, wie sie weit weit entfernt auf einer Düne stehen, meine Mutti im blauen Mantel, auch mit Kopftuch, und mein Papi. Besuchen durften sie mich selbstverständlich nicht, sie wurden am Eingang abgewiesen. Meine Mutter erzählte mir kürzlich, dass sie weiß, dass dieser Aufenthalt alles andere als erholsam für mich war, aber unternommen haben sie damals nichts.
Seit den 80er Jahren war ich nicht mehr auf Norderney. Im November 2009 zog es mich erstmals wieder hin, in die Pension, in die Mutti seit den 80er Jahren jedes Jahr ein- bis zweimal fuhr. Ich besuchte auch das Wrack am Ostende der Insel, was im Dezember 1967 dort gestrandet war und an das ich mich aus Kindertagen als hochaufragendes Schiff erinnern konnte.
Dort saß ich dann und weinte, als erwachsene Frau mit 50 Jahren, und wusste nicht warum. Ich sah mich als kleines trauriges Mädchen und wusste nicht, warum es so traurig war auf Norderney.
Jetzt weiß ich, was ich dort geheilt und aufgearbeitet habe, denn ich liebe diese Insel und die Nordsee bis heute, auch wenn mein erster Aufenthalt dort traumatisierend war.
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Uschi Pietzsch schrieb am 26.09.2019
Hallo Herr Martin M. gerne kann ich Ihnen einige Dinge zukommen lassen. Wie können wir unsere Kontaktdaten austauschen?
Herzliche Grüße Uschi P.
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Andrea schrieb am 25.09.2019
Hallo,
der Bericht im ARD hat mich sehr aufgewühlt, ohne eigen Erinnerung/Gedanken an eine Verschickung ,aber mein ganzer Körper reagierte massiv.
Mir fiel ein .....immer wenn ich Michlreis angeboten bekomme,meine spontan Antwort....Nein,danke ich war in Bad Sassendorf.
Meine Frage ......wurde man dort gezwungen Milchreis zu essen .?
Ist bestimmt nur eine Kleinigkeit, aber ich bin 1963 geb.und mir fehlen sämtliche Kindheitserinnerungen
Ich befinde mich deshalb seit Jahren in Therapie.
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Angelika Hill schrieb am 25.09.2019
Hallo Kirsten
Ich War 1976/77 dort und es war schrecklich.
Schläge schlechtes Essen Bestrafung bei der Mittags Ruhe wenn man nicht Ruhig war usw .
Bis heute geht es mir damit nicht gut .

Bin von der Barmer Ersatzkasse geschickt worden 6 Wochen im Sammelzug aus Stuttgart .
Melde Dich mal.

Viele Grüße
Angelika
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Rosi schrieb am 25.09.2019
Hallo Stefan,

sag doch DU - wir haben doch alle mehr oder weniger den selben Mist erlebt und sind doch alle "Opfer"!!!

Eigentlich traurig zu lesen, dass es so viele "Opfer" gibt. Ich bekomme hier jedes mal "Gänsehaut" und ich verspüre eine leichte Übelkeit, eine innerliche Anspannung und Vibrieren, ein Zittern überall.... Puls wird schneller, eine gewisse Angst oder Panik macht sich breit!

Also körperlich Misshandlungen habe ich leider schon erfahren, nicht nur Schläge, ich wurde auch "verbrüht"! Man hat meine Hand oder besser mein Handgelenk unter kochend heißes Wasser gehalten. Ich hatte Verbrühungen 3. Grades! Mir wurde danach eingetrichtert, eine nette Geschichte über einen kleinen Unfall zu erzählen, wenn mich der Arzt fragen sollte, wie das denn passiert sei. Und wehe du sagst auch nur ansatzweise etwas anderes!!! Ich hatte solche Angst, ich hatte gar nichts sagen können, nicht ein Wort!!! So hatte die Tante freie Bahn zu sagen was immer sie wollte. Letztendlich hat ein anderes Kind "versehentlich" das heiße Wasser aufgedreht, während ich mit meinem Handgelenk darunter war!

Wenn ich heute darüber nachdenke, dann klingt das lächerlich!!! Das Wasser wird gar nicht so heiß um sich so stark verbrühen zu können. Wir Kleinen waren viel zu klein um überhaupt an den Wasserhahn zu kommen, dazu brauchten wir Schemel und dann konnte nur ein Kind zur Zeit am Waschbecken sein. Also alles Quatsch! Mich wundert schon sehr, dass die Ärzte dort nicht irgendwann Verdacht schöpften, weil sich die Verletzungen doch sehr häuften. Meinen Geburtstag verbrachte ich dort, mit verbrühtem Handgelenk und fast täglichem Arztbesuchen. Das waren aber in sofern Tage mit Abwechslung, weil man mal rauskam. Wir waren ja nur drinnen!!! 6 Wochen nur im Haus!!!

Die Postkarten nach Hause, schrieben die Tanten, da wir ja nicht lesen und schreiben konnten, wir waren noch zu klein. Meine Mutter glaubte die Lügen, die dort geschrieben wurden: "Mir gehts es gut. Hier ist es wunderschön. Sind jeden Tag am Strand und sammeln Muscheln oder draußen an der frischen Luft. Wir spielen fiel und die anderen Kinder sind alle nett. Auch wenn es hier noch so schön ist, freue ich mich wieder auf mein Zuhause, wieder bei euch zu sein!" So ähnlich eben... (kotz! Sorry!) Und damit es dann auch glaubwürdig wurde, gab man uns bei der Abreise "Muscheln" mit, die wir angeblich selbst gesammelt, gesäubert und getrocknet hatten und das obwohl wir NIE am Strand waren!!!

Mein Zuhause war zwischen 850 bis 900 km entfernt, lag damals in Baden-Württemberg, das schöne Karlsruhe..... wer schickt so kleine Kinder sooo weit weg???? Keine Ahnung was man sich dabei gedacht hatte!!!
Wo warst du denn her, Stefan? Wenn ich fragen darf...

Stichwort Tee: "Ich musste immer Kamille trinken, was ich nicht mochte. Eingetragen war Pfefferminz-Tee, den ich aber nie zu trinken bekam!" Saft oder Obst gab es nie, Salat auch nicht. Dafür viel Eintöpfe und Suppen, besonders die olle Käsesuppe (würg), da kommt es mir noch heute hoch!!!

Kurz gesagt: "ES WAR DIE HÖLLE!!!"
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Martin M. schrieb am 25.09.2019
Hallo Uschi Pietzsch,
ich bin froh endlich jemanden gefunden zu habe, der auch in Bad Reichenhall in der Klinik für Lungenleiden war. Ich konnte mich an überhaupt nichts im Bezug auf diesen Aufenthalt erinnern, bis im Jahr 2014 während eines Reha-Aufenthaltes ein Oberarzt mit Hilfe von EMDR meine Traumata aufdecken konnte. Seit diesem Tag arbeite ich an den vielen Traumata. Das Aufdecken der Traumata ist sehr schwierig, ebenso das Durchleben und die Verarbeitung. Sehr schwierig für mich sind auch die persönlichen Annahmen dieser vielen sehr schlimmen lebensbedrohlichen Straftaten, die mir während diesem Aufenthalt 1967 widerfahren sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir Ihre Daten, Adresse und Bilder des Aufenthaltes zur Verfügung stellen könnten.
Vielleicht ist es Ihnen genauso ergangen wie mir , dass Sie diesen Aufenthalt oder ein Teil davon, dissoziiert haben.
Ich brauche noch Zeitzeugen, die auch in dieser Klinik waren und schlimmes erlebt haben.

Vielen Dank für Ihr Antworten.

Herzliche Grüße Martin M.
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Petra Vierecke schrieb am 25.09.2019
Kinderheim Cuxhaven-Duhnen – ein Trauma

Gern wurde in der Familie folgende, lustige Geschichte erzählt:

Wir wohnten nach der Flucht in Elmshorn. Dort sollte ich eingeschult werden – vermutlich Ostern 1950 (geb. Sept. 1944) –, war aber nicht erschienen. Also kam die Polizei. Denn bekanntlich waren Flüchtlinge asoziale Menschen. Wir sind Baltendeutsche aus Riga. Meine Mutter hatte selbstverständlich in der Schule am Propstenfeld Bescheid gesagt, dass ich im Kinderkurheim in Duhnen bei Cuxhaven bin. Sie hatte Arbeit beim Postsparkassenamt in Hamburg gefunden. Es war ein Posterholungsheim für Kinder.

Nur ein Bild habe ich noch vor Augen: Wie wir vor der Toilette morgens Schlange stehen und jede bekommt von der Tante ein kleines Stückchen Klopapier von der Rolle, die sie in der Hand hält.

Aber da müssen traumatische Dinge passiert sein, die ich ganz tief vergraben habe.

Vermutlich rührte nämlich meine panische Angst vor Autoritäten daher: bloß nichts falsch machen, so unauffällig wie möglich mich verhalten, mich nicht wehren. Weder verbal, geschweige denn körperlich.

Und was meine Mutter betrifft, so hatte sie mich zum zweiten Mal im Stich gelassen. Dessen war sie sich natürlich nicht bewusst, diese Verschickung zur Kur war doch ein großartiges Geschenk! Warum mein drei Jahre älterer Bruder nie verschickt wurde, weiß ich.

Auf unserer Flucht an der pommerschen Küste entlang waren wir auf einem Küstenmotorschiff. Ich war sechs Monate alt, das war im März 1945. Mit anderen Säuglingen war ich in einer Art Schublade abgelegt worden. Das Schiff fuhr auf eine Seemine und drohte zu sinken. Meine Mutter konnte sich nur um meinen Bruder kümmern, der an ihr klammerte. Sie hatte auf seine Brust einen Zettel geklebt mit seinem Namen. Sie war sportlich, 24 Jahre alt und wollte mit ihm an Land schwimmen. Aber so weit kam es nicht, mit letzter Mühe und halb abgesoffen, erreichte das Schiff Swinemünde, weil das meiste Gepäck und Sachen von Gewicht über Bord geschmissen worden waren.

Diese Geschichte hat mir mein Omachen wieder und wieder erzählt, als ich etwa vier, fünf Jahre alt war. Und jedes Mal habe ich dann gefragt: „Und ich? Was sollte aus mir werden?“
„Ist doch gutgegangen, das Schiff ist doch nicht gesunken!“, sagte sie dann.
Kurz bevor meine Mutter starb bat ich sie, mir diesen Teil unserer Fluchtgeschichte mit ihren Worten zu erzählen. Sie sagte – wir weinten zusammen –, dass es so war, dass sie sich hätte entscheiden müssen, meinen Bruder und nicht mich zu retten.
Aber niemand konnte mir je sagen, wie ich denn eigentlich vom Schiff gekommen bin – wer hat mich runtergetragen?


