Geschichte des Kindersanatoriums Waldesruh:

1927 wurde das Haus Waldesruh, von Familie Wilhelm Tiefenbach, auf dem ehemaligen Gelände der “Fuhrsmühle” erbaut. Ursprünglich wurde das Haus  als “Hotel Garni” Pension, genutzt, welches schon damals den Namen “Waldesruh” trug.  Ab 1939 – 1951 war das Haus militärisch beschlagnahmt, weshalb die Fam. Tiefenbach/Lichius, zwangsgeräumt wurde. Im Januar 1952 wurde das Haus wieder freigegeben. Nach einem Umbau, eröffnete “Else Lichius” am 2. Mai 1952 das Kindererholungsheim “Kindersanatorium Waldesruh”, unterstützt von “Dr. med. Richard Hennes”, Facharzt aus Bad Ems. Geschäftsführer war “Werner Lichius”. Die Mutter von Else Lichius arbeitete im Heim mit und später auch die Tochter “Gisela”. Der Mann von Else hieß Hans Lichius, mit dem sie vier Kinder hatte und der beim Versorgungsamt arbeitete. In das Heim wurden Kinder von: Versicherungsanstalten, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbänden u. dem Senat der Stadt Berlin versendet. Unter „ärztlicher Behandlung“ aufgenommen wurden, nach Selbstaussage im Folberth-Buch, 1964: “ganzjährig” Kinder von 2- 15 Jahren, mit Bronchialasthma, Bronchitiden, Brustfellerkrankungen u. deren Folgezustände.
Angeboten wurden: Med. Anwendungen: Untersuchungen, Gruppen-u. Einzelinhalationen mit “Emser Sole”, Elektrolunge, Atemgymnastik u. Höhensonne, Krankengymnastik, Spielen u. Spazieren gehen, so stand es auf dem Plan. Es gab sogar Unterricht in der ortsansässigen Volksschule.
1964 wurde ein täglicher Pflegesatz von 5,50DM – 7,50DM und eine Arztpauschale von 30.- DM, zuzüglich Kosten für ärztliche Verordnungen angesetzt. (Quelle: Sepp Folberth 1964, S.190). Ab ca. 1964 bis in die 70er Jahre, übernahm der Facharzt für innere Krankheiten, “Dr. med. Harald Herfurth”, die Ärztliche Leitung. Danach wurde erstmals ein Kinderfacharzt eingestellt, vorher gab es angeblich keinen in Bad Ems und Umgebung.

Mitte bis Ende der 60er Jahre wahrscheinlich 1967, ändert sich mit der Unterstützung der Heimaufsicht des Landesjugendamtes in Mainz, die Situation. Aus dem bisher privaten Kinder-Erholungsheim wird ein staatl. anerkanntes u. gemeinnütziges Jugendheim. Aus Berichten von Betroffenen und einer Zeit-Zeugin, die 1968 dort gearbeitet hat, geht hervor, dass der Kurbetrieb aber weiter betrieben wurde, also Heim-u. Kurkinder zusammen aufgenommen wurden. Zu der Zeit soll es auch eine Säuglingsstation dort gegeben haben, die kurzfristig auch Neugeborene aufgenommen hat. Es soll wie vielerorts an Personal gemangelt haben.

1984 setzt sich “Else Lichius” zur Ruhe und die Sozialpädagogin “Monika Lichius”, eine der Töchter, übernimmt mit ihrer Schwägerin Gerda, die Leitung. Geschäftsleiter wird der Bruder “Günther Lichius”. Seither nennt sich das Heim “Sozialpädagogisches Haus “Waldesruh” Dausenau GmbH, welches noch heute existiert, nun unter der Leitung der Enkelin, “Tanja Lichius”. 2019 hat Ihr Bruder “Mike Lichius” die Geschäftsführung übernommen. Else Lichius stirbt am 4.5.2018 mit 95 Jahren.

Früher sollen im Sommer bis zu 100 Kinder in der “Waldesruh” zur Kur gewesen sein. Als Bettenkapazität wurden 1964, 40 Betten ausgewiesen.
Heute leben dort ca. 30 Kinder und angeblich genauso viele Mitarbeiter.
Dausenau liegt in 380m Höhe, direkt neben “Bad Ems” an der Lahn, von wo die “Emser Sole” stammt. 