Nun weiß ich, warum ich immer so traurig hinterhergucke, wenn die Erstklässler mit Schultüte und Verwandten zur Einschulung gehen. Das habe ich nie erlebt.
Wenn ich Geburtstag hatte, am 16. September, wurde ich auch nicht richtig gefeiert, denn mein Bruder hatte am 15. September Geburtstag. Es wurde Pflaumenkuchen gebacken, der dann auch am nächsten Tag für mich noch reichte.


Hamburg, den 16. September 2019

Petra Vierecke, Hamburg
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Christa M aus O schrieb am 25.09.2019
hallo Jutta,
ich war 1964 auf Amrum, da war ich 12 Jahre. Wir mussten uns nackend ausziehen und mit Schutzbrille im Kreis laufen. Dabei schauten Leute zu, wer genau, weiß ich nicht mehr. Es war grauenvoll. Als ich wieder zu Hause war, habe ich das ganze verdrängt bzw. es hat mich nicht groß kaputt gemacht. Die Tanten waren streng, man durfte nicht auf die Toilette. Das war für mich das schlimmste. Meinen Eltern habe ich nichts erzählt. Alles war schrecklich. Hoffentlich erwischt man noch Verantwortliche.
Gruß Christa
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Günter schrieb am 24.09.2019
Tief betroffen habe ich die Berichteder Verschickungskinder gelesen.
Auch mich hatte man in den 50er Jahren ‚verschickt‘ in ein Heim auf Föhr. Kostenträger war die DAK. Mein damaliges Alter kann ich nicht mit Gewissheit sagen.
Die beschriebenen Erlebnisse – die bei mir bis auf bis auf einige gravierende Vorkommnisse fast verschüttet waren – wurden für mich plötzlich wieder ganz präsent.
Diese 6 Wochen waren traumatisch für mich. Wir Kinder wurden Tag für Tag so erniedrigt, dass es fast ein Wunder ist, wie es die Kinder von damals verkraftet haben.
Gut erinnern kann ich mich noch daran, wie ich mehrmals meinen Teller nicht aufessen konnte (ich weiß nicht mehr den Grund, warum). Ich weiß noch, wie ich in den Teller erbrochen habe und wie ich gezwungen wurde, so lange sitzen zu bleiben, bis ich alles (auch das Erbrochene) aufgegessen hatte. Auf Toilette gehen war währenddessen verboen
Täglich wurden Kinder vorgeführt, die ins Bett/ in die Hose gemacht hatten. Alle Kinder wurden aufgefordert, diese Kinder auszulachen.
Redeverbot, Lachverbot, auch Weinen war verboten, Toilettenbesuch nur zu bestimmten Zeiten – das alles war genau so, wie beschrieben.
Ich habe auch noch Erinnerungen, wie sehr ich immer gefroren hatte. Wir durften oft trotz kühler Witterung oftmals nicht mit Schuhen Spaziergänge machen, sondern nur barfuß.

Ich frage mich nur, warum so viele Tausende Kinder das ertragen mussten. Als ich meinen Eltern davon erzählte, sie wollten/konnten es nicht glauben.
Es war wohl die Zeit, in der eine ‚lockere Hand‘ bei den ‚Tanten‘ normal und gesellschaftlich akzeptiert war.
Das setzte sich für mich übrigens auch in der Schule fort.
Meine Erfahrung: es gab z.B. in der Heinrich-von Bibra-Schule in Fulda nicht einen Lehrer, der nicht geschlagen oder anders körperlich Gewalt ausgeübt hätte.
Gottseidank ist so ein pädagogisches Personal heute wohl ausgestorben. Das wäre meine Hoffnung.
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Christiane H. schrieb am 24.09.2019
evtl. gibt es Antworten über WIKIPEDIA. Da hab ich auch einiges gefunden.
..
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Birgit schrieb am 24.09.2019
Ich bin Jg. 1958 und wurde vielleicht mit 11/12 Jahren (jedenfalls vor der Pubertät) „verschickt“. Ich freute mich riesig darauf. Denn meine Nachbarin und Freundin wurde alljährlich „verschickt“- nach Sylt- und irgendwie hinterließ das in mir ein Gefühl, das sei etwas ganz Tolles. Meine Mutter arbeitete seinerzeit bei der Post als Angestellte; so war es wohl die Betriebskrankenkasse, die diese Maßnahme finanzierte.
Ich landete im Kinderheim „Quisisana“ in St. Peter-Ording.
Von Anfang an war es dort schlimm für mich. Morgens wurden wir eiskalt mit einem Gartenschlauch im Bad abgespritzt. Keine Ahnung, ob wir uns davor warm gewaschen oder gar geduscht hatten. Der Boden war gefliest und ebenso eisig wie das Wasser.
Die Ausgabe der Wäsche fand auf einem zugigen Flur statt. Die Betreuerin, die wir „Tante“ nannten, stieg auf eine Leiter und holte aus dem hohen Wandschrank die jeweiligen Wäscheteile. Auswählen durfte niemand. Und wenn doch, wurde dem nicht gefolgt, denn es war immer verkehrt. Ich hätte so gerne die extra gekaufte zweiteilige Unterwäsche angezogen, ein Bustier und Höschen, die erste mädchengerechte hübsche Wäsche. Als ich es dann endlich durfte, wurde ich verhöhnt, ausgelacht. Und als die neuen Teile später aus der Wäsche kamen, konnte ich nur noch weinen- völlig verwaschen und verfärbt. In den Schlafsälen musste absolute Ruhe herrschen. Die „Tanten“ kontrollierten. Wer weinte, wurde ausgeschimpft, auch lächerlich gemacht als Heulsusen, nicht aber getröstet.
Einmal bekam ich ein Paket mit vielen Süßigkeiten- kein Stückchen davon blieb bei mir. Es wurde alles aufgeteilt unter dem Hinweis der Gleichbehandlung. Ich war empört.
Da ich damals schon im Gymnasium war, wurde ich allein schon deswegen verhöhnt und als „Abiturientin“ bezeichnet (obwohl noch weit davon entfernt). Und immer im Zusammenhang damit, dass ich etwas nicht wusste.
Die Post nach Hause wurde zensiert. Als ich einmal schrieb ich wolle nach Hause, wurde ich gemaßregelt, wie ich so etwas schreiben könne. Der Brief wurde nicht abgeschickt. Ich versuchte mit Worten in Anführungszeichen eine negative Bedeutung zu übermitteln. Auch das wurde zensiert, verboten. Ich wurde bloßgestellt: als Gymnasiastin müsse man doch wissen, was Anführungszeichen bedeuten.
Und schließlich erinnere ich die nicht enden wollenden Kniebeugen am Strand zum Lied „Laurentia“. Das sollte wohl Freude machen. Mir nicht.
Alles in allem ein Drill, „Tanten“ ohne Empathie, statt dessen voller Bösartigkeit, Missgunst und gnadenloser Härte. Da war nichts Warmes oder Freundliches bei den Frauen. Geholfen hat mir ein Mädchen. Ich meine, sie war ein, zwei Jahre älter und wohl schon öfter dort gewesen und sie wusste, wie „der Hase lief“. Sie hat mich getröstet beim Heimweh und all der Häme, die ich abbekam.
Lange nach dem Aufenthalt fand ich einen Verlaufs-/Heimbericht bei den Unterlagen meiner Mutter, den ich las. Dort stand, ich sei ein störrisches Mädchen, dass Wiederworte gab, sich nicht einfügen wollte und Erziehungsschwierigkeiten machte. Im Verlauf des Aufenthalts habe sich das etwas gegeben.
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Jutta Debnar-Daumler schrieb am 24.09.2019
Meine Verschickungsgeschichte datiert aus dem Jahr 1965. Ich war unserem Pastor während des Konfirmandenunterrichts aufgefallen. Meinen Eltern gegenüber behauptete er, ich sei blass und habe einen schiefen Gang. Meine Eltern stimmten einer Verschickung nach Wittdün auf Amrum in das Lenz-Heim zu.
So wurde ich zu Beginn der Sommerferien von einer Bekannten meiner Eltern dorthin begleitet. Schon die Anfangsunteruchung war der reine Hohn, wurden doch bei allen Kindern unterschiedslos Untergewicht und schlaffe Haut diagnostiziert. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Details, deshalb in Kurzform das, was mir nach Jahrzehnten noch lebhaft vor Augen steht:
Wir hatten vom Speisesaal aus einen schönen Blick auf das Wattenmeer, ersten vorsichtigen Wasserkontakt nach 10 Tagen, nur mit den Füßen, versteht sich. Angeblich bekam ein Kind anschließend Fieber, sodass für den Rest der sechs Wochen absolutes Badeverbot für alle Insassen verhängt wurde.
Außer den zwölf Stunden Nachtruhe gab es auch noch eine zweistündige Mittagsschlafenszeit für alle, egal welchen Alters. Eine Wache saß im Eingang zum Schlafsaal.
Nach dem Mittagsschlaf gab es eine zusätzlich Mahlzeit, also insgesamt vier Essenszeiten. Dass Kinder erbrochenes Essen erneut schlucken mussten, war auch hier Usus.
Bewegungsspiele? Fehlanzeige. Die seltenen Spaziergänge liefen so ab, dass man paarweise gemessenen Schrittes einen kurzen Weg zurücklegte, die Mädchen mit Kopftuch, die Jungen mit Kappen oder Mützen vor der Sonne geschützt.
Das Liedgut wurde in anderen Berichten genauso beschrieben, wie auch ich es erlebt habe.
Zu den Verhaltensregeln: Ich war in dieser Zeit mit knapp dreizehn Jahren die älteste und mir wurde eine besondere Vorbildfunktion zugeschrieben. Wegen des kinderfeindlichen Regiments hätte ich aber ohnehin nicht opponiert. Mir taten nur die wesentlich jüngeren Kinder sehr leid, die teilweise Hospitalismussymptome zeigten.
Zensur der Post fand auch hier statt.

Die schlimmste seelische Folter möchte ich genauer schildern:
Gegen Ende unserer Mastkur - bei allen waren Gewichtszunahme und straffe Haut als Kurerfolg festgestellt worden - wurden einige Kinder, darunter auch ich, des Diebstahls einer Geldbörse von einer der "Tanten" verdächtigt. Wir wurden in einen Nebenraum gesetzt und mussten dort warten, bis wir einzeln garufen wurden. Den Speisesaal hatte man in einen Gerichtssaal umfunktioniert mit Tischen, hinter denen die Heimleitung saß, und Stuhlreihen für alle Insassen.
Ich wurde aufgefordert, mich vor den Richtertisch zu knieen. Die drei "Richter" sprachen im Chor: Wir sind das schweigende Gericht. Gibst du zu, während des Mittagsschlafs heimlich unter der Bettdecke gelesen zu haben? Ich bekannte mich schuldig. Die Richter sprachen wieder im Chor: Wir sind das schweigende Gericht.Wir verurteilen dich dazu, ein Kleidungsstück auszuziehen.
Wohlgemerkt: Vor der versammelten Kindergruppe!!!
Diese Vorgehensweise wiederholten die Richter noch ein paarmal, die Beschuldigungen wurden immer absurder. Schließlich half mir die Idee, auf eine erneute Beschuldigung einfach gar nicht, also schweigend zu reagieren. Und damit war ich gerettet. Zum Glück hatte ich meine Kleidungsstücke schon sehr kleinteilig abgelegt, also beispielsweise nur einen Schnürsenkel etc.
Ich hatte das "schweigende Gericht" durchschaut und durfte mich nun in den Zuschauerraum setzen. Dort wurden nun auch viel jüngere Kinder dieser widerlichen Prozedur ausgesetzt und natürlich bis auf die Unterhosen ausgezogen. Hinterher nannte man diese Art der Folter "ein Spiel".
Am Ende dieser quälenden sechs Wochen hatte ich das Gefühl, dass dauernd schlechtes Wetter gewesen sein musste, denn ich war so blass wir vorher, dafür aber aufgequollen. Nordseeferien kannte ich bisher ganz anders, war ich doch jedes Jahr drei Wochen bei meiner Oma auf Juist gewesen, wo ich mich immer prächtig erholt habe. Da sie als Änderungsschneiderin den ganzen Tag an der Nähmaschine saß, konnte ich mich völlig frei bewegen, in den Wellen hüpfen, Sandburgen bauen usw.
Mir ist eine derart entsetzliche Zeit zu meinem großen Glück nur ein einziges Mal zugestoßen, und ich kann von mir sagen, dass ich keine bleibenden Traumata zurückbehalten habe. Das ist sicher auch meinem damaligen Alter geschuldet.
Meine Eltern haben gespürt, dass die Verschickung keine gut Idee gewesen war. Offen ausgesprochen habe ich es wohl nicht. Zu zwei Kindern hatte ich einen guten Kontakt aufgebaut und konnte sie noch einmal besuchen. Dafür haben meine Eltern einige hundert Kilometer Fahrt auf sich genommen. Eine kleine Wiedergutmachung.
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Doris schrieb am 24.09.2019
Ich war in Hirschegg im kleinen Walsertal und habe furchtbare Erinnerungen daran.
Es gab Jahre in meinem Leben, an denen ich vor Heimweh nicht reisen konnte, ja nicht einmal das Haus verlassen konnte. Ich kämpfe manchmal noch heute ( 57 Jahre) mit den traumatischen Erlebnissen allein der Zugfahrt....
Mit dieser Seite ist mir ein Fenster aufgegangen: Dass ich nicht allein bin, auch wenn meine Familie all dies negieren will, dass es auch andere gibt, die dem ausgesetzt waren und noch heute darunter leiden, dass es eine Möglichkeit gibt, diese Dinge und die daraus resultierenden Ängste und psychischen Beschwerden aufzuarbeiten und zu heilen und wieder ganz zu werden.
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Uschi Pietzsch schrieb am 24.09.2019
Hallo Frau Röhl und Herr Martin M. auch ich war im Januar 1966 mit 5 Jahren, wegen Bronchitis in dieser Lungenheilanstalt in Bad Reichenhall.
Das einzige was mir noch in Erninnerung ist und das bis heute, ist dass mir als wir Mittagsschlaf halten sollten, mir mein Hausschuh auf den Kopf geschlagen wurde, da ich es wagte den Kopf zu heben um mich im Schlafsaal umzusehen. Desweiteren ist mir in Erinnerung dass es diese schreckliche weise Speise gab vor der ich mich ekelte. Dass dies eine Milchsuppe wohl war habe ich aus den Berichten auf Facebook erfahren. Es ist erschreckend zu lesen dass es nicht nur mir so erging,sondern wohl noch viel schrecklicheres den anderen Kindern damals. Dass ich alleine da hin musste mit vielen anderen Kindern hier aus dem Saarland war alleine schon beängstigend und meine Mutter meinte später mal zu mir, dass ich nach den sechs Wochen ganz verändert wieder zu Hause ankam. Wie gesagt außer das mit dem Hausschuh kann ich mich an nichts anderes erinnern, außer dass ich bis heute Platzangst habe, eventuell hat dies damit zu tun,da ich mit anderen Kindern zusammen in so einen Raum mussten, um zu inhalieren, der vollkommen abgeschlossen war. Was ich Ihnen Fr. Röhl übersenden möchte sind Original Unterlagen von der Genehmigung meiner Kur über die Saarknappschaft und ich besitze noch ein Gruppenbild, des Weiteren habe ich noch Postkarten die damals in meinem Namen an meine Mutter gesendet wurde und eine original Kostenabrechung mit Namen von einer der Fräuleins.
In den 70ziger Jahren waren meine beiden Schwestern und ich in einem Erholungsheim hier im Saarland. Zwei Jahre später , kam die Kripo in meine Schule und befragte mich als Zeugin, ob mir etwas in diesem Kinderkurheim aufgefallen wäre, oder ob mir jemand zu nahe gekommen sei. Meine Mutter erzählte mir später, dass die Kripo morgens zu erst bei ihr daheim gewesen wäre und ihr erklärt hätte dass da wohl in diesem Heim es zu sexuellen Übergriffen von seitens des Personals zu manchen Kindern wohl gekommen sei.
Herzliche Grüße Uschi P.
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Corinna schrieb am 24.09.2019
Hallo,
mein Name soll Corinna sein und ich habe gerade mit Frau Röhl telefoniert. Sie ermunterte mich, auch meine Geschichte darzulegen.
Zuerst.: Ein riesiges Dankeschön für die Initiative. Sie wird vielen Personen die Möglichkeit der – wenn auch manchmal späten – Aufarbeitung geben.

Ich war im Sommer 1964, gerade eben 10 Jahre alt, in den Schwarzwald, Birkendorf, geschickt worden. Es handelte sich um ein Heim der Barmer Ersatzkasse.

Eure aller Geschichten berühren mich zutiefst Es ist unsagbar schwierig, sich in eine Kinderseele zu versetzen und zu verstehen, nachzufühlen, auszuhalten, was es für ein Kind bedeutet, weggeschickt zu werden. Weg von zuhause, weg von den Eltern, Großeltern, Freunden. Aus dem Bett gerissen und mit dem gepackten Koffer in einen Bus gepfercht. Die Jungen hörten wahrscheinlich „Ein Indianer kennt keinen Schmerz und ein Junge weint nicht." Die Mädchen: „Das wird alles schön, sei froh, dass du dahin darfst.“
Bei mir war es so, dass ich mit meinen Eltern erst im Urlaub in Kaltern war. Wir hatten enge Familienurlaubszeit dort. Wandern, baden, erleben. Niemand hatte mir vorher gesagt, dass ich nicht mit nach Hause kommen würde. Dass man eine Rückreise über den Schwarzwald gebucht hat und mich dort bei völlig Fremden abgeben würde.

Am Abend, bevor der Bus (Bahn)? von Südtirol in den Schwarzwald fuhr, erklärte mir meine Mutter: "Du kommst nicht mit nach Hause, du bist zu dünn und jetzt gehst du auf eine Kur." Ich weiß nur noch, dass ich schrie. Alles andere, auch die Gefühle von damals in dieser Situation, sind verschüttet.
Das absolut Perfide an der ganzen Geschichte war, dass meine Eltern noch einige Tage in diesem Ort blieben, sich ans Heim anschlichen und beobachteten, ob es mir beim Spielen draußen gut ging. Sie waren dann wohl der Meinung und fuhren irgendwann nach Hause. Wenn ich mir heute vorstelle, dass ich in dem Heim die erste wirklich schlimme Situation meines Lebens bewusst erfahren hatte und dabei auch noch beobachtet wurde, brauche ich auch jetzt noch intensives Nachfühlen, um das überhaupt zu begreifen.
Interessant finde ich, dass beim Schreiben dieser Zeilen, bestimmte Gedanken und Gefühle über meine Schultern schauen: Du darfst doch nicht deine Eltern so öffentlich schlecht machen, du bist aber empfindlich, das ist doch jetzt schon so lange her. Nun mach aber mal einen Punkt .... Seltsam, nicht wahr? So werden viele von uns denken und genau das ist der Grund, warum es bis ruhig um dieses Thema war.

In dem Heim ging es mir wie vielen von Euch. Da ich zu dünn war (angeblich) wurde ich auf eine Art Mastkur gesetzt. Jeden Tag gab es entsetzliche Milchsuppen und ich war immer die letzte, die allein an einem langen Tisch saß und versuchte, das Zeug hinunterzuwürgen. Vorher durfte ich nicht aufstehen. Der Geruch des Speisesaals war eine Mischung aus Früchtetee, Milchsuppen und Erbrochenen.
Das Heimweh war unglaublich, ich weinte so viel, dass ich eine Augenentzündung bekam. Damals setzten Schlafstörungen ein, die ich heute noch habe. Ich weiß noch, dass ich immer durch dunkle Gänge gehen musste, um mir am Abend Baldrian-Tropfen zu holen. Ein einziges gutes Wort hatte wahrscheinlich einen besseren Effekt gehabt. Die Leitung des Heimes war eine ältere Frau, die von mir völlig abgenervt war, da ich mit meinen Schlafstörungen alles durcheinander zu bringen schien. Auf jeden Fall hat man dann versucht, mich durch Druck, durch Schimpfen und Drohen, zum Schlafen zu bringen. Jeder weiß, wie „gut“ das funktioniert.
Ich war gerade eben mit 10 Jahren in der Gruppe der älteren Mädchen und noch nicht aufgeklärt. Die Mädels haben sich damals den Spaß gemacht, mich mit ihrer Periode zu erschrecken. Die Ansicht des Blutes hat dem kleinen Kind in mir den Rest gegeben. Ich weiß noch, dass ich die „Tante“ fragte", was das bei den Mädchen bedeute. Sie sagte, das müsse ich später meine Mutter fragen. Mir wurde klar, wie „gefährlich“ dieses Hinausgeworfenwerden aus der Familiengruppe sein kann. Gefahr bis aufs Blut. Ich hatte wirklich Todesängste.