Dieses sind Recherche-Ergebnisse der Bürgerforschung der Heimortgruppe Dausenau, von der Heimortkoordinierenden, Birgit Hof, die selbst in diesem Heim verschickt war.

Hier ein Tagesablauf 1966, vom Heim vervielfältigt an die Eltern verschickt.

                                                         Ihr Lieben!

Unsere Pflegetante hat für viele Kinder zu schreiben, deswegen hat sie den heutigen Brief mit dem Tagesablauf vervielfältigt, damit alle Lieben zu Hause wissen, was wir den ganzen Tag treiben. Unser Herr Dr. hat uns gleich nach der Ankunft untersucht uns unser Gesundheitszustand überwacht er laufend. Für jedes Kind hat Herr Dr. eine Menge Verordnungen losgelassen. Täglich gehen wir eine halbe Stunde in die Rauminhalation. Bei Bedarf gibt es noch Klimakammer und Spezial- Einzelinhalationen. Wöchentlich turnen wir 2 x mit der Gymnastiklehrerin. Nächste Woche haben wir noch Höhensonne und Massage. Jede Woche werden wir morgens nüchtern im Schlafanzug gewogen. Das Gewichtsbuch schaut sich der Herr Dr. immer an und die schlechten Esser bekommen zusätzliche Vitamingaben und appetitanregende Medikamente. Evtl. Liegekur (?) angeordnet.

Unser allgemeiner Tagesablauf: Morgens 8 Uhr aufstehen, waschen, Zähne putzen, anziehen und Kaffee trinken. Anschließend werden die ärztlichen Verordnungen durchgeführt. Wenn wir dann noch Zeit haben gehen wir spielen oder spazieren. Von 12 – 13 Uhr Mittagessen, dann haben wir 2 Stunden Bettruhe. Anschließend Kaffee trinken, danach kommt Herr Dr. zur Visite. Der restl. Nachmittag ist frei zum Spielen oder Wandern. Von 18 bis 19 Uhr Abendbrot, danach werden Medikamente ausgeteilt und bis 20 Uhr liegen alle Kinder im Bett. Dann kommt der Nachtdienst, der für alle Sorgen und menschl. Nöten in der Nacht zuständig ist. Es erfolgen täglich morgens und abends, Fieberkontrollen. In der Woche wird einmal nach Hause geschrieben, die größeren Kinder haben die Möglichkeit öfters zu schreiben. Die eingehende Post wird den Kindern sofort ausgehändigt. Wenn wir brav sind, dürfen wir auch die Kinderstunde im Fernsehen ansehen. Unsere Wäsche und Bekleidung wird bei Bedarf laufend gewechselt. Alle Konfessionen haben die Möglichkeit jeden Sonntag den Gottesdienst zu besuchen.

Der Originaltext ist durch das Einscannen nur schlecht lesbar, deshalb habe ich ihn abgeschrieben. Das Original befindet sich im Forum, unter Rheinland- Pfalz,
Dausenau bei Bad Ems “Kindersanatorium Waldesruh” Privatkinderheim 

Zusammenfassung aus Berichten von Betroffenen 

Essen: Täglich klumpige Milchsuppe und eine große Tasse Kakao zum Frühstück. Zum Mittagessen z.B. grässliche Linsensuppe. Alles musste aufgegessen werden, auch wenn es nicht schmeckte. Beim Essen musste die linke Hand auf den Tisch, neben den Teller gelegt werden. Sonntags eventuell geviertelte Brötchen mit Butter u. Marmelade, dazu Kakao aus großen Blechkannen.

Unterbringung: Die Großen wurden von den Kleinen getrennt, auch Geschwister. In Einzelfällen gab es auch Doppelzimmer. Ansonsten in Gruppenschlafräumen.