In dem Schlafsaal lag ein Mädchen im Nachbarbett, das nur ein wenig älter war als ich. Es kam aus Krefeld (?). In unserer Verzweiflung und Einsamkeit haben wir uns immer Botschaften in die Hände geschrieben. Sollte dieses Mädchen das hier lesen, bitte melde Dich über diese Seite bei mir.

Nach dieser Blut-Geschichte setzt meine Erinnerung aus. Ich weiß nicht mehr, wie ich von dort wieder heimgekommen bin. Vielleicht mit dem Bus – ich weiß es nicht. Ich weiß nur noch, dass ich hörte, wie einige Tage später meine Mutter zu meinem Onkel sagte, dass ich so fett wiedergekommen sei, dass sie das Kind nicht mehr auf Kur geben würde.

Sollte jemand den Sommer 1964 auch in diesem Heim gewesen sein, bitte schreibt auch hier. Ich habe noch zwei Fotos, weiß aber nicht, ob ich sie hier reinstellen darf, wegen des Datenschutzes.

Danke fürs Lesen!
Corinna
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Norbert schrieb am 24.09.2019
Das Haus Quisisana war meiner Erinnerung nach ein Klinkerbau aus hellen Steinen. Irgendwas mit Kellergängen und Schuhregalen ist mir in Erinnerung.
Auf jeden Fall war es entsetzlich dort!
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Susanne Dank schrieb am 23.09.2019
Ich bin leider auch wegen einer Verschickung traumatisiert, noch heute, mit 50 Jahren, belasten mich die damaligen Erlebnisse in Plön (?).
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Gabriele Bodesohn schrieb am 22.09.2019
Seit der Berichterstattung von Report Mainz kommen täglich neue Erinnerungen hinzu. Ich hätte nie geglaubt, dass außer mir so viele Kinder betroffen waren. Nach der Kur gab es keine Möglichkeit der Aufarbeitung. Erstens waren wir zu jung um Brieffreundschaften zu pflegen, ich musste auch erst wieder schreiben lernen, außerdem glaube ich, dass ich damals alles nur schnell vergessen wollte.
Im Spätherbst 1967 wurde ich im Alter von 7 Jahren, mit dem Ziel der Erholung nach häufigen Infekten( Angina, Stirnhöhlenvereiterung, asthmatische Bronchitis), nach Wangerooge ins Haus Meeresstern verschickt. Ich weiß noch, dass es im Vorfeld eine Liste gab auf der die benötigten Utensilien und Kleidungsstücke standen. Leider stellte sich später heraus, dass ich mit 2 Strickkleidern, den damals für Mädchen üblichen braunen Strickstrumpfhosen aus Polyester, einer Trainingshose und einem dünnen Anorak völlig unpassend ausgerüstet war für die kalte Jahreszeit an der Nordsee.
Ich habe dort ganz furchtbar unter dem Heimweh gelitten und konnte mir nicht vorstellen, wie lange 6 Wochen dauern.
Die Situationen während der Mahlzeiten wurden von vielen hier ja schon hinreichend beschrieben, das war hier auch ähnlich. Ich musste Erbrochenes zwar nicht wieder essen, das war auch nicht möglich, denn die im hohen Bogen erbrochene Suppe war über den ganzen Tisch verteilt. Ich musste sie allerdings selbst wegwischen und die anderen Kinder mussten am Tisch sitzen bleiben und weiteressen. Das Mitleid der anderen hielt sich verständlicherweise in Grenzen und ich musste den Rest des Tages alleine im Schlafsaal im Bett verbringen.
Viel schlimmer war jedoch, dass es verboten war, während der Ruhezeit und in der Nacht zur Toilette zu gehen. Viele haben geschrieben, dass sie zu Bettnässern wurden. Wie hätte man die Blasen- oder Darmkontrolle behalten sollen bei einem strikten Verbot, frage ich mich.
So habe auch ich regelmäßig eingenässt, vor lauter Angst vor der Nonne, die im Flur saß und aufpasste, dass niemand aus dem Bett aufstand. Bald hatte man gelernt, das nasse Laken mit einem Handtuch abzudecken und die Zudecke so zu drapieren, dass es nicht auffiel, die Unterwäsche war allerdings nass und trocknete am Körper bis zum Abend. Haben die Aufseherinnen die eingenässte Wäsche bemerkt, wurde man vor allen bloßgestellt.
Nach der Mittagsruhe gingen wir in Zweierreihen an den Strand vor dem Haus und konnten da im Sand spielen. Die nasse Unterwäsche vermischte sich mit dem Sand, der schnell durch die unpassende Kleidung eindrang und am ganzen Körper klebte. Wie Schmirgelpapier wirkte die Mischung aus Urin und Sand beim Spaziergang und ich war bald sehr wund im Genitalbereich und an den Innenseiten der Oberschenkel. Die Besuche im Badehaus trugen das Ihre zur Verschlimmerung bei. Hier standen große Holzzuber mit Meerwasser. Wir Kinder mussten uns nackt ausziehen und jeweils in einer Reihe vor einem Zuber auf dem kalten Boden warten bis wir zu zweit in einen solchen Zuber steigen mussten, um eine Weile darin zu sitzen. Da wir nackt in den Reihen standen, konnte ich sehen, dass Kinder die vor mir dran waren, mit Kot verschmierte Hintern hatten. Da das Wasser nicht ausgetauscht wurde, war mir klar, wo ich mich hineinsetzen musste. Der Ekel vor dem Kot im Wasser war allerdings nichts im Vergleich zum Schmerz an meinen wunden Stellen bei der Berührung mit dem Salzwasser. Gegen Ende der Kur war plötzlich unruhiges Treiben im Haus spürbar. Uns wurde gesagt, dass Scharlach ausgebrochen sei, und die Kinder ohne Ausschlag sollten nach hause fahren dürfen. Die Rückreise wurde schnell organisiert und auch Kinder mit Ausschlag wurden mit einer dicke Creme auf den betroffenen Stellen in den Sammeltransport verfrachtet.
Bei der Ankunft zuhause wurde aufgrund meiner schlechten körperlichen Verfassung gleich der Hausarzt gerufen. Ich hatte eitrige Ekzeme an den Beinen bis in den Genitalbereich, Fieber und Ausschlag wie bei einer Kinderkrankheit. Scharlach war damals eine meldepflichtige Krankheit und mit der Diagnose hätte ich ins Krankenhaus gemusst. Unser Hausarzt legte sich auf Masern fest und so konnte ich zuhause ankommen.
Ich hatte große Angst, dass meine Ankunft zuhause nur geträumt sein könnte. Während der Kur hatte ich oft von daheim geträumt und bin dann sehr traurig aufgewacht. Ich habe wohl einige Zeit gebraucht bis ich der Realität trauen konnte.
1972 kam ich dann nochmals zur Kur nach Oberjoch ins Heim Santa Maria. Dieses Heim wurde hier auch schon erwähnt. Es war auch sehr streng und die Schilderungen, angefangen bei der Entlausung nach der Ankunft, die kalten Güssen mit dem Wasserschlauch, kamen mir bekannt vor. Die Betreuerinnen gehörten bereits zur jüngeren Generation und waren im Umgang mit uns viel menschlicher als die Tanten auf Wangerooge. Außerdem war ich schon zwölf Jahre alt und konnte die Unterschiede trotz der strengen Regeln sehr wohl einschätzen. Wer sich anpasste kam einigermaßen zurecht.
Ich bin vor allem Frau Röhl, aber auch allen anderen die ihr Schweigen hier brechen sehr dankbar. Ich bin allerdings auch besorgt darüber, was das Aufleben der Erinnerungen mit uns machen könnte. Ein gut verdrängtes Trauma ist auch ein Schutz der Seele. Es ist dennoch gut so wie es jetzt ist, aber es wird wahrscheinlich eine Menge Arbeit auf uns zukommen. Vielleicht gelingt es, die Erinnerungen als überstandenen Kapitel in unsere Biographien zu integrieren.
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Yvonne schrieb am 21.09.2019
Hallo liebe Anja, hallo alle Verschickungskinder
ich war mit 5 Jahren 1979 mit meiner Schwester 8 Wochen über die Sommerferien auf Norderney. (Wir wurden dort 6 Jahre alt - der schlimmste Geburtstag meines Lebens).Erst auf der Fähre, bei hohem Wellengang, wurde mir klar, dass dies hier kein Auflug ist und ich hatte ab diesem Moment bis zu unserer Rückkehr ohne Pause starkes Heimweh. Die Tanten in weiß waren unfreundlich, schrien, drohten! Abends schrien Sie in unser Zimmer, dass wir die Luft anhalten sollen, sonst kommen wir in den Keller oder auf den Flur. Ich verstand das damals nicht und warnte die anderen Kinder, dass wir dadurch ersticken würden. Wir mussten immer die Teller leer essen - immer auch Milchsuppe oder so einen komischer Brei. Ich hatte am Stück Bauchschmerzen. Einmal war mir schlecht und ich sagte dies einer Tante beim Essen - sie schrie mich an, rührte mein Essen um (ich glaube sowas wie Hackbraten und Brei) und zwang mich alles zu essen. Beim Schlafen mußten wir alle in eine andere Richtung schauen. Sie haben uns mit vielen absurden Regeln zu teilweise zwanghaften Menschen erzogen!
Das nackige Baden im Meer war mir unangenehm. Ich kann mich noch an das Gefühl erinnern.
Einmal telefonierte eine Tante im Flur mit meinen Eltern. Ich hatte das irgendwie bemerkt. Meine Schwester und ich schrien und heulten - sie hielt den Hörer in die Höhe und eine andere Tante "führte uns ab". Vorher biss ich ihr aber noch in den Fuß - ihr könnt Euch vorstellen, was dann folgte. Ich war nach diesem Aufenthalt ein verschüchtertes, sehr angepasstes Kind mit viel Heimweh. Habe stark daran gearbeitet. Allerdings - wenn ich heute einen Bericht zum Thema sehen laufen die Tränen - einfach so.
Liebe Grüße,
Yvonne
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Margarete schrieb am 20.09.2019
Liebe Angelika,
vielen Dank für Deine Nachricht und Deinen Bericht. Wohltuend zu hören, dass es Eltern gab, die auf die Nachrichten ihrer Kinder reagierten und sich über die Konventionen der damaligen Zeit hinweg setzten. Diese Erfahrung, dass Du Dich auf Deine Mutter verlassen konntest, war sicher sehr wichtig für Dich. Deine Mutter wird Eindruck in diesem Heim gemacht haben, denke ich. Hoffentlich gab es zu dieser Zeit noch mehr Eltern die so entschieden auftraten, wie in Deinem Fall.
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Margarete schrieb am 20.09.2019
Liebe Brigga,
vielen Dank für Deine Nachricht. Es ist schon bewegend, wie jetzt alles wieder hoch kommt, zum Teil auch angezweifelt oder mit Kommentaren im Netz wie: "Das hätte ich mir nicht gefallen lassen", abgetan wird. Trotzdem ist dies eine wertvolle und wichtige Möglichkeit die Erfahrungen aus dieser Zeit zu veröffentlichen, einander darüber auszutauschen und ein kleines bißchen auch das Erlebte aufzuarbeiten.
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Stefan schrieb am 20.09.2019
Sehr geehrte Rosi,

ich habe Ihren Bericht gelesen - er spiegelt auch meine Erfahrungen:

"Das Essen war schrecklich. Es gab sehr viel mit „Käse“ und ich mochte keinen Käse. Also wurde ich zum Essen und Aufessen gezwungen. Und es gab viel mit Käse…. Käsesuppe, Käsebrot, usw… und weil ich keinen Käse mochte, musste ich gerade erst recht Käse statt Wurst auf dem Brot essen".