Betreuung: Wenig Personal, Kinder müssen sich oft selbst beschäftigen. Die Großen Kinder müssen den Kleinen beim Waschen und anziehen helfen. Die Großen kommandieren die Kleinen herum. Kinder wurden von den Betreuerinnen angehalten ruhig zu sein und die Regeln zu befolgen. Am besten ging es den Kindern, wenn sie funktionierten und sich unauffällig verhielten.

Pflege: Haare mussten mit kaltem Wasser gewaschen werden, danach waren viele Kinder krank. Alle mussten die gleiche Medizin schlucken.

Post: Frankierte Postkarten wurden schon mit der Adresse der Familie ausgefüllt, mitgegeben. Die Schwestern mussten bei den Kleinen dann nur noch ihre Standardsprüche dazu schreiben. Die Briefe der Großen wurden kontrolliert und mussten bei Bedarf verbessert werden. 

Gewicht: Das Gewicht wird einmal wöchentlich kontrolliert. Für jedes Kind wird ein Gewichtsbuch geführt. Die “schlechten Esser” bekommen zusätzliche “Vitamingaben und appetitanregende Medikamente”.
Bei jeweils 100 Gramm Gewichtszunahme, werden die Kinder mit Süßigkeiten belohnt. 

Umgang: Keine körperliche Züchtigung, aber auch keine herzliche Zuwendung.

Beschäftigung: Spielen auf dem großen Spielplatz am Haus, lange Spaziergänge in Zweierreihen, ansonsten kaum sinnvolle Beschäftigung. Zur Vergnügung wurde auch von einem Bananen-wettessen berichtet.

Personal: Hier werden die Erzieherinnen “Schwestern” genannt, nicht wie vielerorts Tanten. 
Schwester Aenne, sehr streng, ihr “Bitte” ließ die Kinder fürchten. Hier handelt es sich wahrscheinlich um die Erzieherin Anne Vogt, von der es unterzeichnete Briefe aus dem Jahr 1966 gibt.
Schwester Gisela, die Tochter der Heimleiterin, war nett.
1968 war dort eine Hauswirtschafterin namens Nonninger beschäftigt.

Sonstiges: Anfang der 60er Jahre, große schwarze Hunde, im Zwinger im Hof. Tümpel mit Enten und Hühnern, hinterm Haus, wo auch der Unterbach vorbeifließt.


Weitere Zeugnisse aus Dausenau

5 Zeugnisse von 1959 - 69

  • 1959 Inge verbrachte mit 5 Jahren 6 Wochen in Dausenau wegen Bronchitis

    Ich verbrachte 6 Wochen in Dausenau, angeblich wegen Bronchitis. Ich war erst 5 Jahre und sehr schüchtern, so das ich fürchterlich unter der Trennung meiner Eltern gelitten habe. Ich kann mich nicht an so viel erinnern, nur an die Essensszenen und die große Angst es nicht runter zu bekommen. Ich kann mich wenig an Details erinnern. Vielleicht verdrängt. Auf jeden Fall wurde ich nach dem Aufenthalt dort "nicht mehr krank" und war noch schweigsamer als vorher. Meine Mutter erzählte, das Ehepaar Lichius, das Haus war in Privatbesitz, hat mich und einige andere Kinder am 9.9.59 mit zwei PKWs in Saarbrücken abgeholt. Ich war aus Orscholz. Vielleicht kann sich noch jemand daran erinnern. Ich habe noch ein Gruppenfoto und eine Karte und werde dies noch in die Galerie tun. Alles Liebe Inge

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  • 1966 Birgit (3 Jahre, Heimverantwortliche) war mit ihrer 6 Jahre alten Schwester zusammen in Dausenau

    Hallo, ich bin total erleichtert, dass endlich auch dieses Thema einmal zur Sprache kommt. Seit Jahren suche ich Menschen, mit denen ich über meine Erlebnisse reden kann. Ich war 3 Jahre alt, als ich mit meiner Schwester von 6 Jahren, 1966 zur Kur nach Dausenau ins Kinderkurheim "Waldesruh" geschickt wurde. Es muss wohl im Spätsommer gewesen sein, eine genauere Zeitangabe habe ich nicht, weil bei uns zu Hause niemand darüber reden wollte. Meine