1971 wurde ich als 5 jähriger dort hingeschickt. Eine der Betreuerinnen, die wußte das ich keinen Käse mochte, gab mir immer Käsebrot und zwang mich alles aufzuessen. Bei einer hatte ich Glück - bei der durfte ich die Käsescheibe an meinen Sitznachbarn weitergeben und konnte so zumindest das Butterbrot essen - obwohl das auch nach Käse schmeckte konnte ich es zumindest runterwürgen.

Nicht bei jeder der Tanten musste ich das Käsebrot aufessen - dafür gab es aber auch nichts anderes und so ging es halt mit knurrenden Magen ins Bett (nach einem Tag an salziger Luft die beste Methode zuzunehmen...). Jeden Abend saß ich dann 6 Wochen lang vor meinem Teller und hab immer nur geweint oder musste dann unter Beschimpfungen das Käsebrot runterwürgen. Es gab auch Wurstbrote - aber nicht für mich...

Hunger und Kälte waren 6 Wochen präsent - waschen mit kalten Wasser - kalte Fliesen. Es war mir und einigen anderen Jungs verboten Jacke oder Pullover anzuziehen, weil wir "abhärten" sollten. Ich war dort wegen einer verschleppten Lungenentzündung und Untergewicht. Am schlimmsten war es wenn es draussen kalt und windig war - ich hab mich tagsüber so verkühlt das ich nachts glühte und das Bett nassschwitzte.

Ich habe aus meiner Kindheit davor und nach dem Aufenthalt kaum Erinnerungen - aber viele Momente während der "Kur" habe ich heute noch bildlich vor Augen - auch die Gerüche im Treppenhaus und die Geräusche der Holztüren haben sich eingebrannt.

Ich kann Sie in Ihrer Wahrnehmung bezüglich der Älteren bestätigen - die Kinder hatten Glück - die haben gelacht und haben gespielt. Auf der Heimfahrt im Zug waren die ganz fröhlich, während ich das Gefühl hatte aus der Hölle zu kommen.

Insgesamt habe ich nur wenige konkrete Erinnerungen. Grundsätzlich denke ich, das alleine die Trennung für 5 jährige ein Trauma darstellt. Ich erinnere noch heute an die Situation "des in den Zug verfrachtet werdens" und Schreiens und Weinens. Später auf der Überfahrt mit der Fähre habe ich erstmals eingenässt - aus Angst und Überforderung.

Nach der Rückkehr - so aus späteren Erzählungen meiner Eltern, hatte ich einen "Knacks" weg - hab wochenlang nicht gesprochen und war kaum aus meinem Zimmer herauszukriegen.

An körperliche Mißhandlung kann ich mich nicht erinnern - nur das alle panische Angst hatten "mitgehen" zu müssen. Bei einem Essen beschwerte sich mal ein älterer Junge über den immergleichen Tee. Er musste dann aufstehen und mitgehen, woraufhin einige anfingen zu weinen und wir anderen aus Angst kanns still waren.

Das Kinder in einem so frühen Alter von ihren Eltern getrennt und in einem durchorganisierten Betrieb im 6 Wochen-Takt durchgeschleust wurden, mag vielfach aus guten Ansinnen entsprungen sein. Aus meiner heutigen Sicht hat es viel mehr Schaden angerichtet als geholfen.

Ich möchte mich bedanken für das Engagement von Frau Röhl und wünsche allen viel Kraft und Wege das Ganze zu verarbeiten und hinter sich zu lassen.

Es mag komisch klingen aber ich werde mir Zeit nehmen und die Insel besuchen fahren - das Gebäude steht ja noch. Und ganz sicher werde ich dann die Insel ruhiger und friedvoller verlassen.
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Hendrik D. schrieb am 20.09.2019
Ich war ebenfalls in den Anfängen von 1990er dort und kann die Geschichten in Wyk auf Föhr bestätigen.
-Eigene Klamotten durfte ich nicht getragen werden
-Misshandelungen auch am eigen Leib
-Das nächtliche Weinenm wie ich selbst auch
-Die Androhung, dass meine Mutter eine große Summe Zahlen muss, wenn ich nach Hause will
-Die Trennung sowie den Verbot meine Geschwister zu besuchen
-Militante Tonart
-Der Zwang alles auf zu essen
-Waren kaum draußen gewesen

Da ich bis heute von den traumatischen Erlebnissen geprägt bin, habe ich stets versucht mithilfe von Therapeuten mein Leben in den Griff zu bekommen, jedoch vergebens. Als ich ca. 25 Jahre war, ging ich zu einem Psychotherapeut Dr. med Herrn Ralf Cüppers in Flensburg. Er erzählte mir, dass er diese Kur mit organisiert hat und meine Erzählungen aus der Zeit in Wyk auf Föhr gelogen sei. Aus diesem bin ich nie wieder bei ihm gewesen.
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Daniela schrieb am 20.09.2019
Das war sicher das Haus Köhlbrand. Ich war 1981 für sechs Wochen dort. Es war keine schöne Zeit, aber wir wurden ganz gut behandelt. Meine Betreuerinnen hießen Erika, Iris und Traute.
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Ute schrieb am 20.09.2019
Hallo Christa,
ich war 1963 als 6jährige vor der Einschulung durch die Postbetriebskrankenkasse für 6 Wochen in Bad Sooden-Allendorf. Ich habe mir schon Unterlagen aus dem Ort schicken lassen (30 Seiten), weil ich den Namen des Heimes nicht mehr weiß. Leider habe ich den dadurch auch nicht finden können. Ich weiß nur, dass es ein relativ kleines, Villen ähnliches Gebäude war. Und meinem Vater hat man später gesagt, dass das Heim von der Postbetriebskrankenkasse nicht mehr genutzt werden wird, da sehr viele negative Rückmeldungen erfolgt waren. Und doch waren Sie 1964 auch noch mal dort. Ich glaube nicht, dass die Postbetriebskrankenkasse mehrere Heime in einem Ort unterhielt. Wenn sie möchten, können wir uns per Email direkt austauschen. Da ich ehrenamtliche Mitarbeiterin der Initiative von Frau Röhl bin, kann ich Sie, wenn Sie es mir hier erlauben, direkt per Email anschreiben.
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Christa M aus O schrieb am 20.09.2019
1964 wurde ich mit 12 Jahren nach Wittdün auf Amrum für 6 Wochen in ein DRK Kindererholungsheim geschickt. Im nachhinein muss ich sagen, es waren die schlimmsten 6 Wochen meines Lebens. Aber irgendwie habe ich nie oft daran gedacht. Mich ließ man ziemlich in Ruhe. Ich war mit 8 Mädchen auf einem kleinen, kalten Zimmer.(9 Betten) Strenge Regeln waren der Alltag. Wenn man erst mal im Bett lag, durfte man nicht hoch zur Toilette und die Blase platzte fast. Das Essen war miserabel. Ein Junge weinte viel und musste Erbrochenes aufwischen oder essen, genau weiß ich das nicht mehr. Spielen oder Lesen durften wir nicht. Zwischen den Mahlzeiten waren wir nur "draußen" zum Laufen. Kilometer weite Strecken wurden zurück gelegt. Wie gesagt: nur laufen war angesagt. Einmal pro Woche mussten wir uns nackt ausziehen, bekamen eine Schutzbrille auf und mussten in einem großen Raum im Kreis laufen, wo ein Arzt uns dabei beobachtete, wie wir angeblich etwas braun werden sollten durch eine aufgestellte Höhensonne. Angefasst wurde ich aber nicht. Briefe wurden zensiert. Unser Taschengeld wurde uns abgenommen und zugeteilt. Ich brauchte ja sowieso nichts, ich konnte nichts kaufen. Nur später gab es ein paar Souvenirs zu kaufen, da verdienten die wohl noch dran. Es war kalt und ungemütlich. An Duschen kann ich mich nicht erinnern. Nur am kalten Waschbecken wurde sich gewaschen. Ich möchte gerne mal wissen, warum das so lange gut ging und die Verantwortlichen davon gekommen sind. Die meisten leben wohl auch nicht mehr. Meine Eltern kümmerten sich nicht viel um mich und so wurde auch nichts gefragt oder hinterfragt. Der Alltag zu Hause ging einfach so weiter und ich verdrängte diese "Erholungskur" total. Wie gesagt, körperlich wurde mir ja nichts angetan. Wenn ich die anderen Berichte so lese, ging es mir noch relativ gut dort. Ich habe 2 Fotos von dort mit den ganzen Kindern, vielleicht erinnert sich wer und möchte die mal sehen. Da sind sogar auch noch unsere "Tanten" drauf. Eine Freundin hatte ich auch gefunden, die hieß Ingrid, aber mehr weiß ich nicht.
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Yvonne aus Flensburg schrieb am 19.09.2019
Hallo zusammen,
mein Name ist Yvonne und ich war mit meinen zwei Brüdern 6 Wochen auf einer "Kur", was 1992 gewesen ist, in Wyk auf Föhr.Tatsächlich gab es auch noch zu diesem Zeitpunkt solche Vorkommnisse!
Vieles habe ich auch verdrängt. Ich erinnere mich, dass ich sofort von meinen Brüdern bei Ankunft getrennt wurde. Wir liefen dann durch den Keller in Zweierreihen.
Meine nächste Erinnerung liegt in den Nächten und ich höre heute noch die Kinder weinen und nach ihren Eltern rufen.
Sie haben uns alles Geld abgenommen was wir von Zuhause mitgebracht haben. Pakete erhielten wir geöffnet oder gar nicht, was ich später erst erfuhr. Einmal die Woche durften wir mit 1 DM telefonieren, was schnell vorbei war. Die Tanten passten genau auf was wir erzählten und Post mussten wir vor dem versenden vorlegen. Wen denen etwas nicht passte, wurde die Karte zerrissen, Negatives durfte da nicht geschrieben werden.
Geschwister durften sich nicht treffen, so wurde auch die Stunde Garten genauestens geplant. Im Garten stand das " heiße Draht oder heiße Hand" irgendwie so, erinnere ich mich dunkel.
Die Kleinsten hatten es am Schlimmsten, wo auch mein jüngster Bruder betroffen war. Sie mussten im Keller essen. Wir mussten zum Speisesaal an ihnen, durch den Kellergang, vorbei. Ich sehe ihn heute noch da sitzen und in mir kommt die Wut, Trauer und das Gefühl der Machtlosigkeit auf. Die Kleinen durften nicht ihre eigenen Sachen anziehen und wurden schwer gedemütigt. Ich bin froh, dass ich nicht alles weiß. Das was ich weiß, ist schon schwer zu ertragen.
Ich erinnere mich auch an die Drohungen, dass unsere Eltern viel Geld bezahlen müssen, wenn sie uns dort abholen wollen. Ich meine sie sagten 4000DM pro Kind. Natürlich kamen wir alle aus sozialschwachen Familien...
Bei jeder Mahlzeit musste ein Kind aufstehen und beten, das war Pflichtprogramm. Wie geschmacklos und makaber im Nachhinein. Genauso wie der eklige Tee, wo wir die Reste aus den fremden Bechern am nächsten Morgen serviert bekamen. Ich habe heute noch eine Abneigung gegen Blechgeschirr.
Wir waren tatsächlich nur einmal am Strand und das auch nur kurz. Meine Mutter war erstaunt wie blass wir zurück gekommen sind.
Auch an das Wiegen erinnere ich mich, es gab eine Wiegekarte, wo jede Veränderung eingetragen wurde. Einmal musste ich an der Trimmgruppe teilnehmen, ich hatte wohl 500g zuviel auf der Waage.
Naja, ich wünschte man könnte die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Es gibt noch viele Bruchstücke, aber die bekomme ich nicht sortiert hin.
Ich erinnere mich noch an den dicken ekligen Heimleiter...
Entschuldigt das konfuse Schreiben, es ging gerade mit mir durch.
LG Yvonne
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Christa Gölden schrieb am 19.09.2019
Meine Eltern haben mich im November 1964 im Glauben mir etwas Gutes zu tun, mit der Postbetriebskrankenkasse für 6 Wochen in ein Erholungsheim nach Bad Sooden-Allendorf geschickt. Ich war 9 Jahre alt und wurde während meines Aufenthaltes 10.
Bei Ankunft wurden alle Neuankömmlinge geduscht, danach reichte das morgentliche gemeinschaftliche Waschen am Waschbecken. Uns wurde von den beiden "Tanten" - die Namen habe ich vergessen, aber seit der Sendung Report sehe ich sie jeden Abend vor dem Einschlafen wieder vor mir, eine blond, eine schwarz - mitgeteilt, dass das Personal just an jenem Tag gekündigt hätte und die "Ältesten" von nun an für die Dauer des Aufenthaltes mithelfen müssten. In meiner Erinnerung waren wir eine kleine Gruppe von höchstens 5 Kindern, das älteste 12, deren Tage ab sofort wie folgt aussahen.
Um 7h00 mussten wir aufstehen. Wir hatten keinen Wecker und die Tanten weckten uns auch nicht. Also war ich vor lauter Angst, zu verschlafen, meistens bereits viel früher wach und hörte auf die Kirchturmuhr in der Nähe. Wenn diese dann 7h00 schlug weckte ich die von uns, die noch schliefen. Dann zogen wir uns schnell und leise an und gingen runter in die Küche, um dort für alle Kinder das Frühstück zu machen. Tisch eindecken gehörte dazu. Von den Tanten war in der Zeit nichts zu sehen. Wenn wir fertig waren, ging es zurück in die Schlafsäle und wir weckten alle anderen Kinder. In meiner Erinnerung waren wir insgesamt 20 Mädchen und 22 Jungen. Den kleinen Verschickungskindern mussten wir dann beim Anziehen helfen und deren Betten machen. Abends brachten wir sie ins Bett. Ein italienischer Junge namens Raoul lag noch im Babybett.
Nach dem Frühstück, bei dem nun auch die Tanten zwecks Überwachung anwesend waren, wurde von unserer Gruppe wieder alles weggeräumt, gespült, die Essensräume ausgefegt usw. Dann mussten wir zurück in die Küche und haben Gemüse für das Mittagessen geputzt, Kartoffeln geschält und was halt so anfiel. Beim Mittagessen dann wieder die gleiche Prozedur: aufräumen, ausfegen oder wischen. Abends gab es Brote und ich glaube 2 Sorten Aufschnitt. Und zwar immer den gleichen. 6 Wochen lang. Ein Junge, den wir Mücke nannten, mochte keine Sülze. Wir haben mit ihm gegen etwas anderes getauscht, damit er keinen Ärger bekam. Ein Mädchen hat einmal sein Essen ausgebrochen. Eine der Tanten kam und löffelte ihr das Erbrochene wieder rein. Wir sind alle erstarrt!
Als einmal eine Toilette verstopft war, musste einer der Jungen mit der Hand reingreifen und sie wieder gangbar machen. Schließlich hatte das ja einer von uns verursacht.
Wenn unser Arbeitstag zu Ende ging, waren wir ganz schön geschafft. Aber dann gab es eine Belohnung für die fleißigen Arbeiter. Wir durften rauf zu den Tanten in die Wohnung und konnten nebeneinander auf dem Fußboden sitzend so lange Krimis gucken, wie wir wollten. Das Aufwachen fiel dann natürlich umso schwerer.
Es gab eine kleine Cornelia aus Wuppertal-Elberfeld, die abends oft weinte. Ich habe sie getröstet und mich ein bisschen um sie gekümmert. Ich glaube sie war erst 5.
Wir durften von zuhause Post bekommen, aber die Briefe, die wir geschrieben haben, wurden unter Aufsicht geschrieben und zensiert. Der Brief wurde so lange neu geschrieben, bis er passte.
Und dann kam der Tag, an dem wir uns überlegt hatten, dass wir so nicht mehr weitermachen wollten. Wir, die Arbeitsgruppe, machte sich eines Tages auf den Weg. Einen Plan hatten wir nicht. wir wollten nur weg. Ich hatte vorsorglich noch die kleine Cornelia im Schlepptau. Wir sind ewig gelaufen, der Wald wurde immer dichter und die Zonengrenze rückte immer näher, wie wir später erfuhren. Irgendwann, als es dunkel wurde, hat uns ,ein Ehepaar angesprochen. Wir hatten uns natürlich total verlaufen und sind brav hinter den netten Leuten zurück zum Heim getrabt. Wir wurden schweigend begrüßt und waren froh, dass wir keine Schläge bekommen haben. Ich gehe davon aus, dass den beiden Tanten "der Arsch auf Grundeis ging". Überhaupt muss ich sagen, dass keiner von uns je geschlagen wurde. Ich habe jedenfalls nichts dergleichen mitbekommen.
Zu meinem Geburtstag bekam ich ein kleines Lederportmonnaie geschenkt. Ob etwas drin war, weiß ich nicht mehr. Aber Geld hätte ich eh keines gebraucht, wir gingen ja nirgendwo hin. Einmal sind wir zum Solebad ins Kurhaus gegangen. Ansonsten wüsste ich nicht, worin die Kur noch bestanden hätte außer in viel Arbeit.
Nachdem ich zuhause war fragte mein Vater mich nach ein paar Tagen, wie es denn so im Heim war. Ich habe ihm daraufhin alles erzählt. Meinen Eltern standen die Haare zu Berge. Kollegen meines Vaters hatten wohl ebenfalls von ihren Kindern erfahren, was dort in Bad Sooden-Allendorf los war. Danach hieß es dann von der Postbetriebskrankenkasse, dass man das Heim geschlossen hätte. Gut so!
Es mag sein, dass in meiner Erinnerung die Zahl der Kinder falsch gespeichert ist, aber ich habe alles nach bestem Wissen und Gewissen so aufgeschrieben, wie ich es erinnere. Vielleicht sind wir auch gewandert, aber das ist alles weg. Was übrig ist, habe ich Euch nun mitgeteilt..
Ich bin froh und natürlich traurig zugleich, dass es so unglaublich vielen Kindern ähnlich ergangen ist. Ich habe im Nachhinein nicht den Eindruck, dass meinen beiden Tanten bewusst war, dass sie uns großes Unrecht antaten. Darüber grüble ich seit dem Bericht im Fernsehen nach. Sie wirkten irgendwie total souverän und - ja - nett manchmal. Das macht es irgendwie noch schlimmer.
Gruß an alle, die in Bad Sooden-Allendorf waren! Und Gruß an die kleine Cornelia, wherever you are....

Christa
fast 55 Jahre später...
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Kerstin Sombrowski schrieb am 19.09.2019
ich war mehrfach zur Kinderverschcikung, weil ich zu dünn war.Das erste Mal mit knapp sechs Jahren bach Norderney. an diesen Aufenthalt habe ich gar keine Erinnerungen.
Ein Jahr später musste ich nach St. Blasien im Schwarzwald. Das muss ein echter Horroraufenthalt gewesen sein.
Ich erinnere mich daran, dass wir regelrecht gemästet
wurden, um dicker zu werden. Es gab Mindestportionen, die gegessen werden mussten. Vorher durfte man den Speisesaal nicht verlassen.
Briefe nach Hause duften nur geschrieben werden, wenn die "Tanten" uns den Inhalt diktierten:
Zum Mittagstisch musste immer ein Kind was Tolles vortragen. Weil ich das nicht wollte, wurde ich an Armen, Haaren usw in die Mitte gezogen und gezwungen ein Lied zu singen.
Wenn wir uns nicht angemessen verhalten haben, wurden wir in eine dunkle Besenkammer gesperrt.
Es wurde Mittagsschlaf gehalten, dazu mussten wir alle schweigend zwei Stunden im Bett liegen. Mehrfach musste ich mich erbrechen, das Erbrechen wurde bestraft.
Es war ein Horroraufentahlt in St Blasien.
Danach musste ich noch einmal nach Wallgau. Meine große Schwetser fuhr mit. Dieser Aufenthalt war galube ich schön
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Joachim Ungerer schrieb am 19.09.2019
Aufgewühlt durch die Reportage von Report Mainz am 10.9.2019 über die Verschickungskinder habe ich mich zum ersten Mal ausführlich mit meinen eigenen Erlebnissen auseinandergesetzt. Davon möchte ich einiges gekürzt wiedergeben.