    Schwester kann sich an nichts mehr erinnern, und hat mich vor Jahren, als ich durch schwere Depressionen an dieses "unsägliche Thema" kam, glatt für verrückt erklärt und mir jede Hilfe verweigert. Gerade deshalb suche ich dringend Jemanden, der auch in diesem Heim war, vielleicht zur gleichen Zeit. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand weiter helfen könnte. In meiner Verzweiflung habe ich vor fast 16 Jahren angefangen darüber zu schreiben, aber immer wieder habe ich damit aufgehört, weil es zu schmerzhaft war, oder weil ich glaubte, dass niemand daran Interesse hätte. Dieses plötzliche aufflammen dieses lang verschwiegenen Themas, macht mir wieder Mut weiter zu schreiben. Diese Kur war mein größter Albtraum. Vieles woran ich mich noch erinnern kann, wurde von anderen bereits erwähnt. In diesem Sinne hoffe ich hier Antworten zu finden.

    Danke an alle, die sich trauen endlich darüber zu erzählen, ich dachte schon ich wäre eine Ausnahme.

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  • 1966 Kirsten war mit 8 Jahren für 6 Wochen in Dausenau

    Ich kann es gar nicht fassen, dass sich jemand für diese Ereignisse interessiert, dass es dafür einen Namen gibt.

    Ich war vom 12.04.1966 bis 24.05.1966 im Kindersanatorium "Waldesruh" in Dausenau an der Lahn. Der Zeitraum müsste stimmen, da ich noch ein paar Briefe von mir aus dieser Zeit habe, 2 davon enthalten Zusatzschreiben an meine Mutter unterschrieben von einer Anne Vogt. Ich war damals 8 Jahre alt und hatte die ganze Zeit fürchterliches Heimweh, worüber ich auch krank wurde. Ich wurde dorthin geschickt, weil ich zu dünn war.

    Diese schreckliche Zeit hat Auswirkungen bis heute, hat mein Leben geprägt.

    Ich habe viele Jahre Therapie hinter mir, zuletzt während meines Burn Outs. Im Sommer vergangenen Jahres schloss ich sie ab. Es ging mir viel besser und ich dachte, ich hätte es endlich geschafft, aber ich habe weiter zu kämpfen.

    Und als ich dann über die Suche nach einem Hörspiel oder einer Dokumentation (ich kann so besser einschlafen) auf den SWR2-Beitrag "Was habt ihr mit uns gemacht? Ehemalige Verschickungskinder fordern Aufklärung" in der "ardaudiothek" stieß, hat es mich wieder gepackt. Meine Arme und Beine wurden eiskalt und ich verspürte wieder eine so große Schwäche in den Beinen. Genau eines der Hauptsymptome während meines Burn Outs. Ich glaube, da sitzt noch was, was unbedingt endlich heraus will.

    Einiges erinnere ich noch, anderes liegt unter schwarzen Flecken. Wie schon gesagt, ich hatte fürchterliches Heimweh, was in keiner Weise von den sog. Schwestern aufgefangen wurde. Im Gegenteil, ich wurde unter Druck gesetzt. Man sagte mir, dass ich mich nicht so anstellen solle. Auch sollte ich meinen Eltern davon nichts schreiben, ich wolle sie doch nicht etwa traurig machen. Besonders dramatisch wurde es, als ich Nachricht erhielt, dass mein geliebter Großvater im Krankenhaus war. Und ich durfte nicht zu ihm. Das Gefühl von Hilflosigkeit, das Gefühl gefangen zu sein war übermächtig.

    Beim Essen ist mir besonders die eklige Milchsuppe und die große Tasse Kakao in Erinnerung, die wir ja noch vor den Hauptmahlzeiten essen mussten, was für mich regelmäßig zu viel war. Aber es gab kein Erbarmen, es musste aufgegessen werden. Irgendwann habe ich ihnen auf den Tisch gekotzt.

    Durch das Heimweh wurde ich krank und musste im Bett bleiben. Mein Bett stand im Gemeinschaftsschlafsaal. Da lag ich krank und fühlte mich verloren. Ich erinnere nicht, ob jemand kam und sich um mich kümmerte. Wird wohl so gewesen sein, dass ich Essen bekam. Aber den Zusammenhang zwischen Heimweh und Erkrankung bemerkte sicher niemand.