Vorbemerkung:
Fünfzig Jahre ist es jetzt her, die 6-wöchige „Erholung“ im Kinderheim Miralago in Brissago am Lago Maggiore. Nun habe ich zum ersten Mal zusammenhängend aufgeschrieben, was ich noch weiß, und welche Folgen das für mich hatte. Es fiel mir sehr schwer und ich war unendlich traurig dabei, aber es war mir auch ein Bedürfnis. Denn jetzt kann ich besser verstehen warum ich so bin, wie ich bin. Und ich trauere um das Kind, das ich seitdem nicht mehr war, und ich trauere auch um den Menschen, der aus mir hätte werden können.

Meine schlimmste Zeit:
Nach einer schulärztliche Untersuchung in der Grundschule wurde entschieden, dass ich wegen meiner schwächlichen Konstitution in ein Erholungsheim müsse. Dabei habe ich mich selber in meinem Körper wohl gefühlt, ich war drahtig und leicht, aber nicht schwächlich. Ich war lediglich einer der Kleinsten in der Klasse; darauf war ich sogar stolz. Es war das Jahr 1968, ich war 7 Jahre alt und ging in die zweite Klasse.
Zusammen mit meinen Eltern war ich dann bei einer Beratungsstelle, wo uns von tollen Heimen vorgeschwärmt wurde und was für eine einmalige Chance das sei. Ich wollte eigentlich nicht von daheim weg, schon gar nicht alleine, aber meine Eltern wurden überredet. Um mich zu ködern wurde mir sogar die Wahl gelassen zwischen einem Heim an der Nordsee und einem Heim am Lago Maggiore. Unsicher und mulmig habe ich mich dann für das Heim in Brissago (Schweiz, Tessin) entschieden, weil die Bilder so schön waren bzw. ausgemalt wurden. In mir entstand die Vorstellung eines richtigen Sommerurlaubes.
Zur angesagten Zeit, Anfang November dieses Jahres, brachten mich meine Eltern zu einem Zug im Bahnhof der Landeshauptstadt. Sie führten mich in ein reserviertes Abteil, wo noch andere Kinder saßen. An eine Begleitperson kann ich mich nicht erinnern. Dann ließen sie mich allein mit den fremden Kindern. Diese fremden Kinder waren dann später meine einzigen gefühlten Verbündeten gegen den Feind – die Tanten des Heimes. So wurde ich weggeschickt, mit Fremden in die Fremde.
Von der Fahrt weiß ich nichts mehr und vom Verlauf der nächsten 6 Wochen kann ich nur wenig Zusammenhängendes erinnern. Im Wesentlichen einzelne Momente der Qual, der Grausamkeiten, der Verzweiflung, aber vor allem meine innere Not. Es waren wohl die längsten und schlimmsten Wochen meines Lebens; und ich musste schon viele schwere Zeiten durchstehen.
Der Heimaufenthalt dauert für mich ewig und schien nicht enden zu wollen. Ich sehnte mich nach daheim, das hielt mich am Leben, die Hoffnung irgendwann wieder heim zu kommen. Welch ein Zynismus, so eine Einrichtung „Heim“ zu nennen.
Jeden Abend schaute ich im Bette liegend durch die offene Tür auf ein Fenster im Flur, das den Blick auf eine steile, bewachsene Böschung hinter dem Haus zeigte. Ein grün, braunes Chaos, und kein bisschen Himmel. Dieses Fenster war 6 Wochen lang meine eigene Welt und meine Rettung. In diese Welt mit Moos, Steinen, Erde, Gräsern, Farnen träumte ich mich hinein und bildete Muster und Figuren (ähnlich wie bei Wolkenbildern). Gefühlt lag ich stundenlang wach und schaute auf das Fenster, bis zum Einschlafen, dabei oft meinen Penis krampfhalft zuhaltend, weil die volle Blase drückte und wir nicht aufs Klo durften, wenn wir im Bett waren. Das war bei Strafe verboten. Natürlich wurden wir auch fürs Bettnässen bestraft. Das Schlafen auf dem Flur war eine Strafe, an die ich mich erinnere. Ein Bild, das ich noch sehe ist ein Junge, der sich dabei nackt auszog und verstört auf dem Flur herum hüpfte. Am Morgen lag ich ebenfalls vor dem Aufstehen lange wach und schaute auf das Fenster, im Versuch in dieser schmerzlosen Welt zu bleiben. So trauerte ich mich abends (oft mit drückender Blase) in den Schlaf hinein und morgens wieder aus meiner Traumwelt hinaus.
Man bedenke, es war November/Dezember. Ich konnte im Fenster alles gut erkennen, sowohl die lange Zeit Abends, bis die Dämmerung mir den Blick nach draußen nahm, als auch Morgens, als die Dämmerung mir den Blick wieder freigab und ich die lange Zeit bis zum Aufstehen meine „Fensterbilder“ formte. Das bedeutet: Wir wurden ins Bett gebracht lange bevor es Nacht war und wurden herausgeholt erst lange nach Tagesanbruch. Sonnenaufgang in Brissago ist am 30.11. 18 um 7.46 Uhr, Sonnenuntergang um 16.40 Uhr. Wenn ich diese Werte als Mittel auch für 1968 zugrunde lege dann wurden wir also rund 15 Stunden ins Bett gezwungen – und das ohne aufs Klo gehen zu dürfen.
Der Rest des Tages bestand dann aus einem Morgenkreis mit Singen von „dummen“ Fahrtenliedern, dem Frühstück, dem Mittagessen, dem Abendessen und einem Abendkreis wieder mit Singen. Ab und zu bastelten wir für Advent. Erinnern kann ich mich nur dunkel an einige Ausflüge (nach meinen Briefen müssen es ca. sechs gewesen sein). Bei einem wurde ich tief beschämt, weil ich, als einer der Kleineren, auf der Wanderung nur ein kurzen Stück mitlaufen durfte und dann mit den anderen Kleinen wieder zum Bus zurückmusste, um dort lange zu warten, bis die anderen wieder zurück waren. Dabei wollte ich so gerne laufen und mich frei fühlen.
Das Mittagessen war eine Folter. Das Essen selbst war ungenießbar, aber wir mussten aufessen. Ich erinnere mich an eine Pizza, die so eklig war, dass ich erbrechen musste. Ob ich dann mein Erbrochenes aufessen musste, erinnere ich nicht mehr. Aber ich weiß, dass andere dazu gezwungen wurden.
Die Heimtanten waren streng und ahndeten jeden Regelverstoß. Das einzige, was wir Kinder machen konnten, war es, uns in unserem Leid als Verbündete zu fühlen. Wehren konnten wir uns nicht – und um Hilfe rufen auch nicht. Denn die Post an die Eltern wurde streng zensiert.
Einmal in der Woche war Schreibtag. Wir durften aber nur „schöne Dinge“ schreiben. Wenn ich heute die Briefe lese, die meine Mutter aufgehoben hat, so klingen sie alle gleich nichtssagend konstruiert. Bei verdächtigen Formulierungen mussten wir den Brief neu schreiben. Alle Briefe (bis auf meinen ersten wurden von der jeweiligen Tante als Gruß getarnt abgezeichnet und die Elternbriefe wurden natürlich auch gelesen). So bekamen meine Eltern den Eindruck, als ob uns die Tanten die schönsten Ferien bereiten würden und hielten mich dann noch an folgsam zu sein und keine Schwierigkeiten zu machen. Meine versteckten „Hilferufe“ haben meine Eltern natürlich nicht verstanden. So war ich dann tief betroffen, als ich heute, also über 50 Jahre später las: „ … und vergesst mich nicht.“
Eine der wenigen Freuden in unserem tristen Leben waren die Briefe und Päckchen von daheim. Wenigstens gab es das Daheim noch und so auch die Hoffnung wieder da hin zu kommen. Die geöffneten Briefe durften wir behalten, doch die Päckchen wurden uns gleich wieder weggenommen. Und von den Schätzen und Süßigkeiten, die uns die Eltern so fürsorglich in dieser Vorweihnachtszeit zukommen ließen, bekamen wir so gut wie nichts. Alles wurde von den Tanten beschlagnahmt und dann nur wenige Brosamen an die Kinder verteilt, ohne Rücksicht darauf, wem es eigentlich gehörte. Ich erinnere mich nur an 2-3 Stückchen Schokolade, die ich insgesamt erhielt. Alles andere haben wohl die Tanten vernascht. So wurde uns auch noch das genommen, womit uns die fernen Eltern eine Freude machen wollten.
Tiefes Heimweh war unser alltägliches Brot. Das einzige, was mich am Leben hielt, war die Sehnsucht nach der Heimfahrt, irgendwann – und mein Fenster nach Hinten raus. Aber 6 Wochen waren für mich eigentlich gar nicht zu überblicken und stellten eine abstrakte Größe dar. Konkret war das tägliche Leiden. Ich war damals 7 Jahre alt, als ich mit dieser Heimsituation, ganz alleine gelassen, umgehen musste. Und aus meinen damaligen Leiden und Überlebensstrategien (vor allem der Rückzug nach Innen) sind meine heutigen Krankheiten geworden.
Endlich kam die Heimfahrt (ob eine Begleitperson dabei war, weiß ich auch hier nicht mehr), nach und nach stiegen die Heimkameraden aus, und endlich erreichten wir auch den Bahnhof, von dem ich vor so langer Zeit abgefahren war, und endlich sah ich meine Eltern wieder. Sie freuten sich natürlich, und ich auch – aber eigentlich nur äußerlich. Irgendwie waren sie für mich nicht mehr die Eltern, die ich vorher hatte.

Einiges aus meinem Leben danach:
Die Heimfahrt schien endlich die Erlösung zu sein, aber das war tatsächlich nur Schein. Jetzt im Rückblick muss ich sagen, ich war danach nicht mehr das Kind, das ich vorher war. Diese 6 Wochen haben mein Leben nachhaltig geprägt und belastet. Ich wurde zu einem zurückgezogenen Jungen, dem sozialer Kontakt schnell zuviel war. Ich ertrug es nicht mehr berührt zu werden, selbst nicht von meiner Mutter. Ich zog mich oft zurück, las viel und wurde vor allem innerlich zu einem Einzelgänger. Über die Jahre entwickelte sich eine Krankheitssymptomatik aus psychischen und körperlichen Beschwerden, die ich lange aus Scham verschwieg und verdrängte.
Heute lebe ich mit Depressionen, Zwangsstörungen und Ängsten. Ich kann kaum auswärts übernachten und brauche viel „meine Ruhe“. Körperliche Beschwerden kommen belastend dazu, vor allem im Verdauungs- und Ausscheidungsbereich. Meine Berufsbiographie ist durchzogen von vielen Zusammenbrüchen, langen Krankheitszeiten und einem ständigen Abstieg in immer schlechter bezahlten Jobs. Heute bin ich (befristet) erwerbsunfähig– auch das war ein langer, traumatischer Kampf.
Nun bin ich 58 Jahre alt, nicht mehr belastbar, erwerbsunfähig und mit vielen Krankheitsbelastungen behindert. Viele meiner Schwächen kann ich inzwischen akzeptieren. Gemessen an meinen „Behinderungen“ habe ich das Leben ganz gut gemeistert. Ich bin sogar verheiratet und habe Kinder. Aber ich hatte es nie leicht mit dem Familienleben und meine Familie hatte es nicht unbeschwert leicht mit mir, weil ich eben anders bin und andere Bewältigungsstrategien habe. Aber diese Strategien boten mir damals im Heim eine Möglichkeit des Überlebens, vor allem des seelischen Überlebens – und ich brauche sie teilweise noch heute.
Ohne dieses Leid, das mir angetan wurde, wäre mir bestimmt vieles leichter gefallen und ich hätte mein Leben vielleicht erwachsener in die Hand nehmen können – und hätte vielleicht auch anderen besser helfen können, auch solchen, die unter ihren Belastungen suizidal zusammengebrochen sind. Mein Schicksal habe ich inzwischen angenommen, weil ich auch tiefere Erfahrungen machen durfte, die ich nicht missen möchte; ohne Leiden keine Erkenntnis. Dass ich nicht so belastbar bin, wie andere und seit damals auch nie mehr richtig war, nagt aber zeitweise doch noch an mir. Und ich würde mir wünschen, nicht immer ringen zu müssen.
Erst durch die Reportage von Report Mainz konnte ich mich nun tatsächlich als Verschickungskind einordnen. Dafür bin ich dankbar. Es fiel mir schwer die Reportage anzuschauen, weil vieles bei mir wieder hochkam. Bisher habe ich gedacht, mein Heim wäre ein Einzelfall gewesen. Dieses Ausmaß an Misshandlungen hätte ich nicht erwartet. Außerdem sind die Folgen dieser wenigen 6 Wochen „Erholungsheim“ doch von kaum jemandem ernst genommen worden, angesichts der sexuellen Missbrauchsfälle und der jahrelangen grausamen Heimunterbringungen. Mich nun erstmals so ausführlich und zusammenhängend damit auseinanderzusetzen, war für mich sehr schmerzlich und traurig. Auch bei meinen bisherigen Therapien habe ich mich nicht zu tief darauf eingelassen, aus Angst, dass zu vieles hochkommt und ich überwältigt werde.
Dass ich mich nun als Verschickungskind einordnen kann, hilft mir nochmals besser zu verstehen, warum ich so bin wie ich bin. Denn diese 6 Wochen im „Erholungsheim“ haben mein Leben doch wesentlich geprägt und wohl vieles erschwert oder verhindert, worüber ich mitunter tief traurig bin. So war diese Schreibarbeit auch Trauerarbeit – und ich habe dabei einiges herausgetrauert und zu mehr Frieden gefunden.

Schuld und Wiedergutmachung:
Der Staat, die Verantwortlichen, die Mithelfer und Mitwisser haben sich schwer an den Kindern dieser Jahrzehnte versündigt, die in solche Erholungsheime verschickt wurden. Wieder gut machen lässt sich das nicht, zu viele Biographien wurden verbogen. Aber der Staat könnte Linderung schaffen, zuerst durch eine Anerkennung des Geschehenen, und dann vielleicht durch einen kulanten Umgang mit solchen Menschen bei den Ämtern und Behörden, je nach individueller Lebenslage. So hoffe ich z.B. auf eine Weiterverrentung. Die moralische Schuld muss dann anders aufgelöst werden.

Die andere Seite:
Zum Glück, oder aus Gnade gibt es auch noch die andere Seite meines Lebens, auf der ich Beistand hatte, auf der ich dem Leid einen Sinn abringen konnte, und Böses vielleicht noch wandeln kann. Diese andere Seite habe ich auch erlebt, und dann auch immer wieder Glück, Erfüllung und Frieden gefunden.


Folgendes Gedicht ist dann beim Schreiben noch entstanden:

Verschickungskind

Weggegeben
Hilflos
Heimatlos
Alleine
Entwürdigt
Gequält

Nun Gezeichnet
Und Krank
Und Anders
So bin ich nun.

Aber „Ich bin“ –
Und ich lebe und werde
Und kann dem einen Sinn geben!

Nicht nur
Gelitten
Gekreuzigt
und Gestorben –
Auch Auferstanden!
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Brigitte Juhls schrieb am 19.09.2019
Anfang oder Mitte der 60iger Jahre wurde ich nach Sylt ‚verschickt’. Warum überhaupt weiß ich bis heute nicht, da meine Eltern Binnenschiffer waren und ich sowieso in den Ferien immer mit dem Schiff unterwegs war und während der Schulzeit bei meinen Großeltern auf dem Land lebte.
Mit einem Sammeltransport kam ich also nach Sylt, ich kann mich nicht genau erinnern in welches Heim wir kamen, Vogelkoje, Klappholttal oder Puan Klent, auf jeden Fall war es in der Nähe von Kampen. Es war ein Barackenlager, so erschien es mir jedenfalls.
Dort angekommen wurden uns erst mal Geld und Süßigkeiten abgenommen und wir kamen in einen riesigen Schlafsaal. Als ich während meines Aufenthalts mal ein Paket von zu Hause bekam wurde der Inhalt konfisziert.
Als ein einigermaßen verwöhntes Einzelkind fand ich alles von Anfang an furchtbar dort. Es gab einen strengen Tagesablauf mit Spaziergängen, schrecklichem Essen und vorgeschriebenen Schlafenszeiten. Überhaupt das Essen, in einem riesigen Saal gab es das Essen, welches durchaus als eklig bezeichnet werden konnte, es durfte nicht geredet werden und die Betreuer*innen haben ständig überwacht, dass auch ja alles aufgegessen wurde.
Ich habe einen Brief nach Hause geschrieben und die Zustände dort geschildert. Die Post mussten wir den Betreuern*innen geben, die sie für uns abgesendet haben.
Ich war einfach nur froh, als die Zeit um war und ich wieder nach Hause konnte. Viele Monate später habe ich diesen Brief bei meiner Mutter gefunden.
Alles was ich im Brief negativ dargestellt habe war durchgestrichen, ich wurde als dreiste Lügnerin beschrieben und meinen Eltern wurde geraten, bei meiner Erziehung strenger zu sein und jede Lüge hart zu bestrafen.
Dies hat mich lange nach der Verschickung am allermeisten erbost.
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Brigga schrieb am 19.09.2019
Ich war auch in Bonndorf...1979... den Esel gab es. Jetzt fallen mir auch wieder Namen ein... Herr und Frau Preuß waren die Heimleitung. Und ja, die waren nah am Rentenalter...Gelegentlich kam die Tochter vorbei, die hatte einen Sohn, der hieß Oliver? Und die Tanten hießen Fräuleins 😀 Fräulein Manuela war nett und verständnisvoll, die Einzige. Dann gab's noch Petra, die ging so, Andrea naja und ein echter Besen war Cornelia.
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Renee schrieb am 19.09.2019
Ich war Anfang der 80er als sechsjährige zur Kur in Bonndorf. Der Schularzt hatte Untergewicht festgestellt, und da meine Eltern gerade am Bauen waren, war es praktisch, meinen Bruder (12) und mich (6) zur Kur zu schicken. Ich weiß noch, dass ich froh war, dass mein Bruder mitfuhr. Letztendlich habe ich ihn aber in den 6 Wochen ein oder zweimal von weitem sehen können. Meine Erinnerungen sind nur bruchstückhaft. Die erste ist vom Abend der Ankunft. Ich hoffte, dass mein Bruder mir gute Nacht sagt, aber das war verboten. Wer nicht schlief, weinte, unruhig war, musste auf dem erleuchteten Flur auf einer Behandlungsliege ohne Decke oder Kissen schlafen. Das Essen war schlecht, man musste aber aufessen. Wenn man das nicht tat, gab es entweder für alle am Tisch kein Dessert (das einzig genießbare) oder man durfte nicht aufstehen. Ein Kind schrieb nach Hause und beklagte sich über die Zustände. Seine Eltern kamen tatsächlich sofort, ob sie ihn mitnahmen oder die Heimleitung die Eltern beschwichtige, weiß ich nicht mehr. Aber danach wurden Briefe nach Hause geöffnet, zensiert, verschwanden, wurden diktiert. Meine sonstigen Erinnerungen begrenzen sich auf Wanderungen und die doch sehr eindrucksvolle Natur. Und die Heimfahrt. Wie wir alle im Bus euphorisch sangen, dass wir nach Hause fahren.
Ich glaube, es gab noch einen Esel dort, bin mir aber nicht sicher.
Ich weiß nur, dass ich mich von der Kur an komplett verändert habe. Vorher ein fröhliches, mutiges, aufgeschlossenes Kind, danach ängstlich, schüchtern, verschlossen, voller Verlustängste. Übergewicht blieb mir seitdem auch nicht erspart. Und der Verdacht von sexuellem Missbrauch keimte irgendwann auch in mir auf, weil ich seitdem auch ein gestörtes Verhältnis zu Körperlichkeit, Sexualität und Zärtlichkeit habe.
Naja, Bonndorf wurde im Jahr darauf geschlossen.
Vielleicht gibt es noch mehr, die sich an Bonndorf erinnern.
Renee
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Rolf Robertson schrieb am 18.09.2019
Als ehemaliger Mitarbeiter im Hamburger Kinderheim in Wyk auf Föhr kann ich mich nicht erinnern das damalige Kollegen von mir, in derartige Entgleisungen verwickelt waren.
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Petra H schrieb am 18.09.2019
Hallo liebe Birgit, vielen Dank für die Nachricht. Aber ich glaube, dieses Heim ist es nicht. Da kommt mir so gar nichts bekannt vor. Ich habe in Erinnerung, dass es ein Klinkerbau war.
Herzliche Grüße, Petra
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