    Ich weiß noch, dass ich dann irgendwann mal aufstand und durch das stille, verlassene Haus wanderte, es war niemand da, die Türen nach draußen verschlossen. Zu der Zeit waren Jugendliche aus Berlin da, die in einem anderen Trakt ihre Zimmer hatten. Bei ihnen brach ich dann in Tränen aus, weil ich so froh war, jemanden zu finden. Ich hab so sehr geweint und von meinem Heimweh erzählt, dass die Jugendlichen sich hrend um mich kümmerten. Ich kann mich an ihre Betroffenheit noch erinnern.

    Es gibt 11 Briefe und Postkarten aus dieser Zeit, die ich nach Hause geschrieben hatte. Sie wurden vor dem Versenden kontrolliert. Bei zwei Briefen finden sich handschriftliche Kommentare von Anne Vogt. Darin beruhigt sie meine Eltern und beschreibt mein Heimweh als „Umstellungsschwierigkeiten“, die sich in den nächsten Tagen legen werden. Später lügt sie einfach und behauptet, ich sei sehr froh und würde gut erholt zurückkommen.

    Dieser Aufenthalt hatte definitiv Auswirkungen auf mein Leben. Bis heute habe ich Schwierigkeiten wegzufahren. Es kam und kommt vor, dass ich eine Reise oder einen Ausflug verabrede und kurz vorher überfällt mich Todesangst, dass mir etwas Schreckliches passieren wird, wenn ich die Reise oder den Ausflug antrete. Ich kann dann nicht anders, als abzusagen.

    Sogenannte Autoritäten machen keinen Eindruck auf mich. Im Gegenteil, Titel und Ämter erfüllen mich mit großem Misstrauen. Ich habe einen unbändigen Freiheitsdrang und kriege Beklemmungen, wenn ich in geschlossenen Räumen bin. Geschlossene Räume bedeuten für mich auch gedankliche Räume. Ich entwickelte ein feines Gespür für Manipulation und für die Stimmungen meines Gegenübers. Heute weiß ich, dass es meine Überlebensstrategie war und heute noch ist. Ungerechtigkeiten ertrage ich nicht und wo ich nichts daran ändern kann, leide ich darunter.

    Von meinen Eltern fühlte ich mich verraten und verkauft. Nach meiner ckkehr reagierte meine Mutter auf das Thema Heimweh abschließend mit den Worten ab: „Du bist selbst daran Schuld, Du wolltest ja unbedingt dahin. Also stell Dich nicht so an“. Das war es.

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  • 1969 Nicole war mit 3 1/2 Jahren für 6 Wochen in Dausenau

    Ich war mit 3,5 Jahren für 6 Wochen 1969 in Dausenau wg. chronischem Asthma (BKK BASF). Lt. Aussagen meiner Eltern wurde der Aufenthalt als alternativlos vom Lungenfacharzt Ertlenbruch in Ludwigshafen/Rhein angeordnet ..

    Ich wurde mit einem großen Pappschild um den Hals in Ludwigshafen von meinem Vater in den Zug gesetzt und mir wurde versichert, dass mich meine Eltern dort wieder abholen würden, was ich zunächst relativ gelassen als unabdingbar so hinnahm ..

    Ich lag in einem schmalen kleinen Zimmer mit 2 Betten und einen wesentlich älteren Mädchen. Ich kenne keinen Namen und auch kein Alter (etwa 8-12 ?), da wir kaum oder nichts miteinander gesprochen haben und auch sonst kein Kontakt bestand. Wir hatten aber auch keine Probleme, es war für mich einfach die bestehende Vorgabe, dass wir beide diesem Zimmer zugeteilt wurden ..

    Ich hatte Probleme mit dem Essen, vor allem mit der Haferschleimsuppe, die es täglich vor der Hauptmahlzeit gab. Ich ekelte mich so sehr davor, dass ich sie von Anfang an unter den Tisch mit langer weißer Tischdecke kippte, in der Annahme, dass die Sache damit für mich erledigt sei :-) dem war aber leider nicht so. Nach ein paar Tagen wurde ich darauf angesprochen und ich streng daraufhin gewiesen, dass ich ohne diese Suppe, als "Medizin" bezeichnet, keine Hauptspeise bekommen würde. Ich weiß nicht mehr wie lange, einige Tage auf jeden Fall, vtl. auch länger, habe ich dennoch keine Suppe gegessen und daher auch kein Essen mehr zu dieser Mahlzeit bekommen. Abends im Bett habe ich im Dunkeln vor Hunger meine Blendi Erdbeerzahnpasta gegessen. Irgendwann musste ich nur noch einen Löffel Suppe essen, um die Hauptmahlzeit zu bekommen. Was für mich dann auch ok war ..

    Schlimm war es auch für mich, dass ich mir selbst mit kaltem Wasser die Haare waschen musste. Das hatte ich zu Hause nicht gelernt. Die normale Körperpflege hat mich vor keine großen Herausforderungen gestellt.

    Nach einiger Zeit mit Heimweh und Verwirrung, was der Aufenthalt denn jetzt für mich bedeutete, wurde ich zunehmend entschlossener, mich irgendwie dort durchzubringen, damit ich dann eben ohne Eltern mein weiteres Leben leben konnte. Für mich stand irgendwann fest, dass meine Eltern mich nicht mehr abholen würden, warum auch immer ..

    Nachdem sie mich wieder Erwarten dann doch abgeholt hatten, war ich wie versteinert. Meine Überlebensstrategie wurde über den Haufen geworfen und ich konnte oder wollte es nicht glauben, wahrscheinlich aus Angst wieder weggeschickt zu werden. Ich hatte für eine gewisse Zeit Sprechstörungen, so eine Art Kiefersperre und musste ständig weinen.

    Nachts hatte ich sehr lange Zeit, etwa einige Jahre, Alpträume und nässte fortan auch nachts ein, was mich sehr unglücklich machte.

    Aber am schlimmsten quälten mich bestimmt 5 Jahre ärzlich attestierte Frostbeulen an beiden Füßen, die ich mir in dieser Zeit, ein kalter Winter mit Schnee, zugezog, da ich nur mit Gummistiefeln als Winterschuhe ausgerüstet war und mir diese auch noch ohne Strümpfe selbst angezogen hatte. Diese juckenden Schmerzen (Frühling/Herbst) kann ich heute noch spüren und mich daran erinnern, dass ich mir nur Erleichterung verschaffen konnte, indem ich auf meinen Füßen herumbiss.

    Was dieser Aufenthalt mit mir als Person und meiner Entwicklung gemacht hat, kann ich nur erahnen. Mein Verhältnis zu meinen Eltern ist dadurch sicherlich erheblich belastet und mein Lebensweg gezeichnet .. ich hatte allerdings nie Schulprobleme, im Gegenteil erschien mir hinterher keine Schwierigkeit oder Problem zu groß, als dass ich es nicht hätte selbst lösen können.

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  • 1969 Wenzlaff verbrachte mit 13 Jahren sein Wochen auf Dausenau

    absolut richtig,ich war mit 13J. in Dausenau,also 1969,

    wir hatten sogenannte Schwestern, nicht Tanten,die großen mussten die Kleinen waschen und anziehen,die Geschichten im Speisesaal stimmen,mussten unsere damals langen Haare mit kaltem Wasser waschen, so dass alle krank waren, alle mussten die gleiche Medizin schlucken, Briefe nach Hause wurden kontroliert, so dass wir sie rausgeschmuckelt haben, jeder, auch Übergewichtige mussten zunehmen, für jede 100Gramm gab es Süßigkeiten, habe aber keine bekommen, weil ich nicht zugenommen habe, aus heutiger Sicht undenkbar,aber hatte das Glück, einige nette Gleichaltrige zu finden, so dass die schlimmen Wochen zu überstehn waren. Mitgenommen in die heutige Zeit habe ich diese Erlebnisse nicht, und wünsche allen, dass sie es überwinden können!

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